Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 III 70



125 III 70

13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Oktober 1998 i.S.
A. gegen B. (Berufung) Regeste

    Mobbing; missbräuchliche Kündigung; Persönlichkeitsverletzung;
Genugtuung (Art. 336 OR, Art. 328 OR und Art. 49 OR).

    Missbräuchliche Kündigung bei Mobbing (E. 2)?

    Die Aufforderung an eine arbeitsunfähige Arbeitnehmerin, sich bei
einem Psychiater vertrauensärztlich begutachten zu lassen, verletzt deren
Persönlichkeit ohne besondere Umstände nicht schwer (E. 3).

Sachverhalt

    A. (Klägerin) war seit dem 1. März 1985 bei der B. (Beklagte) als
Sachbearbeiterin tätig und für die Kantone Jura und Freiburg zuständig. Am
28. Oktober 1993 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis auf den 31.
Januar 1994. Zufolge Krankheit verlängerte sich die Kündigungsfrist
bis Ende Februar 1994. Am 8. September 1994 beantragte die Klägerin dem
Amtsgericht Luzern-Stadt, ihre ehemalige Arbeitgeberin zur Zahlung von Fr.
49'320.-- nebst Zins als Entschädigung für missbräuchliche Kündigung
im Sinne von Art. 336a OR sowie als Genugtuung und Schadenersatz zu
verpflichten. Das Amtsgericht schützte die Klage am 30. Oktober 1996
im Umfang von Fr. 27'880.--. Das Obergericht des Kantons Luzern hiess
eine Appellation der Beklagten am 2. März 1998 indessen gut und wies die
Klage ab.

    Das Bundesgericht weist die von der Klägerin dagegen erhobene Berufung
ab, soweit es darauf eintritt,

Auszug aus den Erwägungen:

                    aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Klägerin hatte im kantonalen Verfahren behauptet,
ihre Entlassung sei der Höhepunkt und Abschluss eines ausgeklügelten
Mobbing-Plans ihrer Vorgesetzten und einiger Mitarbeiter gewesen. Sie sei
zurückgesetzt, systematisch gemieden und einem Psychoterror ausgesetzt
worden (vgl. zum sog. '«Mobbing'» WAEBER, Le mobbing ou harcèlement
psychologique au travail, quelles solutions?, AJP 1998 S. 792 ff.;
REHBINDER/KRAUSZ, Psychoterror am Arbeitsplatz, in: Mitteilungen des
Instituts für schweizerisches Arbeitsrecht (ArbR) 1996, S. 17 ff.). Die
Vorinstanz hat diese Behauptung im angefochtenen Urteil nicht als erwiesen
angesehen und insbesondere gewisse von der Klägerin für ein systematisches
Vorgehen der Vorgesetzten und Mitarbeiter angeführte Indizien als
unbewiesen verworfen. Die Klägerin stellt diese auf Beweiswürdigung
beruhende Schlussfolgerung der Vorinstanz im Berufungsverfahren zu
Recht nicht mehr in Frage. Sie hält jedoch an ihrer Ansicht fest, die
Beklagte habe sie in ihrer Persönlichkeit schwer verletzt, denn die
Beklagte habe dafür einzustehen, dass ihre unmittelbaren Vorgesetzten
der Geschäftsleitung die Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung
beantragt hätten, als sie der Arbeit im Februar 1993 krankheitsbedingt
ferngeblieben sei, und dass der Personalchef sie am 15. März 1993 beim
Psychiater angemeldet und angewiesen habe, sich begutachten zu lassen;
sie verlange deswegen Genugtuung (unten E. 3). Die Klägerin leitet aus
diesen Vorfällen überdies ab, die ihr gegenüber erklärte Kündigung
vom 28. Oktober 1993 sei missbräuchlich. Sie begründet dies damit,
dass sie nach dem Vorfall mit der psychiatrischen Begutachtung nicht
nur in ihrer Persönlichkeit tief verletzt, sondern auch verunsichert
und verängstigt gewesen sei. Sie hält dafür, die Beklagte habe nach
Kündigungsgründen gesucht und ihre Persönlichkeit verletzt, um sie von
einem arbeitsrechtlichen Prozess abzuhalten, was missbräuchlich sei und
die Rechtsfolgen des Art. 336a OR begründe.

    a) Für die Rechtmässigkeit einer Kündigung bedarf es grundsätzlich
keiner besonderen Gründe, da das schweizerische Arbeitsrecht auch
nach der Revision von 1988 vom Prinzip der Kündigungsfreiheit ausgeht
(STAEHELIN/VISCHER, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 336 OR; VISCHER, Der
Arbeitsvertrag, in: Schweizerisches Privatrecht, S. 159). Missbräuchlich
ist eine Kündigung nur, wenn sie aus bestimmten unzulässigen Gründen
ausgesprochen wird, die in Art. 336 OR umschrieben werden (GEISER, Der
neue Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, BJM 1994 S. 174). Die Aufzählung in

    Art. 336 OR ist allerdings nicht abschliessend (BGE 123 III 246
E. 3b S. 251, 121 III 60 E. 3b S. 61; vgl. auch BRÜHWILER, Kommentar
zum Einzelarbeitsvertrag, Ziff. II zu Art. 336; GEISER, aaO, S. 183;
REHBINDER, Berner Kommentar, N. 10 zu Art. 336 OR; STREIFF/VON KAENEL,
Arbeitsvertrag, N. 3 zu Art. 336). Sie konkretisiert vielmehr das
allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot und gestaltet dieses mit für den
Arbeitsvertrag geeigneten Rechtsfolgen aus. So hat die Rechtsprechung
etwa im Zusammenhang mit Änderungskündigungen erwogen, Missbrauch könne
vorliegen, wenn eine unbillige Änderung der Lohn- und Arbeitsbedingungen
durchgesetzt werden soll, für die weder marktbedingte noch betriebliche
Gründe bestehen, und die Kündigung als Druckmittel verwendet wird, um
die Arbeitnehmerin zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen (BGE 123
III 246 E. 3b S. 250 f., 118 II 157 E. 4b/bb S. 165 f.). Sogenanntes
Mobbing an sich begründet den Missbrauch des Kündigungsrechts nicht ohne
weiteres (REHBINDER/KRAUSZ, aaO, S. 42). Denkbar ist in diesem Zusammenhang
allerdings, dass eine Kündigung etwa dann missbräuchlich sein kann, wenn
sie wegen einer Leistungseinbusse des Arbeitnehmers ausgesprochen wird,
die sich ihrerseits als Folge des Mobbing erweist. Denn die Ausnutzung
eigenen rechtswidrigen Verhaltens bildet einen typischen Anwendungsfall des
Rechtsmissbrauchs (MERZ, Berner Kommentar, N. 540 ff. zu Art. 2 ZGB). Der
Arbeitgeber, der Mobbing nicht verhindert, verletzt seine Fürsorgepflicht
(Art. 328 OR). Er kann daher die Kündigung nicht mit den Folgen seiner
eigenen Vertragsverletzung rechtfertigen.

    Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen
der Vorinstanz ist der Klägerin der Nachweis des Mobbing nicht
gelungen. Vielmehr wurde die Kündigung ausgesprochen, weil die Klägerin
sich nicht an Weisungen gehalten und sich im Umgang mit Vorgesetzten
und Mitarbeitern als unverträglich erwiesen hatte. Dieses Verhalten
hatte nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil im Jahre 1990
begonnen, weil die Klägerin die Beförderung einer Mitarbeiterin nicht
verkraftet habe. Die Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung war
nach Ansicht der Vorinstanz nicht kausal für die Kündigung. Zur Kündigung
hat sich die Beklagte vielmehr erst einige Monate später entschieden,
als die Situation am Arbeitsplatz nicht mehr haltbar war. Eine allfällige
Persönlichkeitsverletzung, die für die Kündigung nicht kausal ist, kann
keinen Missbrauch begründen.

    b) Der Missbrauch einer Kündigung kann sich aus der Art und Weise
ergeben, wie die kündigende Partei ihr Recht ausübt (BGE 118 II 157
E. 4b/bb S. 166). Selbst wenn eine Partei die Kündigung rechtmässig
erklärt, muss sie das Gebot schonender Rechtsausübung beachten. Sie
darf insbesondere kein falsches und verdecktes Spiel treiben, das
Treu und Glauben krass widerspricht (BGE 118 II 157 E. 4b/cc S. 166
f.). Ein krass vertragswidriges Verhalten, namentlich eine schwere
Persönlichkeitsverletzung im Umfeld einer Kündigung, kann diese als
missbräuchlich erscheinen lassen, auch wenn das Verhalten für die
Kündigung nicht kausal war. Dass die Klägerin allerdings tatsächlich
in ihrer Persönlichkeit verletzt worden sein soll, um sie von einem
arbeitsrechtlichen Prozess im Anschluss an die Kündigung abzuhalten, wie
sie behauptet, wird im angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Auch fehlt
insofern der erforderliche zeitliche Zusammenhang, wurde doch die von der
Klägerin beanstandete psychiatrische Begutachtung im Februar und März 1993
angeordnet, während die Kündigung Ende Oktober 1993 ausgesprochen wurde.

    c) Weiter macht die Klägerin geltend, die Kündigung sei missbräuchlich,
weil ihr wegen einer Eigenschaft gekündigt worden sei, die ihr im Sinne
von Art. 336 Abs. 1 lit. a OR kraft ihrer Persönlichkeit zustehe. Es
sei nämlich um ihre Charaktereigenschaften gegangen. In der Lehre ist
umstritten, ob zu den von dieser Bestimmung erfassten Eigenschaften
auch individuelle Charakterzüge und Verhaltensmuster zu rechnen sind
(dagegen: BRUNNER/BÜHLER/WAEBER, Commentaire du contrat de travail, N. 4
zu Art. 336 OR; dafür: STAEHELIN/VISCHER, aaO, N. 9 zu Art. 336 OR). Die
Frage braucht allerdings nicht entschieden zu werden, denn Art. 336
Abs. 1 lit. a OR lässt die Kündigung wegen einer persönlichen Eigenschaft
zu, wenn diese in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht
oder die Zusammenarbeit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt. Indessen
kann die Störung des Betriebsklimas eine Kündigung wegen persönlicher
Eigenschaften nur rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber vorher zumutbare
Massnahmen ergriffen hat, um die Lage zu entspannen. Eine entsprechende
Verpflichtung ergibt sich aus der Fürsorgepflicht (VISCHER, aaO, S. 168).

    Soweit der Kündigungsgrund tatsächlich auf Eigenschaften der Klägerin
zurückzuführen ist, haben diese nach den Feststellungen der Vorinstanz
allerdings nicht nur das Betriebsklima gestört, sondern vielmehr zu
Fehlverhalten der Klägerin geführt, indem diese gewissen Weisungen
nicht nachgekommen ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die
Kündigung nicht als missbräuchlich.

Erwägung 3

    3.- Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Genugtuung gemäss
Art. 49 OR. Sie sieht sich in ihrer Persönlichkeit dadurch schwer verletzt,
dass einerseits ihre unmittelbaren Vorgesetzten der Geschäftsleitung
der Beklagten die Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung beantragt
hatten, als sie der Arbeit im Februar 1993 krankheitsbedingt ferngeblieben
war, und dass sie der Personalchef anderseits am 15. März 1993 beim
Psychiater angemeldet und am 19. März 1993 aufgefordert hat, sich
begutachten zu lassen.

    a) Die Beklagte ist nach Art. 328 OR als Arbeitgeberin verpflichtet,
im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit der Klägerin als Arbeitnehmerin
zu achten und zu schützen. Sie hat für das Verhalten ihrer Mitarbeiter
einzustehen (Art. 101 OR) und ihren Betrieb angemessen zu organisieren
(REHBINDER, Basler Kommentar, N. 15 zu Art. 328 OR; STAEHELIN/VISCHER,
aaO, N. 41 zu Art. 328 OR). Sie haftet insbesondere für allfällige
Persönlichkeitsverletzungen im Sinne von Art. 49 OR, wenn solche durch
Vorgesetzte oder zuständige Personalverantwortliche begangen worden sind.
Genugtuung nach Art. 49 OR ist allerdings nur geschuldet, wenn die
Schwere der Verletzung es rechtfertigt (und diese nicht anders wieder
gutgemacht worden ist, was hier ausser Betracht fällt). Ausserdem muss
die objektiv schwere Verletzung vom Ansprecher als seelischer Schmerz
empfunden werden (BGE 120 II 97 E. 2 S. 98 f.). Damit die Schwere der
Verletzung bejaht werden kann, bedarf es in objektiver Hinsicht jedenfalls
einer ausserordentlichen Kränkung (BREHM, Berner Kommentar, N. 19 f. zu
Art. 49 OR). Es genügt dafür z.B. nicht jede leichte Beeinträchtigung
des beruflichen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Ansehens einer
Person (BREHM, aaO, N. 26 zu Art. 49 OR; MEILI, Basler Kommentar, N. 28
und 38 zu Art. 28 ZGB).

    b) Nach dem angefochtenen Urteil wurde der Klägerin am Vormittag
des 12. Februar 1993 mündlich ein Verweis erteilt, worauf sie am
Nachmittag nicht zur Arbeit erschien. Am 15. Februar 1993 wurde dieser
Verweis schriftlich bestätigt, worauf die Klägerin am 16. Februar 1993
wiederum der Arbeit fern blieb. Die Vorgesetzten verlangten tags darauf die
Anordnung einer psychiatrischen Begutachtung. Die Vorinstanz stellte fest,
dass zu diesem Zeitpunkt die Ursache der Erkrankung nicht bekannt war und
namentlich die Vorgesetzten auch nicht im Besitz des Arztzeugnisses waren,
das von einer Gynäkologin ausgestellt war. Im Übrigen hielt die Vorinstanz
für glaubhaft, dass die Klägerin bei der telefonischen Krankmeldung
psychische Probleme angegeben hatte, und sie nahm überdies an, dass den
Vorgesetzten die massive psychische Belastung der Klägerin nach Erhalt
des Verweises nicht verborgen geblieben sei. Die Vorinstanz hielt unter
diesen Umständen für vertretbar, dass die Vorgesetzten die Abwesenheit der
Klägerin auf psychische Ursachen zurückgeführt und aus diesem Grund der
Geschäftsleitung der Beklagten eine entsprechende Begutachtung beantragt
hätten. Sie stellte fest, es deute nichts darauf hin, dass die Vorgesetzten
damit den Ruf der Klägerin hätten untergraben wollen.

    Gestützt auf diese Feststellungen der Vorinstanz ist der
Schluss bundesrechtlich nicht zu beanstanden, dass im intern an die
Geschäftsleitung der Beklagten gerichteten Antrag der Vorgesetzten
der Klägerin auf psychiatrische Begutachtung keine objektiv schwere
Persönlichkeitsverletzung zu sehen ist. Unabhängig davon, ob in einem
solchen Antrag überhaupt eine hinreichend schwerwiegende Beeinträchtigung
der Persönlichkeit zu sehen wäre, bestand für die Vorgesetzten auf Grund
der von der Vorinstanz festgestellten Umstände begründeter Anlass,
die Abwesenheit der Klägerin als psychische Reaktion auf den Verweis
zu verstehen und entsprechend überprüfen zu lassen. Das Vorgehen der
Vorgesetzten kann insofern nicht als unnötig verletzend qualifiziert
werden, als der Antrag an die zuständige interne Stelle ging und nur
ein kleiner Kreis von Personen davon überhaupt Kenntnis erhielt. Dass
im internen Vorgehen und der Abwicklung der Angelegenheit etwas
Ungewöhnliches gelegen hätte, das die zuständigen Kader der Beklagten zur
näheren Abklärung über das Umfeld der Klägerin und über das Verhalten
der betreffenden Vorgesetzten hätte veranlassen müssen, geht aus dem
angefochtenen Urteil im Übrigen nicht hervor.

    c) Der Personalchef der Beklagten beauftragte am 15. März 1993 den
Vertrauensarzt mit der psychiatrischen Begutachtung der Klägerin und
forderte sie am 19. März 1993 auf, sich von diesem Arzt begutachten
zu lassen. In diesem Zeitpunkt lagen der Beklagten mindestens zwei der
insgesamt drei Arztzeugnisse vor, in denen die behandelnde Gynäkologin der
Klägerin Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, wobei sich in den Feststellungen
der Vorinstanz nichts darüber findet und auch die Klägerin nicht behauptet,
in diesen Zeugnissen sei die - in einer späteren ärztlichen Auskunft als
physisch bezeichnete - Ursache der Erkrankung genannt worden. Die Klägerin
war am 19. März 1993 noch krank und arbeitsunfähig, und dem angefochtenen
Urteil ist nicht zu entnehmen, dass damals schon feststand, dass die
Klägerin ihre Arbeit am 22. März 1993 wieder aufnehmen werde, zumal die
in den beiden früheren Arbeitszeugnissen (wohl ebenfalls befristete)
Arbeitsunfähigkeit schon zweimal verlängert worden war.

    Ob die Arbeitgeberin ihre Lohnfortzahlung mindestens bei begründeten
Zweifeln von einer vertrauensärztlichen Untersuchung abhängig machen
kann oder ob eine Obliegenheit der Arbeitnehmer, sich auf entsprechende
Aufforderung hin einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen,
ausdrücklich vereinbart sein muss, ist in der Lehre umstritten (vgl.
STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 12 zu Art. 324a/b OR). Jedenfalls war
die Klägerin für ihre unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Hinblick
auf die Lohnfortzahlung beweisbelastet (STAEHELIN/VISCHER, aaO, N. 9
zu Art. 324a OR; REHBINDER, Basler Kommentar, N. 3 zu Art. 324a
OR). Die Beklagte konnte daher der Klägerin mitteilen, dass sie an
ihrer Arbeitsunfähigkeit zweifelte und ihre Lohnfortzahlung von einer
vertrauensärztlichen Untersuchung abhängig machen wolle. Die Aufforderung
an die im massgebenden Zeitpunkt noch krankheitsabwesende Klägerin, sich
einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen, kann grundsätzlich
nicht als Persönlichkeitsverletzung qualifiziert werden. Die Klägerin
sieht denn auch die Persönlichkeitsverletzung nicht darin, dass sie
überhaupt aufgefordert worden ist, sich vertrauensärztlich begutachten zu
lassen. Sie sieht die Persönlichkeitsverletzung darin, dass ein Psychiater
mit der Begutachtung beauftragt wurde. Damit verkennt sie, dass ohne
besondere Umstände das berufliche, wirtschaftliche oder gesellschaftliche
Ansehen einer Person durch die Tatsache einer psychiatrischen Abklärung
so wenig wie durch eine psychische Erkrankung beeinträchtigt wird. Es
dürfte heute allgemein bekannt sein, dass seelische Erkrankungen ebenso
unverschuldet sind wie körperliche und dass es überdies verschiedenartige
psychische Krankheiten gibt, die nicht durchwegs mit unberechenbaren oder
störenden Verhaltensweisen verbunden sein müssen. Die Tatsache allein,
dass eine Person psychiatrischer Hilfe bedarf, setzt sie daher in ihrem
Ansehen als Person nicht herab. Der Umstand allein, dass die Klägerin
an einen Spezialarzt der Psychiatrie und nicht an einen anderweitig
spezialisierten oder allgemein praktizierenden Arzt verwiesen wurde,
kann nicht als schwere Beeinträchtigung der Persönlichkeit gelten. Die
Reaktion der Beklagten auf ihre Zweifel an der durch die Frauenärztin
der Klägerin bescheinigten Arbeitsunfähigkeit mag als unangemessen
erscheinen und ein eigenartiges Licht auf das Betriebsklima der Beklagten
werfen. Ohne besondere Umstände, welche die Vorinstanz nicht festgestellt
hat, ist jedoch die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, sich einer
vertrauensärztlichen Begutachtung durch einen Psychiater zu unterziehen,
nicht als objektiv schwere Beeinträchtigung der Persönlichkeit zu werten.

    Im Übrigen ist nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil davon
auszugehen, dass die Klägerin die Anordnung der vertrauensärztlichen
Untersuchung durch den Psychiater nicht als schwer empfunden hat und
auch aus diesem Grund der Anspruch auf Genugtuung entfällt (BGE 120 II
97 E. 2 S. 98 f.; BREHM, aaO, N. 30 zu Art. 49 OR). Die Klägerin hat nach
den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz in
die vertrauensärztliche Untersuchung eingewilligt und die Zuweisung an
den Vertrauensarzt erstmals mit Schreiben ihres Ehemanns an die Beklagte
vom 27. Dezember 1993 in Frage gestellt.