Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 IV 83



125 IV 83

13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs vom 2. März 1999 i.S. B. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

      Art. 26 SVG, Art. 34 Abs. 3 SVG, Art. 35 Abs. 3-6 SVG, Art.
36 Abs. 1 SVG und Art. 39 Abs. 1 lit. a SVG, Art. 13 Abs. 1 VRV;
Vorsichtspflichten des Linksabbiegers, Vertrauensgrundsatz.

    Der Linksabbieger, der korrekt eingespurt ist und den linken Blinker
gestellt hat, darf - ohne unmittelbar beim Abbiegen nochmals den Verkehr
hinter ihm beobachten zu müssen - in der Regel darauf vertrauen, dass
ihn kein Verkehrsteilnehmer vorschriftswidrig links überholt (Änderung
der Rechtsprechung).

Sachverhalt

      Der Amtsgerichtspräsident von Dorneck-Thierstein büsste B.
am 30. Oktober 1997 wegen ungenügender Rücksichtnahme auf nachfolgende
Verkehrsteilnehmer beim Abbiegen mit Fr. 150.--.

    Eine Kassationsbeschwerde des Gebüssten wies das Obergericht des
Kantons Solothurn am 2. September 1998 ab.

    B. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 1

      1.- a) Die Vorinstanz führt unter Hinweis auf Rechtsprechung
und Literatur aus, gemäss Art. 34 Abs. 3 des Bundesgesetzes über den
Strassenverkehr (SVG; SR 741.01) habe der Führer, der seine Fahrtrichtung
ändern wolle, wie zum Abbiegen, Überholen, Einspuren und Wechseln des
Fahrstreifens, auf den Gegenverkehr und auf die nachfolgenden Fahrzeuge
Rücksicht zu nehmen. Der Sinn dieser Bestimmung liege darin, dass jede
Richtungsänderung für andere, die geradeaus fahren würden, gefährlich
sei und oft nicht oder zu spät wahrgenommen oder auch missverstanden
werde. Der abbiegende Fahrzeuglenker schaffe demzufolge eine erhebliche
Gefahr, weshalb von ihm verlangt werde, bei seinem Fahrmanöver im Interesse
der Verkehrssicherheit besonders vorsichtig zu sein. Aus diesen Gründen
beinhalte die Rücksichtnahme auf die nachfolgenden Fahrzeuge insbesondere
eine Beobachtungspflicht: Wer nach links abbiegen wolle und pflichtgemäss
einspure und den Blinker stelle, dürfe sich nicht ohne weiteres auf das für
nachfolgende Fahrzeuge geltende Verbot des Linksüberholens verlassen. Da
der nach links Abbiegende durch sein Fahrmanöver eine erhebliche Gefahr
für den übrigen Verkehr schaffe, habe er die von ihm geschaffene Gefahr
selbst zu vermindern, indem er sich vor dem Abbiegen vergewissere, dass
durch sein Fahrmanöver kein nachfolgendes Fahrzeug gefährdet werde. Gemäss
Art. 35 Abs. 4 SVG sei nämlich das Überholen auf Strassenverzweigungen
grundsätzlich erlaubt, sofern die Verzweigung übersichtlich sei und
das Vortrittsrecht anderer nicht beeinträchtigt werde. Aus diesem Grund
müsse der nach links Abbiegende auch im Bereich von Strassenverzweigungen
damit rechnen, dass er links überholt werde. Das Mass der aufzubringenden
Sorgfalt, welche der nach links Abbiegende aufzubringen habe, richte sich
nach den Umständen des Einzelfalles, namentlich nach den Örtlichkeiten und
den Platz- und Sichtverhältnissen. Beim Abbiegen auf Strassenverzweigungen
genüge es im Allgemeinen, dass der nach links Abbiegende vor dem Abbiegen
in den Rückspiegel schaue. Bei erschwerter Sicht und an Stellen, wo zum
Rechtsüberholen des gegen die Strassenmitte eingespurten Fahrzeuges nicht
genügend Raum verbleibe, auf der Höhe von schmalen Nebensträsschen, müsse
sich ein nach links abbiegender Fahrzeuglenker zusätzlich vergewissern,
ob ihm nicht ein anderes Fahrzeug im sichttoten Winkel seines Wagens
folge. Er sei deshalb verpflichtet, weitere Vorsichtsmassnahmen zu treffen,
wenn nicht schon mit einem Blick durch den Rück- und Aussenspiegel ein
sicherer Überblick über die hinter und links von seinem Fahrzeug liegende
Zone gewonnen werden könne (Rückwärtsbeobachtung durch das geöffnete
Seitenfenster, Sicherheitshalt usw.).

    Gemäss Art. 35 Abs. 5 SVG dürften Fahrzeuge nicht überholt werden,
wenn der Führer die Absicht anzeige, nach links abzubiegen. Dies bedeute,
dass derjenige, der nach links abbiegen wolle und die Richtungsänderung
ankündige, vor demjenigen, der überholen wolle, den Vortritt habe. Dies
bedeute jedoch nicht, dass der nach links Abbiegende von seinen
Vorsichtspflichten beim Linksabbiegen entbunden sei. Vielmehr habe er bei
seinem Fahrmanöver alle Sorgfalt aufzubringen, wie sie nach den Regeln
des Strassenverkehrsrechts von ihm verlangt werde.

    Die Hauptstrasse in Hochwald sei an der fraglichen Stelle nicht sehr
breit, so dass der Mercedes des Beschwerdeführers die gesamte Fahrbahn fast
vollständig in Anspruch nehme beziehungsweise ausfülle. Ein Rechtsüberholen
sei für den nachfolgenden Verkehr bei der Verzweigung Gässli somit nicht
möglich. Zwar wäre ein Rechtsüberholen gemäss den Situationsphotos
praktisch nicht ausgeschlossen, da rechts ein Vorplatz liege. Ein
Ausweichen von nachfolgenden Fahrzeugen über den privaten Vorplatz dürfe
aber nicht erwartet werden. Für den Radfahrer, mit dem der Beschwerdeführer
beim Linksabbiegen kollidierte, wäre ein Rechtsüberholmanöver zusätzlich
erschwert gewesen, da der Bodenbelag beim Übergang von der Strasse zum
Vorplatz uneben sei und somit für zweirädrige Fahrzeuge ein zusätzliches
Risiko bedeutet hätte. Zudem wäre es durchaus möglich gewesen, dass
zwischenzeitlich ein anderer Personenwagen von hinten genaht wäre und
sich im toten Winkel des Beschwerdeführers befunden hätte: nach dessen
Angaben sei er die 102 m auf der Hauptstrasse mit einer Geschwindigkeit von
ca. 20 km/h gefahren, wozu er rund 18 Sekunden benötigt habe; kurz nach dem
Einbiegen in die Hauptstrasse habe er in den Rückspiegel geschaut. Selbst
wenn er vor dem Abbiegen noch kurz in den Seiten- und Rückspiegel geschaut
hätte, wäre es durchaus möglich gewesen, dass sich zwischenzeitlich ein
anderes Fahrzeug links im toten Winkel befunden hätte. Nachweislich habe
der Beschwerdeführer während längerer Zeit den nachfolgenden Verkehr
nicht beachtet, weshalb aufgrund seiner tiefen Geschwindigkeit ein
anderes Fahrzeug mit höherer Geschwindigkeit zwischenzeitlich von hinten
herangefahren oder von einem Vorplatz eingebogen sein und sich im toten
Winkel befunden haben könnte. Der Beschwerdeführer sei demzufolge seinen
Pflichten beim Abbiegen nach links nicht rechtsgenüglich nachgekommen. Er
hätte weitere Vorsichtsmassnahmen treffen müssen (z.B. Seitenblick), um
die Gewissheit zu haben, dass sich kein Fahrzeug oder Fahrrad im toten
Winkel befinde. Weil er dieser Sorgfaltspflicht nicht beziehungsweise
nicht genügend nachgekommen sei, habe er Art. 34 Abs. 3 SVG verletzt. Auch
der Umstand, dass er frühzeitig geblinkt und nach links eingespurt sei,
vermöge ihn nicht zu entlasten. Weil er sich nicht noch zusätzlich im
letzten Augenblick nach hinten vergewissert habe und dem sich rasch
nähernden Rennfahrer die an sich nicht erlaubte Vorfahrt auf der linken
Seite ermöglicht habe, sei er wegen Verletzung von Art. 34 Abs. 3 SVG
schuldig zu sprechen.

    b) Der Beschwerdeführer macht geltend, dem korrekt eingespurten
Verkehrsteilnehmer stehe gegenüber nachfolgenden das Vortrittsrecht
zu. Art. 34 Abs. 3 SVG verpflichte denjenigen, der am Einspuren
sei, auf die nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen. So dürfe,
insbesondere wer überholt werde, nicht nach links einspuren, wenn er
dadurch einen Überholenden behindern oder gefährden würde. Wer nach links
einspuren wolle, habe daher nötigenfalls alle zur Verfügung stehenden
Beobachtungsmittel einzusetzen. Der Beschwerdeführer habe sein Fahrzeug
sofort nach dem Einbiegen in die Hauptstrasse nach links an die Leitlinie
gesetzt, sei also eingespurt. Auch habe er rechtzeitig den linken
Blinker gestellt. Im Moment des Einspurens sei der Fahrradfahrer noch
weit entfernt gewesen, womit der Beschwerdeführer auf den nachfolgenden
Verkehr genügend Rücksicht genommen habe. Sei er aber seinen Pflichten
vollumfänglich nachgekommen, so könne eine Verurteilung nicht deshalb
erfolgen, weil es aufgrund eines unvorhergesehenen Verhaltens eines
anderen Verkehrsteilnehmers trotzdem zu einer Kollision gekommen sei. Er
habe nicht damit rechnen müssen, dass er von einem Velofahrer links
überholt werde. Ein Verkehrsteilnehmer, der sich korrekt verhält, sei
nicht verpflichtet, jedes Fehlverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers
zu antizipieren. Die Vorinstanz habe zudem nicht berücksichtigt, dass
sich der Beschwerdeführer auch auf den entgegenkommenden Verkehr und den
Verkehr im Gässli habe achten müssen. Entlang der Hauptstrasse in Hochwald
befänden sich viele Bauernhäuser, Läden und Wohnhäuser. Auch wenn sich
auf den ersten Blick aus der Gegenrichtung kein Fahrzeug genähert habe,
so sei die Gefahr eben gross, dass von einem Vorplatz sich ein Fahrzeug
in den Verkehr einfüge und auf die kritische Stelle zufahre. Zudem habe
der Beschwerdeführer den engen Verhältnissen im «Gässli» Rechnung tragen
und seine Aufmerksamkeit dorthin lenken müssen.

Erwägung 2

      2.- a) Gemäss Art. 34 Abs. 3 SVG hat der Führer, der seine
Fahrrichtung ändern will, wie insbesondere zum Abbiegen, auf den
Gegenverkehr und auf die ihm nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu
nehmen. Eine pflichtgemässe Zeichengebung entbindet den Fahrzeugführer
nicht von der gebotenen Vorsicht (Art. 39 Abs. 2 SVG). Demgegenüber
muss der Überholende auf die übrigen Strassenbenützer, namentlich auf
jene, die er überholen will, besonders Rücksicht nehmen (Art. 35 Abs. 3
SVG). So darf etwa in unübersichtlichen Kurven nicht überholt werden
(Art. 35 Abs. 4 SVG). Auch dürfen Fahrzeuge dann nicht überholt werden,
wenn der Führer die Absicht anzeigt, nach links abzubiegen (Art. 35 Abs. 5
SVG). Hat ein Fahrzeug aber zum Abbiegen bereits nach links eingespurt,
darf dieses (nur) rechts überholt werden (Art. 35 Abs. 6 SVG).

    b) Nach dem aus der Grundregel von Art. 26 Abs. 1 SVG abgeleiteten
Vertrauensgrundsatz darf jeder Strassenbenützer, sofern nicht besondere
Umstände dagegen sprechen, darauf vertrauen, dass sich die anderen
Verkehrsteilnehmer ebenfalls ordnungsgemäss verhalten, ihn also nicht
behindern oder gefährden (BGE 118 IV 277 E. 4a mit Hinweisen). Schranke
für den Vertrauensgrundsatz bildet Abs. 2 von Art. 26 SVG, nach
welcher Bestimmung besondere Vorsicht geboten ist gegenüber Kindern,
Gebrechlichen und alten Leuten, sowie wenn Anzeichen dafür bestehen,
dass sich ein Strassenbenützer nicht richtig verhalten wird. Anzeichen
für unrichtiges Verhalten eines Strassenbenützers liegen einmal dann
vor, wenn aufgrund seines bisherigen Verhaltens damit gerechnet werden
muss, dass er sich in verkehrsgefährdender Weise regelwidrig verhalten
wird. Sie können sich aber ebenfalls aus der Unklarheit oder Ungewissheit
einer bestimmten Verkehrslage ergeben, die nach allgemeiner Erfahrung
die Möglichkeit fremden Fehlverhaltens unmittelbar in die Nähe rückt. In
solchen Situationen liegen zwar keine konkreten Anzeichen für unrichtiges
Verhalten vor, doch ist angesichts ihrer besonderen Gefahrenträchtigkeit
risikoarmes Verhalten gefordert (BGE 118 IV 277 E. 4a S. 281).

    Auf den Vertrauensgrundsatz kann sich nur stützen, wer sich selbst
verkehrsregelkonform verhalten hat. Wer gegen die Verkehrsregeln verstösst
und dadurch eine unklare oder gefährliche Verkehrslage schafft, kann nicht
erwarten, dass andere diese Gefahr durch erhöhte Vorsicht ausgleichen
(BGE 118 IV 277 E. 4a mit weiteren Hinweisen; SCHAFFHAUSER, Grundriss des
schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, S. 117 N. 312; VON WERRA,
Du principe de la confiance dans le droit de la circulation routière
..., RVJ 1970, S. 200). Jedoch gilt diese Einschränkung dort nicht,
wo gerade die Frage, ob der Verkehrsteilnehmer eine Verkehrsvorschrift
verletzt hat, davon abhängt, ob er sich auf den Vertrauensgrundsatz
berufen kann oder nicht. Denn es wäre zirkelschlüssig, in einem solchen
Fall den Vertrauensgrundsatz nicht anzuwenden mit der Begründung, der
Täter habe eine Verkehrsregel verletzt. Dies hängt ja gerade davon ab,
ob und inwieweit er sich auf das verkehrsgerechte Verhalten der anderen
Verkehrsteilnehmer verlassen darf (BGE 120 IV 252 E. 2d/aa).

    c) Das Vertrauensprinzip kann grundsätzlich auch derjenige
Fahrzeuglenker anrufen, der von einer Hauptstrasse nach links in eine
Nebenstrasse einbiegt. Erlaubt die Verkehrslage dem Fahrzeuglenker das
Abbiegen ohne Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs, so ist ihm auch
dann keine Verkehrsregelverletzung vorzuwerfen, wenn das Abbiegemanöver
anschliessend aufgrund eines nicht voraussehbaren Verhaltens eines
nachfolgenden Verkehrsteilnehmers dennoch zu einer Verkehrsgefährdung
führt. Mangels gegenteiliger Anzeichen muss der Abbiegende insbesondere
nicht damit rechnen, dass ein nachfolgendes Fahrzeug überraschend
mit weit übersetzter Geschwindigkeit auftauchen könnte oder dass ein
bereits sichtbarer Fahrzeugführer seine Geschwindigkeit plötzlich stark
erhöhen werde, um verkehrsregelwidrig links zu überholen. Im Interesse
der Verkehrssicherheit wird jedoch nicht leichthin anzunehmen sein, der
links Abbiegende habe sich auf das für nachfolgende Fahrzeuge geltende
Verbot des Linksüberholens verlassen dürfen; denn er unterbricht
mit seinem Manöver den Verkehrsfluss und schafft damit eine erhöht
gefahrenträchtige Verkehrssituation namentlich für die nachfolgenden
Verkehrsteilnehmer (Urteil des Bundesgerichts vom 3. April 1998
i.S. X. gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich, veröffentlicht in Pra
87/1998 Nr. 125 S. 692).

    d) Nach dem verbindlichen Sachverhalt (Art. 277bis BStP) bog der
Beschwerdeführer etwa 100 m vor der Unfallstelle von einem Vorplatz auf die
Hauptstrasse in Hochwald ein; kurz darauf blickte er in den Rückspiegel,
wobei ihm - abgesehen vom deutlich zurückliegenden Radfahrer - kein
Verkehrsteilnehmer folgte; er stellte den linken Blinker und hielt sich
gegen die Mittellinie. Damit kam der Beschwerdeführer seiner Pflicht nach,
beim Einspuren auf nachfolgende Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen,
und er zeigte seine Absicht, nach links abbiegen zu wollen, korrekt an
(Art. 34 Abs. 3, Art. 36 Abs. 1 und Art. 39 Abs. 1 lit. a SVG; Art. 13
Abs. 1 VRV). Während der Beschwerdeführer als Linksabbieger gegenüber
entgegenkommenden Verkehrsteilnehmern vortrittsbelastet gewesen wäre,
besass er gegenüber dem nachfolgenden Radfahrer das Vortrittsrecht
(Art. 34 Abs. 3 SVG). Dieser hatte gemäss Art. 35 Abs. 5 SVG das Verbot
zu beachten, dass Fahrzeuge nicht links überholt werden dürfen, wenn der
Führer die Absicht anzeigt, nach links abzubiegen. Dieses Überholverbot
stellt eine zentrale Verkehrsregel dar, die in Verbindung mit der Pflicht
des Voranfahrenden, das Abbiegen korrekt anzuzeigen, dazu dient, Unfälle
der vorliegenden Art zu vermeiden. Da der Beschwerdeführer - wie erwähnt
- wegen seines korrekten Verhaltens zum Linksabbiegen vor dem Radfahrer
berechtigt war, durfte er grundsätzlich davon ausgehen, dass dieser seine
Absicht erkennen und ihn unbehelligt sein Manöver ausführen lassen werde.

    Der Beschwerdeführer wollte nach links in das Gässli abbiegen
und musste deshalb sicher sein, dass während des Abbiegemanövers kein
(vortrittsberechtigtes) Fahrzeug auf der Hauptstrasse entgegenkommt und
dass seine Einfahrt in die enge Nebenstrasse nicht durch dortige Fahrzeuge
oder Fussgänger, die die Strasse überqueren, behindert wird. Er musste
sich somit sowohl nach vorne als auch zur Seite hin vergewissern, ob sein
Abbiegemanöver überhaupt möglich sei. Bei dieser Sachlage - und nachdem der
Beschwerdeführer korrekt eingespurt war - würde man die Anforderungen an
den Linksabbieger überspannen, wenn man von ihm verlangen wollte, dass er
sich unmittelbar beim Abbiegen zusätzlich nochmals nach hinten absichern
müsste. Denn je mehr er seine Aufmerksamkeit auf den Rückspiegel und
allfällige illegal Überholende richtet, desto mehr vernachlässigt er seine
primäre Sicherungspflicht nach vorne und zur Seite. Dies liegt nicht im
Interesse der Verkehrssicherheit. Der Umstand, dass ein Rechtsüberholen des
Radfahrers wegen des Kopfsteinpflasters risikoreich gewesen wäre, lässt die
Vorsichtspflichten des Beschwerdeführers nicht in einem wesentlich anderen
Licht erscheinen. Nur deswegen musste er jedenfalls nicht damit rechnen,
dass ihn der Radfahrer vorschriftswidrig überholen würde. Denn dieser hätte
gegebenenfalls anhalten können und müssen. Andere Anzeichen dafür, dass
sich der Radfahrer nicht richtig verhalten werde, stellt die Vorinstanz
nicht fest. Nachdem der Beschwerdeführer sein Abbiegemanöver korrekt
angezeigt hatte, bestand auch aufgrund der Verkehrslage keine Unklarheit
oder Ungewissheit, die nach allgemeiner Erfahrung dem Beschwerdeführer
ein Fehlverhalten des Radfahrers nahegelegt hätte. Unter diesen Umständen
beruft sich der Beschwerdeführer zu Recht auf das Vertrauensprinzip.

    Indem die Vorinstanz dem Beschwerdeführer die Berufung auf
den Vertrauensgrundsatz verweigerte und ihn wegen ungenügender
Rücksichtnahme auf den nachfolgenden Verkehr schuldig sprach, verletzte
sie Bundesrecht. Folglich ist der angefochtene Entscheid aufzuheben
und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz
zurückzuweisen.