Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 III 334



125 III 334

57. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 18.
August 1999 i.S. M. AG (Beschwerde) Regeste

    Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG; Einsichtsrecht.

    Keine Kenntnis von einer Betreibung darf nur gegeben werden, wenn
sich aus dem Ergebnis eines Verfahrens ohne weiteres ergibt, dass die
Betreibung bei ihrer Einleitung ungerechtfertigt gewesen ist. Ein blosser
Abschreibungsbeschluss genügt diesem Erfordernis nicht.

Sachverhalt

    A.- Gegen die M. AG war von der G. AG mit Zahlungsbefehl Nr. x des
Betreibungsamtes Schaffhausen Betreibung für eine Forderung von Fr.
248'959.85 zuzüglich Zins eingeleitet worden.

    Nachdem die M. AG Rechtsvorschlag erhoben hatte, reichte die G. AG
am 29. Juli 1997 Klage für die genannte Forderung ein. Das Kantonsgericht
Schaffhausen sistierte das Verfahren, nachdem über die G. AG der Konkurs
eröffnet worden war, und setzte dem Konkursamt Schaffhausen eine Frist von
10 Tagen ab der zweiten Gläubigerversammlung, für den Fall des summarischen
Konkursverfahrens von 20 Tagen nach Auflegung des Kollokationsplanes,
um mitzuteilen, ob die Konkursmasse oder einzelne Gläubiger den Prozess
fortsetzten.

    Am 3. Juni 1999 teilte das Konkursamt dem Kantonsgericht mit, das
sistierte Verfahren könne infolge Verzichts auf die Klage als erledigt
abgeschrieben werden. Daraufhin beschloss das Kantonsgericht am 8. Juni
1999, das Verfahren zufolge Klagerückzugs als erledigt abzuschreiben.

    B.- In der Folge ersuchte die M. AG das Betreibungsamt Schaffhausen um
Löschung der Betreibung Nr. x. Das wurde vom Betreibungsamt mit Verfügung
vom 15. Juni 1999 abgelehnt.

    Die von der M. AG angerufene Aufsichtsbehörde des Kantons Schaffhausen
über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen wies die Beschwerde am
9. Juli 1999 ab, was mit Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts vom 18. August 1999 geschützt wurde.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Aufsichtsbehörde hat (mehrheitlich) die Voraussetzungen
gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG für eine Verweigerung der Auskunft
als nicht erfüllt betrachtet, weil die Betreibung nicht aufgrund eines
Urteils förmlich aufgehoben worden sei. Zumindest müsste verlangt
werden - erwägt sie im Wesentlichen -, dass im Urteil ungeachtet seiner
konkreten Bezeichnung über die Rechtmässigkeit der Betreibungsforderung
materiell entschieden worden sei. Nur dann könnte gegebenenfalls ohne
nähere Beurteilung der Umstände gesagt werden, die Betreibung sei im
Sinne des Gesetzeszwecks ungerechtfertigterweise erhoben worden. Bei
einem blossen Klagerückzug komme es indessen nicht zu einem derartigen
Erkenntnis, und dieses lasse sich nicht durch die materielle Rechtskraft
des Erledigungsentscheides ersetzen.

Erwägung 2

    2.- Dem hält die Beschwerdeführerin insbesondere entgegen, für die
Verweigerung der Kenntnisgabe von Betreibungen sei einzig entscheidend,
dass diese sich aufgrund eines rechtskräftigen Entscheides, in welcher
prozessualen Form dieser auch immer ergangen sei, als nicht rechtens
erwiesen hätten, und zwar ohne dass im Dispositiv des Entscheides
ausdrücklich die Aufhebung der Vollstreckung angeordnet sein müsse. Wenn
nach der bundesrätlichen Botschaft und der Lehre bereits bei abgewiesenem
Gesuch um definitive, allenfalls auch provisorische Rechtsöffnung das
Einsichtsrecht ausgeschlossen sei, müsse dies erst recht gelten, falls
- wie im vorliegenden Fall - in einem den Zivilprozess abschliessenden
Entscheid die materielle Rechtslage definitiv beurteilt worden sei. Dass
über die Rechtmässigkeit der Betreibung materiell befunden worden sein
müsse, lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck von Art.
8a Abs. 3 lit. a SchKG ableiten. Ausschlaggebend bleibe, dass die Forderung
definitiv negativ beurteilt worden sei. Im Ergebnis handle es sich zudem
um einen dem Rückzug der Betreibung durch den Gläubiger gemäss Art. 8a
Abs. 3 lit. c SchKG vergleichbaren Fall.

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG, dessen Anwendung hier einzig
in Frage steht, geben die Ämter Dritten von einer Betreibung u.a. dann
keine Kenntnis, wenn die Betreibung aufgrund einer Beschwerde oder eines
Urteils aufgehoben worden ist.

    Selbst wenn eine förmliche Aufhebung der Betreibung im
Urteilsdispositiv nicht notwendige Voraussetzung für die Verweigerung
des Einsichtsrechts bildet (vgl. die in der bundesrätlichen Botschaft
als Beispiele genannten Entscheidungen [BBl 1991 III, S. 32]; GASSER,
Revidiertes SchKG - Hinweise auf kritische Punkte, in ZBJV 132/1996,
S. 632), kann aufgrund der Entstehungsgeschichte sowie nach Sinn und Zweck
der Norm nicht vom Erfordernis abgerückt werden, es müsse sich aus dem
Ergebnis des Verfahrens ohne weiteres ergeben, dass die Betreibung bei
ihrer Einleitung ungerechtfertigt gewesen und damit «festgestelltermassen
zu Unrecht» erfolgt sei (BBl 1991 III, S. 30; GASSER, aaO, S. 631 und 632;
GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes
et la faillite, Lausanne 1999, Art. 8a N. 44).

    An diesem unabdingbaren Erfordernis gebricht es in dem hier zu
beurteilenden Fall. Das Verfahren auf Verpflichtung der Beschwerdeführerin
zur Bezahlung von Fr. 248'959.85 ist zufolge Klagerückzugs als erledigt
abgeschrieben worden. Die für das Einsichtsrecht entscheidende
Frage, ob die in Betreibung gesetzte Forderung zu Recht bestehe,
ist demnach im Verfahren unbeurteilt geblieben, und aufgrund des
Verfahrensausgangs lässt sich ebensowenig ermitteln, ob die durch
Rechtsvorschlag der Beschwerdeführerin gehemmte Betreibung seinerzeit
ungerechtfertigterweise eingeleitet worden ist. Die Rechtskraftwirkung des
Abschreibungsbeschlusses ändert daran nicht das Geringste; selbst wenn
die Forderung nicht nochmals eingeklagt werden könnte, bliebe offen, ob
die Betreibung seinerzeit rechtens gewesen sei. Nach der Lehre kann denn
auch einzig der die Anerkennungsklage abweisende Entscheid Grundlage für
die Auskunftsverweigerung über die betreffende Betreibung bilden (GASSER,
aaO, S. 632; PETER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung
und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 8a N. 19; GILLIÉRON, aaO,
Art. 8a N. 44). Das war bereits unter der Herrschaft des alten Rechts so
(BGE 115 III 81 E. 2, S. 86).

    Was die Beschwerdeführerin einwendet, hilft darüber nicht hinweg;
denn bezüglich der materiellen Begründetheit der eingeklagten Forderung
- der Rechtslage - ist eben gerade nicht befunden worden; und die
Forderung ist keineswegs definitiv negativ beurteilt worden, wie dies
die Beschwerdeführerin behauptet. Da ein Klagerückzug nichts mit einem
Rückzug der Betreibung gemein hat, lässt sich aus Art. 8a Abs. 3 lit. c
SchKG ebensowenig etwas zu Gunsten der Beschwerdeführerin ableiten.