Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 V 53



123 V 53

11. Auszug aus dem Urteil vom 20. Februar 1997 i.S. Bundesamt für
Militärversicherung gegen B. und Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
Regeste

    Art. 16 Abs. 2 MVG. Hat die Militärversicherung bei einem
bei ihr versicherten Festungswächter, bei dem nach der Methode
der Aurikulomedizin eine Amalgamunverträglichkeit diagnostiziert
wurde, für die Kosten von Diagnose und Behandlung (Amalgamentfernung,
Quecksilberausscheidung) aufzukommen? - Ausführungen zu Entstehung und
Tragweite des Wirkungsnachweises gemäss Art. 16 Abs. 2 MVG unter Hinweis
auf andere Sozialversicherungszweige (insbesondere Art. 32 KVG).

Sachverhalt

    A.- Der 1948 geborene B. steht seit April 1983 im Dienste
des Festungswachtkorps. Aufgrund verschiedener Beschwerden
(Sprunggelenksarthrose; Innenohrschwerhörigkeit; chronisches
Lumbovertebralsyndrom; Zervikalbrachialsyndrom; chronische Entzündung der
Nasennebenhöhlen) lässt er sich seit längerer Zeit ärztlich behandeln,
so unter anderem auch wegen mehrjähriger dumpfer Schmerzen im rechten
Oberkiefer. Der deswegen aufgesuchte Zahnarzt (Dr. med. dent. G.) verwies
B. zur Abklärung einer allfälligen Amalgamunverträglichkeit an
Dr. med. S. Nach durchgeführter aurikulomedizinischer Untersuchung erkannte
diese Ärztin auf "Quecksilberunverträglichkeit mit Amalgam - Störfeld
Typ I am Zahn 16", weshalb sie die zahnärztliche Amalgamsanierung mit
anschliessender medikamentöser Quecksilberentfernung empfahl. Nachdem
dem Bundesamt für Militärversicherung (BAMV) hierüber mit Anmeldung
vom 31. August 1992 Bericht erstattet worden war und der behandelnde
Zahnarzt im Dezember 1992 mit der Entfernung des Amalgams begonnen hatte,
teilte das BAMV dem Versicherten mit Schreiben vom 26. Januar 1993
mit, dass es die Kostenübernahme als fraglich erachte, weil der Erfolg
der Amalgamentfernung nicht wissenschaftlich belegt sei. Nach Erhalt
eines vom behandelnden Zahnarzt gestellten Gesuchs um Kostenübernahme,
worin auf die mit der Behandlung eingetretene spontane Besserung des
Gesundheitszustandes verwiesen wurde, wandte sich das BAMV durch die
Kreisärztin (Dr. med. F.) mit der Frage nach der Wissenschaftlichkeit
der durchgeführten Unverträglichkeitsmessung und der Indikation der
Amalgamentfernung an Dr. med. dent. R. Dieser hielt in seinem Bericht
vom 15. Juli 1993 fest, dass er die Amalgamentfernung mit anschliessender
Schwermetallausleitung - aufgrund eigener Untersuchung - eindeutig als
indiziert erachte, weil bei B. eine Amalgamunverträglichkeit bestehe,
dies "aber nicht im Sinne einer Allergie, sondern in Form einer
Mikrointoxikation". Im weiteren räumte er ein, dass die Methode der
Aurikulomedizin "immer noch als wissenschaftlich nicht belegt" gelte.

    Mit Erledigungsvorschlag vom 11. Oktober 1993 lehnte das BAMV die
Übernahme der Kosten der Amalgamentfernung und Quecksilberausscheidung
ab. Hieran hielt das Amt nach Beizug einer Stellungnahme seines Chefarztes
(Dr. med. M.) vom 29. November 1993 mit Einspracheentscheid vom 19. Januar
1994 fest.

    B.- Die dagegen erhobene Beschwerde, mit der B. im wesentlichen die
Übernahme der durch die Diagnose der Unverträglichkeit (Fr. 766.70) und
die Entfernung des Amalgams (Fr. 7'490.20) angefallenen Kosten beantragen
liess, hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom
7. Dezember 1994 gut. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt,
dass die Entfernung der Amalgamfüllungen und die Quecksilberausscheidung
aufgrund der Behandlungsergebnisse medizinisch indiziert gewesen
seien. Damit könne mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geschlossen
werden, dass die Krankheitssymptome auf die Amalgamfüllungen zurückgingen,
wobei unerheblich bleibe, ob eine Allergie oder eine Mikrointoxikation
vorgelegen habe. Im weiteren liess das Verwaltungsgericht den vom BAMV
erhobenen Einwand der fehlenden wissenschaftlichen Anerkennung nicht
gelten. Zum einen räume das MVG dem zugelassenen Therapeuten eine gewisse
Methodenfreiheit ein, zumal damit - gemäss gesetzgeberischer Absicht -
auch künftigen neuen Erkenntnissen über diagnostische und therapeutische
Mittel und Methoden Rechnung getragen werden könne. Daraus folge, dass
Amalgamentfernung und Quecksilberausscheidung nicht von vornherein als
ungeeignet für therapeutische Zwecke und somit als unwissenschaftlich
qualifiziert werden könnten. Zum andern sei sich die Lehre darin
einig, dass bei Unverträglichkeitserscheinungen zufolge Amalgams die
entsprechenden Zahnfüllungen entfernt werden müssten.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das BAMV die Aufhebung
des kantonalen Gerichtsentscheides im wesentlichen mit der Begründung, eine
Amalgamunverträglichkeit sei nicht erstellt und die erfolgte Entfernung
des Amalgams könne nicht als wissenschaftlich gesicherte Therapie gelten.

    B. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliessen. (...).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 16 Abs. 1 MVG in der seit dem 1. Januar 1994
geltenden totalrevidierten Fassung hat der Versicherte Anspruch auf
eine zweckmässige und wirtschaftliche Heilbehandlung, die geeignet ist,
seinen Zustand oder seine Erwerbsfähigkeit zu verbessern oder vor weiterer
Beeinträchtigung zu bewahren. Die Heilbehandlung umfasst nach Art. 16
Abs. 2 MVG namentlich die medizinische Untersuchung und Behandlung sowie
die Pflege, (...), mit Einschluss der Analysen, der Arzneimittel und
der weitern zur Therapie erforderlichen Mittel und Gegenstände (Satz
1). Untersuchung und Behandlung haben mit Mitteln und nach Methoden zu
erfolgen, für die der Wirkungsnachweis erbracht ist (Satz 2).

    b) Mit welchen Mitteln der Wirkungsnachweis gemäss Art. 16 Abs. 2
Satz 2 MVG im einzelnen zu erbringen ist, geht aus dem Gesetz nicht
hervor. Ebensowenig vermag in dieser Frage die in den Materialien
dokumentierte Entstehungsgeschichte Aufschluss zu vermitteln. Zu Art. 15
Abs. 1 des Entwurfs, der vollumfänglich dem Gesetz gewordenen Art. 16
Abs. 1 MVG entspricht, findet sich in der bundesrätlichen Botschaft
vom 27. Juni 1990 der Hinweis, dass damit ein in der Sozialversicherung
allgemein anerkannter Grundsatz verankert werde, wonach der Versicherte
auf eine angemessene ("zweckmässige und wirtschaftliche"), nicht aber
auf eine maximale Behandlung Anspruch habe. Was sodann die einzelnen
Mittel und Methoden einer wirksamen Heilbehandlung anbelange, werde der
Rahmen in Absatz 2 (von Art. 16 MVG) bewusst weit gefasst, um auch in
Zukunft neuen Erkenntnissen über diagnostische und therapeutische Mittel
und Methoden rechtzeitig Rechnung tragen zu können (BBl 1990 III 230;
vgl. LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, Bern 1994, §
29 Rz. 14). In diesem Zusammenhang gelangte denn auch an der Sitzung
der ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit vom 31. Januar
1991 unwidersprochen zum Ausdruck, dass Art. 16 Abs. 2 MVG die Übernahme
sinnvoller komplementärmedizinischer Heilmassnahmen ermögliche, wobei mit
dem - nicht für jede Behandlung, sondern vor allem bei neuen Methoden zu
erbringenden - Wirkungsnachweis denkbaren Missbräuchen vorgebeugt werden
könne (vgl. Voten Schwegler und Schoch, S. 3 f. des Protokollauszugs).

    c) Nach der Weisung des BAMV Nr. 10 über die Heilbehandlung vom
30. Juni 1993, in Kraft seit 1. Januar 1994, gilt der Wirkungsnachweis
im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 MVG als erbracht, wenn die
betreffende Untersuchungs- und Behandlungsmethode von Forschern und
Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis anerkannt
ist. Entscheidend sind dabei das Ergebnis der Erfahrungen und der Erfolg
einer bestimmten Therapie (Rz. 14). Im Interesse des Versicherten kann
ausnahms- und versuchsweise eine komplementäre Heilmethode (Akupunktur,
Homöopathie etc.), deren Wirkungsnachweis nicht erbracht ist, von der
Militärversicherung bewilligt und übernommen werden (Rz. 15).

    d) Im Schrifttum zum früheren MVG in der Fassung vom 20. September
1949 wird zu Art. 16 aMVG ("Der Versicherte hat Anspruch auf ärztliche
Behandlung, Arznei und andere zur Heilung und zur Verbesserung seiner
Arbeitsfähigkeit dienende Mittel und Gegenstände...") im wesentlichen
übereinstimmend ausgeführt, dass der Anspruch auf Heilbehandlung bzw.
Krankenpflege im Gesetz nicht erschöpfend umschrieben sei. Grundsätzlich
würden alle Behandlungen erfasst, die geeignet seien, die Heilung der
Gesundheitsschädigung herbeizuführen, den Zustand eines Patienten zu
verbessern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder zu verzögern oder sonst
das Los des Patienten zu mildern. Der Versicherte könne daher nur die
angezeigt erscheinenden Leistungen verlangen, was im konkreten Fall eine
rein medizinische Frage sei. Was sodann die in Art. 16 Abs. 1 aMVG nebst
der ärztlichen Behandlung und Arznei erwähnten Mittel und Gegenstände
anbelange, fielen darunter alle Stoffe und Massnahmen zur Besserung oder
Linderung von Gesundheitsschädigungen und Gebrechen wie etwa natürliche
Heilmittel (Luft, Klima, Sonne), diätetische Massnahmen, physikalische
Therapie, Psychotherapie usw. (vgl. zum Ganzen SCHATZ, Kommentar zur
Eidg. Militärversicherung, Zürich 1952, S. 109 ff.; VIKTOR LENDI, Der
Anspruch des Versicherten aus dem Bundesgesetz über die Militärversicherung
vom 20. September 1949, Zürcher Diss. 1970, S. 33 f.).

Erwägung 2

    2.- a) Das in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 MVG verankerte Erfordernis des
Wirkungsnachweises findet sich in gleicher Form auch in Art. 15 Abs. 2
der vom Ständerat am 25. September 1991 verabschiedeten (Amtl.Bull. 1991
S 779) Vorlage zu einem Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 27. September 1990 (BBl 1991 II
185 ff.). Im Unterschied zur militärversicherungsrechtlichen Regelung
sieht indes Art. 15 Abs. 2 Satz 2 ATSG zusätzlich ausdrücklich vor,
dass der Bundesrat nach Anhören der von ihm bestellten Fachkommissionen
für alle Sozialversicherungszweige Vorschriften über die Zulassung neuer
oder umstrittener Mittel und Methoden der Untersuchung und Behandlung
erlassen kann (BBl 1991 II 189 und 251). Dieser auf die Ermöglichung
weitgehender Übereinstimmung in der Beurteilung neuer oder umstrittener
diagnostischer und therapeutischer Mittel abzielende Vorschlag ist im
Rahmen der vertieften bundesrätlichen Stellungnahme vom 17. August 1994
nicht näher erörtert worden. Er hat nur insofern eine Ergänzung erfahren,
als der Bundesrat gemäss einem 3. Satz von Art. 15 Abs. 2 ATSG dafür sorgt,
dass die Anbieter medizinischer Spitzenleistungen Evaluationsregister
über Anwendungsform und Wirksamkeit ihrer Technologien führen (BBl 1994
V 921 ff., 933).

    b) Der Wirkungsnachweis gemäss Art. 16 Abs. 2 Satz 2 MVG und Art. 15
Abs. 2 ATSG beruht auf einem an sich unbestrittenen Prinzip, dessen
Anwendung jedoch in den einzelnen Zweigen des Sozialversicherungsrechts
bislang recht unterschiedlich erfolgte (BBl 1991 II 251).

    aa) Unter der bis Ende 1995 geltenden Ordnung des KUVG vom
13. Juni 1911 war die gesetzliche Leistungspflicht der Krankenkassen für
Krankenpflege auf die vom Arzt vorgenommenen wissenschaftlich anerkannten
diagnostischen und therapeutischen Massnahmen und die wissenschaftlich
anerkannten Heilanwendungen beschränkt (Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a und b
und Ziff. 2 KUVG; Art. 21 Abs. 1 Vo III über die Krankenversicherung vom
15. Januar 1965). Nach der hiezu ergangenen Rechtsprechung erfüllte eine
Behandlungsmethode dann das Erfordernis der wissenschaftlichen Anerkennung,
wenn ihr diese von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft
auf breiter Basis zuteil wurde. Entscheidend waren dabei das Ergebnis
der Erfahrungen und der Erfolg einer bestimmten Therapie (BGE 120 V 122
Erw. 1a, 211 Erw. 7a und 476 f. Erw. 4a, 119 V 28 f. Erw. 3a und RKUV 1996
Nr. K 975 S. 70 Erw. 7a und Nr. K 976 S. 81 Erw. 7a, je mit Hinweisen;
JEAN-LOUIS DUC, Les assurances sociales en Suisse, Lausanne 1995, S. 210
Rz. 230, inkl. FN 309 und 310). War umstritten, ob eine diagnostische oder
therapeutische Massnahme wissenschaftlich, zweckmässig und wirtschaftlich
ist, so entschied das Eidg. Departement des Innern (EDI) nach Anhören der
Eidg. Fachkommission für allgemeine Leistungen der Krankenversicherung,
ob die Massnahme als Pflichtleistung von den Krankenkassen übernommen
werden musste (Art. 12 Abs. 5 KUVG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 2 Vo
III; vgl. Anhang zur Vo 9 des EDI vom 18. Dezember 1990). Desgleichen
bezeichnete das EDI nach Anhören der Fachkommission die von den Kassen
gemäss Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. b und Ziff. 2 KUVG zu übernehmenden
wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen (Art. 21a Vo III; vgl. Vo
7 des EDI vom 13. Dezember 1965).

    Nach der unter dem KUVG ergangenen Rechtsprechung waren die
Meinungsäusserungen der Eidg. Fachkommission für den Richter grundsätzlich
nicht verbindlich. Wenn es allerdings darum ging, einen Sachverhalt zu
würdigen, der ausschliesslich medizinische Überlegungen beschlug, so wurde
der Richter im allgemeinen als nicht in der Lage erachtet zu beurteilen,
ob die Schlussfolgerungen der Fachleute stichhaltig seien; er musste sich
deshalb der Kommissionsmeinung anschliessen, sofern diese nicht unhaltbar
schien (BGE 120 V 123 Erw. 1a, 119 V 31 Erw. 4b mit Hinweisen; vgl. ferner
DUC, aaO, S. 208 f. Rz. 228). Das Eidg. Versicherungsgericht hat sodann
entschieden, dass in Fällen, in denen eine medizinische oder therapeutische
Massnahme nicht im Anhang zur Vo 9 des EDI vom 18. Dezember 1990 (oder
nunmehr im Anhang 1 zur KLV [vgl. hernach Erw. 2c/aa]) aufgeführt und ein
entsprechendes Aufnahmeverfahren auch nicht im Gange ist, der Richter die
zur Beurteilung der Wissenschaftlichkeit erforderlichen Abklärungen nach
den Regeln des Untersuchungsgrundsatzes zu treffen hat (unveröffentlichtes
Urteil G. vom 23. Mai 1996).

    bb) Während für das KUVG der Grundsatz galt, dass die ärztliche
Behandlung in diagnostischer wie in therapeutischer Hinsicht
wissenschaftlich sein muss, und im übrigen auch bestimmt war, wer über
die Frage der wissenschaftlichen Anerkennung entscheidet, enthalten
UVG und UVV keine entsprechende Regelung. Dennoch wird das Erfordernis
der Wissenschaftlichkeit der ärztlichen Tätigkeit auch im Bereich der
obligatorischen Unfallversicherung als selbstverständlich vorausgesetzt
(MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 289 f.;
ALEXANDRA RUMO-JUNGO, Bundesgesetz über die Unfallversicherung, 2. Aufl.,
Zürich 1995, S. 241 Ziff. II). Gemäss Art. 10 Abs. 3 Satz 1 UVG könnte
der Bundesrat die Leistungspflicht der Versicherung näher umschreiben und
damit unter anderem auch festlegen, welche Vorkehren als wissenschaftlich
anerkannt gelten und wer im Zweifelsfall hierüber zu entscheiden
hätte. Von dieser Befugnis hat er bis heute jedoch keinen Gebrauch
gemacht, dies weil den betreffenden Fragen in der Unfallversicherung
aufgrund von Art. 48 Abs. 1 UVG nicht dieselbe Bedeutung zuzukommen
scheint wie in der Krankenversicherung. Denn nach dieser Bestimmung
kann der Versicherer (...) die nötigen Anordnungen zur zweckmässigen
Behandlung des Versicherten treffen. Er darf daher - aufgrund des in der
obligatorischen Unfallversicherung geltenden Naturalleistungsprinzips
(vgl. RKUV 1995 Nr. U 227 S. 190 mit Hinweis auf FRANÇOIS-X. DESCHENAUX,
Le précepte de l'économie du traitement dans l'assurance maladie
sociale..., in: Festschrift 75 Jahre EVG, Bern 1992, S. 529 f.) - die
diagnostischen und therapeutischen Massnahmen im Einzelfall festlegen
und damit insbesondere auch über deren wissenschaftliche Anerkennung
entscheiden. Dabei wird er sich freilich regelmässig an die Praxis
der Krankenversicherung halten und gerade mit Blick auf die bei ihm
liegende Verantwortlichkeit für allfällige Schädigungen durch die
Heilbehandlung (Art. 6 Abs. 3 UVG) kaum Vorkehren zulassen, die dort
als unwissenschaftlich oder als wissenschaftlich umstritten gelten
(MAURER, aaO, S. 290 f.; GHÉLEW/RAMELET/RITTER, Commentaire de la loi
sur l'assurance-accidents [LAA], Lausanne 1992, S. 192; LOCHER, aaO, §
29 Rz. 13; vgl. ferner RKUV 1995 Nr. U 227 S. 190 Erw. 2a und zu Art. 23
KUVG das in SUVA-Rechtsprechungsbeilage 1983 Nr. 4 S. 7 auszugsweise
veröffentlichte Urteil Sch. des Eidg. Versicherungsgerichts vom 3. August
1983).

    cc) Auch in der Invalidenversicherung besteht eine Leistungspflicht
bei medizinischen Massnahmen im allgemeinen (Art. 12 IVG) und bei
Geburtsgebrechen (Art. 13 IVG) im besonderen unter anderem nur,
wenn die Massnahmen nach bewährter Erkenntnis der medizinischen
Wissenschaft angezeigt sind (Art. 2 Abs. 1 in fine IVV und Art. 2
Abs. 3 GgV). Rechtsprechungsgemäss findet dabei die auf dem Gebiet der
Krankenpflege geltende Definition der Wissenschaftlichkeit grundsätzlich
auch auf die medizinischen Massnahmen der Invalidenversicherung
Anwendung. Ist mithin eine Vorkehr mangels Wissenschaftlichkeit
nicht als Pflichtleistung der Krankenkassen nach KUVG anerkannt,
so kann sie auch nicht als medizinische Massnahme nach Art. 12 IVG
zu Lasten der Invalidenversicherung gehen (BGE 115 V 195 f. Erw. 4b,
114 V 22 f. Erw. 1a). Diese Einschränkung erscheint um so gebotener,
als die Invalidenversicherung die medizinischen Massnahmen als
Naturalleistungen erbringt und aufgrund des dieser Leistungsart
innewohnenden Eingliederungsrisikos nach Art. 11 IVG bzw. Art. 23 IVV im
Falle eines Behandlungsmisserfolges unter Umständen haftbar werden könnte
(BGE 114 V 26 Erw. 2d).

    Abgesehen von den medizinischen Massnahmen gilt das Erfordernis
der Wissenschaftlichkeit ebenso in bezug auf die Sonderschulmassnahmen
gemäss Art. 19 IVG, insbesondere diejenigen pädagogisch-therapeutischer
Art (Art. 19 Abs. 2 lit. c IVG, Art. 8 Abs. 1 lit. c und Art. 10bis
IVV). Massgebend ist dabei jedoch nicht der Begriff der medizinischen,
sondern der pädagogischen Wissenschaft (BGE 114 V 26 Erw. 2c und d;
unveröffentlichtes Urteil H. vom 12. September 1994). Dementsprechend
kann insofern bei Zweifeln hinsichtlich der Wissenschaftlichkeit -
im Unterschied zu den medizinischen Massnahmen - nicht in Anlehnung an
die Erkenntnisse der Eidg. Fachkommission für allgemeine Leistungen der
Krankenversicherung entschieden werden. Stattdessen bilden sich Verwaltung
und - im Anfechtungsfall - der Sozialversicherungsrichter ihr Urteil in
aller Regel auf der Grundlage entsprechender Gutachten (unveröffentlichte
Urteile B. vom 29. August 1994 und B. vom 21. Mai 1990) oder allenfalls
sogar unmittelbar gestützt auf die einschlägige Fachliteratur (BGE 114
V 28 Erw. 3b; unveröffentlichtes Urteil M. vom 29. April 1994).

    dd) Für den Bereich der Ergänzungsleistungen hat die  Rechtsprechung
klargestellt, dass Art. 3 Abs. 4 lit. e ELG im Hinblick auf die zu
verhindernde Unterschreitung eines angemessenen Existenzbedarfs die
Ausgaben für sämtliche Arten von Vorkehren erfassen soll, die nach
bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft zur Heilung,
Linderung oder Stabilisierung eines Leidens erforderlich sind
(BGE 108 V 241 Erw. 4c, EVGE 1968 S. 69 Erw. 2d). Das Erfordernis
der Wissenschaftlichkeit gemäss Art. 5 lit. a ELKV (in der bis 31.
Dezember 1995 gültig gewesenen Fassung) bezieht sich dabei über den
Verordnungswortlaut hinaus nicht nur auf die gemäss Anordnung des Arztes
durch medizinische Hilfspersonen durchgeführten, sondern gleichermassen
auf die vom Arzt selbst vorgenommenen Massnahmen sowie auf medikamentöse
Behandlungen. Was letztere anbelangt, bedeutet dies nicht, dass nur die
in der Arzneimittel- und in der Spezialitätenliste enthaltenen Präparate
zu vergüten sind; der Vergütungsanspruch erstreckt sich vielmehr auf alle
ärztlich verordneten Heilmittel, denen im konkreten Fall die Eigenschaft
eines Medikaments nicht abgesprochen werden kann, worunter auch ärztlich
verordnete homöopathische Heilmittel fallen können (unveröffentlichtes
Urteil H. vom 21. Juni 1993; vgl. ferner Rz. 5040 der vom Bundesamt für
Sozialversicherung herausgegebenen Wegleitung über die Ergänzungsleistungen
zur AHV und IV [WEL] in der ab 1. Januar 1994 gültig gewesenen Fassung).

    c) Nach dem Gesagten kann festgehalten werden, dass den im Bereich
des Krankenversicherungsrechts geltenden Regeln im hier interessierenden
Zusammenhang auch für die anderen Zweige der Sozialversicherung grosse
Bedeutung zukommt. Es rechtfertigt sich daher, im folgenden auch die mit
dem KVG vom 18. März 1994 auf den 1. Januar 1996 in Kraft getretene neue
Ordnung darzustellen.

    aa) Art. 32 Abs. 1 KVG setzt für eine Übernahme der Kosten bei
sämtlichen der im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu
erbringenden Leistungen (Art. 25 bis 31 KVG) voraus, dass diese wirksam,
zweckmässig und wirtschaftlich sein müssen (Satz 1). Die Wirksamkeit muss
nach wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen werden (Satz 2), wobei sie -
ebenso wie die Zweckmässigkeit und die Wirtschaftlichkeit der Leistungen -
periodisch überprüft wird (Art. 32 Abs. 2 KVG). Nach Art. 33 Abs. 1 KVG
kann der Bundesrat die von Ärzten und Ärztinnen (...) erbrachten Leistungen
bezeichnen, deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen übernommen werden. Gemäss
Art. 33 Abs. 3 KVG bestimmt der Bundesrat, in welchem Umfang die
obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten einer neuen oder
umstrittenen Leistung übernimmt, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit oder
Wirtschaftlichkeit sich noch in Abklärung befindet. Er setzt Kommissionen
ein, die ihn bei der Bezeichnung der Leistungen beraten (Art. 33 Abs. 4
Satz 1 KVG), wobei er die Aufgaben nach den Abs. 1-3 von Art. 33 KVG dem
Departement oder dem Bundesamt übertragen kann (Art. 33 Abs. 5 KVG).
Nach Ausübung dieser Subdelegationskompetenz durch den Bundesrat
(vgl. Art. 33 der Verordnung über die Krankenversicherung vom 27. Juni
1995 [KVV]) hat das EDI im Rahmen der Verordnung über die Leistungen in
der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 29. September 1995
(Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) unter anderem die in Art. 33
Abs. 1 und 3 KVG (bzw. Art. 33 lit. a und c KVV) angesprochenen Leistungen
bezeichnet und die Voraussetzungen sowie den Umfang der Kostenübernahme
durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung bestimmt (Art. 1 KLV
in Verbindung mit Anhang 1).

    bb) Besonderes Augenmerk verdient die Entstehung von
Art. 32 KVG. Denn der bundesrätliche Gesetzesentwurf enthielt
hinsichtlich der Voraussetzungen für die Kostenübernahme durch die
Krankenversicherung insofern eine wichtige Neuerung, als er das Kriterium
der wissenschaftlichen Anerkennung ausdrücklich aufgab und nur noch
verlangte, dass die Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich zu
sein hätten (vgl. Art. 26 Abs. 1 E-KVG). Die Botschaft des Bundesrates zur
Revision der Krankenversicherung vom 6. November 1991 führt hiezu aus,
dass das Kriterium der Wissenschaftlichkeit in den letzten Jahren und
vor allem auch in der Vernehmlassung stark in Zweifel gezogen worden sei.
Der Begriff der wissenschaftlichen Anerkennung werde heute als ungeeignet
und zu ungenau erachtet, weshalb er durch denjenigen der Wirksamkeit
ersetzt werde. Die Befürchtung, dass damit die Leistungspflicht
über die klassische Medizin hinaus auf Massnahmen ausgedehnt werde,
die nicht auf einem seriösen medizinischen Ansatz beruhen würden,
sei unbegründet. Denn indem nicht nur Wirksamkeit (allgemeine Eignung),
sondern zugleich auch Zweckmässigkeit (angemessene Eignung im Einzelfall)
und Wirtschaftlichkeit (angemessenes Kosten-/Nutzenverhältnis) verlangt
würden, könnten "unvernünftige" oder zumindest "zweifelhafte" Leistungen
ausgeschlossen werden (BBl 1992 I 158 f., 265).

    Der Gesetzesentwurf hat in den Räten ausführliche Diskussionen
ausgelöst, nachdem die vorberatende ständerätliche Kommission den nach
der Differenzbereinigung schliesslich in das Gesetz aufgenommenen Zusatz
vorgeschlagen hatte, dass die Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Methoden
nachgewiesen sein müsse (vgl. MAURER, Das neue Krankenversicherungsrecht,
Basel 1996, S. 51 f., FN 129). Auf seiten der Befürworter dieses Zusatzes
gelangte einhellig zum Ausdruck, dass wissenschaftlich nicht im Sinne von
naturwissenschaftlich zu verstehen sei, der Wirkungsnachweis auch etwa
mittels Statistik erbracht werden könne und es vor allem nicht darum gehe,
damit den Bereich der Komplementärmedizin von der Leistungspflicht der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung auszuschliessen (Amtl.Bull. 1992
S 1303 ff., 1993 N 1845 ff., 1056 ff., 1994 N 17 ff.; Protokoll der
ständerätlichen Kommissionssitzungen vom 29./30. Juni 1992 S. 39 f. und
vom 12./13. Oktober 1992 S. 43 ff.).

Erwägung 3

    3.- Aus diesem vergleichenden Überblick verschiedener Leistungssysteme
kann gefolgert werden, dass die Regelung gemäss Art. 16 MVG im
Sozialversicherungsrecht des Bundes in verschiedener Hinsicht eine
Sonderstellung einnimmt:

    a) Zum einen umschreibt Art. 16 MVG die Leistungspflicht der
Militärversicherung generalklauselartig (Abs. 1 und 2). Damit besteht
ein wesentlicher Unterschied zur Krankenversicherung, die unter
dem neuen Recht dem Listenprinzip (Art. 34 KVG) folgt (vgl. MAURER,
Krankenversicherungsrecht, aaO, S. 45). Diese Differenz erscheint als
um so ausgeprägter, als die Krankenversicherung - wie früher (Art. 21
Abs. 2 Vo III und Anhang zur Vo 9) - eine zusätzliche Konkretisierung
ihrer Leistungspflicht gemäss Empfehlung fachlich berufener Kommissionen
auf Verordnungsstufe kennt, und zwar in bezug auf ärztliche Leistungen
nunmehr in Form von Negativlisten (Art. 33 Abs. 1 und 3 KVG; Art. 33
lit. a und c KVV; Art. 1 KLV; vgl. MARKUS MOSER, Erläuterungen durch
den Vizedirektor, in: CHSS 1996 H. 2 S. 89). Derselbe Unterschied
besteht sodann gegenüber dem Entwurf zu einem Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (Art. 15 Abs. 2 Satz 2 ATSG) und - an sich -
auch gegenüber der obligatorischen Unfallversicherung, wo die entsprechende
Verordnungsbefugnis des Bundesrates (Art. 10 Abs. 3 UVG) allerdings bislang
nicht ausgeschöpft wurde. Der Grund dafür mag darin liegen, dass das UVG
dem Naturalleistungsprinzip verpflichtet ist (vgl. Erw. 2b/bb), anders
als das Krankenversicherungsrecht, welches dem System der Kostenvergütung
folgt (MAURER, Krankenversicherungsrecht, aaO, S. 44). Jenes Prinzip und
die damit regelmässig verknüpfte Verantwortung des Versicherers für die
Heilbehandlung (vgl. RKUV 1995 Nr. U 227 S. 190) findet sich - genauso
wie in der Invalidenversicherung - auch in der Militärversicherung
(Art. 16 Abs. 4 und Art. 18 Abs. 1 und 6 MVG) verwirklicht (LOCHER,
aaO, § 29 Rz. 16 und Vorbemerkungen zum 1. Kap. des 5. Teils, S.
175 Rz. 3; FRANZ SCHWEGLER, Nach 141 Jahren: Beginn der fünften Epoche
in der Militärversicherung, in: CHSS 1993 H. 5 S. 6). Dieser Umstand
dürfte mitbestimmend dafür gewesen sein, dass von einer eigentlichen
Konkretisierung ihrer Leistungspflicht im tieferrangigen Recht abgesehen
wurde.

    b) Zum andern verlangt Art. 16 Abs. 2 MVG für Untersuchung
und Behandlung wohl einen Wirkungsnachweis, doch ist - und dies in
Anlehnung an Art. 15 Abs. 2 ATSG - das für andere Leistungszweige
typische qualitative Erfordernis der wissenschaftlichen Anerkennung
nicht mehr ausdrücklich aufgenommen worden. Damit unterscheidet sich
Art. 16 Abs. 2 MVG nicht nur von Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a und b
und Ziff. 2 KUVG sowie den zuvor dargestellten Leistungsbereichen der
Invalidenversicherung (vgl. Erw. 2b/cc). Ein Unterschied besteht vielmehr
ebenso gegenüber Art. 32 Abs. 1 KVG, welche Bestimmung ausdrücklich
einen Wirkungsnachweis nach wissenschaftlichen Methoden verlangt.
Bis auf diesen Kompromiss (vgl. Erw. 2c) vermochte sich die Abkehr
vom Erfordernis der wissenschaftlichen Anerkennung gemäss Art. 16
Abs. 2 MVG indes auch im Rahmen der parlamentarischen Beratung der
Totalrevision des Krankenversicherungsrechts zu behaupten. Ihr liegt
gewachsenes Unbehagen gegenüber einem überlieferten Verständnis von
Wissenschaftlichkeit zugrunde. Vor allem aber geht sie zurück auf das
- bei beiden Reformwerken gleichermassen präsente - Bestreben, bei der
Leistungserbringung den Errungenschaften der Komplementärmedizin Rechnung
zu tragen (vgl. Erw. 1b und 2c/bb).

    c) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die
Militärversicherung im Zusammenhang mit dem Wirkungsnachweis gemäss Art. 16
Abs. 2 MVG nicht nur vom Erfordernis der Wissenschaftlichkeit gelöst hat.
Sie kennt überdies - im wesentlichen Unterschied zur Krankenversicherung
sowie zum Allgemeinen Teil Sozialversicherung - auch kein Verfahren, das
im Falle streitiger Wirksamkeit eingeschlagen werden und unter Einsatz
von Fachkommissionen in die Konkretisierung der Leistungspflicht auf
Verordnungsstufe ausmünden könnte.

    Von diesen Unterschieden abgesehen, stimmen Art. 16 MVG und Art. 32
KVG jedoch insofern überein, als die zu übernehmenden Leistungen nicht
nur wirksam, sondern auch zweckmässig und wirtschaftlich zu sein haben
(vgl. dazu MAURER, Krankenversicherungsrecht, aaO, S. 52).

Erwägung 4

    4.- a) Geht es - wie im vorliegenden Fall - um die Beurteilung
der Wirksamkeit einer diagnostischen oder therapeutischen Massnahme
nach Art. 16 Abs. 2 MVG, bieten sich von vornherein dann keine
Probleme, wenn deren Übernahme durch die Krankenversicherung ausser
Frage steht. Zufolge fehlender Positivlisten im Bereich der ärztlichen
Leistungen (Art. 33 Abs. 1 KVG; MOSER, aaO, S. 89) vermag indes die Praxis
der Krankenversicherung gerade in zweifelhaften Fällen kaum verlässliche
Hilfe zu bieten (vgl. die Kritik des Ombudsmannes in KSK-Aktuell 1996 Nr. 5
S. 73), wogegen die Militärversicherung in klaren Fällen ohnehin kaum je
versucht sein wird, sich ihrer Leistungspflicht zu entziehen. Bestreitet
sie hingegen bei neueren oder noch nicht allgemein anerkannten Vorkehren
deren Wirksamkeit, stellt sich die Frage, was aus dem Verzicht auf das
Erfordernis der wissenschaftlichen Anerkennung (Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1
lit. b KUVG) sowie daraus zu schliessen ist, dass Art. 16 Abs. 2 MVG
in bezug auf den nunmehr verlangten Wirkungsnachweis - im Unterschied
zum später erlassenen Art. 32 KVG - die Verwendung wissenschaftlicher
Methoden nicht eigens erwähnt.

    In dieser Hinsicht kann zweierlei festgehalten werden: Einerseits
folgt aus den Vorarbeiten des Gesetzes (vgl. Erw. 1b) und mit Blick
auf die Entwicklung in der Krankenversicherung (vgl. Erw. 2c/bb),
dass sich aufgrund der beabsichtigten Ausdehnung der Leistungspflicht
auf komplementärmedizinische Methoden eine Beurteilung der Wirksamkeit
nicht auf eine naturwissenschaftliche oder gar schulmedizinische Optik
beschränken darf. Denn diese Kriterien vermögen jenen Leistungen häufig
nicht oder nur unzureichend gerecht zu werden. Insofern erscheint es
durchaus als folgerichtig, wenn die Prüfung auf die Frage der Wirksamkeit
beschränkt und kein abschliessender Aufschluss über den kausalen Verlauf
und das Verständnis der Wirkungsweise verlangt wird. Zum andern lässt
sich aus dem zuvor umschriebenen Verzicht der Schluss nicht ziehen,
die Beurteilung der Wirksamkeit habe einzelfallbezogen und retrospektiv
aufgrund der konkreten Behandlungsergebnisse zu erfolgen. Vielmehr
geht es auch im Rahmen von Art. 16 Abs. 2 MVG um eine vom einzelnen
Anwendungsfall gelöste allgemeine Bewertung (vgl. Erw. 1b in fine). Eine
Aufgabe dieses Grundsatzes würde bei erfolglosen ärztlichen Bemühungen zu
geradezu widersinnigen Ergebnissen führen. Dass dies nicht die Absicht
des Gesetzgebers sein konnte, folgt indirekt auch aus dem Konzept
des bundesrätlichen Entwurfs zum KVG, der den nach wissenschaftlichen
Methoden zu erbringenden Wirkungsnachweis nicht verlangte, jedoch bereits
eine regelmässige Überprüfung der Wirksamkeit (Art. 26 Abs. 2 E-KVG) und
eine verordnungsmässige Umschreibung der nicht oder nur unter bestimmten
Bedingungen zu übernehmenden Leistungen vorsah (Art. 27 Abs. 1 E-KVG).

    b) Dass der Verzicht auf das Erfordernis der wissenschaftlichen
Anerkennung und der unterbliebene Hinweis auf die beim Wirkungsnachweis zu
verwendenden wissenschaftlichen Methoden im Bereich der Militärversicherung
über das Gesagte hinaus noch eine weitere Bedeutung haben könnte,
ist selbst nach Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien nicht
ersichtlich. Dies erstaunt insofern nicht, als bereits das frühere
Recht jedenfalls nach seinem Wortlaut (Art. 16 aMVG) den Begriff der
wissenschaftlichen Anerkennung nicht enthalten hatte (vgl. Erw. 1d). Zum
andern darf der in dieser Hinsicht bestehende Unterschied zu Art. 32
Abs. 1 KVG aber auch nicht überbewertet werden. Denn für die in der
parlamentarischen Diskussion erfolgte Ergänzung des bundesrätlichen
Entwurfs zum KVG mit dem Zusatz des Wirkungsnachweises nach
wissenschaftlichen Methoden war wohl letztlich allein die - auch Art. 16
Abs. 2 MVG keineswegs fremde (vgl. Erw. 1b) - Absicht entscheidend gewesen,
der gerade im Bereich komplementärmedizinischer Leistungen vermuteten
Gefahr des Missbrauchs entgegenzuwirken.

    c) Die Beurteilung der Wirksamkeit einer diagnostischen oder
therapeutischen Massnahme obliegt aufgrund der Ausgestaltung des MVG
nicht einer Fachkommission, sondern in erster Linie der Verwaltung und -
im Streitfall - dem angerufenen Richter. Für beide gilt, dass sie sich
nach Massgabe des Untersuchungsgrundsatzes - mithin von Amtes wegen,
aber unter Mitwirkung der Parteien (BGE 122 V 158 Erw. 1a, 121 V 210
Erw. 6c, je mit Hinweisen) - die entscheidwesentlichen Informationen
zu beschaffen haben. Dabei werden sie mangels eigener Sachkenntnis
vor allem bei komplexeren Fragestellungen in aller Regel nicht darauf
verzichten können, die Meinungen unabhängiger Experten beizuziehen. An
diesen liegt es, über die Wirksamkeit der in Frage stehenden Vorkehr
zu berichten. Eine solche Beurteilung kann sich nach dem Gesagten indes
nicht an der Anerkennung durch herkömmliche naturwissenschaftliche oder
schulmedizinische Forscher und Praktiker ausrichten und hat keinen
abschliessenden Aufschluss über die Mechanismen der zu überprüfenden
Wirkung zu vermitteln. In diesem Sinne lässt sich die eingangs zitierte
Rz. 14 der Verwaltungsweisung (Erw. 1c), die für den Richter nicht
verbindlich ist (BGE 122 V 253 Erw. 3d mit Hinweisen), nicht halten.
Vorbehältlich der erwähnten Einschränkung werden sich wissenschaftliche
Methoden aber auch im Rahmen der Wirksamkeitsbeurteilung nach Art. 16
Abs. 2 MVG als unerlässlich erweisen. Denn der erforderliche Nachweis, dem
eine objektivierbare Sicht zugrunde zu liegen hat, lässt sich am ehesten
mit Hilfe von statistischen Vergleichswerten erbringen. Davon abgesehen
darf bei der Beurteilung der Wirksamkeit im Sinne von Art. 16 Abs. 2 MVG
ohne weiteres auf Erkenntnisse zurückgegriffen werden, die sich aus der
vermehrten wissenschaftlichen Durchdringung der Komplementärmedizin im
Gefolge ihrer allmählichen Integration in den universitären Lehrbetrieb
ergeben.

Erwägung 5

    5.- Was die hier zu beurteilende Streitfrage anbelangt, musste sich
das Eidg. Versicherungsgericht schon mehrfach mit Fällen befassen, in denen
die Übernahme der durch die Entfernung und den Ersatz von Amalgamfüllungen
zufolge Quecksilberunverträglichkeit verursachten Kosten in Frage stand. So
hat es für den Bereich der Krankenversicherung unter der Geltung des KUVG
- ausgehend von der Rechtsprechung zur Frage der Leistungspflicht bei
zahnärztlicher Behandlung (vgl. BGE 120 V 195 Erw. 2b) - entschieden, dass
die fragliche Behandlung keine Pflichtleistung der Krankenkasse darstellt
(RKUV 1995 Nr. K 968 S. 144 Erw. 2a mit Hinweisen). Hingegen hat es die
Vergütung dieser Kosten im Rahmen von Art. 3 Abs. 4 lit. e ELG und Art. 6
ELKV (in der bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Fassung) anerkannt,
dies aufgrund des aus verschiedenen Gründen als gegeben erachteten
Zusammenhangs zwischen dem Amalgam und den Leiden des betroffenen
Versicherten, ohne sich jedoch mit der Frage der Diagnosenstellung
eingehender zu befassen (unveröffentlichtes Urteil S. vom 25. August 1992,
seinerseits erwähnt in RKUV 1995 Nr. K 968 S. 145 Erw. 2b).

    Für den hier zu beurteilenden Fall lässt sich daraus nichts
Zwingendes ableiten, da sich diese Urteile mit der Wirksamkeit
der streitigen diagnostischen und therapeutischen Methoden nicht
auseinandersetzen. Abgesehen davon besteht im vorliegenden Fall mit Art. 16
MVG eine Anspruchsgrundlage, die sich von Art. 12 KUVG und Art. 3 Abs. 4
ELG (vgl. BGE 108 V 241 Erw. 4c u. d; RKUV 1995 Nr. K 968 S. 145 Erw. 2b)
in verschiedener Hinsicht unterscheidet.

Erwägung 6

    6.- a) Im vorliegenden Fall wird nicht nur die Wirksamkeit der
gewählten Behandlungsform, sondern auch diejenige des verwendeten
Diagnoseverfahrens bestritten. Die von Dr. med. S. bescheinigte
"Quecksilberunverträglichkeit mit Amalgam-Störfeld Typ I am Zahn 16"
wurde nach der Methode der sogenannten Aurikulomedizin erhoben. Dabei
handelt es sich um ein Akupunkturverfahren ("Ohrakupunktur"), bei dem
die Ohrmuschel als Reflexzone des ganzen Körpers herangezogen wird;
die Akupunktur-Punkte für die einzelnen Organe oder Körperabschnitte
werden dabei auf das Ohr als Modell eines auf dem Kopf stehenden Feten
projiziert (ROCHE LEXIKON MEDIZIN, 3. Aufl. 1993, S. 1219; vgl. ferner
GODEAU/PIETTE/HERSON, Traité de Médicine, 2. Aufl. 1987, Bd. 2,
S. 2894). Die Tauglichkeit dieses Verfahrens wird in der Schulmedizin in
Frage gestellt (vgl. exemplarisch: DUDEN, Das Wörterbuch der medizinischen
Fachausdrücke, 5. Aufl. 1992, S. 131). Diese Haltung gelangt in den
Akten des hier zu beurteilenden Falles deutlich zum Ausdruck, und zwar
nicht nur in den Stellungnahmen des beschwerdeführenden Bundesamtes,
sondern desgleichen in den Berichten des Dr. med. dent. R. vom 15. Juli
1993 und Dr. med. O. vom 1. Oktober 1993. Allerdings wurde das fragliche
Verfahren beim Beschwerdegegner offenbar auch von Dr. R. selbst angewandt,
wobei er gegenüber Dr. S. zu einem leicht modifizierten Ergebnis gelangte
(Amalgamunverträglichkeit nicht im Sinne einer Allergie, sondern in Form
einer Mikrointoxikation). Der zweitgenannte Arzt hielt sodann fest,
dass die Amalgamallergie schulmedizinisch umstritten, aufgrund seiner
Beobachtungen während der Zahnsanierung (Auftreten von objektivierbaren,
indes nicht anders erklärbaren Ödemen) "jedoch nicht ganz von der Hand
zu weisen" sei.

    Aufgrund dieser fallbezogenen Arztberichte lässt sich die Wirksamkeit
des streitigen Diagnoseverfahrens nicht beurteilen. Immerhin fällt deren
Annahme - nach den vorherigen Ausführungen (vgl. Erw. 4a) - jedenfalls
nicht bereits deshalb ausser Betracht, weil sie schulmedizinisch umstritten
zu sein scheint.

    b) Namentlich der soeben erwähnte Bericht des Dr. R. vom 1. Oktober
1993 macht deutlich, dass sich die vorliegende Streitfrage nicht auf
Diagnose und Therapie beschränkt, sondern gleichsam auf die Ursache des
Leidens selbst erstreckt. Um die offenbar seit je in Frage gestellte
Verwendung quecksilberhaltigen Amalgams als Zahnfüllmaterial und um
seine Auswirkungen auf den menschlichen Körper ist unter dem Einfluss der
Massenmedien in den letzten Jahren im In- und Ausland eine eigentliche
Kontroverse entbrannt (vgl. etwa LÜBBE/WÜTHRICH, Amalgamallergie und
Amalgamkontroverse, in: Schweizerische Medizinische Wochenschrift,
126/1996 H. 16 S. 661 ff.). Hier im einzelnen darauf einzugehen,
erscheint um so entbehrlicher, als sich bereits das kantonale Gericht
damit auseinandergesetzt hat. Dieses ist nach Einsicht in das von
den Parteien aufgelegte Schrifttum zur Feststellung gelangt, dass die
Meinungen über die Gefährlichkeit des Amalgams in der medizinischen
Fachwelt auseinandergingen; immerhin könne als wissenschaftlich gesichert
gelten, dass die Konzentration von Quecksilberdepots im menschlichen
Körper wesentlich von der Menge des in den Zähnen enthaltenen Amalgams
abhänge und dieses allergene Reaktionen mit Krankheitswert auszulösen
vermöge. Darüber hinaus hat sich das kantonale Gericht zu Recht nicht
weiter auf die Kontroverse eingelassen. Ebenso zu Recht wird ihm nunmehr
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde indes vorgeworfen, sich bei seiner
nachfolgenden Beurteilung schwergewichtig auf den beim Beschwerdegegner
erzielten Therapieerfolg abgestützt zu haben. Damit hat das kantonale
Gericht verkannt, dass die Wirksamkeit einer ärztlichen Behandlungsmethode
nicht einzelfallbezogen, sondern allgemein zu erfolgen hat (vgl. Erw. 4a).

    c) Im vorliegenden Fall scheidet angesichts von Tragweite und
Vielschichtigkeit der angesprochenen Thematik die Möglichkeit aus, dass
sich der Richter ein abschliessendes Urteil allein nach Einsicht in die
Fachliteratur verschaffen könnte (vgl. Erw. 2b/cc in fine). Nach dem
Gesagten besteht vielmehr Anlass, zur Frage der Wirksamkeit der hier
streitigen diagnostischen und therapeutischen Vorkehren ein Gutachten
einzuholen. Bei der Fragestellung und vor allem auch bei der Auswahl des
oder der Experten wird in ganz besonderem Masse auf die hievor erarbeiteten
Grundsätze zu achten sein. (...).

    d) Demnach erfordert die Beurteilung des vorliegenden Falles
zusätzliche Abklärungen, insbesondere die Einholung gutachtlicher
Stellungnahmen (...). Hiefür ist die Sache an das kantonale Gericht
zurückzuweisen.