Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 125 III 138



125 III 138

26. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Januar 1999 i.S. A.
GmbH und B. AG gegen C. AG u. Mitb. (Berufung) Regeste

    Bundesrechtliche Verfahrensvorschriften in aktienrechtlichen
Verantwortlichkeitsprozessen (Art. 759 Abs. 2 OR).

    Kosten- und Entschädigungsfolgen, wenn mehrere Beteiligte gemeinsam
für den Gesamtschaden eingeklagt wurden (Präzisierung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    Am 3. Juli 1992 fiel die L. AG, Engwilen in Konkurs. Die A. GmbH,
Konstanz und die B. AG, Güttingen (Klägerinnen), beide Gläubigerinnen der
Konkursitin, machten am 30. Oktober 1996 beim Bezirksgericht Kreuzlingen
eine Verantwortlichkeitsklage anhängig, nachdem sie sich die entsprechenden
Rechte von der Masse hatten abtreten lassen. Neben sieben Verwaltungsräten
fassten sie auch die beiden zu unterschiedlichen Zeiten tätig gewesenen
Revisionsstellen ins Recht. Es wurde verlangt, die Beklagten solidarisch
zu verpflichten, der A. GmbH Fr. 24'143.15 und der B. AG Fr. 38'853.--
zu bezahlen, je nebst Zins. Zur Begründung führten die Klägerinnen im
Wesentlichen an, im Jahre 1990 sei durch eine unzulässige Aufwertung von
Liegenschaften ein Betriebsverlust vertuscht worden. Das Bezirksgericht
und am 5. Februar 1998 auch das Thurgauer Obergericht wiesen die Klage ab.

    Das Bundesgericht weist die von den Klägern gegen das obergerichtliche
Urteil erhobene eidgenössische Berufung ab, soweit es darauf eintritt,

Auszug aus den Erwägungen:

                    aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Sodann machen die Klägerinnen geltend, die Vorinstanz habe auch
bei der Regelung der Parteientschädigung Bundesrecht verletzt. Nach der
Rechtsprechung zu Art. 759 Abs. 2 OR hätte ihnen nur eine am eingeklagten
Gesamtschaden ausgerichtete Entschädigung für eine einzige Gegenpartei
auferlegt werden dürfen. Im angefochtenen Urteil wurde indessen die
Meinung vertreten, hier rechtfertige sich, den Revisionsstellen und
den Verwaltungsräten je als Gruppe eine separate Parteientschädigung
zuzusprechen. Weil die jeweiligen Verantwortlichkeiten unterschiedlichen
Voraussetzungen unterlägen und daher gesondert geprüft werden müssten,
sei nicht zu beanstanden, dass sich die beiden Gruppen von Beklagten
einzeln hätten vertreten lassen.

    a) Das Bundesgericht entschied in BGE 122 III 324 (E. 7b S. 325),
der bei einem aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsprozess unterliegende
Kläger, der mehrere Beteiligte solidarisch für den Gesamtschaden eingeklagt
hat, solle das Prozesskostenrisiko nur gegenüber einer einzigen Gegenpartei
tragen. Ausserdem wurde festgehalten, dass bei Zuspruch der Klage die
Beklagten die Parteikosten (extern) solidarisch zu tragen haben, unbesehen
der internen Haftungsquoten.

    b) Soweit ersichtlich hat dieser Entscheid, der sich an die Auffassung
von Böckli anlehnt (Schweizer Aktienrecht, 2. Aufl., Rz. 2029c und d),
weitgehend Zustimmung gefunden (VOGEL, ZBJV 133/1998 S. 773, bezeichnet
ihn allerdings als «kühn»; TERCIER/STOFFEL, SZW 1997 S. 235, halten ihn
für «bien fondé»). Einzig TRIGO TRINDADE (SJ 1998 S. 16 f.) spricht einer
gewissen «souplesse» das Wort und will die Kostenverlegung - jedenfalls bei
grundsätzlich gegebener Solidarität - in das gerichtliche Ermessen stellen.

    c) In einem Entscheid vom 15. Oktober 1998 hat das Bundesgericht
präzisierend festgehalten, dass die in BGE 122 III 324 aufgestellten
Grundsätze nicht apodiktisch zu verstehen seien. So wurde ausgeführt,
dass die Kostenverteilung nach Art. 759 Abs. 2 OR in der Lesart
jenes Entscheids nur für das erstinstanzliche Verfahren zwingend
gelte, im Rechtsmittelverfahren aber die allgemeinen kantonalen
Prozessvorschriften für die Kostenliquidation Anwendung finden
könnten. Der subjektiv-historisch hergeleitete Schutzzweck von Art. 759
Abs. 2 OR entfalle im Rechtsmittelverfahren, da dort die Unsicherheit
bezüglich der ins Recht zu fassenden Beteiligten weitgehend ausgeräumt
sei. Ausserdem wurde bemerkt, die in der umstrittenen Bestimmung enthaltene
bundesrechtliche Verfahrensvorschrift sei nicht dahingehend zu verstehen,
dass der erstinstanzliche Richter die Kosten und Entschädigungen ohne
jeglichen Ermessensspielraum allen Streitgenossen auferlegen müsse,
sondern den Umständen des Einzelfalls durchaus Rechnung tragen dürfe.

    d) Eine strikte Handhabung des in BGE 122 III 324 für den Fall der
Klageabweisung aufgestellten Grundsatzes hat ihre Berechtigung, wenn
mehreren beklagten Streitgenossen gegenüber identische Vorwürfe erhoben
werden und eine gemeinsame Vertretung nicht ausgeschlossen ist. Es vermag
jedoch in Fällen nicht zu befriedigen, in denen mehrere Beklagte intern in
einem Interessenkonflikt stehen und einem Anwalt bereits standesrechtlich
untersagt ist, alle gemeinsam zu vertreten, weil sie sich gegenseitig
belasten. Hätte der Kläger unter diesen Umständen nur die Entschädigung für
eine einzige Gegenpartei auszurichten, müssten die je einzeln vertretenen,
obsiegenden Streitgenossen jedenfalls einen Teil der eigenen Prozesskosten
tragen, weil sie nur anteilsmässig entschädigt würden und intern eine
Kostenteilung zufolge Abweisung der Klage gegen alle nicht möglich
wäre. Dies würde im Ergebnis zu einer Art partieller Kausalhaftung der
obsiegenden Beklagten für den eigenen Verfahrensaufwand führen, die dem
schweizerischen Prozessrechtsverständnis grundsätzlich fremd ist. Daraus
ergibt sich, dass den beklagten Streitgenossen unter bestimmten Umständen
ein Anspruch auf mehrere Parteientschädigungen nicht aberkannt werden darf.
Davon ist insbesondere auszugehen, wenn sie begründeten Anlass hatten,
sich einzeln oder in Gruppen vertreten zu lassen. Bestand jedoch für eine
getrennte Vertretung kein objektiv-sachlicher Grund, ist an dem in BGE
122 III 324 aufgestellten Grundsatz festzuhalten und nur eine einfache
Parteientschädigung zu sprechen.

    e) Vorliegend wurden einerseits Revisionsstellen, anderseits
Verwaltungsräte eingeklagt. Da die beiden Gruppen aus unterschiedlichem
tatsächlichem Klagefundament belangt wurden, rechtfertigte sich eine
getrennte Parteivertretung. Die Kostenliquidation der Vorinstanz hält
damit vor Bundesrecht Stand.