Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 III 250



125 III 250

43. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 6.
Mai 1999 i.S. SWICA Gesundheitsorganisation (Beschwerde) Regeste

    Art. 43 Ziff. 1 SchKG; Betreibung von Krankenkassenprämien.

    Um die Betreibung auf Konkurs eines im Handelsregister eingetragenen
Schuldners auszuschliessen, müssen kumulativ die Voraussetzungen erfüllt
sein, dass die betriebene Forderung im öffentlichen Recht begründet ist und
dass der Gläubiger ein Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts ist (E. 1).

    Die zweite Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn die betreibende
Krankenversicherung eine Aktiengesellschaft ist. Die Einführung des
Versicherungsobligatoriums am 1. Januar 1996 hat an den erwähnten
Voraussetzungen des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts nichts geändert
(E. 2).

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 43 Ziff. 1 SchKG ist die Konkursbetreibung in jedem
Fall ausgeschlossen für Steuern, Abgaben, Gebühren, Sporteln, Bussen und
andere im öffentlichen Recht begründete Leistungen an öffentliche Kassen
oder an Beamte.

    Auch nach der Änderung des Bundesgesetzes über  Schuldbetreibung
und Konkurs vom 16. Dezember 1994 (in Kraft seit 1. Januar 1997) müssen,
um die Konkursbetreibung auszuschliessen, kumulativ die Voraussetzungen
erfüllt sein, dass die betriebene Forderung im öffentlichen Recht begründet
ist und dass der Gläubiger ein Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts ist
(ACOCELLA, in Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,
Basel/Genf/München 1998, Art. 43 N. 5ff.). Die unter der Herrschaft des
alten Rechts ergangene Rechtsprechung, welche der Beschwerdeführerin
bekannt ist, bleibt auch nach geltendem Recht uneingeschränkt gültig (BGE
118 III 13, 115 III 89; BlSchK 1995, S. 64; unveröffentlichte Urteile
vom 20. September 1994 [B.242/1994 bzw. 245/1994] und 3. Dezember 1996
[B.239/1996]).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin anerkennt, dass sie als Aktiengesellschaft
nicht Rechtssubjekt des öffentlichen Rechts ist. Sie meint aber, es dränge
sich eine neue Betrachtungsweise von Art. 43 Ziff. 1 SchKG auf, weil
seit der Inkraftsetzung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung
am 1. Januar 1996 jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz sich für
Krankenpflege versichern muss oder sich von ihrem gesetzlichen Vertreter
beziehungsweise ihrer gesetzlichen Vertreterin versichern lassen muss
(Art. 3 Abs. 1 KVG).

    Mit ihrer Argumentation bekräftigt indessen die Beschwerdeführerin
vor allem das Erfordernis der im öffentlichen Recht begründeten Leistung,
so wenn sie sagt, im Bereich der obligatorischen Grundversicherung habe
der Bürger keine freie Wahl, «ob er die Leistung beim Gemeinwesen oder
beim Privaten nachfragt». Auch wenn die Beschwerdeführerin erklärt, seit
der Revision des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung seien die
Krankenversicherer «Durchführungsorgane einer gesetzlich durchnormierten
und obligatorischen Krankenversicherung», ändert das nichts daran, dass sie
eine Aktiengesellschaft ist. Trotz der öffentlichrechtlichen Ausgestaltung
des Obligatoriums besteht im einzelnen Fall ein Vertragsverhältnis mit
einer juristischen Person des Privatrechts, welches die Subsumtion unter
Art. 43 Ziff. 1 SchKG ausschliesst (BGE 118 III 13 E. 3, S. 16).

    Aus dem Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 6. Juni
1997, das nicht die hier zu beantwortende Frage des Schuldbetreibungs-
und Konkursrechts zum Gegenstand hat, kann die Beschwerdeführerin nichts
zugunsten ihrer Rechtsauffassung herleiten.

    Der teleologischen Auslegung schliesslich, welche die
Beschwerdeführerin (mit Argumenten vornehmlich aus der Sicht des
Schuldners) vorträgt, kann nicht gefolgt werden. Art. 43 Ziff. 1 SchKG
ist eine zwingende - und restriktiv auszulegende (GILLIÉRON, Commentaire
de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Lausanne
1999, Art. 43 N. 34 und 44) - Verfahrensnorm, welche die Ausnahmen von der
Konkursbetreibung festhält. Es geht nicht an, dass über die vom Gesetz
geforderten Voraussetzungen hinweggesehen und damit die bundesrechtliche
Vorschrift entgegen ihrem klaren Wortlaut angewandt wird.