Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 I 152



123 I 152

15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
19. März 1997 i.S. G. und Mitbeteiligte gegen Kantonsrat des Kantons
Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 85 lit. a OG; Ungültigerklärung der Solothurner Volksinitiative
"Für eine gleichberechtigte Vertretung der Frauen und Männer in den
kantonalen Behörden - Initiative 2001".

    Verhältnis von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV zu Art. 4 Abs. 2 Satz
2 BV. Das Diskriminierungsverbot bildet eine relative Schranke des
Egalisierungsgebotes und schliesst unverhältnismässige Ungleichbehandlungen
der Geschlechter aus (E. 3a und 3b).

    Erfordernis der Interessenabwägung bei der Prüfung der Zulässigkeit
positiver Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung
der Geschlechter (E. 3b-3d).

    Auswirkungen der hier in Frage stehenden Initiative, mit der
verbindlich und ohne Qualifikationsbezug eine dem Bevölkerungsanteil
entsprechende Vertretung der Frauen in Parlament, Regierung und Gerichten
verlangt wird (E. 4).

    Überprüfung dieser Massnahme aufgrund der Kriterien des Grundsatzes
der Verhältnismässigkeit (E. 5-7). Die vorgeschlagene Quotenregelung
stellt einen unverhältnismässigen Eingriff in das Diskriminierungsverbot
gemäss Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV dar (E. 7). Soweit sie vom Volk gewählte
Behörden betrifft, verstösst sie gegen das durch das Verfassungsrecht
des Bundes gewährleistete allgemeine und gleiche Recht, zu wählen und
gewählt zu werden (E. 8).

Sachverhalt

    Am 7. Juni 1995 wurde bei der Staatskanzlei des Kantons Solothurn
eine von 3274 Stimmberechtigten unterzeichnete Volksinitiative "Für eine
gleichberechtigte Vertretung der Frauen und Männer in den kantonalen
Behörden - Initiative 2001" (im folgenden abgekürzt: Initiative 2001)
eingereicht. Die Initianten stellten im Sinne einer Anregung das Begehren,
die betreffenden Gesetzesbestimmungen seien wie folgt zu ändern:

    "Im Kantonsrat und im Regierungsrat sind Frauen und Männer entsprechend
   ihrem kantonalen Bevölkerungsanteil vertreten.

    In den kantonalen juristischen Behörden sind Frauen und Männer
   entsprechend dem Bevölkerungsanteil des Wahlkreises vertreten.

    Diese Regel gilt erstmals für die seit der Annahme der Initiative
   stattfindenden Regierungs- und Kantonsratswahlen.

    Für die Wieder- bzw. Bestätigungswahlen von Mitgliedern der

    Gerichtsbehörden, die vor der Annahme der Initiative in die

    Gerichtsbehörden gewählt worden sind, ist die Regel der anteilsmässigen

    Vertretung der Geschlechter nicht anwendbar".

    Zur Begründung führten sie aus, die Frauen machten mehr als die
Hälfte der

    Solothurner Bevölkerung aus. In den politischen und juristischen
Behörden
   seien sie hingegen nach wie vor krass untervertreten. Wichtige
   politische

    Entscheide der kantonalen Behörden würden deshalb vor allem aus dem

    Blickwinkel der Männer getroffen. Die andere Lebensrealität der Frauen
   werde höchstens am Rande mitberücksichtigt. Eine gleichberechtigte

    Vertretung von Frauen und Männern sei vorderhand nur durch Quoten
   erreichbar.

    Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragte dem Kantonsrat mit

    Botschaft vom 23. Oktober 1995, die Initiative für ungültig zu
erklären. Er
   hielt in der Zusammenfassung fest, die von den Initianten verlangte

    Quotenregelung wäre in ihren Auswirkungen kompliziert, wenig
transparent
   und schwer verständlich. Das Gleichbehandlungsgebot würde zu stark
   zurückgedrängt und die Grundsätze des Wahlrechts, nämlich Freiheit,

    Gleichheit und Allgemeinheit der Wahlen, würden übermässig
beschnitten. Die
   hier in Frage stehende Quotenregelung sei kein verhältnismässiges Mittel
   zur Verwirklichung der Geschlechtergleichheit. Sie kollidiere sowohl mit

    Art. 4 Abs. 1 und 2 BV als auch mit Art. 74 BV. Die Initiative
verstosse
   offensichtlich gegen Bundesrecht. Eine verhältnismässige Ausgestaltung
   der

    Quotenregelung sei aufgrund der Bestimmtheit des Initiativbegehrens
   ausgeschlossen. Es bestehe daher keine andere Möglichkeit, als die

    Initiative als offensichtlich rechtswidrig zu bezeichnen.

    In der Sitzung vom 13. Februar 1996 stimmte der Kantonsrat dem
Antrag des

    Regierungsrats mit 75 gegen 49 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) zu und
erklärte
   die Initiative für ungültig.

    Gegen diesen Beschluss des Solothurner Kantonsrates reichten G. und 8

    Mitbeteiligte gestützt auf Art. 85 lit. a OG beim Bundesgericht
   staatsrechtliche Beschwerde ein.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                               Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

      2.- a) Über die Gültigkeit einer Initiative entscheidet der
Kantonsrat. Er
   erklärt eine Volksinitiative für ungültig, wenn sie den Formvorschriften
   widerspricht, offensichtlich rechtswidrig oder undurchführbar ist
   (Art. 31 der Verfassung des Kantons Solothurn, KV). Der Kantonsrat
   erklärte die hier in Frage stehende Initiative für ungültig, weil
   sie offensichtlich

    Bundesrecht verletze. Die Beschwerdeführerinnen halten diesen
Entscheid für
   falsch.

    b) Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die

    Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern
   auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des

    Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang
   stehen. Die Anwendung anderer kantonaler Vorschriften und die
   Feststellung des Sachverhalts prüft es nur unter dem Gesichtswinkel des
   Willkürverbots (BGE 121 I 334 E. 2b mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall
   ist umstritten, ob die Initiative 2001 mit dem Bundesrecht vereinbar
   sei. Diese Frage prüft das Bundesgericht frei (BGE 121 I 334 E. 2b).

    c) Für die Beurteilung der Rechtmässigkeit einer Initiative ist
deren Text
   nach den anerkannten Interpretationsprinzipien zu prüfen. Grundsätzlich
   ist vom Wortlaut der Initiative auszugehen und nicht auf den
   subjektiven Willen der Initianten abzustellen. Die beigefügte
   Begründung des Volksbegehrens und Meinungsäusserungen der Initianten
   dürfen allerdings mitberücksichtigt werden. Es ist von verschiedenen
   Auslegungsmöglichkeiten jene zu wählen, welche einerseits dem Sinn und
   Zweck der Initiative am besten entspricht und zu einem vernünftigen
   Ergebnis führt und anderseits im Sinne der verfassungskonformen
   Auslegung mit dem Recht von Bund und Kanton vereinbar erscheint. Dabei
   ist der Spielraum grösser, wenn eine in der Form der allgemeinen
   Anregung gehaltene Initiative zu beurteilen ist. Kann der

    Initiative in diesem Rahmen ein Sinn beigemessen werden, der sie nicht
   klarerweise als unzulässig erscheinen lässt, ist sie als gültig zu
   erklären und der Volksabstimmung zu unterstellen (BGE 121 I 334 E. 2c;
   119 Ia 154 E.

    2b; 111 Ia 292 E. 2).

    d) In Anwendung dieser Grundsätze ist die hier in Frage stehende
Initiative
   unter dem Gesichtspunkt von Art. 4 Abs. 2 BV und unter jenem der
   politischen Rechte zu prüfen.

Erwägung 3

      3.- a) Gemäss Art. 4 Abs. 2 BV sind Mann und Frau
gleichberechtigt (Satz

    1). Das Gesetz sorgt für ihre Gleichstellung, vor allem in Familie,

    Ausbildung und Arbeit (Satz 2). Mann und Frau haben Anspruch auf
gleichen

    Lohn für gleichwertige Arbeit (Satz 3).

    Mit der Vorschrift von Art. 4 Abs. 2 BV hat der Verfassungsgeber den in

    Art. 4 Abs. 1 BV enthaltenen allgemeinen Gleichheitssatz gewissermassen
   selbst konkretisiert und autoritativ festgestellt, dass die
   Zugehörigkeit zum einen oder andern Geschlecht grundsätzlich keinen
   rechtserheblichen

    Aspekt darstellt. Mann und Frau haben somit für die ganze Rechtsordnung
im
   wesentlichen als gleich zu gelten (BGE 116 V 198 E. II/2a/bb S. 208 mit

    Hinweis auf ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze
gleich,

    Bern 1985, S. 79). Seit dem Inkrafttreten des Art. 4 Abs. 2 BV am
14. Juni

    1981 ist es dem kantonalen und dem eidgenössischen Gesetzgeber
   grundsätzlich verwehrt, Normen zu erlassen, die Mann und Frau
   ungleich behandeln. Die Verfassungsbestimmung schliesst die
   Geschlechtszugehörigkeit als taugliches Kriterium für rechtliche
   Differenzierungen aus. Eine unterschiedliche Behandlung von Mann
   und Frau ist nur noch zulässig, wenn auf dem Geschlecht beruhende
   biologische oder funktionelle Unterschiede eine Gleichbehandlung
   schlechthin ausschliessen (BGE 120 V 312 E. 2a; 117

    Ia 262 E. 2a, 270 E. 2a; 117 V 318 E. 2a; 116 V 198 E. II/2a/bb
S. 208; 108

    Ia 22 E. 5a).

    Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV beauftragt den Gesetzgeber, die Gleichstellung
von

    Mann und Frau zu verwirklichen. Besonders hervorgehoben sind die
Bereiche

    Familie, Ausbildung und Arbeit, doch verpflichtet die Verfassung den

    Gesetzgeber zur Beseitigung geschlechtsspezifischer Ungleichbehandlung
in
   allen Rechtsgebieten und Lebensbereichen (JÖRG PAUL MÜLLER, Die
   Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, 2. Aufl., Bern 1991,
   S. 231;

    HAEFLIGER, aaO, S. 92). Der Gesetzgeber ist gehalten, überall dort

    Rechtsnormen zur Verwirklichung der Geschlechtergleichheit zu
erlassen, wo
   die richterliche Korrektur einer Anordnung, die im Widerspruch zu Art. 4

    Abs. 2 BV steht, unzulässig ist oder nicht ausreicht, um das in dieser

    Bestimmung verankerte Ziel zu realisieren (BGE 117 Ia 262 E. 2b). Das

    Bundesgericht hat in zwei Urteilen vom 28. September 1990 (BGE 116
Ib 270

    E. 7a, 284 E. 7a) ausgeführt, die Vorschrift von Art. 4 Abs. 2 BV
   gewährleiste in Satz 1 ein verfassungsmässiges Recht, das mit bestimmten

    Ausnahmen eine rechtliche Differenzierung nach dem Geschlecht
verbiete und
   unmittelbar anwendbar sei; Satz 2 enthalte einen Gesetzgebungsauftrag,
   der tatsächliche Gleichstellung in der sozialen Wirklichkeit schaffen
   solle. Es wies in diesen Urteilen darauf hin, das Diskriminierungsverbot
als
   formalrechtliche Gleichstellung einerseits und das Egalisierungsgebot
   als

    Auftrag, materielle Chancengleichheit zu schaffen, anderseits, stünden
   dabei in einem gewissen Widerspruch und müssten zum Ausgleich gebracht
   werden.

    b) Nach der Initiative 2001 soll den in den politischen und
juristischen

    Behörden des Kantons Solothurn untervertretenen Frauen von Gesetzes
wegen
   eine ihrem Bevölkerungsanteil entsprechende Zahl von Sitzen in
   Parlament,

    Regierung und Gerichten garantiert sein. Bei einer solchen Regelung,
welche
   die Frauen im Hinblick auf das Egalisierungsgebot privilegiert,
   jedoch vom

    Diskriminierungsverbot abweicht, treten der erste und der zweite
Satz von

    Art. 4 Abs. 2 BV miteinander in Widerstreit. Der Konflikt zwischen den
   beiden Verfassungsregeln ist - wie in der Rechtslehre gesagt wird -
   durch eine Abwägung der Interessen zu lösen (BEATRICE WEBER-DÜRLER,
   Aktuelle

    Aspekte der Gleichberechtigung von Mann und Frau, ZBJV 128/1992,
S. 369;

    GEORG MÜLLER, Quotenregelungen - Rechtssetzung im Spannungsfeld von

    Gleichheit und Verhältnismässigkeit, ZBl 91/1990, S. 310; ANDREAS
AUER, Les
   mesures positives et l'art. 4 al. 2 Cst., AJP 1993, S. 1347; YVO

    HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Band II, Zürich

    1982, S. 190; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches

    Bundesstaatsrecht, 3. Aufl., Zürich 1993, Rz. 1561b, S. 488 f.).

    Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, Massnahmen, welche die
   tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter zum Ziel hätten, seien mit

    Art. 4 Abs. 2 BV "grundsätzlich vereinbar". Sie schliessen daraus,
dass die
   diesem Zweck dienenden positiven Massnahmen, welche die Initiative 2001
   verlange, "grundsätzlich verfassungsmässig" seien und nicht geprüft
   werden müsse, ob sie dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprächen,
   da sich der Staat nicht auf diesen Grundsatz berufen könne.

    Diese Betrachtung ist einseitig und die Folgerung unzutreffend. Die
mit der

    Initiative verlangte positive Gleichstellungsmassnahme steht,
wie erwähnt,
   im Widerspruch zum Gebot der Gleichbehandlung im Sinne von Art. 4 Abs. 2

    Satz 1 BV. Da sich aus der Verfassung kein Vorrang für das eine
oder andere

    Interesse herleiten lässt und das "Prinzip praktischer Konkordanz"
   gebietet, dass keines der entgegenstehenden Interessen völlig zu Lasten
   des anderen verwirklicht wird, ist, wenn eine Frauenförderungsmassnahme
   vom

    Diskriminierungsverbot abweicht, jeweils abzuwägen zwischen dem
Interesse
   an der Schaffung der Voraussetzungen faktischer Gleichheit und
   demjenigen an der Gleichbehandlung der Geschlechter (GEORG
MÜLLER, Kommentar zur BV,

    Art. 4, Rz. 137c; derselbe, Quotenregelungen, aaO, S. 310). Bei der

    Prüfung der Verhältnismässigkeit ist zu untersuchen, ob die
   unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau für die Erfüllung des

    Auftrags zur Herstellung der tatsächlichen Gleichstellung im konkreten
Fall
   geeignet und erforderlich ist, und die vorgeschlagene Massnahme ist
   mit dem

    Zweck der faktischen Gleichstellung zu vergleichen. Das
Zweck-Mittel-Verhältnis verlangt eine Abwägung zwischen dem Ziel der
Gleichstellung und
   der Wirkung der mit der Massnahme verbundenen Eingriffe in die

    Grundrechtsstellung Dritter. Je schwerer diese Einwirkungen sind, desto
   grösser muss im entsprechenden Sachbereich das Interesse an der

    Herbeiführung der Gleichstellung der Geschlechter sein (GEORG MÜLLER,

    Kommentar zur BV, Art. 4, Rz. 137c; derselbe, Quotenregelungen, aaO,S.

    312 ff.; KATHARINA SIMONE ARIOLI, Frauenförderungsmassnahmen im

    Erwerbsleben, Diss. Zürich 1992, S. 236 ff.; MARIANNE SCHWANDER CLAUS,

    Verfassungsmässigkeit von Frauenquoten, Diss. Bern 1995, S. 80 ff.).

    Zum Verhältnis von Satz 1 zu Satz 2 des Art. 4 Abs. 2 BV ist
festzuhalten,
   dass diese Vorschrift positive Massnahmen zur Verwirklichung der
   tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter, insbesondere

    Frauenförderungsmassnahmen, und damit unter Umständen eine Abweichung
vom

    Diskriminierungsverbot zulässt, sofern diese in einem vernünftigen

    Verhältnis zum Regelungsziel steht. Im Bereich der Gleichstellung der

    Geschlechter bildet das Diskriminierungsverbot demnach bloss eine
relative

    Schranke des Egalisierungsgebots:

    Es schliesst "unverhältnismässige" Ungleichbehandlungen der
Geschlechter
   aus (vgl. GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, aaO, S. 310).

    c) Gleiches ergibt sich aus Art. 25 lit. c des Internationalen
Pakts über
   bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (SR 0.103.2;
   abgekürzt UNO-Pakt II; für die Schweiz in Kraft seit 18. September
   1992).

    Danach hat jeder Staatsbürger das Recht, ohne Unterschied nach den
in Art.

    2 des Pakts genannten Merkmalen und ohne unangemessene Einschränkungen

    "unter allgemeinen Gesichtspunkten der Gleichheit zu öffentlichen
Ämtern
   seines Landes Zugang zu haben" ("d'accéder, dans des conditions
   générales d'égalité, aux fonctions publiques de son pays"). Positive
   Diskriminierung zur beschleunigten Herbeiführung einer de
   facto-Gleichberechtigung von traditionell besonders benachteiligten
   Gruppen der Bevölkerung wie z.B.

    Frauen gilt, solange diese Massnahmen angemessen und vorübergehend
sind,
   nicht als Diskriminierung im Sinn von Art. 2 UNO-Pakt II (MANFRED NOWAK,

    UNO- Pakt über bürgerliche und politische Rechte und
Fakultativprotokoll:

    CCPR-Kommentar, Kehl, Strassburg, Arlington 1989, Rz. 35 zu Art. 25
UNO-Pakt II, S. 484). Die grundsätzliche Zulässigkeit von angemessenen
   positiven Massnahmen zugunsten der Frauen folgt auch aus Art. 2
   lit. a in fine und b, Art. 4 Abs. 1 und Art. 7 lit. a und b des
   UNO-Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der
   Frau vom 18. Dezember

    1979, das von der Schweiz am 4. Oktober 1996 genehmigt wurde (BBl
1996 IV,

    S. 860) und dessen Inkrafttreten unmittelbar bevorsteht (vgl. in diesem

    Zusammenhang Art. 18 lit. b des Wiener Übereinkommens über das
Recht der

    Verträge, SR 0.111).

    d) Am Erfordernis der Interessenabwägung, die bei der Prüfung der

    Zulässigkeit geschlechtsspezifischer Förderungsmassnahmen vorzunehmen
ist,
   hat das am 1. Juli 1996 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 24. März
   1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz,
   GlG; SR

    151) nichts geändert. Art. 3 GlG, der das Diskriminierungsverbot
   umschreibt, legt in Abs. 3 fest, dass angemessene Massnahmen zur

    Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung keine Diskriminierung
   darstellen. In der parlamentarischen Debatte führte Bundesrat Arnold
   Koller aus, der in Art. 3 Abs. 3 GlG enthaltene Vorbehalt zugunsten von

    Frauenförderungsmassnahmen beziehe sich auf privatrechtliche

    Arbeitsverhältnisse; er bilde "im öffentlichen Bereich keine

    Rechtsgrundlage" für Gleichstellungsprogramme oder
Förderungsmassnahmen,
   vor allem sei er "keinerlei Basis für die Einführung irgendwelcher
   Quoten im öffentlich-rechtlichen Bereich" (Amtl.Bull. SR 1994, S. 821;
   gleicher

    Meinung IVO SCHWANDER/RENÉ SCHAFFHAUSER, Das Bundesgesetz über die

    Gleichstellung von Frau und Mann, St. Gallen 1996, S. 26). Ob der
erwähnte

    Vorbehalt tatsächlich nur für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse
gilt,
   braucht hier nicht abschliessend geprüft zu werden. Selbst wenn man
   annähme, er komme auch im öffentlichrechtlichen Bereich zur Anwendung,
   würde das an den oben dargelegten Kriterien für die Überprüfung der

    Zulässigkeit einer Frauenförderungsmassnahme nichts ändern. Art. 3
Abs. 3

    GlG spricht von "angemessenen Massnahmen" zur Verwirklichung der
   tatsächlichen Gleichstellung, womit zum Ausdruck gebracht wird, dass

    Förderungsmassnahmen nur dann keine (unzulässige) Diskriminierung
im Sinne
   dieser Vorschrift darstellen, wenn sie verhältnismässig sind.

    Es ist im folgenden zu prüfen, ob der Solothurner Kantonsrat mit
Recht zum

    Schluss gelangte, die mit der Initiative 2001 verlangte Quotenregelung
sei
   kein verhältnismässiges Mittel zur Verwirklichung der

    Geschlechtergleichheit.

Erwägung 4

      4.- a) Die in Form einer Anregung eingereichte Initiative
2001 verlangt
   eine dem kantonalen Bevölkerungsanteil entsprechende Vertretung
   von Frauen und Männern im Kantons- und Regierungsrat sowie eine dem
   Bevölkerungsanteil des Wahlkreises entsprechende Vertretung von Frauen
   und Männern in den kantonalen juristischen Behörden. Nach den Angaben
   in der Botschaft des

    Regierungsrates machen - gemäss Erhebung per 31. Dezember 1994 -
die Frauen

    50,74%, die Männer 49,26% der kantonalen Bevölkerung aus. Es ist zu
   vermuten, dass der Bevölkerungsanteil der Frauen und Männer auch in den

    Wahlkreisen (z.B. für die Amtsgerichte) ungefähr diesem prozentualen

    Verhältnis entsprechen dürfte. Nach dem Initiativbegehren müssten
somit im

    Kanton Solothurn die Frauen mit einem Anteil bzw. einer Quote von
50,74% in

    Parlament, Regierung und juristischen Behörden vertreten sein.

    b) Bevor im einzelnen auf die Auswirkungen der verlangten Massnahme
   einzugehen ist, sind verschiedene, im Zusammenhang mit Quotenregelungen
   verwendete Begriffe zu klären. In der Literatur wird unterschieden
   zwischen strikten, starren Quoten einerseits und flexiblen,
   leistungsbezogenen

    Quoten anderseits (CLAUDIA KAUFMANN, Les quotas valent mieux que leur
   réputation, in L'égalité entre hommes et femmes, Lausanne 1988,
   S. 274 f.;

    ERNST BENDA, Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen
zugunsten von

    Frauen im öffentlichen Dienst, Rechtsgutachten erstattet im Auftrag der

    Senatskanzlei - Leitstelle Gleichstellung der Frau - der Freien und

    Hansestadt Hamburg, Freiburg i. Br. 1986, S. 43 f.; HEIDE M. PFARR,
Quoten
   und Grundgesetz, Baden-Baden 1988, S. 203 f.; ARIOLI, aaO, S. 146 ff.;

    SCHWANDER CLAUS, aaO, S. 14). Bei den strikten, starren Quoten wird -
   unabhängig von der Qualifikation der Bewerber für eine Arbeitsstelle
   oder eine Position - eine fixe Quote für Frauen und Männer festgelegt
   und mithin ein bestimmter Anteil der Stellen oder Positionen für das
   eine oder andere

    Geschlecht reserviert (ARIOLI, aaO, S. 147; SCHWANDER CLAUS, aaO, S.

    14). Bei den flexiblen, leistungsbezogenen Quoten entscheidet zunächst
   unter mehreren Bewerbern die bessere Qualifikation. Nur wenn bei
   mehreren

    Bewerbern eine gleiche Qualifikation vorliegt, werden Frauen so lange
   bevorzugt eingestellt oder befördert, bis ihr Anteil dem festgelegten

    Prozentsatz entspricht (BENDA, aaO, S. 44). Als Beispiel einer
   leistungsbezogenen Quote sind die vom Bundesrat am 18. Dezember 1991
   erlassenen Weisungen über die
Verbesserung der Vertretung und der
   beruflichen Stellung des weiblichen Personals in der allgemeinen

    Bundesverwaltung zu nennen. Ziffer 31 der Weisungen verlangt, dass die

    Wahlbehörde bei der Besetzung von Stellen Frauen bei gleichwertiger

    Qualifikation wie männliche Bewerber so lange vorrangig zu
berücksichtigen
   hat, bis innerhalb einer grösseren Verwaltungseinheit (z.B. Bundesamt,

    Abteilung) ein paritätisches Verhältnis zwischen weiblichen und
männlichen

    Beschäftigten besteht (BBl 1992 II, S. 604 f.). Ferner sind flexible
Quoten
   auch als Zielvorstellungen möglich. Die über Einstellung oder
   Beförderung entscheidende Stelle kann die Einzelentscheidung nach
   den allgemeinen

    Kriterien treffen; sie ist aber gehalten, innerhalb eines mehr
oder weniger
   präzise festgelegten Zeitraums den Frauenanteil entsprechend der

    Zielvorstellung zu verstärken (BENDA, aaO, S. 44).

    c) Mit der Initiative 2001 wird eine starre Quotenregelung verlangt,
indem
   für Parlament, Regierung und Gerichte eine fixe Quote für Frauen und
   Männer festgelegt und somit eine bestimmte Anzahl von Sitzen in diesen
   Gremien für das eine oder andere Geschlecht gemäss dem jeweiligen
   Bevölkerungsanteil reserviert wird.

    aa) Wie ausgeführt, müssten nach dem Begehren der Initianten die
Frauen im

    Kanton Solothurn mit einem Anteil bzw. einer Quote von 50,74%
im Parlament
   und in der Regierung vertreten sein. Der Kantonsrat zählt 144, der

    Regierungsrat 5 Mitglieder (Art. 66 und Art. 77 Abs. 2 KV). Im
Zeitpunkt
   des angefochtenen Entscheids (13. Februar 1996) setzte sich der
   Kantonsrat aus 95 Männern und 49 Frauen, der Regierungsrat aus 4
   Männern und einer

    Frau zusammen. Aufgrund der Quotenregelung müssten die Frauen im
Kantonsrat
   mit 73 und im Regierungsrat mit 3 Mitgliedern vertreten sein. Dies
   hätte zur Folge, dass bei Erneuerungswahlen des Kantonsrates Frauen
   mit tieferem

    Stimmenergebnis vor Männern mit höherer Stimmenzahl als gewählt erklärt
   werden müssten, bis die festgelegte Quote erfüllt wäre. Sodann
   könnten bei

    Ersatzwahlen in den Regierungsrat nur noch Frauen gewählt werden,
bis der

    Anteil von 3 Sitzen erreicht wäre.

    bb) Was die "kantonalen juristischen Behörden" anbelangt, so ergibt
sich
   aus der Begründung der Initiative, dass damit die "kantonalen

    Gerichtsbehörden" gemeint sind. Nach der Auffassung des Regierungsrates
   sind darunter folgende Gerichte bzw. Kommissionen zu verstehen:

    Obergericht, Kriminalgericht, Kassationsgericht, Verwaltungsgericht,

    Versicherungsgericht, Steuergericht, Schätzungskommission,

    Finanzausgleichs-Rekurskommission, Schiedsgericht in der Kranken- und

    Unfallversicherung, landwirtschaftliche Schätzungskommission,

    Rekursschätzungskommission der Gebäudeversicherung, Rekurskommission
für

    Investitionskredite und Betriebshilfe in der Landwirtschaft,
Spezialgericht
   für Viehversicherungssachen. Es ist mit dem Regierungsrat davon
   auszugehen, dass nach dem Sinn der Initiative auch die Amtsgerichte,
   die Jugendgerichte und die Arbeitsgerichte, die zwar genau genommen
   nicht kantonale Gerichte, sondern Gerichte der Amtei sind, zu den
   "kantonalen Gerichtsbehörden" zu zählen sind. Gemäss Initiativbegehren
   müssten in allen diesen Gerichten bzw. Kommissionen die Frauen zu 50,74%
   bzw. entsprechend dem

    Bevölkerungsanteil in den einzelnen Wahlkreisen vertreten sein. Das

    Obergericht besteht aus 9, das Kriminalgericht aus 5, das
Kassationsgericht
   aus 5, das Verwaltungsgericht aus 5, das Versicherungsgericht aus 3, das

    Steuergericht aus 7, die Schätzungskommission aus 3 und die

    Finanzausgleichs-Rekurskommission aus 5 Mitgliedern (§§ 23, 35, 44,
47, 53,

    55, 58 und 59bis des Solothurner Gesetzes über die
Gerichtsorganisation).

    Gegenwärtig setzt sich das Obergericht aus 8 Männern und einer
Frau, das

    Kriminalgericht aus 3 Männern und 2 Frauen, das Kassationsgericht aus 4

    Männern und einer Frau zusammen. Im Verwaltungsgericht, im

    Versicherungsgericht, im Steuergericht, in der Schätzungskommission,
in der

    Finanzausgleichs-Rekurskommission, in der Rekursschätzungskommission
der

    Gebäudeversicherung und in der Rekurskommission für Investitionskredite
und

    Betriebshilfe in der Landwirtschaft sind die Frauen nicht vertreten.

    Diese Angaben zeigen, dass auch hier die von den Initianten verlangte

    Massnahme eine erhebliche Sitzverschiebung zugunsten der Frauen
zur Folge
   hätte. In der Initiative wird darauf hingewiesen, die Regel der
   anteilsmässigen Vertretung der Geschlechter sei auf die Wieder- bzw.

    Bestätigungswahl jener Mitglieder der Gerichte, die vor der Annahme der

    Initiative gewählt worden seien, nicht anwendbar. Bei Ersatz-
und Neuwahlen
   hingegen beziehe sich die Regel auf das betreffende Justizorgan
   in seiner

    Gesamtheit. Wie erwähnt, setzt sich das Obergericht zur Zeit aus
8 Männern
   und einer Frau zusammen. Nach der verlangten Regelung müssten die
   Frauen im

    Obergericht mit 5 Mitgliedern vertreten sein. Bei den nächsten vier

    Ersatzwahlen müsste somit für jeden ausscheidenden Oberrichter
jeweils eine

    Frau gewählt werden, um die Quote zu erfüllen.

    Bei den Amtsgerichten sieht das Geschlechterverhältnis anders aus
als bei
   den oben erwähnten Behörden. Der Regierungsrat
führte in der Botschaft aus,
   zur Zeit seien im Kanton 12 Amtsrichterinnen und 8 Amtsrichter
   tätig. Wenn man die Suppleantinnen und Suppleanten hinzuzähle, seien
   die Frauen mit 21

    Sitzen gegenüber 19 Sitzen der Männer ebenfalls in der Mehrzahl. Eine
   gleichmässige Vertretung der Geschlechter (je zwei Amtsrichtersitze
   und zwei Suppleantenstellen) sei nur in der Amtei Bucheggberg-Wasseramt
   gelungen. In zwei Amteien stünden 6 Frauen 2 Männern gegenüber, in einer

    Amtei sei es umgekehrt. Die kantonale Behörde hielt fest, auch wenn die

    Frauen in der Mehrzahl seien, müsste die Quotenregelung bei Ersatz- und

    Neuwahlen Anwendung finden. Es müsste bei jeder Ersatzwahl geprüft
werden,
   ob aufgrund der bestehenden Verteilung im Amtsgericht ein Mann oder eine

    Frau zu wählen sei. Praktisch würde dies eine Sperre für die
Kandidatur des
   anderen Geschlechts bedeuten.

    cc) Eine Regelung, die dem einen Geschlecht eine bestimmte Quote
an Sitzen
   in Parlament, Regierung und Gerichten garantiert, führt unmittelbar zu
   einer entsprechenden Diskriminierung des andern Geschlechts (vgl. GEORG

    MÜLLER, Quotenregelungen, aaO, S. 314; Weber-Dürler, aaO, S. 368;

    SCHWANDER CLAUS, aaO, S. 158). Die mit der Initiative 2001 verlangte

    Quotenregelung hätte nach dem Gesagten einen Eingriff in das

    Diskriminierungsverbot nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV zur Folge. Es ist
   aufgrund der oben (E. 3b-d) dargelegten Kriterien zu prüfen, ob der

    Eingriff mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit vereinbar ist.

Erwägung 5

      5.- a) Die kantonale Behörde prüfte die Frage, ob die mit
der Initiative
   verlangte Massnahme zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung
   von

    Mann und Frau geeignet sei. Sie führte aus, Quoten zielten darauf
ab, den
   zahlenmässigen Anteil der Frauen zu erhöhen, so dass zwischen den

    Geschlechtern ein Gleichgewicht bestehe. Wenn das Ziel erreicht
sei, werde
   die Quotenregelung unnötig und verliere ihre Rechtfertigung. Eine solche

    Regelung könne daher nur Übergangscharakter haben. Als Instrument
stelle
   sie grundsätzlich eine geeignete Massnahme dar, um eine Untervertretung
   der

    Frauen aufzuheben. Der Regierungsrat betonte jedoch, bei der
Realisierung
   faktischer Gleichheit der Geschlechter könne das Ziel nur

    Chancenverbesserung sein, denn Art. 4 Abs. 2 BV gebiete die
Egalisierung
   der Voraussetzungen für die Ausübung der Rechte, nicht Gleichheit der
   sozialen Position. Die Initiative 2001 wolle eine "soziale Gleichheit"
   herbeiführen, welches Anliegen über jenes der Chancenverbesserung im
   Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV hinausgehe.

    b) Das Bundesgericht hat, wie ausgeführt, erklärt, Art. 4 Abs. 2 Satz
2 BV
   enthalte einen Auftrag an den Gesetzgeber, tatsächliche Gleichstellung
   der

    Geschlechter in der sozialen Wirklichkeit bzw. materielle
Chancengleichheit
   zu schaffen (BGE 116 Ib 270 E. 7a, 284 E. 7a). Auch in der Rechtslehre
   wird das Egalisierungsgebot in diesem Sinne verstanden (GEORG MÜLLER,

    Quotenregelungen, aaO, S. 317; HÄFELIN/HALLER, aaO, Rz. 1561b, S.

    488; Yvo Hangartner, Gleicher Zugang von Männern und Frauen zu
öffentlichen
   Ämtern, AJP 1995, S. 1557 f.; derselbe, Umstrittene Frauenförderung:

    Chancengleichheit oder Quotengleichheit?, ZBJV 132/1996, S. 357 f.;
ASTRID

    EPINEY/NORA REFAEIL, Chancengleichheit: ein teilbarer Begriff?,
AJP 1996,

    S. 186; BEATRICE WEBER-DÜRLER, Chancengleichheit und Rechtsgleichheit,

    Festschrift für ULRICH HÄFELIN, Zürich 1989, S. 220 ff.). Bei der

    Chancengleichheit geht es nach den Worten von JÖRG PAUL MÜLLER
darum, die
   tatsächlichen Voraussetzungen auszugleichen, unter denen von den
   rechtlich garantierten Freiheiten Gebrauch gemacht werden könne. Nicht
   tatsächliche

    Gleichheit der Menschen in ihrem Denken, Tun, Unterlassen, Erscheinen
und

    Besitzen könne und dürfe Ziel des Rechts sein, sondern Angleichung der

    Chancen, insbesondere von den grundrechtlichen Freiheiten Gebrauch zu
   machen (Soziale Grundrechte in der Verfassung?, 2. Aufl., Basel und

    Frankfurt am Main 1981, S. 223 f.). Der Autor weist darauf hin,
der Begriff
   der Chancengleichheit habe auch einen begrenzenden Gehalt: Recht
   schlechthin, auch "soziales" Recht könne nicht mehr als "Chancen
   sinnvoller

    Lebensverwirklichung bereitstellen". Sinnerfüllung menschlichen Lebens
   bleibe dem Recht entzogen. Wo es diesen Anspruch erhebe, mache es den

    Menschen zum Objekt seiner Zielsetzungen (JÖRG PAUL MÜLLER, Soziale

    Grundrechte, aaO, S. 224 f.). In ähnlichem Sinn äussert sich Georg

    Müller zum Begriff der Chancengleichheit. Er hält fest, im Grunde würde
   man, wenn es um die "soziale" im Gegensatz zur "rechtlichen" Gleichheit
   gehe, besser von "Chancenverbesserung" sprechen: Der Staat solle
   die wirtschaftlichen und sozialen Hindernisse für die Entfaltung des
   einzelnen abbauen, die Wahrnehmung von Bildungs-, Berufs- und anderen
   Lebenschancen erleichtern. Er könne und dürfe aber nicht versuchen,
   die Individuen in der sozialen Wirklichkeit gleichzustellen, namentlich
   ihre ökonomischen

    Situationen völlig anzugleichen. Ein Staat, der solche
Ergebnisgleichheit
   anstrebe, werde zum Zu- und Umverteiler von Rechten und Gütern, der

    Freiheit nicht ermögliche, sondern verdränge (GEORG MÜLLER,

    Quotenregelungen, aaO, S. 317).

    Diesen Überlegungen ist zuzustimmen. Es geht bei dem in Art. 4
Abs. 2 Satz

    2 BV enthaltenen Gebot, tatsächliche Gleichstellung
bzw. Chancengleichheit
   von Mann und Frau in der sozialen Wirklichkeit zu schaffen, um die
   rechtliche und faktische Möglichkeit eines jeden, seine Stellung in der

    Gesellschaft ohne den Einfluss geschlechtsspezifischer Hemmnisse zu
   gestalten. Die angestrebte Gleichheit ist eine Gleichheit der Chancen
   und nicht des Resultats. Die Chancengleichheit zielt ausschliesslich
   auf die

    Gleichheit der Startbedingungen ab, wobei sie im Zusammenhang mit der

    Frauenfrage nicht eine Angleichung der Startbedingungen "in
   jeder Hinsicht" herbeiführen, sondern lediglich die

    Geschlechtszugehörigkeit als einen für die gesellschaftliche
Stellung des
   einzelnen bestimmenden Faktor ausschalten soll (vgl. ULRICH MAIDOWSKI,

    Umgekehrte Diskriminierung, Berlin 1989, S. 38; allgemein zum
Begriff der
   umgekehrten Diskriminierung, insbesondere nach europäischem

    Gemeinschaftsrecht und deutschem Verfassungsrecht vgl. Astrid Epiney,

    Umgekehrte Diskriminierungen, Köln 1995). Quotenregelungen, welche eine
   paritätische Vertretung der Geschlechter vorschreiben oder anstreben,
   zielen auf Ergebnisgleichheit ab und gehen über das Ziel der

    Chancengleichheit hinaus (WEBER-DÜRLER, Aktuelle Aspekte, aaO, S. 370;

    GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, aaO, S. 317 f.). Es ist mit den

    Solothurner Behörden davon auszugehen, dass die hier in Frage stehende

    Massnahme klar über das Ziel des in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV enthaltenen

    Egalisierungsgebotes hinausgeht. Sie will eine dem Bevölkerungsanteil
von

    Männern und Frauen entsprechende Verteilung der Kantons- und

    Regierungsratsmandate sowie der Richterstellen herbeiführen und
zielt daher
   offensichtlich auf Ergebnisgleichheit ab. Der Sinn des
   Egalisierungsgebots besteht aber nicht darin, dass alles und jedes,
   was in der Gesellschaft geschieht, zu gleichen Anteilen von Männern
   und Frauen realisiert werden soll. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV bietet
   keine Handhabe für eine paritätische

    Verteilung der politischen Mandate und Richterstellen zwischen
Männern und

    Frauen (in diesem Sinne HANGARTNER, Gleicher Zugang von Männern
und Frauen
   zu öffentlichen Ämtern, aaO, S. 1556 f.; derselbe, Umstrittene

    Frauenförderung, aaO, S. 357).

    In diesem Zusammenhang ist ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen

    Gemeinschaften (EuGH) in Luxemburg zu erwähnen, in welchem es
ebenfalls um
   die Frage der Zulässigkeit einer Quotenregelung ging. Der EuGH
   erklärte am

    17. Oktober 1995 eine Regelung, die im deutschen Bundesland Bremen über

    Beförderungen im öffentlichen Dienst getroffen worden war, als mit dem

    Gemeinschaftsrecht unvereinbar (Urteil des EuGH vom 17.10.1995 in
der Rs.

    C-450/93, Kalanke, Slg. 1995, S. I-3051 ff. = EuGRZ 1995, S. 546
ff.). Die
   beanstandete nationale Regelung sah vor, dass bei gleicher Qualifikation
   eine Bewerberin einem Bewerber vorgezogen werde, solange im betreffenden

    Verwaltungsbereich nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten
seien. Der

    Gerichtshof hatte zu prüfen, ob diese Regelung mit Art. 2 der
Richtlinie

    76/207 des Rats der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Februar 1976
   zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und

    Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung
und
   zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (im
   folgenden abgekürzt: Richtlinie) vereinbar sei. Art. 2 der Richtlinie
   statuiert den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter (Abs. 1),
   steht aber Massnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und

    Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden

    Ungleichheiten, nicht entgegen (Abs. 4). Der Gerichtshof stellte
fest, eine
   nationale Regelung, wonach bei gleicher Qualifikation von Bewerbern
   verschiedenen Geschlechts den Frauen in Bereichen, in denen sie
   untervertreten seien, bei einer Beförderung automatisch der Vorrang
   eingeräumt werde, diskriminiere die Männer aufgrund des Geschlechts
   (Ziff.

    16 des Urteils). Nach Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie seien zwar
Massnahmen
   zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen zulässig
   (Ziff.

    17). Eine Regelung, die den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen
   absolut und unbedingt den Vorrang einräume, gehe jedoch über eine
   Förderung der Chancengleichheit hinaus und überschreite damit die
   Grenzen der in Art.

    2 Abs. 4 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme (Ziff. 22). Ausserdem
setze
   eine solche Regelung insofern, als sie darauf abziele, dass auf allen

    Funktionsebenen einer Dienststelle ebensoviel Frauen wie Männer
vertreten
   seien, an die Stelle der Förderung der Chancengleichheit das Ergebnis,
   zu dem allein die Verwirklichung einer solchen Chancengleichheit
   führen könnte (Ziff. 23). Der EuGH gelangte daher zum Schluss, die
   betreffende nationale

    Regelung sei mit Art. 2 Abs. 1 und 4 der Richtlinie nicht vereinbar.

    Das Urteil des EuGH im Fall Kalanke ist bindend für alle
Mitgliedstaaten
   der Europäischen Gemeinschaft. Die Schweiz ist nicht Mitglied dieser

    Gemeinschaft. Es besteht indes kein Anlass, den Entscheid für die
Schweiz
   als unbeachtlich anzusehen. Sowohl die Europäische Gemeinschaft als
   auch die Schweiz anerkennen die
Gleichberechtigung von Mann und Frau, und beide

    Rechtsgemeinschaften sehen Massnahmen zur Beseitigung von

    Chancenungleichheiten zwischen Angehörigen der beiden Geschlechter vor
   (HANGARTNER, Umstrittene Frauenförderung, aaO, S. 359; vgl. auch

    EPINEY/REFAEIL, aaO, S. 186). Nach der Auffassung des EuGH ist selbst
   eine leistungsbezogene Quotenregelung unzulässig, wenn sie unter
   gewissen

    Voraussetzungen den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen
automatisch
   den Vorrang einräumt und damit über eine Förderung der Chancengleichheit
   hinausgeht.

    Ferner wird in der Rechtslehre mit Grund betont, Zweifel an der
Eignung von

    Quotenregelungen zur Realisierung der faktischen Gleichstellung der

    Geschlechter seien auch deshalb angebracht, weil die Untervertretung
der

    Frauen in oberen und leitenden Positionen nicht in erster Linie ein
   rechtliches Problem sei, sondern vor allem auf soziale und
   gesellschaftliche Ursachen zurückzuführen sei. Der Erlass positiver

    Massnahmen könne daher nur ein "essai précaire et incertain" zur

    Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau sein
   (AUER, aaO, S. 1347).

    Aus all diesen Gründen kann nicht gesagt werden, die hier in Frage
stehende

    Quotenregelung sei ein geeignetes Mittel zur Verwirklichung der
   tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau.

Erwägung 6

      6.- Der Regierungsrat hat die Frage, ob die Quotenregelung
zur

    Verwirklichung der faktischen Gleichstellung der Geschlechter
erforderlich
   sei, verneint, da dieses Ziel auch durch andere, mildere Massnahmen
   erreicht werden könne. Er führte aus, der Schlüssel zur wesentlichen

    Verbesserung der Vertretung der Frauen in den politischen und
juristischen

    Gremien liege bei den Parteien. Sie hätten den Frauen ausreichend

    Profilierungsmöglichkeiten zu bieten. Erfolg verspreche sodann die
   privilegierte Behandlung der Frauen bei der Listengestaltung (Zuweisung
   sog. Spitzenplätze auf den Listen). Das Stimmrecht der Wähler werde
   durch solche Massnahmen nicht tangiert, da es den Stimmberechtigten
   immer noch freistehe, wen sie wählen oder nicht wählen wollten. Die
   Listenplazierung könne ferner mit Massnahmen wie der Unterstützung
   bei öffentlichen

    Auftritten im Wahlkampf und besonderen Aufrufen zur Wahl der
Kandidatinnen
   begleitet werden. Um die Frauenpräsenz in den politischen Gremien zu
   erhöhen, könnten auch Verbesserungen im Bereich Aus- und Weiterbildung,

    Förderung der Teilzeitarbeit, Erleichterung des Wiedereinstiegs in den

    Beruf, Bereitstellen von Einrichtungen wie Kinderkrippen und
Tagesschulen
   angestrebt werden. Von allen diesen Massnahmen greife keine so
   einschneidend
in die Grundrechtspositionen ein wie eine Quotenregelung. Im
   weiteren hielt die kantonale Behörde fest, bei den letzten

    Kantonsratswahlen vom März 1993 hätten die Frauen ihre Positionen
   wesentlich verbessern können. Die Zahl der im Kantonsrat vertretenen
   Frauen sei von 22 auf 50 angestiegen. Dieser Anteil entspreche 34,7%,
   was zu jenem

    Zeitpunkt der grösste von Frauen je erreichte Anteil in den Parlamenten
der

    Schweiz gewesen sei. Auch seien die Frauen bei der letzten
Kantonsratswahl
   beinahe doppelt so erfolgreich gewesen wie die Männer. Der Erfolg der

    Frauen setze sich somit kontinuierlich fort. In Anbetracht dieser

    Entwicklung und in Berücksichtigung der Prognose für die Zukunft
lasse sich
   die hier in Frage stehende Massnahme nicht rechtfertigen.

    Das in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV enthaltene Egalisierungsgebot ist, wie
   dargelegt, als Auftrag zur Verwirklichung der Chancengleichheit zu
   verstehen. Chance bedeutet die Möglichkeit, von den Freiheitsrechten,
   den

    Wahlrechten und den Verfahrensrechten effektiv Gebrauch machen
zu können
   (WEBER-DÜRLER, Chancengleichheit, aaO, S. 221). Die Frauen haben -
   ebenso wie die Männer - die Möglichkeit, für ein politisches Mandat
   oder eine Richterstelle zu kandidieren. Es steht ihnen sodann frei, als

    Stimmberechtigte bei Wahlen ins Parlament oder in die Regierung
   ausschliesslich Frauen zu wählen. In der Beratung des Kantonsrates
   über die

    Gültigkeit der Initiative führte der Sprecher der Justizkommission
aus, die

    Frauen hätten es mit ihrer Stimmkraft bereits nach dem heute geltenden

    Wahlgesetz in der Hand, bei der Ämterbesetzung sogar Mehrheiten zu
   erlangen. Es gebe absolut keine gesetzlichen Hindernisse, die dazu den
   Weg versperren würden. Der Regierungsrat wies ferner darauf hin, bei der

    Prüfung der Notwendigkeit der Massnahme stelle sich auch die Frage, in
   welchem Zeitraum die Geschlechterparität herzustellen sei. Er vertrat
   die

    Ansicht, es könne auf harte rechtliche Massnahmen, wie es
Quotenregelungen
   seien, verzichtet werden, da in den nächsten Jahren eine langsame

    Annäherung der Sitzzahlen der Geschlechter im Parlament zu erwarten
sei.

    Dieser Argumentation kommt einiges Gewicht zu. Den Angaben in der
Botschaft
   des Regierungsrates ist zu entnehmen, dass der Frauenanteil im
   Solothurner

    Kantonsrat im Jahre 1973, nach Einführung des Frauenstimmrechts, 4,1%
   betrug; 1985 stieg er auf 9,3% (14 Mandate), 1989 auf 11% (16 Mandate)
   und

    1993 auf 34,7% (50 Mandate). Die Frauen konnten mithin bei den

    Kantonsratswahlen 1993 ihre Zahl an Sitzen mehr als verdreifachen. Zu

    Beginn der 90er Jahre haben sich demnach die Wahlchancen der Frauen im

    Kanton Solothurn - wie auch in der Schweiz im allgemeinen - erheblich
   verbessert. Die Gleichberechtigung gibt den Frauen die Chance, von ihren

    Rechten in gleicher Weise Gebrauch zu machen, wie es die Männer tun
   (BERNHARD KEMPEN, Gleichberechtigung und Gleichstellung, Zeitschrift für

    Rechtspolitik 1989, S. 369; im gleichen Sinne GEORG MÜLLER,

    Quotenregelungen, aaO, S. 318, und YVO HANGARTNER,

    Geschlechtergleichheit und Frauenquoten in der öffentlichen Verwaltung,
AJP

    1992, S. 837 f.). Die kantonale Behörde hat zu Recht erwogen, die
mit der

    Initiative 2001 verlangte Quotenregelung sei nicht erforderlich.

Erwägung 7

      7.- Selbst wenn angenommen würde, diese Regelung sei zur
Realisierung der
   tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter geeignet und erforderlich,
   wäre sie gleichwohl unzulässig, da die Verhältnismässigkeit im engeren
   Sinn offensichtlich fehlt.

    a) Auch eine geeignete und notwendige Massnahme kann unverhältnismässig
   sein, wenn der mit ihr verbundene Eingriff im Vergleich zur Bedeutung
   des angestrebten Ziels unangemessen schwer wiegt, mithin keine
   vernünftige

    Zweck-Mittel-Relation vorliegt. Dieser Aspekt wird auch als Frage der

    Zumutbarkeit bezeichnet (JÖRG PAUL MÜLLER, Kommentar zur BV,
Einleitung zu
   den Grundrechten, Rz. 149; ULRICH ZIMMERLI, Der Grundsatz der

    Verhältnismässigkeit im öffentlichen Recht, ZSR 97/1978 II, S. 17). Das

    Gebot der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne zwingt zur Prüfung,
ob eine

    Massnahme ausser Verhältnis zu den mit ihr verbundenen Nachteilen
steht,
   d.h., ob ein Missverhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs und dem
   Wert des realisierbaren Erfolgs besteht und deswegen auf den Eingriff
   zu verzichten ist (ZIMMERLI, aaO, S. 16).

    b) Wie ausgeführt, geht die hier in Frage stehende Quotenregelung
weit über
   das Ziel der in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV garantierten Chancengleichheit
   hinaus, indem sie Ergebnisgleichheit herbeiführen will. Schon aus diesem

    Grund stellt sie offensichtlich kein verhältnismässiges Mittel zur

    Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter dar. Es wurde
bereits
   erwähnt, dass der EuGH im Fall Kalanke selbst eine leistungsbezogene

    Quotenregelung als unzulässig erachtete, weil sie über eine Förderung
der

    Chancengleichheit hinausging (E. 5b).

    Die von den Initianten vorgeschlagene Massnahme sieht für Parlament,

    Regierung und Gerichte eine mehr als paritätische Vertretung der Frauen
   verbindlich und ohne Berücksichtigung von Qualifikationen vor. In der

    Literatur wird ausgeführt, eine Massnahme, nach welcher Frauen bei der

    Besetzung von Stellen in einer bestimmten Verwaltungsabteilung so lange
   vorrangig berücksichtigt würden, bis ein paritätisches Verhältnis
   zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten bestehe, sei mit dem

    Gleichbehandlungsgebot nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV unvereinbar (AUER,
   aaO, S. 1345). Sodann wird die Meinung vertreten, starre, relativ hohe

    Quoten, die keine genügende Berücksichtigung der Qualifikationen der

    Bewerber erlaubten, würden sich "praktisch immer als unverhältnismässig
   erweisen", weil Männer in grösserer Zahl und über längere Zeit trotz
   besserer Eignung von einer beruflichen Tätigkeit ausgeschlossen würden
   und der Arbeitgeber gezwungen werde, weniger qualifiziertes Personal
   zu beschäftigen (GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, aaO, S. 316). Selbst

    Autorinnen, welche Quotenregelungen grundsätzlich befürworten,
erklären,
   starre Quoten ohne jegliche Bezugnahme auf bestimmte

    Zulassungsvoraussetzungen seien nicht zumutbar (ARIOLI, aaO, S. 241);
   sie würden gegen das Leistungsprinzip verstossen, weil die
   Auswahl nicht nach Eignung erfolgen könne und damit allenfalls
   ungeeignete Bewerberinnen eingestellt werden müssten (ARIOLI, aaO,
   S. 246). Je höher die fachlichen Anforderungen für ein politisches
   Fachgremium seien, desto unverhältnismässiger sei ein Quotenmodell ohne
   Qualifikationsbezug; folglich sei ein solches Modell zur Bestellung von
   politischen Gremien, bei denen fachliche Qualifikationen im Vordergrund
   stünden, verfassungswidrig (SCHWANDER CLAUS, aaO, S. 164 f.). Auch in
   Deutschland, wo die

    Zulässigkeit von Frauenquoten verfassungsrechtlich und politisch heftig
   umstritten ist, vertritt z.B. Ernst Benda im zitierten Rechtsgutachten
   betreffend Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten
   von

    Frauen im öffentlichen Dienst die Auffassung, unzulässig sei jede
starre

    Quote, die für Frauen einen festen Anteil an den Positionen ohne
Rücksicht
   auf die individuelle Qualifikation vorschreibe; Quoten müssten immer
   leistungsbezogen sein (aaO, S. 223). Ferner wird in dem von Michael

    Sachs herausgegebenen Kommentar zum Deutschen Grundgesetz (GG)
ausgeführt,
   nur um sog. leistungsabhängige Quoten könne "überhaupt
   verfassungsrechtlich ernsthaft gestritten werden", und zwar deshalb,
   weil berufliche

    Chancengleichheit stets Gleichheit nach dem Massstab gleicher
beruflicher

    Qualifikation bedeuten müsse (Osterloh, in Sachs,
Grundgesetz-Kommentar,

    München 1996, Rz. 287 zu Art. 3 GG).

    Die hier in Frage stehende Quotenregelung, welche verbindlich und ohne

    Qualifikationsbezug eine dem Bevölkerungsanteil (50,74%) entsprechende

    Vertretung der Frauen in Parlament, Regierung und Gerichten verlangt,
   betrifft die höchsten politischen Ämter und die obersten Richterstellen
   des

    Kantons. Geht es um die Besetzung solcher bedeutender Ämter und
Positionen,
   so muss im Hinblick auf das optimale Funktionieren der betreffenden
   Gremien die Qualifikation der sich für das Amt bewerbenden Person
   beachtet werden.

    Das Geschlecht darf nicht das entscheidende Kriterium bilden, weshalb
   grundsätzlich jede Quotenregelung in diesem Bereich unzulässig sein
   dürfte.

    In diesem Sinne wird in der Rechtslehre ausgeführt, Quotenregelungen
wären
   allenfalls bei solchen staatlichen Entscheidungsgremien zu erwägen,
   die nicht primär nach fachlichen Qualifikationen zu bestellen seien,
   wie z.B.  bei Laiengerichten, Aufsichtsorganen, Schulkommissionen
   usw. (JÖRG PAUL

    MÜLLER, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, aaO, S.

    232). Die mit der Initiative 2001 verlangte Quotenregelung würde, wie
   dargelegt, zu erheblichen Sitzverschiebungen zugunsten der Frauen und zu

    Lasten der Männer führen. Sie hätte zur Folge, dass für die Männer der

    Zugang zum Amt eines Regierungsrates oder eines Oberrichters unter

    Umständen auf Jahre hinaus versperrt wäre.

    Es ist mit den kantonalen Behörden davon auszugehen, dass diese

    Auswirkungen nicht mehr als zumutbare Nachteile bezeichnet werden
können,
   welche im Interesse der tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter in

    Kauf zu nehmen sind. Die von den Initianten vorgeschlagene Massnahme
stellt
   daher einen unverhältnismässigen Eingriff in das Diskriminierungsverbot
   nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV dar.

Erwägung 8

      8.- Soweit die Regelung vom Volk gewählte Behörden, d.h. im
vorliegenden

    Fall Kantonsrat, Regierungsrat und Amtsgerichte (Art. 27 Ziff. 2
u. 3 KV),
   betrifft, kollidiert sie mit den politischen Rechten beider
   Geschlechter.

    Die kantonale Instanz erklärte, die Quotenregelung würde die

    Wahlrechtsgleichheit und den Grundsatz der Allgemeinheit der Wahlen
   beeinträchtigen; Art. 4 Abs. 1 und Art. 74 BV wären verletzt. Die

    Beschwerdeführerinnen wenden mit Grund ein, die Berufung auf Art. 74
BV sei
   verfehlt, denn diese Vorschrift befasst sich nach herrschender
   Meinung nicht mit dem Stimmrecht in den Kantonen und Gemeinden. Der
   Grundsatz des allgemeinen und gleichen Stimm- und Wahlrechts wird
   für eidgenössische

    Wahlen und Abstimmungen in Art. 74 Abs. 1 BV ausdrücklich
festgehalten. Für

    Abstimmungen und Wahlen in den Kantonen und Gemeinden folgt er -
trotz des
   in Art. 74 Abs. 4 BV
statuierten Vorbehalts des kantonalen Rechts - aus dem
   ungeschriebenen Verfassungsrecht des Bundes sowie aus dem Gebot der

    Rechtsgleichheit gemäss Art. 4 Abs. 1 BV (BGE 121 I 138 E. 3; JÖRG PAUL

    MÜLLER, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, aaO, S.

    215 u. 377; HAEFLIGER, aaO, S. 19; PIERRE TSCHANNEN, Stimmrecht und
   politische Verständigung, Basel und Frankfurt am Main 1995, S. 45,
   Rz. 70;

    TOMAS POLEDNA, Wahlrechtsgrundsätze und kantonale Parlamentswahlen,
Diss.

    Zürich 1988, S. 23 ff.). Aus dem Stimmrecht wird der Anspruch darauf
   abgeleitet, dass jeder Stimmbürger, der die als verfassungskonform
   anerkannten Voraussetzungen erfüllt, mit gleichen Chancen an einer
   Wahl soll teilnehmen können, sei es als Wähler oder als Kandidat
   (BGE 113 Ia 291

    E. 3a). Dieses Recht wird auch durch die Wahlfreiheit geschützt, die
   zunächst als Auswahlfreiheit zu verstehen ist, d.h. übermässige

    Beschränkungen des Vorschlagsrechts oder des Rechts zur Kandidatur
   untersagt (GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, aaO, S. 311; POLEDNA, aaO,

    S. 236).

    Die Quotenregelung hätte zur Folge, dass ein Mann bzw. eine Frau
für ein
   zur Wahl ausgeschriebenes politisches Mandat oder für eine Richterstelle
   unter Umständen gar nicht kandidieren könnte oder dass er bzw. sie
   als nicht gewählt erklärt würde, falls die Quote des betreffenden
   Geschlechts bereits erfüllt wäre. Die gleichmässige Zulassung aller
   zu den Wahlen wäre nicht mehr gewährleistet, und das passive Wahlrecht
   würde eingeschränkt.

    Das aktive Wahlrecht sodann schliesst ein, dass jeder Wähler die
Freiheit
   und Auswahl unter den Kandidaten haben muss und selbst muss
   bestimmen können, durch wen er sich vertreten lassen will. Die
   durch die Initiative vorzunehmende Regelung würde dieses Recht
   einschränken. Das Abstellen auf das Geschlecht würde zu einer
   Beschränkung der Auswahlfreiheit führen, wenn die Wähler nicht mehr
   die Person ihrer Wahl bestimmen könnten, sondern wenn, wie z.B. bei
   einer Ersatzwahl in den Regierungsrat, das Kriterium des

    Geschlechts vorgegeben wäre. Ferner hätten die Stimmen jener
Stimmbürger,
   welche Frauen wählen, eine erheblich höhere Stimmkraft bzw. einen
   grösseren

    Erfolgswert, wenn Frauen ungeachtet einer niedrigeren Stimmenzahl
solange
   vor Männern als gewählt erklärt würden, bis sie entsprechend ihrem

    Bevölkerungsanteil vertreten sind. Dadurch wären die bei Wahlen
geltenden

    Prinzipien der Stimmkraft- und der Erfolgswertgleichheit verletzt (vgl.

    POLEDNA, aaO, S. 27 ff.). Die Quotenregelung würde somit das durch das

    Verfassungsrecht des Bundes und im übrigen auch durch Art. 25 lit. b
UNO-Pakt II gewährleistete allgemeine und gleiche Recht, zu wählen
und gewählt
   zu werden, einschränken.

    Das allgemeine und gleiche Stimm- und Wahlrecht gilt grundsätzlich
absolut
   (POLEDNA, aaO, S. 24 ff.; HAEFLIGER, aaO, S. 57). Einschränkungen
   sind nur zulässig, soweit sie notwendig sind, um ein Wahlsystem zu
   verwirklichen (GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, aaO, S. 315). Als

    Beispiele sind Wahlkreiseinteilungen oder Mandatszuteilungen im
Hinblick
   auf die Funktionen eines Organs in einem bestimmten politischen System
   zu nennen, wie etwa die Vertretung der Kantone im Ständerat (Art. 80
   BV) oder die Mindestvertretungsgarantie im Nationalrat (Art. 72 Abs. 2
   BV). Das

    Abstellen auf das Geschlecht der zu Wählenden ist keine solche
   systembedingte Abweichung. Sodann räumt nach der Rechtsprechung des

    Bundesgerichts das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete
Stimm-
   und Wahlrecht dem Bürger allgemein den Anspruch darauf ein, dass kein

    Abstimmungs- oder Wahlergebnis anerkannt wird, das nicht den freien
Willen
   der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt
   (BGE 121 I

    138 E. 3; 119 Ia 271 E. 3a; 118 Ia 259 E. 3, je mit Hinweisen). Wenn
die
   mit der Initiative 2001 verlangte Quotenregelung eingeführt würde, so
   wäre im Ergebnis unausweichlich, dass in bestimmten staatlichen Behörden
   zwingend Frauen und Männer entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil Einsitz
   haben. Dieses Ergebnis wäre die Folge davon, dass die vorgeschlagene

    Quotenregelung das menschliche Geschlecht zum determinierenden
Kriterium
   erhebt. Das ist indes sowohl bezüglich des aktiven wie auch hinsichtlich
   des passiven Wahlrechts grundsätzlich ein unzulässiges Kriterium,
   denn es kann nicht mehr gesagt werden, eine Wahl, die durch eine
   geschlechtsbezogene Quotenregelung bestimmt wird, bringe den "freien
   Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck". Die
   durch eine derartige Quotenregelung bewirkten Ungleichheiten des
   aktiven und passiven

    Wahlrechts und Einschränkungen der Wahlfreiheit können, wie in der

    Literatur mit Recht gesagt wird, durch verfassungsrechtlich gebotene

    Verbesserung des Geschlechterproporzes im politischen Bereich nicht
   gerechtfertigt werden (GEORG MÜLLER, Quotenregelungen, aaO, S. 315).

    In diesem Zusammenhang sind auch zwei Entscheide ausländischer
Instanzen
   von Interesse, welche allerdings die Ausgestaltung der Wahllisten
   betreffen. Das französische Parlament verabschiedete im Jahre 1982

    Bestimmungen zum Wahlgesetz, nach denen bei den Gemeinderatswahlen in

    Gemeinden mit über 3'500 Einwohnern auf einer Wahlliste nicht mehr
als 75%

    Kandidierende eines Geschlechts aufgeführt werden durften. Der
französische

    Verfassungsrat erachtete diese Regelung, die den Zugang von Frauen zu
   politischen Gremien fördern wollte, als unzulässige Einschränkung des
   in der Verfassung gewährleisteten allgemeinen Stimm- und Wahlrechts
   (Urteil vom 18. November 1982, publ. in Recueil des décisions du
   Conseil constitutionnel, 1982, S. 66 ff.). Auch in Italien waren,
   um den Zugang von

    Frauen zu politischen Gremien zu fördern, gesetzliche Regelungen
getroffen
   worden, nach denen in Gemeinden mit einer bestimmten Einwohnerzahl
   auf den

    Wahllisten für die Gemeinderatswahlen nicht mehr als zwei Drittel

    Kandidierende eines Geschlechts aufgeführt werden durften. Das
italienische

    Verfassungsgericht erklärte diese Regelungen als verfassungswidrig. Es
   vertrat die Ansicht, es sei mit dem in der Verfassung enthaltenen

    Gleichheitssatz unvereinbar, die Möglichkeit zur Wahl und Kandidatur
für
   ein öffentliches Amt von der Zugehörigkeit zum einen oder anderen

    Geschlecht abhängig zu machen (Urteil der Corte Costituzionale vom 12.

    September 1995, publ. in: Il Foro italiano, 1995, S. 3386 ff.).

    Bei der mit der Initiative 2001 vorgeschlagenen Quotenregelung
würde die

    Geschlechtszugehörigkeit zu einem zentralen Kriterium bei der Wahl von

    Mitgliedern des Parlaments, der Regierung und der Amtsgerichte. Das
Ziel
   einer an wirklicher Chancengleichheit orientierten Politik muss es
   aber gerade sein, dass die Geschlechtszugehörigkeit als relevantes
   Kriterium bei einer Wahl keine Rolle mehr spielt. Im übrigen würde
   die Quotenregelung bei

    Wahlen, wie gesagt, zu unhaltbaren Situationen führen, da unter
Umständen
   eine Kandidatin oder ein Kandidat als gewählt erklärt werden müsste,
   obwohl ein Konkurrent oder eine Konkurrentin des anderen Geschlechts
   mehr Stimmen erhalten hat.

Erwägung 9

      9.- Zusammenfassend ergibt sich folgendes: Die mit der
Initiative 2001
   verlangte Quotenregelung privilegiert die Frauen im Hinblick auf das in

    Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BV enthaltene  Egalisierungsgebot, weicht aber vom

    Diskriminierungsverbot nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BV ab. Dieses
bildet eine
   relative Schranke des Egalisierungsgebotes und schliesst
   unverhältnismässige Ungleichbehandlungen der Geschlechter aus. Ob eine
   positive Massnahme zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung
   der

    Geschlechter mit Art. 4 Abs. 2 BV vereinbar ist, muss im konkreten Fall
   aufgrund einer Interessenabwägung beurteilt werden. Die hier in Frage
   stehende Massnahme, mit der verbindlich und ohne Qualifikationsbezug
   eine dem Bevölkerungsanteil entsprechende Vertretung der Frauen in
   Parlament,

    Regierung und Gerichten verlangt wird, geht weit über das Ziel der
in Art.

    4 Abs. 2 Satz 2 BV garantierten Chancengleichheit hinaus, indem sie

    Ergebnisgleichheit herbeiführen will. Die Quotenregelung stellt
daher einen
   unverhältnismässigen Eingriff in das Diskriminierungsverbot nach Art. 4

    Abs. 2 Satz 1 BV dar. Soweit die Regelung vom Volk gewählte Behörden
   betrifft, verletzt sie das durch das Verfassungsrecht des Bundes
   gewährleistete allgemeine und gleiche Recht, zu wählen und gewählt zu
   werden, da die Anknüpfung an das menschliche Geschlecht grundsätzlich
   ein unzulässiges Kriterium darstellt. Die Initiative 2001 verstösst
   offensichtlich gegen Bundesrecht. Sie lässt keinen Spielraum
   für verfassungskonforme Auslegung offen. Da an der inhaltlichen
   Unzulässigkeit der Initiative keine Zweifel bestehen, durfte sie
   der Kantonsrat als ungültig erklären, ohne dadurch die politischen
   Rechte der

    Beschwerdeführerinnen zu verletzen. Die Beschwerde erweist sich als

    unbegründet und ist abzuweisen.