Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 II 629



125 II 629

63. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 2. Dezember 1999 i.S. H. AG gegen Kantonales Labor Zürich,
Gesundheitsdirektion und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 5 VEDALG; Lebensmittelpolizei; Anordnungen betreffend importierte
Güter; interkantonale Zuständigkeit.

    Auch nach neuem Recht sind alle Kantone befugt, Massnahmen
bezüglich der Waren zu ergreifen, die auf ihrem Territorium vertrieben
werden. Zusätzlich können gegebenenfalls die Behörden des Sitzkantons
des Importeurs Anordnungen treffen; dies insbesondere dann, wenn nicht
nur eine bestimmte Sendung betroffen ist, sondern Massnahmen von weiter
reichender Bedeutung in Frage stehen (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Die H. AG ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in
X. (ZH). Sie bezweckt den Handel mit Artikeln aller Art, vornehmlich
mit Körperpflegeprodukten und chemisch-technischen Produkten für
den Haushalt und das Gewerbe. Am 24. September 1997 importierte
sie eine Sendung "Chitosan" von Deutschland in die Schweiz; beim
Wirkstoff "Chitosan" handelt es sich um einen Ballaststoff, der aus
den Schalen von Meeresfrüchten gewonnen wird. Er wird als Nahrungs-
bzw. Schlankheitsmittel angepriesen, weil er über die Fähigkeit verfügt,
Fette und Öle zu binden. Das Zollamt Kreuzlingen/Emmishofen hatte Zweifel
an der Zulässigkeit der Einfuhr und entnahm eine Probe.

    B.- Das Kantonale Labor Zürich nahm Abklärungen zum importierten
"Chitosan" vor; nach Konsultation verschiedener Studien kam es zum Schluss,
dieses Produkt müsse als gesundheitsgefährdend eingestuft werden. Es
belegte sämtliche "Chitosan"-Vorräte der H. AG mit Beschlag; dabei
untersagte es dieser, die Vorräte zu verändern, zu verschieben, anzubieten
oder auszuliefern sowie ohne seine vorgängige Einwilligung Exporte oder
Importe dieses Produkts vorzunehmen (Verfügung vom 7. November 1997).

    Nach erfolglosem kantonalem Rechtsmittelverfahren gelangte die H. AG
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie stellt den
Antrag, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom
22. April 1999 aufzuheben.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Das Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel
und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz [LMG]; SR 817.0) bezweckt
insbesondere, die Konsumenten vor Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen
zu schützen, welche die Gesundheit gefährden können (Art. 1 lit. a LMG);
dabei erfasst es auch die Einfuhr solcher Produkte (Art. 2 Abs. 1
lit. c und Abs. 3 LMG). Der Gesetzesvollzug obliegt teils dem Bund
(Art. 32 ff. LMG) und teils den Kantonen (Art. 39 ff. LMG). Am 1. März
1995 hat der Bundesrat die Verordnung über die Einfuhr, Durchfuhr und
Ausfuhr von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen (VEDALG; SR 817.41)
erlassen. Gemäss deren Art. 4 prüfen die Zollämter stichprobenweise,
ob die eingeführten Waren den Anforderungen der Lebensmittelgesetzgebung
entsprechen. Erheben sie eine Probe, so senden sie diese zur Untersuchung
an die Lebensmittelkontrolle im Bestimmungskanton der Waren (Art. 5
Abs. 3 VEDALG).

    b) Vorliegend ist einzig streitig, ob die Zürcher Behörden örtlich
zuständig sind, Anordnungen bezüglich des importierten "Chitosan"
zu treffen. Die Vorinstanz hat dies mit der Begründung bejaht, dass
der Sitz der Beschwerdeführerin im Kanton Zürich liege. Letztere rügt
nun, diese Auffassung verstosse gegen Art. 5 Abs. 4 VEDALG, der eine
abschliessende Zuständigkeitsregelung enthalte: Einzig die Behörden am
Bestimmungsort der eingeführten Waren seien - neben den Bundesbehörden -
befugt, gestützt auf das Lebensmittelrecht Massnahmen zu ergreifen. Da
vorliegend weder der Aufbewahrungsort (M./TG) noch der Bestimmungsort
(S./SG) der "Chitosan"-Sendung im Kanton Zürich lägen, mangle es sowohl
dem Verwaltungsgericht als auch den unterinstanzlichen kantonalen Behörden
an der örtlichen Zuständigkeit.

    c) Die Argumente der Beschwerdeführerin überzeugen nicht: Die örtliche
Zuständigkeit der kantonalen Behörden ist weder im Lebensmittelgesetz noch
in den zugehörigen Verordnungen ausdrücklich geregelt. Mit dem neuen Recht
verhält es sich insoweit nicht anders als mit dem alten Lebensmittelgesetz
vom 8. Dezember 1905 (aLMG; BS 4 459; in Kraft bis zum 30. Juni 1995).
Deshalb kann diesbezüglich die Praxis zum alten Recht übernommen werden. In
BGE 117 Ib 441 E. 4b S. 448 hat das Bundesgericht festgehalten, es
seien alle Kantone verpflichtet, auf ihrem Gebiet die Bestimmungen der
Lebensmittelpolizei zu vollziehen. Es bejahte die Zuständigkeit jener
Kantone, auf deren Territorium die Ware vertrieben wird, bezüglich welcher
Massnahmen zu ergreifen sind. Daraus lässt sich aber nicht folgern, es
seien nur diese befugt, zu handeln; eine entsprechende Beschränkung der
parallelen Zuständigkeiten wäre nicht sachgerecht. Dem Kanton, in welchem
der Importeur einer Ware seinen Sitz hat, muss je nach Sachlage ebenfalls
die Kompetenz zukommen, lebensmittelpolizeiliche Massnahmen anzuordnen.
Dies zeigt gerade der vorliegende Sachverhalt, bei dem es vorab darum
geht, die Beschwerdeführerin am Vertrieb des beanstandeten Produkts
zu hindern: Das Kantonale Labor hat nicht nur jene Waren mit Beschlag
belegt, die am 24. September 1997 importiert und kontrolliert worden sind,
sondern sämtliche "Chitosan"-Vorräte, die sich allenfalls im Besitz der
Beschwerdeführerin befinden; auch das dieser auferlegte Vertriebsverbot
hat umfassenden Charakter. Solche Anordnungen werden zweckmässigerweise
vom Kanton erlassen, in welchem die ins Recht gefasste Unternehmung
ansässig ist. Wenn ausschliesslich die Kompetenz zur Beschlagnahme einer
bestimmten Menge von Waren in Frage steht, mag es zwar naheliegen, den
Kanton der gelegenen Sache (oder eventuell den Kanton des Bestimmungsortes
der betreffenden Produkte) für zuständig zu erklären. Geht es aber um
Massnahmen von weiter reichender Bedeutung, so kann, wie vorliegend,
auch der Sitzkanton der betroffenen Unternehmung zuständig sein. Wie die
Vorinstanz zu Recht bemerkt, sprechen dafür Überlegungen der Effizienz
und der Koordination des Vorgehens.

    Aus Art. 5 Abs. 4 VEDALG ergibt sich nichts anderes: Das Bundesgericht
hat bezüglich des inhaltsgleichen Art. 30 Abs. 1 aLMG festgehalten,
dabei gehe es um eine Kompetenzausscheidung zwischen kantonalen und
Bundesorganen und gerade nicht um eine Regelung der interkantonalen
Zuständigkeit (BGE 117 Ib 441 E. 4b S. 449). Daran ist vorliegend auch
bezüglich Art. 5 Abs. 4 VEDALG festzuhalten.