Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 II 206



125 II 206

19. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30.
März 1999 i.S. Dr. Seidenberg gegen Eidgenössisches Departement des Innern
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 8 Abs. 5 BetmG; Ausnahmebewilligung für die Heroinverschreibung.

    Auslegung des Art. 8 Abs. 5 (letzter Halbsatz) BetmG, nach welcher
Vorschrift das Bundesamt für Gesundheit Ausnahmebewilligungen für eine
beschränkte medizinische Anwendung von Heroin erteilen kann.

Sachverhalt

    A.- Dr. André Seidenberg stellte mit zwei Eingaben vom 20. Januar
1998 beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) je ein Gesuch um Erteilung
einer Ausnahmebewilligung nach Art. 8 Abs. 5 des Bundesgesetzes über die
Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz,
BetmG, SR 812.121) für eine «diversifiziert opioidgestützte Behandlung»
zweier Patienten «unter Einschluss von Heroin in spritzbarer und
schluckbarer Form, Morphin in schluckbarer Form und/oder Methadon
in schluckbarer Form». Mit Verfügung vom 5. März 1998 wies das
BAG die beiden Gesuche ab, soweit es auf sie eintrat. Da für die
Bewilligung zur Behandlung der Patienten mit Morphin und Methadon die
kantonale Behörde zuständig sei, trat es insoweit auf die Gesuche nicht
ein. Dr. Seidenberg erhob gegen die Verfügung des BAG Beschwerde beim
Eidgenössischen Departement des Innern (EDI). Dieses wies die Beschwerde
am 14. Juli 1998 ab, soweit es darauf eintrat.

    Gegen den Entscheid des EDI reichte Dr. André Seidenberg
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Es geht im vorliegenden Fall um die Frage, ob die Gesuche des
Beschwerdeführers um Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Anwendung
von Heroin gemäss Art. 8 Abs. 5 BetmG zu Recht abgelehnt worden sind.
      a) Art. 8 BetmG lautet: «(1) Die folgenden Betäubungsmittel dürfen
      nicht angebaut, eingeführt,

    hergestellt oder in Verkehr gebracht werden:
      a. Rauchopium und die bei seiner Herstellung oder seinem Gebrauch

    entstehenden Rückstände;
      b.   Diazetylmorphin und seine Salze; c.   Halluzinogene wie
      Lysergid (LSD 25); d.   Hanfkraut zur Betäubungsmittelgewinnung
      und das Harz seiner

    Drüsenhaare (Haschisch).
      (2) ....  (3) Der Bundesrat kann Einfuhr, Herstellung und
      Inverkehrbringen weiterer

    Betäubungsmittel untersagen, wenn internationale Abkommen ihre
Herstellung

    verbieten oder die wichtigsten Fabrikationsländer darauf verzichten.
      (4) Allfällige Vorräte verbotener Betäubungsmittel sind unter
      Aufsicht

    der zuständigen kantonalen Behörde in einen vom Gesetz erlaubten Stoff

    überzuführen oder in Ermangelung dieser Möglichkeit zu vernichten.
      (5) Das Bundesamt für Gesundheit kann, wenn kein internationales
      Abkommen

    entgegensteht, Ausnahmebewilligungen erteilen, soweit die
Betäubungsmittel

    nach den Absätzen 1 und 3 der wissenschaftlichen Forschung oder zu

    Bekämpfungsmassnahmen dienen oder die Stoffe nach Absatz 1 Buchstaben
b und

    c für eine beschränkte medizinische Anwendung benützt werden».

    Heroin gehört als Diazetylmorphin zu denjenigen Betäubungsmitteln,
die grundsätzlich weder hergestellt noch eingeführt noch sonst in den
Verkehr gebracht werden dürfen. Abweichungen von diesem Verbot sind nur
in den drei in Art. 8 Abs. 5 BetmG genannten Fällen zulässig. Danach
kann das BAG Ausnahmebewilligungen erteilen, soweit das Heroin der
wissenschaftlichen Forschung oder Bekämpfungsmassnahmen dient oder für
eine beschränkte medizinische Anwendung benützt wird.

    b) Der Beschwerdeführer ersuchte das BAG um zwei Ausnahmebewilligungen
für eine beschränkte medizinische Anwendung von Heroin, damit er zwei
drogenabhängige Patienten in seiner Arztpraxis mit diesem Betäubungsmittel
behandeln könne. Das BAG wies die Gesuche ab. Es führte aus, nach
seiner Praxis könne eine Bewilligung für eine beschränkte medizinische
Anwendung eines Betäubungsmittels nur erteilt werden, wenn gestützt
auf Forschungsresultate belegt sei, dass die Anwendung der beantragten
Substanz bei schwerwiegenden Krankheitsbildern wirksamer sei als bestehende
Arzneimittel und dass die Sicherheit der Patienten gewährleistet sei. Es
sei deshalb zu prüfen, ob die bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse der
Versuche für eine ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln genügen
würden, um die Gesuche des Beschwerdeführers zu bewilligen. Das BAG
verneinte die Frage, da die Forschungsdaten betreffend die erwähnten
Versuche ausschliesslich in Polikliniken erhoben worden seien und
daher keine gesicherte Aussage gemacht werden könne, ob Heroin in einer
hausärztlichen Praxis ebenso sicher und erfolgreich angewendet werden
könne wie in den am wissenschaftlichen Versuch beteiligten Polikliniken.

    Das EDI vertrat im angefochtenen Entscheid die Auffassung, die
Praxis des BAG stimme sowohl mit der historischen als auch mit der
geltungszeitlichen Auslegung des Art. 8 Abs. 5 BetmG überein. Die Ablehnung
der vom Beschwerdeführer gestellten Gesuche sei weder rechtswidrig noch
willkürlich erfolgt. Das EDI wies sodann darauf hin, dass sich die beiden
Patienten im Rahmen des PROVE-Programms (d.h. der Forschungsprojekte
zur ärztlichen Verschreibung von Betäubungsmitteln) behandeln lassen
könnten; es habe dort freie Plätze. Ausserhalb dieses Programms seien
Heroinverabreichungen an drogensüchtige Kranke nicht möglich.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer wirft dem EDI vor, es habe Art. 8 Abs. 5
(letzter Halbsatz) BetmG falsch ausgelegt und damit den Charakter der
Ausnahmebewilligung zur beschränkten medizinischen Anwendung verkannt.

    a) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach
Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen
auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt
werden. Die Auslegung ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers
auszurichten, welche mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungselemente
ermittelt werden muss. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen
Methodenpluralismus und lehnt es ab, die einzelnen Auslegungselemente einer
hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (BGE 124 III 259 E. 3a;
123 III 24 E. 2a; 123 II 464 E. 3a, 595 E. 4a). Die Gesetzesmaterialien
können als Auslegungshilfe herangezogen werden; ihre Bedeutung ist
unterschiedlich je nach dem, ob es sich um neuere oder ältere Gesetze
handelt (BGE 116 II 411 E. 5b mit Hinweisen).

    b) Die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung für eine beschränkte
medizinische Anwendung wurde im Rahmen der Teilrevision des BetmG vom 20.
März 1975, in Kraft seit 1. August 1975, eingeführt. Der bundesrätliche
Entwurf hatte in Art. 8 Abs. 5 BetmG eine solche Bewilligung nur für die
in Abs. 1 lit. c genannten Stoffe - «Halluzinogene wie Lysergid (LSD 25)» -
vorgesehen. Der Ständerat stimmte diesem Entwurf kommentarlos zu (AB 1973 S
698). Auch der Nationalrat genehmigte vorerst den bundesrätlichen Entwurf
(AB 1974 N 1432). In der Folge stellte Nationalrätin Josi Meier einen
Rückkommensantrag, es sei die Ausnahmebewilligung für eine beschränkte
medizinische Anwendung in Art. 8 Abs. 5 BetmG auf die in Abs. 1 lit. b
genannten Stoffe (Diazetylmorphin und seine Salze) auszudehnen. Sie
führte aus, sie wolle mit ihrem Antrag ermöglichen, dass «auch Heroin
unter Ausnahmebewilligung und unter Kontrolle des eidgenössischen
Gesundheitsamtes einer genau beschränkten medizinischen Anwendung dienen»
könne. Es solle «zur Schmerzbekämpfung bei Krebsleiden im fortgeschrittenen
Stadium nicht zum voraus ausgeschlossen werden». Bei über 50 Prozent der
Krebspatienten stelle sich das Problem der Schmerzbekämpfung, besonders in
den letzten Monaten oder Wochen des Lebens. Für solche Schwerkranke gebe
es keine Aussicht auf Heilung oder auch nur auf Lebensverlängerung. Das
Einzige, was der Arzt in dieser Situation noch tun könne, sei,
dem Patienten die quälenden Schmerzen zu nehmen oder doch wirksam
zu verringern. Zu diesem Zwecke stünden eine Reihe von verschiedenen
Schmerzmitteln zur Verfügung. Die Erfahrung zeige, dass sich die Wirkung
dieser leichten Medikamente bald erschöpfe und dann Opiate eingesetzt
werden müssten. Diese hätten den Nachteil, dass sie oft zu Übelkeit,
praktisch aber immer zu Appetitlosigkeit führen würden. Heroin weise
gegenüber den zugelassenen Opiaten Vorzüge auf. Es verursache weniger
Übelkeit und Erbrechen, es führe nicht zu Appetitlosigkeit und habe
eine günstige Wirkung auf die Psyche. Die Nachteile seien die rasche
Suchtbildung und die relativ schnell eintretende Notwendigkeit, die
wirksame Minimaldosis erhöhen zu müssen. So ungünstig die nachteiligen
Wirkungen von Heroin seien, so wenig würden sie bei den terminalen
Krebspatienten in Betracht fallen. Wenn «wirklich nur ausgewählte und
hoffnungslose Kranke mit beschränkter Überlebenszeit Heroin erhalten»
würden und das Mittel nur von speziell ausgebildeten Ärzten verschrieben
werde, dann überwögen die Vorteile eindeutig die Nachteile. Aus diesen
Gründen werde z.B. Heroin in den sogenannten Sterbekliniken etwa in London
seit Jahren mit eindrücklichem Erfolg eingesetzt (AB 1974 N 1460 f.).

    Im Anschluss an das Votum der Nationalrätin erklärte sich der damalige
Departementschef Bundesrat Hürlimann bereit, in Art. 8 Abs. 5 BetmG ausser
Buchstabe c auch noch Buchstabe b zu erwähnen, weil das «im Interesse der
Medizin» liege, «vor allem bei der Behandlung von schwer Krebskranken»
(AB 1974 N 1461).

    Bei der Beratung dieses Änderungsantrags im Ständerat führte der
Berichterstatter aus, bei «Krebskranken im sogenannten Terminalstadium,
also bei absolut hoffnungslosen Fällen», könne unter Umständen die Abgabe
von Heroin als Linderungsmittel medizinisch angezeigt sein. Es sei indes
darauf zu achten, dass dieses Mittel «nur im wirklichen Terminalstadium
verwendet» werde, denn sonst würde beim Patienten eine Drogenabhängigkeit
zurückbleiben, die nicht zu verantworten wäre (AB 1974 S 594).

    c) Die Entstehungsgeschichte zeigt, dass die Ermöglichung der
Abgabe von Heroin an Krebspatienten den Anlass bildete, die noch im
bundesrätlichen Entwurf auf die Halluzinogene begrenzte Ausnahmeregelung
von Art. 8 Abs. 5 (letzter Halbsatz) BetmG auf das Heroin auszudehnen. Der
historische Gesetzgeber beabsichtigte, ausnahmsweise die Verwendung
von Heroin als Linderungsmittel bei ausgewählten und hoffnungslos
Kranken mit beschränkter Überlebenszeit zuzulassen (CHRISTIAN HUBER,
Die gesetzliche Grundlage einer kontrollierten Heroinabgabe, SJZ 88/1992,
S. 48 f.). Die Materialien lassen den Schluss zu, dass die Erwähnung von
krebskranken Patienten als beispielhaft zu verstehen ist und durchaus auch
die Verschreibung von Heroin an nicht krebs-, aber sonst unheilbar kranke
Menschen im Endstadium in Betracht fallen kann. Die ratio legis der hier in
Frage stehenden Ausnahmeregelung besteht darin, durch die Abgabe von Heroin
zu erreichen, dass unheilbar kranken Menschen die letzten Monate oder
Wochen «etwas menschenwürdiger gestaltet werden» können (AB 1974 N 1461).

    d) Das EDI vertritt die Auffassung, eine geltungszeitliche Auslegung
des Art. 8 Abs. 5 (letzter Halbsatz) BetmG habe sich an der bundesrätlichen
Verordnung über die Förderung der wissenschaftlichen Begleitforschung zur
Drogenprävention und Verbesserung der Lebensbedingungen Drogenabhängiger
vom 21. Oktober 1992 (SR 812.121.5, im Folgenden: PROVE-VO) sowie an der
Botschaft des Bundesrates zu einem Bundesbeschluss über die ärztliche
Verschreibung von Heroin vom 18. Februar 1998 (BBl 1998, S. 1607,
abgekürzt: Botschaft 1998) zu orientieren. Es hielt im angefochtenen
Entscheid fest, die heroingestützte Behandlung sei bisher nur im Rahmen
der PROVE-Institutionen bewilligt worden und solle auch weiterhin nur
in diesem Rahmen möglich sein. Eine Ausnahmebewilligung an einen Arzt
ausserhalb des PROVE-Konzepts, wie sie im vorliegenden Fall verlangt werde,
könne vorläufig nicht in Betracht gezogen werden, ansonst die aktuelle
Anwendung und Auslegung der gesetzlichen Grundlagen unterlaufen würde.

    aa) Die PROVE-VO trat am 15. November 1992 in Kraft. Gemäss Art. 20
PROVE-VO gilt sie bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung zur
ärztlichen Verschreibung von Heroin, längstens jedoch bis zum 31. Dezember
2000. Die Verordnung regelt die wissenschaftliche Forschung von Massnahmen
zur Drogenprävention, zur Verbesserung der Gesundheits- und Lebenssituation
Drogenabhängiger, zu ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft sowie
zur Senkung der Beschaffungskriminalität (Art. 1 PROVE-VO). 1994 wurde,
wie in der Botschaft 1998 ausgeführt wird, der wissenschaftliche Versuch
gestartet, der 18 Projekte mit 800 Behandlungsplätzen mit Verschreibung
von Heroin umfasst habe. Die Resultate der Versuche zeigten, dass die
heroingestützte Behandlung für eine beschränkte Zielgruppe von Personen
mit einer langjährigen, chronifizierten Heroinabhängigkeit, mehreren
gescheiterten Therapieversuchen und deutlichen gesundheitlichen und
sozialen Defiziten eine sinnvolle Ergänzung der Therapiepalette sei
(Botschaft 1998, BBl 1998, S. 1608).

    Der Bundesrat stützte sich bei Erlass der PROVE-VO auf Art. 8 Abs. 5
BetmG. In der Literatur wird die Ansicht geäussert, diese Vorschrift
bilde keine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Versuche mit
der ärztlichen Heroinabgabe, jedenfalls nicht für die Weiterführung
und Anerkennung der Massnahme als Therapie in der Behandlung von
Drogensüchtigen (CHRISTIAN HUBER, Die gesetzliche Grundlage, aaO, S. 48 f.,
derselbe, Gesetzesauslegung am Beispiel des Betäubungsmittelgesetzes, SJZ
89/1993, S. 171 ff.). Mit einem dringlichen befristeten Bundesbeschluss
sollte deshalb im Sinn einer Übergangslösung der gesetzliche Rahmen
hierfür geschaffen werden, bis die Regelung ins ordentliche Recht
integriert werden kann (Botschaft 1998, BBl 1998, S. 1608 und 1626). Der
dringliche Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin
vom 9. Oktober 1998 trat am 10. Oktober 1998 in Kraft und gilt bis
zum Inkrafttreten der Revision des Betäubungsmittelgesetzes, längstens
aber bis zum 31. Dezember 2004 (Ziff. II Abs. 3 des Bundesbeschlusses;
AS 1998, S. 2294). Mit diesem Beschluss wurden Art. 8 BetmG die Absätze
6-8 beigefügt. Sie lauten wie folgt:
      «(6) Das Bundesamt für Gesundheit kann im weiteren für den Anbau, die

    Einfuhr, die Herstellung und das Inverkehrbringen von Stoffen nach
Absatz 1

    Buchstabe b Ausnahmebewilligungen erteilen. Ausnahmebewilligungen zur

    Behandlung von drogenabhängigen Personen mit Stoffen nach Absatz 1

    Buchstabe b können ausschliesslich an hierfür spezialisierte
Institutionen

    erteilt werden.
      (7) Der Bundesrat regelt die Voraussetzungen für die Behandlung von

    Menschen mit Stoffen nach Absatz 1 Buchstabe b. Er sorgt insbesondere

    dafür, dass diese Stoffe nur bei Personen angewendet werden, die
      a. mindestens 18 Jahre alt sind; b. seit mindestens zwei Jahren
      heroinabhängig sind; c. mindestens zwei Behandlungsversuche mit
      einer anderen anerkannten

    ambulanten oder stationären Behandlungsmethode abgebrochen haben, oder

    deren Gesundheitszustand andere Behandlungsformen nicht zulässt; und
      d. Defizite im medizinischen, psychologischen oder sozialen Bereich

    aufweisen, die auf den Drogenkonsum zurückzuführen sind.
      (8) Der Bundesrat legt die periodische Überprüfung der

    Therapieverläufe fest, namentlich auch im Hinblick auf das Ziel der

    Drogenabstinenz.»

    bb) Im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung und des angefochtenen
Rechtsmittelentscheids war der neue Bundesbeschluss noch nicht in
Kraft. Das EDI vertrat die Ansicht, die Gesuche des Beschwerdeführers seien
gestützt auf die PROVE-VO zu Recht abgelehnt worden. Diese Auffassung
ist unzutreffend. Die PROVE-VO regelte nur die Voraussetzungen der
Ausnahmebewilligung für die Heroinabgabe im Rahmen der wissenschaftlichen
Forschung. Mit den PROVE-Projekten sollte abgeklärt werden, ob sich
die heroingestützte Behandlung als Therapieform zur Bekämpfung der
Drogensucht eigne. Im vorliegenden Fall geht es nicht um eine Bewilligung
für eine Teilnahme an diesen Projekten. Die Gesuche des Beschwerdeführers
betreffen - nach den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
- die Anwendung von Heroin als Linderungsmittel bei zwei AIDS-kranken
Patienten, die sich in einer terminalen Phase befinden sollen. Dies hat
mit der Zielrichtung der PROVE-Institutionen an sich nichts zu tun. In
dieser Hinsicht ist die

PROVE-VO nicht einschlägig, und es lassen sich aus ihr keine
Einschränkungen ableiten, die bei der Handhabung der genannten Vorschrift
zu beachten wären.

    Der historische Gesetzgeber konnte bei der Teilrevision des BetmG im
Jahre 1975 den Anwendungsfall der Heroinverschreibung an AIDS-Kranke noch
nicht im Blick haben, denn damals waren AIDS-Erkrankungen noch kein Thema.
Grundsätzlich darf in objektiv-zeitgemässer Auslegung einer Gesetzesnorm
ein Sinn gegeben werden, der für den historischen Gesetzgeber infolge
eines Wandels der tatsächlichen Verhältnisse nicht voraussehbar war und
in der bisherigen Anwendung auch nicht zum Ausdruck gekommen ist, wenn er
noch mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar ist (BGE 107 Ia 234 E. 4a
mit Hinweisen). Bei einer objektiv-zeitgemässen Auslegung erscheint es,
wie in der Literatur mit Recht gesagt wird, als nicht mehr haltbar,
die Möglichkeit der Abgabe von Heroin auf unheilbar Krebskranke im
Terminalstadium zu beschränken (CHRISTIAN HUBER, Gesetzesauslegung, aaO,
S. 176). Es ist angezeigt, die Verwendung von Heroin zu medizinischen
Zwecken auch bei AIDS-Kranken im Endstadium gestützt auf Art. 8 Abs. 5
BetmG zuzulassen. Eine solche Auslegung ist mit dem Wortlaut und Sinn
der Bestimmung ohne weiteres vereinbar. Die vorgesehene Möglichkeit
der beschränkten medizinischen Anwendung von Heroin soll dazu dienen,
hoffnungslos erkrankten Menschen für die letzte Lebensphase Linderung
zu verschaffen, falls im konkreten Fall Heroin das geeignete Mittel
dazu darstellt. Das EDI hat daher Art. 8 Abs. 5 (letzter Halbsatz)
BetmG unrichtig ausgelegt, indem es gestützt auf die PROVE-VO annahm,
Heroin könne generell nur im Rahmen des PROVE-Konzeptes, d.h. in einer
entsprechenden Institution, verschrieben werden.

    cc) Es fragt sich, ob der inzwischen in Kraft getretene neue
Bundesbeschluss am Normverständnis von Art. 8 Abs. 5 (letzter
Halbsatz) BetmG etwas geändert hat. Der Wortlaut der Bestimmung hat
keine Änderung erfahren. In der Botschaft 1998 wird erklärt, Heroin
solle für andere Verwendungszwecke und wie bis anhin auch zugunsten
nicht betäubungsmittelabhängiger Personen erforscht und beschränkt
medizinisch angewendet werden können (BBl 1998, Ziff. 33, S. 1624). Es
geht also konkret um die Frage, ob die neu hinzugefügten Absätze 6 bis
8 die Heroinabgabe an drogenabhängige Personen abschliessend regeln
oder ob sie noch Raum lassen für eine Verschreibung aufgrund von Abs. 5
(letzter Halbsatz) der Bestimmung. Im ersten Fall hätte dies zur Folge,
dass die beschränkte medizinische Anwendung für drogenabhängige Personen
im Terminalstadium ebenfalls nur in einer hierfür bestimmten Institution
erfolgen dürfte, d.h. in einer Institution gemäss Art. 8 Abs. 6 BetmG.

    Die Zielsetzung des neuen Bundesbeschlusses besteht darin, schwer
Drogenabhängige in die Gesundheitsversorgung einzubinden, um eine
Verbesserung des körperlichen und psychischen Gesundheitszustandes
sowie der sozialen Integration (Arbeitsfähigkeit, Distanzierung von der
Drogenszene, Abbau deliktischen Verhaltens) zu erreichen. Bezweckt wird
die Integration ins Therapienetz als Schritt zurück in die Gesellschaft
(Botschaft 1998, BBl 1998, Ziff. 211, S. 1619). Die Zielrichtung von
Art. 8 Abs. 5 (letzter Halbsatz) BetmG ist eine andere. Heroin soll
als Linderungsmittel an unheilbar und hoffnungslos Kranke abgegeben
werden, damit diesen die letzten Monate oder Wochen ihres Lebens etwas
menschenwürdiger gestaltet werden können. Es geht hier um die medizinische
Anwendung von Heroin zur Linderung des Leidens und nicht - wie bei der
Regelung gemäss Abs. 6 und 7 von Art. 8 BetmG - um die Verschreibung von
Heroin zur Heilung der Sucht. In der Beschwerde wird aufgezeigt, dass es
durchaus Gründe gibt, diese beiden Kategorien unterschiedlich zu behandeln.
Weder im angefochtenen Entscheid noch in der Stellungnahme des EDI wird
überzeugend dargetan, weshalb eine unterschiedliche Regelung zu verwerfen
ist. Von der ratio legis aus betrachtet, drängt sich keineswegs auf,
die Heroinverschreibung an drogenabhängige Personen im Terminalstadium
ebenfalls ausschliesslich dem Regime der neuen Absätze 6-8 zu unterstellen.
Die Voraussetzungen für die Heroinabgabe an drogensüchtige Personen
zu Therapiezwecken, wie sie im Abs. 7 umschrieben werden, sind denn
auch nicht ohne weiteres auf AIDS-kranke Patienten im Terminalzustand
zugeschnitten; daran ändert nichts, dass grundsätzlich auch todkranke
AIDS-Patienten in einer Institution gemäss Abs. 6 Aufnahme finden
können. Unter dem Blickwinkel der Rechtsgleichheit wäre es auch nicht
nachvollziehbar, weshalb einem Krebskranken im Terminalzustand Heroin
ausserhalb einer Institution im Sinn von Abs. 6 - freilich ebenfalls unter
strengen fachmedizinischen Voraussetzungen - verschrieben werden kann,
für eine drogenabhängige Person in vergleichbarer Situation jedoch
nicht. Eine solche Konsequenz kann nicht der Regelungsabsicht des
Gesetzgebers und den damit getroffenen erkennbaren Wertentscheidungen
entsprechen. Es widerspricht daher auch unter dem Blickwinkel des
Bundesbeschlusses vom 9. Oktober 1998 Art. 8 Abs. 5 (letzter Halbsatz)
BetmG, die Heroinverschreibung an drogenabhängige AIDS-kranke Personen
im Terminalstadium ausserhalb einer Institution im Sinn der PROVE-VO
bzw. des neuen Abs. 6 (letzter Satz) von Art. 8 BetmG generell zu
versagen. Das Gesetz lässt Raum für eine Drogenverschreibung ausserhalb
dieser Institutionen, allerdings in einem sehr eng begrenzten Rahmen. In
den Materialien zu Art. 8 Abs. 5 (letzter Halbsatz) BetmG wurde erklärt,
die Bedingungen für eine Ausnahmebewilligung zur Heroinabgabe müssten sehr
streng umschrieben werden; die Bewilligungen seien auf den einzelnen Fall
zu beschränken, und es dürften keine generellen Bewilligungen erteilt
werden (AB 1974 S 595). Mit Rücksicht darauf, dass beim Heroin - im
Gegensatz zum LSD (vgl. BGE 121 IV 332) - die Gefahr einer Abhängigkeit
besteht, darf es - ausserhalb einer Institution gemäss Abs. 6 - nur
bei schwerstkranken Patienten im Endstadium angewendet werden. Welches
in diesem engen Rahmen die Voraussetzungen für eine Bewilligung der
Heroinverschreibung nach Art. 8 Abs. 5 (letzter Halbsatz) BetmG sind,
wird die Praxis des zuständigen Departements im Einzelnen festlegen müssen.

    dd) Was die hier in Frage stehenden Gesuche vom 20. Januar 1998
anbelangt, so befanden sich die beiden darin genannten Patienten damals
noch nicht im Terminalstadium. Nach den Angaben in den Gesuchen war der
eine Patient (Nr. 173) drogensüchtig und HIV-positiv, aber noch nicht
AIDS-krank, sondern in einem «guten körperlichen Zustand». Der andere
Patient (Nr. 283) war ebenfalls, trotz Drogensucht, in einem guten
körperlichen Allgemeinzustand. Im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung
waren demnach die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung gemäss
Art. 8 Abs. 5 (letzter Halbsatz) BetmG offensichtlich nicht erfüllt. Im
Laufe des Verfahrens scheint sich die gesundheitliche Situation der
Patienten erheblich verschlechtert zu haben. Nach den Ausführungen in
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und den Vorbringen in der Replik sollen
sich die beiden Patienten in einem sehr fortgeschrittenen Stadium der
tödlich verlaufenden AIDS-Erkrankung befinden. Wie es sich damit genau
verhält und ob die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung erfüllt
sind oder fehlen, steht nach der gegebenen Aktenlage nicht fest.

    Das BAG und das EDI haben nicht in Frage gestellt, dass der
Beschwerdeführer die fachspezifischen Voraussetzungen erfüllen würde, um
eine patientenbezogene Bewilligung für die Heroinverschreibung gemäss Art.
8 Abs. 5 (letzter Halbsatz) BetmG zu erhalten.

    Aus diesen Gründen kann der angefochtene Entscheid auch nicht mit einer
substituierten Begründung geschützt werden. Ob die Voraussetzungen für
eine Ausnahmebewilligung im Einzelnen erfüllt sind, wird das BAG erneut
zu prüfen haben. Es erweist sich daher als zweckmässig, die Sache in
Anwendung von Art. 114 Abs. 2 OG direkt an das BAG zurückzuweisen. Der
Verfahrenskosten- und Parteikostenentscheid des EDI (Ziff. 2 und 3)
ist ebenfalls aufzuheben. Nach Art. 157 OG kann das Bundesgericht dann,
wenn das angefochtene Urteil einer untern Instanz abgeändert wird, die
Kosten des vorangegangenen Verfahrens anders verlegen. Gestützt auf diese
Vorschrift sind für das Verwaltungsbeschwerdeverfahren vor dem EDI keine
Kosten zu erheben und ist dem Beschwerdeführer für dieses Verfahren eine
Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu Lasten des EDI zuzusprechen.