Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 III 95



125 III 95

18. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Dezember 1998 i.S.
LEGO Vertrieb AG gegen Kiddy Fun AG (Berufung) Regeste

    Art. 12 Abs. 2 UWG; Tragweite der Kompetenzattraktion.

    Steht ein zivilrechtlicher Anspruch wegen unlauteren Wettbewerbs
im Zusammenhang mit einer zivilrechtlichen Streitigkeit, für die das
entsprechende Bundesgesetz andere Gerichtsstände vorsieht, kann die
Klage wegen unlauteren Wettbewerbs nur im Falle der objektiven, nicht
aber der subjektiven Klagenhäufung gemäss Art. 12 Abs. 2 UWG auch an den
spezialgesetzlichen Gerichtsständen angehoben werden.

Sachverhalt

    Die LEGO System A/S, eine Aktiengesellschaft dänischen Rechts mit Sitz
in Billund, Dänemark, ist Inhaberin der am 1. April 1993 hinterlegten
dreidimensionalen schweizerischen Marke Nr. 411 469, welche einen
LEGO-Spielklemmbaustein zum Gegenstand hat. Die LEGO Vertrieb AG mit
Sitz in Baar, eine Tochtergesellschaft der LEGO-Gruppe, vertreibt in der
Schweiz LEGO-Spielbausteine.

    Die in Kerzers domizilierte Kiddy Fun AG vertreibt als
Generalimporteurin der Ritvik Toys Inc. in der Schweiz unter der
Bezeichnung '«Mega Blocks'« Klemmbausteine, welche teilweise in ihren
Abmessungen den Standardbausteinen von LEGO entsprechen und mit diesen
kompatibel sind.

    Mit Klagen vom 25. September 1997 beantragten die LEGO System A/S
und die LEGO Vertrieb AG dem Handelsgericht des Kantons Aargau, eine
Verletzung der Marke Nr. 411 469 festzustellen, und erhoben gleichzeitig
verschiedene Ansprüche wegen unlauteren Wettbewerbs gegen die Kiddy Fun
AG. Mit Urteil vom 16. Juni 1998 trat das Handelsgericht auf die Klage
der LEGO Vertrieb AG nicht ein. Das Bundesgericht weist die von der LEGO
Vertrieb AG (Klägerin) eingereichte Berufung ab

Auszug aus den Erwägungen:

                     aus folgender Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz erwog, gemäss Art. 12 Abs. 2 UWG könne eine Klage
wegen unlauteren Wettbewerbs, die mit einer zivilrechtlichen Streitigkeit
im Zusammenhang stehe, für die das entsprechende Bundesgesetz besondere
Gerichtsstände vorsehe, auch an diesen angehoben werden. Dies gelte auch,
wenn ein entsprechender Zusammenhang zwischen den Klagen einfacher aktiver
Streitgenossen bestehe. Die Vorinstanz nahm weiter an, bezüglich der
Klage der LEGO System A/S liege ein internationaler Sachverhalt vor, zu
dessen Beurteilung grundsätzlich das schweizerische Gericht am Wohnsitz des
Beklagten zuständig sei. Soweit die LEGO System A/S eine Markenverletzung
geltend mache, habe sich jedoch die Beklagte vorbehaltlos auf die Klage
eingelassen, was eine Zuständigkeit der Vorinstanz zur Beurteilung der
entsprechenden Begehren begründe, welche sie nicht ablehnen könne. Da sich
die Zuständigkeit der Vorinstanz zur Beurteilung der Markenverletzungsklage
der LEGO System A/S demnach zum einen nicht aus einem in Art. 12 Abs. 2
UWG angesprochenen Spezialgesetz, sondern aus dem IPRG ergebe, und zum
andern nicht der gesetzlich vorgesehene, sondern ein auf Einlassung
beruhender Gerichtsstand in Frage stehe, komme die Kompetenzattraktion
gemäss Art. 12 Abs. 2 UWG nicht zum Zug.

    Die Klägerin macht geltend, im Streit zwischen der LEGO System A/S
und der Beklagten liege allein aufgrund des ausländischen Wohnsitzes
der ersteren kein internationales Verhältnis im Sinne von Art. 1
Abs. 1 IPRG vor, so dass Art. 12 Abs. 2 UWG nicht mit der Begründung
die Anwendung versagt werden könne, die Zuständigkeit bezüglich der
spezialrechtlichen Klage ergebe sich aus dem IPRG. Im Übrigen wäre
Art. 12 Abs. 2 UWG selbst in diesem Fall anwendbar, da auch das IPRG als
Spezialgesetz im Sinne von Art. 12 Abs. 2 UWG zu betrachten sei. Die
Kompetenzattraktion gemäss Art. 12 Abs. 2 UWG setze sodann nur voraus,
dass für die kompetenzanziehende Klage in einem bundesrechtlichen
Spezialgesetz besondere Gerichtsstände vorgesehen seien, nicht aber,
dass dieses Spezialgesetz im konkreten Fall zur Anwendung komme und
die kompetenzanziehende Klage auch tatsächlich am spezialgesetzlich
vorgesehenen Gerichtsstand erhoben werde. Dies ergebe sich nicht nur aus
dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 UWG, sondern auch aus dessen zweckbezogener
Auslegung, gehe es doch darum, aus prozessökonomischen Überlegungen die
einheitliche Behandlung von wettbewerbsrechtlichen und spezialrechtlichen
Klagen zu ermöglichen, um so die Sachkenntnis des mit der Klage aus
gewerblichem Rechtsschutz bereits vertrauten Gerichts zu nutzen und die
Fällung widersprüchlicher Urteile zu vermeiden. Dabei könne es nicht darauf
ankommen, ob der kompetenzanziehende Gerichtsstand durch Gesetzesnorm oder
Einlassung begründet sei. So sei in Lehre und Rechtsprechung unbestritten,
dass im internationalen Verhältnis der Einheitsgerichtsstand gegenüber
mehreren Beklagten gemäss Art. 129 Abs. 3 IPRG auch dann gewahrt
bleibe, wenn die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts auf einer
Gerichtsstandsvereinbarung beruhe, obwohl der Zweitbeklagte diesfalls
zur Herbeiführung des prorogierten Gerichtsstandes nichts beigetragen
habe. Umso mehr müsse dies gelten, wo der Beklagte wie vorliegend die
Erstzuständigkeit durch Einlassung selbst begründet habe.

    a) Gemäss Art. 12 Abs. 2 UWG können zivilrechtliche Klagen aus
unlauterem Wettbewerb, die mit einer zivilrechtlichen Streitigkeit im
Zusammenhang stehen, für die das entsprechende Bundesgesetz eine einzige
kantonale Instanz oder andere Gerichtsstände als den Beklagtenwohnsitz
gemäss Art. 12 Abs. 1 UWG vorsieht, auch an diesen angehoben werden. Wie
der frühere Art. 5 Abs. 2 aUWG bezweckt diese Bestimmung, für die
besonders häufige Konnexität von Lauterkeitsklagen und Klagen aus
gewerblichem Eigentum einen einheitlichen Instanzenzug zu schaffen
(Botschaft zum UWG, BBl 1983 II 1080). Obwohl die Vorschrift offenkundig
auf die objektive Klagenhäufung gemünzt ist, ist sie nach ihrem Wortlaut
nicht zwingend auf diese beschränkt. Es stellt sich daher die Frage, ob die
Kompetenzattraktion auch bei subjektiver aktiver Klagenhäufung, d.h. bei
Geltendmachung von Ansprüchen durch mehrere Kläger, zum Zug kommen kann.

    aa) Subjektive aktive Klagenhäufung liegt vor, wenn mehrere Berechtigte
zwecks Vermeidung widersprechender Urteile gemeinsam klagen; dabei spricht
man von einfacher Streitgenossenschaft, weil auch jeder Berechtigte zur
selbständigen Klageinreichung berechtigt wäre. Die Zulässigkeit der
subjektiven Klagenhäufung setzt im Allgemeinen voraus, dass für alle
Berechtigten die gleiche Zuständigkeit und das gleiche Verfahren gilt
(VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 5. Auflage, Bern 1997, S. 141;
FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung,
3. Auflage, Zürich 1997, N. 13 und 16 zu § 40 ZPO/ZH). Da die Klagen
der einfachen Streitgenossen selbständig zu beurteilen sind, können
sie zu unterschiedlichen Urteilen führen (FRANK/STRÄULI/MESSMER, aaO,
N. 18 zu § 40 ZPO/ZH). Dies ist nicht zu verwechseln und durchaus
vereinbar mit der durch die Klagenhäufung angestrebten Vermeidung von
Widersprüchlichkeiten, geht es doch hierbei nicht in erster Linie um
die Vermeidung unterschiedlicher Ergebnisse, sondern darum, dass der den
Klagen zugrundeliegende Sachverhalt einer einheitlichen tatsächlichen und
rechtlichen Würdigung unterworfen wird, so dass die Verfahrensergebnisse
inhaltlich miteinander vereinbar sind. Insofern unterscheiden sich Zweck
und Voraussetzungen der subjektiven Klagenhäufung nicht grundlegend von
denjenigen der objektiven Klagenhäufung, bei welcher ein und derselbe
Kläger im selben Verfahren mehrere selbständige Ansprüche gegen den
Beklagten erhebt (vgl. VOGEL, aaO, S. 190; FRANK/STRÄULI/MESSMER, aaO,
N. 1 ff. zu § 58 ZPO/ZH).

    bb) Für die Ausdehnung der Kompetenzattraktion gemäss Art. 12 Abs. 2
UWG auch auf den Fall der subjektiven Klagenhäufung sprächen die Interessen
der Prozessökonomie und die Möglichkeit der Vermeidung unbefriedigender
Widersprüchlichkeiten. Die Annahme der kompetenzattrahierenden Wirkung
der Erstklage gegenüber der Klage eines Dritten wäre aber jeweils nur
gerechtfertigt, wenn ein entsprechend enger Zusammenhang zwischen den
Klagen bestünde. Die Drittpartei müsste demnach jeweils die Intensität
des Sachzusammenhanges abschätzen, wenn sie sich auf Art. 12 Abs. 2 UWG
abstützen wollte. Hierbei handelt es sich um ein weitgehend kasuistisches
Kriterium, welches den Rechtssuchenden kaum klare Entscheidungskriterien
in die Hand gibt, wann sie gemeinsam an einem UWG-fremden Gerichtsstand
klagen können und wann nicht. Bezüglich prozessrechtlicher Vorschriften
verlangt aber das Gebot der Rechtssicherheit, dass diese möglichst
klar und eindeutig zu handhaben sind. Mit diesem Postulat sind vage
Gerichtsstandsnormen nicht vereinbar. Gegenüber den prozessökonomischen
Vorteilen ist dem Rechtssicherheitsbedürfnis der Rechtssuchenden
überwiegende Bedeutung beizumessen. Aus diesem Grund ist die Ausdehnung
der Kompetenzattraktion gemäss Art. 12 Abs. 2 UWG auf Fälle der subjektiven
Klagenhäufung abzulehnen.

    b) Nach dem Gesagten übt der spezialgesetzliche Gerichtsstand des
Verfahrens zwischen der LEGO System A/S und der Beklagten auf das von der
Klägerin angestrebte Verfahren keine kompetenzattrahierende Wirkung aus.
Für letzteres ist demnach gemäss

    Art. 12 Abs. 1 UWG der Richter am Sitz der Beklagten zuständig. Dieser
befindet sich im freiburgischen Kerzers. Im Ergebnis erklärte sich demnach
die Vorinstanz zu Recht für unzuständig.

    Unter diesen Umständen kann offenbleiben, ob zwischen der LEGO
System A/S ein internationalen Verhältnis im Sinne von Art. 1 Abs. 1
IPRG vorliegt, und ob die Kompetenzattraktion gemäss Art. 12 Abs. 2 UWG
allenfalls auch zur Anwendung kommt, wenn der Gerichtsstand der Erstklage
auf dem IPRG beruht. Ebenso kann offenbleiben, ob die Kompetenzattraktion
auch zum Zug kommt, wenn der kompetenzanziehende Gerichtsstand auf
Einlassung beruht.