Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 I 12



123 I 12

2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
12. Februar 1997 i.S. X. gegen Verein Zürcherischer Rechtsanwälte
und Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 31 BV, Art. 10 EMRK; § 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 des Zürcher
Gesetzes vom 3. Juli 1938 über den Rechtsanwaltsberuf; Missachtung des
Verbots aufdringlicher Werbung und der Pflicht, klare Rechtsverhältnisse
zu schaffen.

    Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Werbebeschränkungen für
Rechtsanwälte (E. 2a): Den Kantonen ist es erlaubt, aufdringliche und
irreführende Werbung zu untersagen. Reklame mit übertriebenen Behauptungen
und plakativem Herausstellen des eigenen Angebots kann als solche gelten
(E. 2b u. c). Die Pflicht, klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, ist im
Zürcher Anwaltsrecht auch bei der Reklame zu beachten (E. 2d). Tragweite
von Art. 10 EMRK (E. 2e).

Sachverhalt

    X. ist Inhaber des zürcherischen Anwaltspatents und im
Anwaltsverzeichnis als im Kanton Zürich praktizierender Rechtsanwalt
aufgeführt. Er ist zeichnungsberechtigter Angestellter der Y. AG
und Leiter von deren Rechtsabteilung am Firmensitz in Zürich. Als
solcher ist er vor allem in der Rechtsberatung tätig, in seltenen
Fällen auch im Monopolbereich der Rechtsanwälte gemäss § 1 des Zürcher
Gesetzes vom 3. Juli 1938 über den Rechtsanwaltsberuf (Anwaltsgesetz,
AnwG). Er vertritt dabei mehrheitlich Mitarbeiter oder Gesellschaften
der Y. Gruppe. Soweit er für die Firma tätig wird, ist dies aus dem
verwendeten Briefpapier mit dem Kopf "Y., Rechtsberatung" bzw. in Englisch
"Legal Services" ersichtlich. Wird er ausnahmsweise in seinem eigenen
Namen anwaltlich tätig, verwendet er sein privates Briefpapier und eine
neutrale Anwaltsvollmacht, auf der wohl die Büroadresse, nicht aber der
Firmenname aufgeführt ist.

    Am 7. November 1995 liess der Verein Zürcherischer Rechtsanwälte
der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich einen in
englischer Sprache abgefassten Prospekt der Y. AG zukommen und verzeigte
X. sowie zehn weitere Rechtsanwälte im Dienste dieser Firma insbesondere
wegen Missachtung des Verbots aufdringlicher Werbung (§ 7 Abs. 2 AnwG) und
der Pflicht, klare Rechtsverhältnisse zu schaffen (§ 8 Abs. 1 AnwG). Nach
Durchführung des Disziplinarverfahrens büsste die Aufsichtskommission X. am
4. April 1996 wegen Verletzung dieser Bestimmungen mit Fr. 500.--. Sie
begründet ihren Beschluss (veröffentlicht in ZR 95/1996 Nr. 44) im
wesentlichen wie folgt:

    Beim fraglichen Prospekt, der in rund 4'000 Exemplaren an die Y.
Organisationen im Ausland und an die diversen Niederlassungen der Y. AG in
der Schweiz versandt worden sei, handle es sich um ein Faltblatt mit fünf
Textspalten, in dem unter der Überschrift "Legal Services Switzerland"
(rechtliche Dienstleistungen Schweiz) und nach einer kurzen Beschreibung
der Firma die betreuten Rechtsgebiete sowie die "Philosophie" der
Y. AG vorgestellt würden. Lose eingelegt in den Faltprospekt sei ein
vierspaltiges Verzeichnis der schweizerischen "Offices providing legal
services" (Büros mit rechtlichen Dienstleistungen) der Firma mit den Namen
und den Spezialgebieten der dort tätigen Juristen, welche grösstenteils als
"attorney" (Rechtsanwalt) bezeichnet würden. In der Einleitung "THE FIRM"
werde auf die langjährige Tradition in der Rechtsberatung hingewiesen
und ausgeführt, mit über 70 Anwälten ("attorneys") und Büros in allen
grösseren Städten der Schweiz sei sie die grösste schweizerische "law
firm", ein Ausdruck, der nur im Zusammenhang mit dem im Abschnitt "OUR
PHILOSOPHY" angestellten Vergleich übersetzt werden könne: Dort heisse es,
die Firma unterscheide sich von "major law firms" dadurch, dass sie mehr
als hochqualifizierte Rechtsberatung anbiete, nämlich enge Zusammenarbeit
mit den Klienten bei der Suche nach geschäftsorientierten Lösungen im
breiten Spektrum ihrer unternehmerisch ausgerichteten Dienstleistungen
sowie enge Zusammenarbeit mit anderen Firmen-Spezialisten aus Bereichen
wie Steuern, Buchführung, Finanzierungen, Fusionen und Übernahmen, die
es der Rechtspraxis ermögliche, innovative und integrierte Lösungen mit
echtem Mehrwert für die Klienten zu finden. Mit diesen anderen "major
law firms" könnten nur andere grössere Rechtsanwaltsbüros gemeint sein,
die eben im Unterschied zur Y. AG ausschliesslich juristische und nicht
auch unternehmerische Dienstleistungen anzubieten hätten. Zwar könnten
die Aussagen über das vielfältige Dienstleistungsangebot nicht als unwahr
bezeichnet werden. Es sei aber zu beanstanden, dass sich die Firma (und
mit ihr der Beschuldigte) als grösstes Anwaltsbüro der Schweiz bezeichne
und mit den Hinweisen auf die zusätzlichen Dienstleistungen, die sie
im Unterschied zu den anderen Anwaltsbüros zu erbringen imstande sei,
gegenüber den anderen Rechtsanwälten hervorhebe. Diese Art vergleichender
Werbung sei nach der Praxis der Aufsichtskommission verpönt und verstosse
gegen das Verbot der aufdringlichen Empfehlung. Sie erscheine zudem
unter dem Gesichtswinkel ihrer akquisitorischen Wirkung als unzulässig.
Ein Verstoss gegen das Verbot aufdringlicher Empfehlung sei auch darin
zu erblicken, dass im Prospekt ausgeführt werde, alle Rechtsberater der
Y. AG seien Rechtsanwälte ("attorneys"), wiewohl dies nicht zutreffe. Der
plakative Hinweis, alle Rechtsberater seien Rechtsanwälte und bei der
Y. AG handle es sich um das grösste Anwaltsbüro der Schweiz, bilde zudem
einen Verstoss gegen die Pflicht, klare Rechtsverhältnisse zu schaffen (§ 8
Abs. 1 AnwG). Es werde damit der Eindruck erweckt, bei einer Mandatierung
der Y. AG unterstehe der Beauftragte den besonderen anwaltlichen
Berufspflichten, was nicht zutreffe. Ein Klient könnte auch in seinen
Erwartungen enttäuscht werden, wenn die von ihm beauftragte Y. AG als
Auftragnehmerin in einem Strafverfahren die Aktenherausgabe nicht mit dem
Hinweis auf das anwaltliche Berufsgeheimnis verweigern könne, zumal nicht
nur Rechtsanwälte in der Rechtsberatung tätig seien. Der Klient, der ein
Mandatsverhältnis mit der Firma eingehe, habe es auch nicht mit Beratern
zu tun, welche der anwaltlichen Pflicht zur Unabhängigkeit unterstünden. Wo
bewusst und systematisch mit der Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" geworben
werde, ohne dass ein direktes Mandatsverhältnis mit einem Rechtsanwalt Ziel
der Kundenwerbung sei und ohne dass auf die Nichtanwendbarkeit anwaltlicher
Berufspflichten hingewiesen werde, würden unklare Verhältnisse bezüglich
der Geltung dieser besonderen Anwaltspflichten geschaffen. Soweit für die
betreffende Werbung Rechtsanwälte mitverantwortlich seien, liege deshalb
ein disziplinarrechtlich relevanter Verstoss gegen § 8 Abs. 1 AnwG vor.

    X. hat gegen den Entscheid der Aufsichtskommission staatsrechtliche
Beschwerde eingereicht. Das Bundesgericht weist diese ab

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts steht
der Anwalt unter dem Schutze der Handels- und Gewerbefreiheit, ebenso
wie die Angehörigen anderer liberaler Berufe und alle übrigen Personen,
die einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit nachgehen; geschützt ist
sowohl die selbständige wie auch die unselbständige Berufsausübung (BGE
119 Ia 374 E. 2a S. 375; 113 Ia 279 E. 1 S. 282, mit Hinweisen). Art. 31
Abs. 1 BV gewährleistet im Rahmen der Bundesverfassung die Handels-
und Gewerbefreiheit, behält indes in Abs. 2 "kantonale Bestimmungen
über die Ausübung von Handel und Gewerben" vor; diese dürfen
ihrerseits jedoch den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit
nicht beeinträchtigen. Unzulässig sind wirtschaftspolitische oder
standespolitische Massnahmen, die den freien Wettbewerb behindern,
um gewisse Gewerbezweige oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder
zu begünstigen. Zulässig sind dagegen andere im öffentlichen Interesse
begründete Massnahmen, wie namentlich polizeilich motivierte Eingriffe
zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit sowie von
Treu und Glauben im Geschäftsverkehr oder sozialpolitisch begründete
Einschränkungen. Diese bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen
durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und den
Grundsatz der Verhältnismässigkeit sowie der Rechtsgleichheit (namentlich
im Sinne der Wettbewerbsneutralität) wahren (BGE 121 I 129 E. 3b S. 131
f.; 118 Ia 175 E. 1 S. 177, je mit Hinweisen).

    b) Gemäss § 7 Abs. 2 AnwG enthält sich der Rechtsanwalt aufdringlicher
Empfehlung. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass damit eine gesetzliche
Grundlage insoweit bestehe, als die Form der Werbung nicht "reisserisch"
sein dürfe. Hingegen könne sich eine Inhaltskontrolle der Werbung nicht auf
das Gesetz stützen. Die Werbung sei nicht mehr oder weniger aufdringlich,
je nachdem ob ihr Inhalt richtig oder falsch sei.

    Es trifft zu, dass die Aufsichtskommission Form und Aufmachung
des Faltblatts nicht beanstandet hat. Sie wirft der Y. AG und dem
Beschwerdeführer vielmehr dessen Inhalt vor, nämlich die Anpreisung als
grösstes Anwaltsbüro der Schweiz ("the largest Swiss law firm") und die
falsche Behauptung, sämtliche Rechtsberater seien Anwälte. Weshalb Werbung,
die gar zu falschen Behauptungen greift, nicht aufdringlich im Sinne von §
7 Abs. 2 AnwG sein soll, ist nicht ersichtlich. Falsche (bzw. übertriebene)
Behauptungen über die Qualifikationen desjenigen, der eine Dienstleistung
anbietet, können ohne weiteres als "aufdringlich" gelten; jedenfalls ist
eine entsprechende Gesetzesauslegung nicht willkürlich.

    c) Der Beschwerdeführer macht des weitern geltend, es fehle an einem
überwiegenden öffentlichen Interesse, welches die anwaltsrechtlichen
Werbeschranken rechtfertigen könnte. Es handle sich dabei vielmehr um eine
wirtschafts- und standespolitische Massnahme, die den freien Wettbewerb
behindere.

    aa) Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung ein striktes
Werbeverbot für Anwälte zwar stets abgelehnt, es anderseits aber als
zulässig erachtet, die Werbetätigkeit von Anwälten besonderen Schranken
zu unterwerfen (BGE 67 I 80 E. 3 S. 87 ff.; 68 I 11 E. 1 S. 14 f.,
65 E. 1 S. 68 f.; 87 I 262 E. 2 S. 265 f.; vgl. 96 I 35 ff.). Den
Kantonen ist es insbesondere erlaubt, aufdringliche und irreführende
Werbung zu untersagen. Der Zweck entsprechender Normen lässt sich
auch heute nicht beanstanden, selbst wenn ihre Anwendung mit Blick
auf die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse (im Vergleich zu
diesen älteren Entscheiden des Bundesgerichts) allenfalls gewisser
Anpassungen bedarf. Das Publikum soll darauf vertrauen können, dass
Rechtsanwälte, wenngleich Gewerbetreibende, sich in ihrer Berufsausübung
nicht von Gewinnstreben beherrschen lassen, sondern in erster Linie ihre
Verantwortung als "Diener des Rechts" und "Mitarbeiter der Rechtspflege"
wahrnehmen und in dieser Funktion die Rechtsuchenden bei der Verfolgung
ihrer subjektiven Rechtsschutzinteressen beraten und unterstützen (vgl. BGE
106 Ia 100 E. 6b S. 104), sie gegebenenfalls aber auch davon abhalten,
aussichtslose Prozesse zu führen. Kommerzielle Werbemethoden dürfen darum
im Interesse des Schutzes von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr und zur
Erhaltung der Vertrauenswürdigkeit und der Unabhängigkeit der Anwaltschaft
ausgeschlossen werden, während zurückhaltende und sachlich zutreffende
Werbung dem Bedürfnis des Publikums nach Information entgegenkommt und dem
Anwalt deshalb nicht grundsätzlich verwehrt sein kann (FELIX WOLFFERS,
Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Diss. Bern 1986, S. 145 ff.; CHRISTOF
BERNHART, Die Werbebeschränkungen für wissenschaftliche Berufsarten als
Problem der Grundrechte, Diss. Bern 1992, S. 208 ff.). Wo die Grenzen
zwischen zulässiger Information und verpönter kommerzieller Werbung
liegen, kann im einzelnen umstritten sein, zumal die Auffassungen darüber
in jüngster Zeit einem gewissen Wandel unterworfen sind (vgl. DOMINIQUE
DREYER, L'avocat dans la société actuelle, ZSR 1996 II 460 ff.; MICHAEL
PFEIFER, Der Rechtsanwalt in der heutigen Gesellschaft, ZSR 1996 II 343
ff.; PIERRE TERCIER, Les avocats et la concurrence, in: der Schweizer
Anwalt 160/1996 S. 4 ff., insbesondere S. 13/14), braucht hier aber
nicht allgemein erörtert zu werden. Auf jeden Fall hat die anwaltliche
Werbung zurückhaltend zu sein, darf keine unrichtigen Erwartungen wecken,
hat auf sensationelles und reklamehaftes Sich-Herausstellen gegenüber
Berufskollegen zu verzichten und muss von hohem Informationsgehalt
sein (WALTER FELLMANN/OLIVER SIDLER, Standesregeln des Luzerner
Anwaltsverbandes, Bern 1996, S. 37 f.).

    bb) Der angefochtene Entscheid wendet das Verbot aufdringlicher
Empfehlung nach § 7 Abs. 2 AnwG vor diesem Hintergrund nicht
in verfassungswidriger Weise an. Die Aufsichtskommission hat den
Prospekt der Y. AG beanstandet, weil er falsche Informationen (alle
Rechtsberater der Y. AG seien Rechtsanwälte) enthält, die Y. AG als
grösstes Rechtsanwaltsbüro der Schweiz bezeichnet und Vergleiche zu anderen
grossen Anwaltsbüros zieht (von denen sich die Y. AG dadurch unterscheide,
dass sie neben hochqualifizierter Rechtsberatung weitere - ausführlich
beschriebene - Dienstleistungen anbiete). Die falschen Angaben, wozu
neben der Behauptung, alle Rechtsberater der Y. AG seien Rechtsanwälte,
auch die zumindest verwirrliche Selbstdeklaration als Anwaltsbüro gehört,
dürfen ohne weiteres als im Rahmen anwaltlicher Werbung unzulässig
angesehen werden. Der Vergleich mit den andern grösseren Anwaltsbüros
kann ebenfalls als verpöntes reklamehaftes Sich-Herausstellen gelten. Das
Verbot derartiger Werbung liegt im überwiegenden öffentlichen Interesse
und ist nicht unverhältnismässig.

    d) Die Aufsichtskommission hat neben dem Verbot aufdringlicher
Empfehlung auch die Pflicht, klare Rechtsverhältnisse zu schaffen
(§ 8 Abs. 1 AnwG), als verletzt erachtet, da der Eindruck erweckt
werde, bei einer Mandatierung der Y. AG unterstehe der Beauftragte
den besonderen anwaltlichen Berufspflichten. Der Beschwerdeführer
wendet ein, das Gebot, klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, sei
nur bei einem konkreten Mandatsverhältnis anwendbar und könne nicht
bereits die Werbetätigkeit erfassen. Diese Berufspflicht bezieht sich
indessen nicht nur auf das konkrete Mandatsverhältnis, sondern auf das
berufliche Verhalten schlechthin. Es handelt sich dabei nicht nur um
eine Verpflichtung gegenüber dem eigenen Klienten, sondern auch um eine
solche im Verhältnis zu den Behörden, zum Prozessgegner und zu Dritten
(Handbuch über die Berufspflichten des Rechtsanwaltes im Kanton Zürich,
Zürich 1988, S. 43 ff.). Wenn der Anwalt deshalb bereits bei seiner
Werbetätigkeit gehalten sein soll, Klarheit hinsichtlich der künftigen
Mandatsverhältnisse zu schaffen, ist dies nicht unhaltbar.

    e) Der Beschwerdeführer beruft sich ergänzend zur Rüge der
Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit auf die in Art. 10 EMRK
verankerte Meinungsäusserungsfreiheit. Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte hat sich im Urteil i.S. Casado Coca vom 24. Februar 1994
(Serie A Nr. 285-A) mit der Tragweite dieses grundrechtlichen Anspruchs
im Bereiche der Werbung von Rechtsanwälten auseinandergesetzt. Der
Gerichtshof hat dabei massgeblich darauf abgestellt, dass in den
Mitgliedstaaten des Europarats unterschiedliche Auffassungen darüber
herrschen, ob und wie weit den Anwälten Werbung erlaubt sein soll. Er
hat auch darauf hingewiesen, dass seit einiger Zeit gewisse Lockerungen
des Werbeverbots festzustellen seien. Zum Entscheid darüber, wie weit
diese reichen müssten und wo zu einem bestimmten Zeitpunkt das richtige
Gleichgewicht zwischen den auf dem Spiele stehenden Interessen liege,
seien die ordentlichen Gerichte besser geeignet als der internationale
Richter. Die Meinungsäusserungsfreiheit nach Art. 10 EMRK und die Praxis
dazu enthalten demnach keine weiterführenden Gesichtspunkte, die nicht
bereits im Lichte der Handels- und Gewerbefreiheit zu berücksichtigen
gewesen wären.