Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 V 25



123 V 25

6. Urteil vom 7. März 1997 i.S. Fürsorgeamt der Stadt Zürich gegen
Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons
Zürich betreffend L. Regeste

    Art. 85bis IVV, Art. 104 lit. a OG, Art. 4 Abs. 1 BV

    - Art. 85bis IVV, der bevorschussenden Institutionen einen Anspruch
auf Drittauszahlung von Rentennachzahlungen einräumt, ist gesetzes-
und verfassungskonform.

    - Diese Bestimmung ist intertemporalrechtlich auf alle im Zeitpunkt
ihres Inkrafttretens (1. Januar 1994) hängigen Fälle anwendbar.

    - Die im Rahmen vorfrageweiser Prüfung vertretene Auffassung der
kantonalen Instanz, wonach das zürcherische Gesetz über die öffentliche
Sozialhilfe vom 14. Juni 1981 (Sozialhilfegesetz) kein eindeutiges
Rückforderungsrecht im Sinne von Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV enthalte,
ist nicht willkürlich und verletzt daher Bundesrecht nicht.

Sachverhalt

    A.- Die 1930 geborene, am 1. Juli 1992 verstorbene L., geschiedene
E., meldete sich am 15. Oktober 1985 bei der Invalidenversicherung
zum Leistungsbezug an. Mit drei Verfügungen vom 6. April 1994 sprach
die Zweigstelle Zürich der kantonalen AHV-Ausgleichskasse gestützt auf
einen entsprechenden Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission vom
19. Juli 1993 für sie ab 1. September 1986 eine halbe und ab 1. April
1988 bis 31. Juli 1992 eine ganze Invalidenrente zu. Gleichzeitig lehnte
sie die Begehren des Fürsorgeamtes der Stadt Zürich vom 15. Oktober 1985
und 12. August 1993, wonach die Rentennachzahlungen zwecks Verrechnung mit
erbrachten Sozialhilfeleistungen ihm zu überweisen seien, ab, dies obschon
die Versicherte anlässlich der Anmeldung bei der Invalidenversicherung auf
dem Formular "Gesuch um Rentenauszahlung an eine Drittperson oder Behörde"
unterschriftlich ihre Zustimmung dazu erteilt hatte, dass eine allfällig
zur Ausrichtung gelangende Invalidenrente wegen der vorschussweisen
Unterstützung durch das Fürsorgeamt diesem auszuzahlen sei.

    B.- Die hiegegen vom Fürsorgeamt der Stadt Zürich erhobene Beschwerde
mit dem Begehren um Drittauszahlung der Rentennachzahlung wies die
AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. November
1994 ab.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert das Fürsorgeamt seinen
im vorinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag.

    Die Zweigstelle Zürich der kantonalen Ausgleichskasse und die
Ausgleichskasse des Kantons Zürich schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV), das sich gegenüber dem
Fürsorgeamt bereits mit Schreiben vom 3. Juni 1994 zur Sache geäussert
hatte, und die als Mitinteressierte zur Stellungnahme eingeladenen Erben
der Versicherten haben sich nicht vernehmen lassen.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss der durch BGE 118 V 92 Erw. 2b eingeleiteten und seither
wiederholt bestätigten Rechtsprechung kann die Zustimmung zur Auszahlung
der Invalidenrente an eine Drittperson oder Behörde erst rechtswirksam
erteilt werden, wenn der Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission
über den Rentenanspruch ergangen ist. Damit wird dem rechtlichen
Umstand Rechnung getragen, dass die Invalidenrentenberechtigung in den
gesetzlich nicht abtretbaren Grundanspruch einerseits und das Anrecht
auf die einzelnen Rentenraten anderseits unterteilt werden kann. Der
Grundanspruch als solcher ist unabtretbar (Art. 50 IVG in Verbindung mit
Art. 20 Abs. 1 AHVG); das Anrecht auf die einzelne Rentenzahlung dagegen
ist einer Disposition des Versicherten zugänglich.

    Im Lichte der Rechtsprechung gemäss BGE 118 V 88 ist das
Drittauszahlungsbegehren des beschwerdeführenden Fürsorgeamtes unbegründet.
Denn unbestrittenermassen liegt keine erst nach der Beschlussfassung
durch die Invalidenversicherungs-Kommission erteilte Zustimmung zur
Drittauszahlung der Rentenbetreffnisse vor.

Erwägung 2

    2.- Die kantonale Rekurskommission hat die streitige
Drittauszahlung indessen auch aufgrund des auf den 1. Januar 1994
in Kraft gesetzten Art. 85bis IVV geprüft, welcher den Randtitel
"Nachzahlungen an bevorschussende Dritte" trägt. Nach Abs. 1 dieser
Bestimmung können Arbeitgeber, Einrichtungen der beruflichen Vorsorge,
Krankenversicherungen, öffentliche und private Fürsorgestellen oder
Haftpflichtversicherungen mit Sitz in der Schweiz, welche im Hinblick
auf eine Rente der Invalidenversicherung Vorschussleistungen erbracht
haben, verlangen, dass die Verrechnung der Nachzahlung dieser Rente
bis zur Höhe ihrer Vorschussleistung an sie ausbezahlt wird (Satz 1);
vorbehalten bleibt die Verrechnung nach Art. 20 AHVG (Satz 2); die
bevorschussenden Stellen haben ihren Anspruch mit besonderem Formular
frühestens bei der Rentenanmeldung und spätestens im Zeitpunkt des
Beschlusses der IV-Stelle geltend zu machen (Satz 3). Laut Abs. 2
derselben Norm gelten als Vorschussleistungen freiwillige Leistungen,
sofern die versicherte Person zu deren Rückerstattung verpflichtet ist
und sie der Auszahlung der Rentennachzahlung an die bevorschussende Stelle
schriftlich zugestimmt hat (lit. a), sowie vertraglich oder aufgrund eines
Gesetzes erbrachte Leistungen, soweit aus dem Vertrag oder dem Gesetz ein
eindeutiges Rückforderungsrecht infolge der Rentennachzahlung abgeleitet
werden kann (lit. b). Art. 85bis Abs. 3 IVV schliesslich sieht vor,
dass die Nachzahlung der bevorschussenden Stelle höchstens im Betrag der
Vorschussleistung und für den Zeitraum, in welchem diese erbracht worden
ist, ausbezahlt werden darf.

Erwägung 3

    3.- Zunächst stellt sich die von der Vorinstanz verneinte Frage,
ob diese ab 1. Januar 1994 geltende Verordnungsnorm im vorliegenden Fall
intertemporalrechtlich überhaupt anwendbar ist.

    a) Das Eidg. Versicherungsgericht hat in seiner Rechtsprechung - in
Übereinstimmung mit jener des Bundesgerichts und der Doktrin - immer wieder
den intertemporalen Grundsatz bestätigt, dass der Beurteilung einer Sache
jene Rechtsnormen zugrunde zu legen sind, die in Geltung standen, als sich
der zu den materiellen Rechtsfolgen führende und somit rechtserhebliche
Sachverhalt verwirklichte (vgl. BGE 122 V 36 Erw. 1 mit Hinweis).

    Bei zusammengesetzten Tatbeständen, d.h. bei Rechtsnormen, welche
den Eintritt der in ihr vorgesehenen Rechtsfolge von der Verwirklichung
mehrerer subsumtionsrelevanter Sachverhaltselemente abhängig machen,
hat die Rechtsprechung erkannt, dass für die Entscheidung der
intertemporalrechtlichen Anwendbarkeit massgeblich ist, unter der
Herrschaft welcher Norm sich der Sachverhaltskomplex schwergewichtig,
überwiegend ereignet hat (vgl. AHI 1995 S. 3 ff., 1994 S. 140 f. Erw. 5,
je mit Hinweisen).

    Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die kantonale Rekurskommission
im angefochtenen Entscheid zum Schluss gelangt, dass Art. 85bis IVV
vorliegend intertemporalrechtlich nicht anwendbar sei, nachdem sich die
streitigen Nachzahlungen vollumfänglich auf Zeitabschnitte bezögen, in
denen die fragliche Verordnungsbestimmung noch nicht in Kraft stand. Das
beschwerdeführende Fürsorgeamt beruft sich demgegenüber auf den Grundsatz,
dass die Verwaltung und die Rechtsmittelinstanzen bei der Beurteilung
eines Tatbestandes vom aktuell geltenden Rechtszustand auszugehen haben;
die neuen Normen seien daher auf alle künftigen, aber auch auf alle im
Zeitpunkt der Änderung hängigen Fälle anzuwenden. Das zur Begründung
dieser Betrachtungsweise angeführte Urteil in ZAK 1990 S. 255 betrifft
indessen nicht das Inkrafttreten einer neuen Norm (Änderung des objektiven
Rechts), sondern eine Praxisänderung (Änderung der Rechtspraxis, der
Rechtsprechung), was intertemporalrechtlich nicht dasselbe ist.

    b) Bei den wiedergegebenen intertemporalrechtlichen Regeln handelt
es sich um Richtlinien, die nicht stereotyp anzuwenden sind. Vielmehr
entscheidet sich auch die Frage nach der intertemporalrechtlichen
Geltung einer Norm primär nach den allgemeinen, anerkannten
Auslegungsgrundsätzen. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass
Regelungsgegenstand des Art. 85bis IVV die Drittauszahlung als
solche darstellt, nicht das ihr zugrunde liegende Substrat, nämlich
die nachzuzahlende Invalidenrente. Ab 1. Januar 1994 können die in
Art. 85bis Abs. 1 IVV erwähnten Berechtigten, welche Vorschussleistungen
erbracht haben, verlangen, dass die Rentennachzahlung bis zur Höhe ihrer
Vorschussleistungen verrechnungsweise an sie ausbezahlt wird. Art. 85bis
IVV ist die Antwort des Verordnungsgebers auf BGE 118 V 88, worin das
Eidg. Versicherungsgericht auf die fehlende gesetzliche Grundlage
einer allein auf die zum voraus erteilte Einwilligung abstellenden
Drittauszahlung gemäss damaliger Verwaltungspraxis hinwies (BGE 118
V 92 Erw. 2b). Der Wille des Verordnungsgebers ist klar feststellbar
(AHI 1994 S. 59 f. mit Hinweis auf AHI 1993 S. 87 = BGE 118 V 88) und
geht dahin, Drittauszahlungsgesuchen von den in Art. 85bis Abs. 1 IVV
erwähnten Institutionen die erforderliche materiellrechtliche Grundlage
zu verleihen. Dieses Ziel der Verordnungsnovelle würde auf Jahre hinaus
vereitelt, wenn für die intertemporalrechtliche Anwendbarkeit nicht auf
das Drittauszahlungsbegehren und den Entscheid darüber, sondern darauf
abgestellt würde, auf welche (zurückliegenden) Zeitabschnitte sich die
nachzuzahlenden Rentenbetreffnisse beziehen.

    c) Selbst wenn man in dieser intertemporalrechtlichen Anwendung von
Art. 85bis IVV eine echte Rückwirkung erblicken wollte, wäre eine solche
im vorliegenden Zusammenhang als zulässig zu erachten (HÄFELIN/MÜLLER,
Grundriss des allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Zürich 1993,
S. 62 f., N. 268 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Indem den in
Abs. 1 erwähnten Instanzen ab 1. Januar 1994 ein Drittauszahlungsanspruch
eingeräumt wird, liegt - sinngemäss, jedoch klar feststellbar - eine
ausdrückliche Anordnung vor. Die Anwendung von Art. 85bis IVV auf
Rentennachzahlungen vor dem 1. Januar 1994 beschränkt sich auf hängige
Anmeldungen und ist daher in zeitlicher Hinsicht nicht übermässig. Auch
können ihr nach dem Gesagten triftige Gründe zugemessen werden. Von
einer schweren Beeinträchtigung der Rechtsstellung im Sinne einer
Ungleichbehandlung oder einer Verletzung wohlerworbener Rechte kann
sicherlich nicht gesprochen werden, weil es sich bei Art. 85bis
IVV letztlich um eine Koordinationsnorm der Invalidenversicherung
(erste Säule) zu den Leistungen der Sozialhilfe handelt. Durch die
Drittauszahlung der Invalidenrente wird ein Vermögensvorteil ausgeglichen,
welchen der Versicherte durch den Bezug der vorschussweise ausgerichteten
Fürsorgeleistungen bereits einmal erhalten hat. Ferner spricht auch ein
öffentliches Interesse daran, die nunmehr geschaffene materiellrechtliche
Grundlage dem Anliegen eines sparsamen, gegenseitig abgestimmten und
insofern haushälterischen Umganges mit Steuergeldern im Verhältnis zu
Versicherungsleistungen dienstbar zu machen, für diese Lösung.

    Art. 85bis IVV ist demnach im vorliegenden Verfahren, entgegen der
vorinstanzlichen Auffassung, intertemporalrechtlich anwendbar.

Erwägung 4

    4.- Normenkontrollrechtlich ist Art. 85bis IVV als rechtsbeständig,
d.h. als gesetzes- und verfassungskonform zu betrachten. Die BGE 118
V 88 zugrunde liegende Verwaltungspraxis konnte nur deswegen nicht
vollumfänglich als rechtmässig bestätigt werden, weil sie auf keiner
(materiellrechtlichen) Grundlage beruhte. Die Drittauszahlung gemäss
dargelegter Praxis bestand zwar nicht contra, aber doch praeter legem
(BGE 118 V 92 Erw. 2b), da sie sich nicht auf eine Gesetzesgrundlage
zu stützen vermochte, die sie von der formellgesetzlich vorgesehenen
Unabtretbarkeit gemäss Art. 50 IVG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 AHVG
ausgenommen hätte (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung;
vgl. nunmehr den mit Wirkung ab 1. Januar 1997 [10. AHV-Revision]
eingefügten Abs. 2, welcher die Nachzahlung bei Vorschussleistungen
generell vom Abtretungsverbot des Art. 20 Abs. 1 AHVG ausnimmt). Nun behält
aber Art. 20 Abs. 1 Satz 3 AHVG die Vorschriften über die Gewährleistung
zweckentsprechender Rentenverwendung vor (im AHV-Bereich Art. 45 AHVG,
für die Invalidenversicherung massgeblich gemäss Art. 50 IVG). Damit wird
dem Bundesrat - nicht dem BSV auf dem Weisungsweg - im Rahmen von Art. 45
AHVG eine Kompetenz zur Rechtsetzung eingeräumt. Bisher galt auch im
Invalidenversicherungsbereich bloss der gemäss Art. 84 IVV für Taggelder,
Renten und Hilflosenentschädigungen der Invalidenversicherung sinngemäss
anwendbare Art. 76 AHVV, welcher die einzige vom Bundesrat gestützt auf
Art. 45 AHVG erlassene Gewährleistungsnorm darstellte, eine Vorschrift,
welche Direktzahlungen wie die hier im Streit liegenden nicht begründete
(BGE 118 V 91 Erw. 1b). Indem nun der Verordnungsgeber, für die Belange
der Invalidenversicherung, die zweckentsprechende Leistungsverwendung
zusätzlich dadurch gewährleistet, dass unter gewissen Umständen
Nachzahlungen an bevorschussende Dritte erfolgen dürfen, liegt Art. 85bis
IVV im Rahmen des weiten Delegationsspielraumes, welcher dem Bundesrat
durch Art. 45 AHVG in Verbindung mit Art. 50 IVG eröffnet worden ist.

Erwägung 5

    5.- Damit bleibt die Frage der materiellrechtlichen Voraussetzungen
für die Anwendung von Art. 85bis IVV zu prüfen.

    a) Der bevorschussende Charakter der während Jahren zugesprochenen
Sozialhilfeleistungen ist in Anbetracht der von der Versicherten am
4. Mai 1983 und 15. Oktober 1985 unterzeichneten Drittauszahlungsgesuche
eindeutig erstellt.

    b) Dass das Fürsorgeamt das Formular 318.182 "Gesuch um
Rentenauszahlung an eine Drittperson oder Behörde" verwendet hat, lässt
sich entgegen der vorinstanzlichen Auffassung ebenfalls nicht beanstanden.

    c) Fraglich ist, ob infolge der Rentennachzahlung ein eindeutiges
Rückforderungsrecht abgeleitet werden kann, wie es Art. 85bis Abs. 2
lit. b IVV verlangt, eine Voraussetzung, hinsichtlich welcher sich
der Verordnungsgeber augenscheinlich an BGE 118 V 94 Erw. 5 orientiert
hat. Freiwillige Leistungen nach Art. 85bis Abs. 2 lit. a IVV scheiden
aus, ebenso vertraglich erbrachte Leistungen, handelt es sich doch bei
der Sozialhilfe um eine öffentlichrechtliche Leistung. Es fragt sich
also einzig noch, ob die zürcherische Sozialgesetzgebung ein eindeutiges
Rückforderungsrecht enthält.

    aa) Gemäss § 19 des zürcherischen Gesetzes über die öffentliche
Sozialhilfe vom 14. Juni 1981 (Sozialhilfegesetz; SHG) kann die
Leistung wirtschaftlicher Hilfe davon abhängig gemacht werden, dass
der Hilfesuchende vermögensrechtliche Ansprüche gegenüber Dritten an die
Fürsorgebehörde abtritt, soweit sie nicht von Gesetzes wegen übergehen. Hat
ein Hilfesuchender Grundeigentum oder andere Vermögenswerte in erheblichem
Umfang, deren Realisierung ihm nicht möglich oder nicht zumutbar
ist, wird nach § 20 Abs. 1 SHG in der Regel die Unterzeichnung einer
Rückerstattungsverpflichtung verlangt (Satz 1); darin verpflichtet sich
der Hilfesuchende, die Leistungen ganz oder teilweise zurückzuerstatten,
wenn diese Vermögenswerte realisierbar werden (Satz 2). Laut § 27 Abs. 1
SHG ist rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe u.a. zurückzuerstatten,
wenn der Hilfeempfänger aus Erbschaft, Lotteriegewinn oder andern nicht auf
eigene Arbeitsleistung zurückzuführenden Gründen in finanziell günstige
Verhältnisse gelangt. Stirbt der Hilfeempfänger, entsteht aufgrund von §
28 Abs. 1 SHG ein Anspruch auf Rückerstattung der wirtschaftlichen Hilfe
gegenüber seinem Nachlass.

    bb) Das BSV hat in seiner Stellungnahme vom 3. Juni 1994 zuhanden
des Fürsorgeamtes ausgeführt, dass die Formulierungen von § 19 des
Sozialhilfegesetzes des Kantons Zürich den formellen Voraussetzungen zur
Verrechnung der Nachzahlung der Rente mit erbrachten Vorschussleistungen
des Fürsorgeamtes nicht genügen; wohl räume das Sozialhilfegesetz den
Fürsorgebehörden unter bestimmten Voraussetzungen ein Rückforderungsrecht
ein; dieses richte sich indessen ausschliesslich gegen die fürsorgerisch
unterstützten Personen und nicht gegen die Ausgleichskassen.

    Dem hält das Fürsorgeamt in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
entgegen, die Ansicht der Vorinstanz, wonach ihm gestützt auf das
Sozialhilfegesetz als Ergebnis vorfrageweiser Prüfung kein eindeutiges
Rückforderungsrecht zukomme, so dass Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV nicht
zur Anwendung gelange, müsse ebenfalls bestritten werden. Nach Auffassung
des Fürsorgeamtes begründet § 19 des Sozialhilfegesetzes, für sich allein
gesehen, eine solche Rückerstattungspflicht der Unterstützten nicht; die
wirtschaftliche Hilfe könne aber von der Unterzeichnung einer Abtretung
zu seinen Gunsten abhängig gemacht werden; der Begriff "Abtretung" in §
19 SHG sei gemäss den Materialien nicht im rechtlichen Sinn von Art. 164
ff. OR zu verstehen; da Invalidenrenten unabtretbar und unverpfändbar seien
(Art. 20 Abs. 1 AHVG), erfolge in der Praxis der Sozialberatungen die
"Abtretung" durch die Unterzeichnung der Rentendrittauszahlungsformulare;
damit gäben die Unterstützten eine eindeutige Willenserklärung ab, dass
sie mit der Verrechnung der Nachzahlungen mit den im selben Zeitraum
entstandenen Unterstützungsauslagen einverstanden sind; dies sei auch im
Fall der Frau L. erfolgt, habe sie sich doch durch die Unterzeichnung
des Drittauszahlungsformulares im Sinne von § 20 SHG vertraglich
verpflichtet, dass, wenn eine Rentennachzahlung erfolgen sollte,
diese dem Fürsorgeamt zustehe; da Frau L. mittlerweile verstorben sei,
habe das Amt aber auch einen Rückerstattungsanspruch gestützt auf §
28 SHG; gemäss Ausgleichskasse und Vorinstanz falle die Nachzahlung
der Invalidenversicherung in den Nachlass der Verstorbenen, so dass dem
Fürsorgeamt ein Rückerstattungsanspruch gegenüber diesem Nachlassaktivum
zustehe.

    Die kantonale Rekurskommission ist demgegenüber, allerdings ohne
nähere Begründung, davon ausgegangen, dass § 19 SHG kein eindeutiges
Rückforderungsrecht infolge der Rentennachzahlung enthalte.

    cc) Wie diese Kontroverse über die Tragweite des kantonalen Rechts
zu entscheiden ist, kann offenbleiben. Art. 85bis Abs. 2 lit. b in fine
IVV macht die Anwendung dieser Bestimmung und der sich aus ihr ergebenden
bundesrechtlichen Rechtsfolge (Drittauszahlung nach Massgabe des Art. 85bis
Abs. 3 IVV) von der Beantwortung einer kantonalrechtlichen Vorfrage
abhängig, eben davon, ob das einschlägige kantonale Sozialhilfegesetz
ein "eindeutiges" Rückforderungsrecht enthält. Diese Pflicht zur
vorfrageweisen Prüfung einer kantonalrechtlichen Norm, welche solange
stattfinden kann, als nicht ein als Tatbestand wirkender Entscheid der
hauptfrageweise zuständigen kantonalen Behörde vorliegt, entspricht
ständiger Rechtsprechung und Doktrin (BGE 120 V 382 Erw. 3a, 117 V
250 Erw. 3, 115 V 437 ff.; GRISEL, Traité de droit administratif,
Band I, S. 187 ff.). Das ändert aber nichts daran, dass mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur die fehlerhafte Anwendung von Bundesrecht
gerügt werden kann (Art. 104 lit. a OG). Der einfache Rechtsfehler,
begangen in der Anwendung kantonalen Rechts, bildet als solcher keine
Bundesrechtsverletzung. Eine solche liegt erst vor, wenn das kantonale
Recht in willkürlicher Weise angewendet wird (BGE 110 V 362 f. Erw. 1b
in fine mit Hinweisen). Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede
sein. Die Verneinung eines eindeutigen kantonalen Rückforderungsrechtes
gemäss zürcherischem Sozialhilfegesetz durch die Rekurskommission mag
zwar diskutabel sein. Eine schlechthin unhaltbare, damit willkürliche
und deshalb bundesrechtswidrige Rechtsauffassung kann darin aber nicht
erblickt werden.

Erwägung 6

    6.- Ist somit ein eindeutiges Rückforderungsrecht im Sinne von
Art. 85bis Abs. 2 lit. b IVV nicht dargetan, sind die Voraussetzungen
für eine Drittauszahlung gestützt auf Art. 85bis IVV nicht erfüllt. Der
angefochtene Entscheid hält demnach im Ergebnis stand. Ob dem Fürsorgeamt
gegenüber dem Nachlass der verstorbenen Versicherten eine Forderung
zusteht, ist nicht in diesem sozialversicherungsrechtlichen Verfahren
zu prüfen.