Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 IV 29



123 IV 29

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. Januar 1997 i.S. X.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 102 Ziff. 8 BV und Art. 10 BV; Art. 1, 2, 4 und 11 der Verordnung
über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische
Staatsangehörige; Art. 1 StGB; Art. 269 BStP.

    Der Kassationshof prüft im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde
vorfrageweise, ob die Bestimmungen einer selbständigen Verordnung
des Bundesrates den Anforderungen an eine verfassungsunmittelbare
Polizeiverordnung genügen und somit rechtsbeständig sind (E. 2).

    Das Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen in der
öffentlichkeit durch jugoslawische Staatsangehörige und die Androhung von
Gefängnis alternativ zu Busse für dessen Missachtung genügten jedenfalls
im April 1994 (Tatzeit) diesen Anforderungen (E. 3 und 4).

Sachverhalt

    A.- In der Nacht vom 8. auf den 9. April 1994, kurz nach Mitternacht,
richtete der in der Schweiz wohnhafte X., Staatsangehöriger des ehemaligen
Jugoslawien (Mazedonien), in Brunnen/SZ von seinem Personenwagen aus
eine geladene Pistole gegen mehrere, rund 7 bis 8 m entfernt stehende
Landsleute. Er zog den Abspannhahnen durch, doch löste sich kein Schuss,
da die Waffe gesichert war. Daraufhin schossen einige Männer, gegen
die X. seine Waffe gerichtet hatte, in Richtung des Wagens von X., der
davonfuhr. Das Fahrzeug konnte wenig später von der Kantonspolizei Zug
in einer Strassensperre gestoppt werden. X. wurde verhaftet.

    Bei der Schiesserei, der eine Auseinandersetzung wegen finanzieller
Angelegenheiten vorangegangen war, wurde niemand verletzt.

    B.- Mit Verfügung vom 1. Dezember 1994 stellte die Staatsanwaltschaft
des Kantons Schwyz die Strafuntersuchung gegen X. wegen Gefährdung des
Lebens und wegen Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz ein.

    C.- Am 8. November 1995 verurteilte der Einzelrichter des Bezirkes
Schwyz X. wegen Tragens und Mitführens einer Schusswaffe (Art. 11
Abs. 1 al. 2 i.V.m. Art. 4 der Verordnung über den Erwerb und das
Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige) zu einer
bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 30 Tagen, unter Anrechnung
der Untersuchungshaft von 14 Tagen, und zu 1'500 Franken Busse. Die
sichergestellte Pistole und sämtliche Munition wurden eingezogen.

    Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz bestätigte am 25. Juni 1996 den
erstinstanzlichen Entscheid mit der Abweichung, dass es auf die Ausfällung
einer Busse zusätzlich zur Freiheitsstrafe verzichtete.

    D.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen
durch jugoslawische Staatsangehörige vom 18. Dezember 1991 (SR 514.545),
in Kraft seit 19. Dezember 1991, war ursprünglich bis längstens 31.
Dezember 1994 befristet. Ihre Geltungsdauer ist durch Verordnung vom
5. Dezember 1994 (AS 1994, 2996) bis zum 31. Dezember 1996 verlängert
worden. Die Geltungsdauer ist durch Verordnung vom 2. Dezember 1996
(AS 1996, 3118) nochmals bis zum 31. Dezember 1998 verlängert worden,
soweit die Verordnung die Veräusserung von Schusswaffen an und den Erwerb
sowie das Tragen und Mitführen von Schusswaffen durch Staatsangehörige
des ehemaligen Jugoslawien betrifft. Es handelt sich um eine selbständige
Verordnung des Bundesrates, die sich gemäss Ingress auf Art. 102 Ziff. 8 BV
stützt. Danach wahrt der Bundesrat die Interessen der Eidgenossenschaft
nach aussen, wie namentlich ihre völkerrechtlichen Beziehungen, und
besorgt er die auswärtigen Angelegenheiten überhaupt.

    Die Verordnung hat nach ihrem Art. 1 den Zweck, den Handel
von Schusswaffen zwischen dem Schweizerischen Staatsgebiet und dem
Staatsgebiet der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in den
am 1. Januar 1990 gültigen Grenzen zu unterbinden (lit. a) und gewalttätige
Handlungen zwischen jugoslawischen Staatsangehörigen in der Schweiz zu
verhindern (lit. b). Gemäss Art. 4 der Verordnung ist es jugoslawischen
Staatsangehörigen verboten, in der Öffentlichkeit Schusswaffen zu
tragen oder mit sich zu führen. Nach Art. 2 der Verordnung gelten als
jugoslawische Staatsangehörige alle Personen, die am 1. Januar 1990 die
Saatsangehörigkeit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien
hatten oder die sie nach diesem Zeitpunkt erworben haben und die nicht
die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzen (lit. a), und gelten als
Schusswaffen alle Geräte, mit denen durch Treibladung Geschosse abgegeben
werden können (lit. c). Gemäss Art. 11 Abs. 1 al. 2 der Verordnung wird
bestraft, wer als jugoslawischer Staatsbürger in der Öffentlichkeit
eine Schusswaffe trägt oder mit sich führt. Die Strafe ist, sofern nicht
strengere gesetzliche Bestimmungen zur Anwendung kommen, bei vorsätzlichem
Handeln Gefängnis oder Busse bis zu 100'000 Franken (Art. 11 Abs. 1 am
Ende der Verordnung), bei fahrlässigem Handeln Gefängnis bis zu sechs
Monaten oder Busse (Art. 11 Abs. 3 der Verordnung).

    a) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid machte sich
der Beschwerdeführer dadurch nach Art. 11 Abs. 1 al. 2 i.V.m. Art. 4
der Verordnung schuldig, dass er in der Nacht vom 8. auf den 9. April
1994 als Staatsangehöriger des ehemaligen Jugoslawien (Mazedonien)
in der Öffentlichkeit eine Pistole auf sich trug bzw. in seinem Wagen
mitführte. Das in Art. 4 der Verordnung unmittelbar gestützt auf
Art. 102 Ziff. 8 und 10 BV erlassene Verbot des Tragens und Mitführens
von Schusswaffen in der Öffentlichkeit durch Staatsangehörige des
ehemaligen Jugoslawien sei sowohl im Zeitpunkt seines Erlasses als auch
noch zur Zeit der inkriminierten Handlung, im April 1994, gerechtfertigt
gewesen, da angesichts der Kriege im ehemaligen Jugoslawien die Gefahr
bestanden habe, dass es auch in der Schweiz zu gewalttätigen Handlungen
zwischen Staatsangehörigen des ehemaligen Jugoslawien kommen könnte. Zur
Durchsetzung dieses verfassungskonform festgelegten Verbotes sei die
Androhung von Gefängnisstrafe alternativ zu Busse in Art. 11 der Verordnung
notwendig gewesen.

    b) Der Beschwerdeführer macht wie bereits im kantonalen Verfahren
geltend, das in Art. 4 der Verordnung festgelegte Verbot sei
überflüssig. Das Waffentragen werde bereits durch das Interkantonale
Konkordat über den Handel mit Waffen und Munition bzw. durch kantonale
Waffenverordnungen, beispielsweise die Schwyzer Waffenverordnung vom
9. September 1970 und die Zuger Verordnung betreffend das Tragen von
Schuss- und Stichwaffen vom 20. November 1936, unter Androhung von
Haft oder Busse verboten. Der Beschwerdeführer macht sodann geltend,
dass das in Art. 4 der Verordnung festgelegte Verbot nicht durch Art.
102 Ziff. 8 und 10 BV gedeckt sei. Die Gefahr von Gewalttätigkeiten
zwischen jugoslawischen Staatsangehörigen in der Schweiz sei bereits
im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung und auch zur Zeit
der inkriminierten Handlung nicht derart erheblich gewesen, dass ein
generelles Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen zum Schutze
der inneren Sicherheit der Schweiz notwendig, zeitlich dringlich und
verhältnismässig gewesen sei. Zudem hätte zur Zeit der inkriminierten
Handlung, rund zwei Jahre und vier Monate nach dem Inkrafttreten der
Verordnung, längst eine Grundlage in einem formellen Gesetz geschaffen
worden sein müssen. Ausserdem habe sich die Lage nach der Aufhebung
des internationalen Waffenembargos gegen das ehemalige Jugoslawien
vollständig verändert. Im weiteren vertritt der Beschwerdeführer die
Ansicht, dass die Androhung von Gefängnis alternativ zu Busse in Art. 11
der Verordnung bzw. die Ausfällung einer Gefängnisstrafe im konkreten
Einzelfall mangels der erforderlichen Grundlage in einem formellen Gesetz
gegen den unter anderem in Art. 1 StGB verankerten Grundsatz "nulla poena
sine lege" verstosse. Nach herrschender Lehre könne in einer Verordnung
nur Busse angedroht werden. Jedenfalls dürften in einer Verordnung
nicht Gefängnisstrafen angedroht werden. Art. 11 der Verordnung sei
verfassungs- und gesetzeskonform in dem Sinne einschränkend auszulegen,
dass darin nur eine Übertretungsstrafe, also Busse und allenfalls Haft,
angedroht werde. Als blosse Übertretung, die mangels einer abweichenden
gesetzlichen Regelung relativ in einem Jahr und absolut in zwei Jahren
verjähre (Art. 109 und Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 StGB), sei aber die von ihm
am 8./9. April 1994 begangene Widerhandlung im Zeitpunkt der Ausfällung des
angefochtenen Urteils vom 25. Juni 1996 bereits absolut verjährt gewesen.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer ist in Anwendung von Art. 11 der Verordnung
über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische
Staatsangehörige verurteilt worden. Der angefochtene Entscheid
betrifft damit eine Bundesstrafsache. Dagegen ist die eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde zulässig. Der Kassationshof kann im Verfahren der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde vorfrageweise die Gesetzmässigkeit
und die Verfassungsmässigkeit einer in einer bundesrätlichen Verordnung
enthaltenen Strafbestimmung überprüfen, die Verfassungsmässigkeit
allerdings nur insoweit, als nicht ein formelles Gesetz den
Verordnungsgeber zum Abweichen von der Verfassung ermächtigt (vgl. BGE
119 IV 260 E. 2; 118 IV 192 E. 1, je mit Hinweisen). Der Kassationshof
kann demzufolge im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde
auch vorfrageweise prüfen, ob die in einer selbständigen Verordnung des
Bundesrates enthaltene Strafbestimmung, nach welcher der Beschwerdeführer
verurteilt worden ist, verfassungsmässig sei, ob mit andern Worten der
Bundesrat gestützt auf Art. 102 Ziff. 8 bis 10 BV zum Erlass des in
der Strafbestimmung enthaltenen Verbots und zur Androhung der darin
vorgesehenen Strafe für dessen Missachtung befugt sei (siehe bereits
BGE 64 I 365 ff. und das Urteil des Kassationshofes vom 5. Februar 1940,
zusammenfassend wiedergegeben in ZBl 41/1940 S. 216 ff.; grundsätzlich
anderer Auffassung hinsichtlich der vorfrageweisen Überprüfung der
Verfassungsmässigkeit von bundesrätlichen Verordnungen im Verfahren der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde Bernhard Sträuli, Pourvoi en nullité
et recours de droit public au Tribunal fédéral, thèse Genève 1995, p. 215
n. 472). Wohl bleibt gemäss Art. 269 Abs. 2 BStP die staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte vorbehalten. Der
Kassationshof muss indessen im Verfahren der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde vorfrageweise die Rechtsbeständigkeit der in einer
bundesrätlichen Verordnung enthaltenen Bestimmungen, nach denen der
Beschwerdeführer verurteilt worden ist, auch insoweit prüfen können,
als die sich dabei stellenden Fragen verfassungsrechtlicher Natur
sind. Im übrigen betrifft auch die Frage, ob eine Verordnungsbestimmung
gesetzmässig sei, d.h. sich im Rahmen der gesetzlichen Delegationsnorm
bewege, genaugenommen die verfassungsrechtliche Frage der Gewaltentrennung
(siehe ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts,
2. Aufl. 1984, S. 312; CORBOZ, Le pourvoi en nullité, SJ 1991, p. 76). In
einem nicht publizierten Urteil vom 19. Juni 1981 i.S. P. gegen BS
(zusammenfassend wiedergegeben bei SCHUBARTH, Nichtigkeitsbeschwerde
in Strafsachen, Eine Einführung anhand von 20 Fällen, Bern 1995, S. 53)
hat denn auch die II. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts
nach einem Meinungsaustausch mit dem Kassationshof erkannt, dass die
Kompetenz, die Rechtsbeständigkeit (Gesetz- und Verfassungsmässigkeit)
einer bundesrätlichen Verordnungsbestimmung vorfrageweise zu prüfen,
beim Sachrichter liege und dass die Rüge der Ungültigkeit des Erlasses
mit dem der Materie nach anwendbaren Rechtsmittel vorzubringen sei, in
Bundesstrafsachen also mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde. Aus
Art. 269 Abs. 2 BStP lasse sich nicht ableiten, dass die Normenkontrolle im
strafrechtlichen Bereich in eine Gesetzmässigkeitskontrolle im Verfahren
der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde durch den Kassationshof und
eine Verfassungsmässigkeitskontrolle im Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde durch eine öffentlichrechtliche Abteilung aufzuspalten
sei. Sofern in einer Strafsache die Gültigkeit einer Verordnungsvorschrift
des Bundesrates angefochten werde, habe dies mit eidgenössischer
Nichtigkeitsbeschwerde zu erfolgen; dem Kassationshof obliege dabei die
gesamte Normenkontrolle, soweit sie gemäss Art. 113 Abs. 3 BV zulässig
sei. Das ergebe sich auch aus Art. 96 Abs. 3 OG, wonach die Bundesbehörde,
die in der Hauptsache kompetent ist, auch alle Vor- und Zwischenfragen
zu erledigen hat.

Erwägung 3

    3.- a) Der Bundesrat kann unmittelbar gestützt auf die
Bundesverfassung, also ohne entsprechende Grundlage in einem formellen
Gesetz, insbesondere im Rahmen seiner in Art. 102 Ziff. 8 bis 10 BV
festgelegten Obliegenheiten (betreffend die auswärtigen Angelegenheiten
sowie die äussere und die innere Sicherheit der Eidgenossenschaft) unter
gewissen Voraussetzungen gesetzesvertretende und gesetzesergänzende
Verordnungen erlassen. Die darin enthaltenen Anordnungen müssen
notwendig, zeitlich dringlich, durch überwiegende öffentliche Interessen
gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Sie dürfen nicht im Widerspruch
zu Erlassen der Bundesversammlung stehen, und sie müssen die Grundsätze
der Rechtsgleichheit und von Treu und Glauben etc. respektieren. Sie
müssen grundsätzlich zeitlich befristet sein, und bei Andauern der
regelungsbedürftigen Situation ist eine ausreichende Grundlage in einem
formellen Gesetz zu schaffen (siehe zum Ganzen BGE 64 I 365 ff.; DIETRICH
SCHINDLER in Kommentar BV, Art. 102 Ziff. 8 Rz. 110 ff., Art. 102 Ziff. 9
Rz. 127 ff.; KURT EICHENBERGER in Kommentar BV, Art. 102 Ziff. 10 Rz.
163 ff.; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Fassung
von 1967, Neubearbeiteter Nachtrag bis 1994, Bd. II, 1995, Nrn. 1528 f.,
S. 225 f. und S. 1051 f.; BEAT SCHELBERT, Die rechtliche Bewältigung
ausserordentlicher Lagen im Bund, Diss. Bern 1986, S. 198 ff.; Gutachten
des Bundesamtes für Justiz vom 6. März 1989 in VPB 53/1989 Nr. 52
S. 363 ff.).

    b) Angesichts der Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien war
Ende 1991 ernsthaft zu befürchten, dass es auch in der Schweiz zu
politisch/ethnisch motivierten gewalttätigen Auseinandersetzungen grösseren
Ausmasses zwischen Staatsangehörigen des ehemaligen Jugoslawien kommen
könnte. Auch wenn sich diese Gefahr in der Folge nicht realisierte,
bestand sie doch weiterhin und jedenfalls auch noch im Zeitpunkt der
inkriminierten Handlung, im April 1994, da ungewiss war und blieb, in
welche Richtung sich die kriegerischen Konflikte in weiten Teilen des
ehemaligen Jugoslawien entwickeln würden. Zur Verminderung der Gefahr
von gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Schweiz war ein generelles
Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen in der Öffentlichkeit
durch jugoslawische Staatsangehörige, das im übrigen, wenn überhaupt,
nur eine sehr geringfügige Beschränkung von Freiheitsrechten darstellt
(siehe dazu BGE 103 Ia 169 E. 2), gerechtfertigt. Weil es sowohl Ende
1991 als auch noch im April 1994, zur Zeit der inkriminierten Handlung,
ungewiss war und blieb, in welche Richtung sich die Konflikte im ehemaligen
Jugoslawien entwickeln und welche Folgen sie auch in der Schweiz zeitigen
würden, war es gerechtfertigt, ausnahmslos jedem Staatsangehörigen des
ehemaligen Jugoslawien (im Sinne von Art. 2 lit. a der Verordnung) das
Tragen und Mitführen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit zu verbieten,
unabhängig davon, aus welchem Teil des ehemaligen Jugoslawien er stammte,
welcher Ethnie er angehörte, unter welchem Status und seit wie langer Zeit
er in der Schweiz lebte. Die Entscheidung, ob das Tragen von Schusswaffen
durch jugoslawische Staatsangehörige in der Öffentlichkeit von Bundesrechts
wegen ohne Erlaubnisvorbehalt generell zu verbieten oder statt dessen
bloss einer Bewilligungspflicht zu unterstellen sei, fällt unter das
weite gesetzgeberische Ermessen des Bundesrates als Verordnungsgeber, in
welches das Bundesgericht nicht eingreift, zumal das Verbot des Tragens
und Mitführens von Schusswaffen in der Öffentlichkeit, wie erwähnt,
höchstens einen geringfügigen Eingriff in Freiheitsrechte darstellt.

    Das generelle Verbot des Tragens und Mitführens von Schusswaffen durch
jugoslawische Staatsangehörige ist im übrigen auch geeignet, den spontanen
Verkauf und Erwerb von Schusswaffen unter jugoslawischen Staatsangehörigen
auf der Strasse zu verhindern. Es vermindert damit indirekt die Häufigkeit
von Handwechseln und somit das Risiko, dass die Schusswaffen in die
Hände von jugoslawischen Staatsangehörigen gelangen, welche sie in
das Konfliktgebiet ausführen könnten. Das Verbot des Mitführens und
Tragens von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige in der
Öffentlichkeit dient damit indirekt, wenn auch nicht in erster Linie,
dem vom Bundesrat gestützt auf Art. 102 Ziff. 8 BV in Art. 1 lit. a der
Verordnung festgelegten Zweck, den Handel von Schusswaffen zwischen dem
Schweizerischen Staatsgebiet und dem Staatsgebiet der Sozialistischen
Föderativen Republik Jugoslawien in den am 1. Januar 1990 gültigen Grenzen
zu unterbinden, was zur Zeit der inkriminierten Handlung, im April 1994,
nach wie vor geboten war.

    Die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch
jugoslawische Staatsangehörige genügte somit zur Zeit der inkriminierten
Handlung, im April 1994, den vorstehend (E. 3a) umschriebenen Anforderungen
an eine verfassungsunmittelbare Polizeiverordnung des Bundesrates, soweit
sie in Art. 4 den jugoslawischen Staatsangehörigen das Tragen und Mitführen
von Schusswaffen in der Öffentlichkeit generell verbietet.

Erwägung 4

    4.- Art. 11 Abs. 1 der Verordnung droht unter anderem für das
vorsätzliche Tragen und Mitführen von Schusswaffen durch jugoslawische
Staatsangehörige in der Öffentlichkeit (al. 2) Gefängnis (bis zu drei
Jahren) oder Busse bis zu 100'000 Franken an. Die Vorinstanz verurteilte
den Beschwerdeführer von diesem Strafrahmen ausgehend zu einer bedingt
vollziehbaren Gefängnisstrafe von 30 Tagen, weil er in der Nacht vom
8. auf den 9. April 1994 eine Pistole in seinem Wagen mitführte und in
Brunnen/SZ trug, was allein Gegenstand der Anklage sowie des erst- und
vorinstanzlichen Verfahrens bildete.

    a) In BGE 112 Ia 107 E. 3b S. 112 f. und 118 Ia 305 E. 7a S. 318
f. wurde entschieden, dass jede Strafe, welche einen Freiheitsentzug mit
sich bringt, als schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit einer klaren
Grundlage in einem formellen Gesetz bedarf, während für andere Strafen eine
Verordnung, die sich im Rahmen von Verfassung und Gesetz hält, genügt.
Diese Rechtsprechung wird von der strafrechtlichen Doktrin in dem Sinne
verstanden, dass in Verordnungen ohne entsprechende Grundlage in einem
formellen Gesetz überhaupt keine Freiheitsstrafen - auch keine Haftstrafen
- mehr angedroht werden dürfen (TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 1 StGB
N. 13; STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht Allg. Teil I, 2. Aufl. 1996, §
4 N. 7; TRECHSEL/NOLL, Schweiz. Strafrecht Allg. Teil I, 4. Aufl. 1994,
S. 45; PHILIPPE GRAVEN, L'infraction pénale punissable, Deuxième édition,
1995, p. 25 n. 15; JOSÉ HURTADO POZO, Droit pénal, Partie générale 1,
1991, p. 79 s, n. 125 s). Bis anhin konnten nach weit verbreiteter
Auffassung in einer Verordnung, die sich im Rahmen von Verfassung und
Gesetz hält, auch ohne entsprechende ausdrückliche Delegationsnorm in
einem formellen Gesetz polizeistrafrechtliche Bestimmungen erlassen,
d.h. jedenfalls Übertretungstatbestände geschaffen und hiefür Haftstrafen
(bis zu drei Monaten) angedroht werden (siehe BGE 96 I 24 E. 4a S. 28 f.;
Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 23. September 1980, 19. Mai 1981
und 5. Januar 1982 in VPB 46/1982 Nr. 50 S. 268 ff., mit zahlreichen
Hinweisen; O.A. GERMANN, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch,
Bd. 1, 1. Lieferung, 1953, Art. 1 N. 3 ff.; vgl. auch THOMAS COTTIER, Die
Verfassung und das Erfordernis der gesetzlichen Grundlage, 2. Aufl. 1991,
S. 61 ff.).

    b) Der Kassationshof hat im nicht publizierten Urteil vom 9. Mai
1996 i.S. B. gegen BE (auszugsweise wiedergegeben in plädoyer 4/96
S. 64 ff.) offengelassen, wie die beiden zitierten Entscheide der
I. und der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts
zu verstehen sind. Er hat erkannt, dass der Bundesrat in unmittelbar
auf Art. 102 Ziff. 8 bis 10 BV gestützten Verordnungen weiterhin auch
Strafbestimmungen erlassen und darin jedenfalls Übertretungsstrafen (Haft
oder Busse) androhen kann, wenn dies zur Durchsetzung der verfassungsgemäss
festgelegten Verbote und Beschränkungen unerlässlich und dringlich ist. Ob
der Bundesrat in diesen Verordnungen unter gewissen Voraussetzungen auch
Gefängnis (bis zu drei Jahren) alternativ zu Busse androhen kann und
ob solche Voraussetzungen in bezug auf Art. 11 der Verordnung über den
Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige
erfüllt sind, konnte in jenem Fall offenbleiben.

    Die Frage muss vorliegend entschieden werden, weil die Vorinstanz den
Beschwerdeführer wegen einer Widerhandlung im Sinne von Art. 11 Abs. 1
al. 2 der Verordnung, ausgehend von der in dieser Bestimmung enthaltenen
Strafandrohung von Gefängnis oder Busse, zu einer bedingt vollziehbaren
Gefängnisstrafe von 30 Tagen verurteilt hat.

    c) Die Frage, welche Strafen der Bundesrat in unmittelbar gestützt
auf Art. 102 Ziff. 8 bis 10 BV erlassenen Polizeiverordnungen androhen
darf, wird in den zitierten BGE 112 Ia 107 E. 3b S. 112 f. und 118
Ia 305 E. 7a S. 318 f. nicht berührt. Der Bundesrat kann in solchen
Verordnungen, die (vorübergehend) an die Stelle von formellen Gesetzen
treten, diejenigen Strafen androhen, welche dem Unwert angemessen sind, das
in der Missachtung der von ihm erlassenen Anordnungen und Verbote liegt,
nötigenfalls also auch Gefängnisstrafen. Das generelle Verbot des Tragens
und Mitführens von Schusswaffen in der Öffentlichkeit durch jugoslawische
Staatsangehörige soll in erster Linie zum Schutz der inneren Sicherheit der
Eidgenossenschaft die angesichts der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien
sowie der relativ hohen Zahl von in der Schweiz lebenden Jugoslawen erhöhte
und unberechenbare Gefahr von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen
jugoslawischen Staatsangehörigen in der Schweiz vermindern. In Anbetracht
der zu schützenden Rechtsgüter, welche durch das verbotene Mitführen und
Tragen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit gefährdet werden, ist die
Androhung von Gefängnisstrafe alternativ zu Busse angemessen. Das Verbot
des Mitführens und Tragens von Schusswaffen könnte im übrigen gerade
gegenüber zu Gewalttätigkeiten bereiten Personen durch die Androhung
von Busse oder Haft allein von vornherein nicht durchgesetzt werden
(ebenso GILBERT KOLLY, Selbständige Verordnungen als Grundlage für
Freiheitsstrafen, SJZ 89/1993 S. 352 ff., 354).

    d) Indessen muss gerade bei Androhung von Gefängnisstrafen in einer
verfassungsunmittelbaren Verordnung des Bundesrates möglichst rasch eine
Grundlage in einem formellen Gesetz geschaffen werden (vgl. auch BGE 64 I
365 E. 5 S. 375 f.). Auch diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Schon lange
vor dem Ausbruch der Kriege im ehemaligen Jugoslawien sind die Arbeiten zu
einem eidgenössischen Waffengesetz in Angriff genommen worden (siehe dazu
und zum nachfolgenden den Bericht der Sicherheitspolitischen Kommission
des Nationalrates vom 16. Oktober 1992 zur parlamentarischen Initiative
"Handel mit Waffen. Aufsicht des Bundes", BBl 1993 I 625 ff., sowie die
Botschaft des Bundesrats zum Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör
und Munition vom 24. Januar 1996, BBl 1996 I 1053 ff.). Diese Arbeiten
sind inzwischen relativ weit fortgeschritten. Art. 40bis BV, wonach der
Bund Vorschriften gegen den Missbrauch von Waffen, Waffenzubehör und
Munition erlässt, wurde am 26. September 1993 von allen Ständen und
vom Volk mit überwältigender Mehrheit (86% Ja-Stimmen) angenommen. Am
23. Februar 1994 setzte das EJPD eine Expertenkommission zur Ausarbeitung
eines Vorentwurfs ein. Im Vernehmlassungsverfahren begrüssten über
90 Prozent der zahlreichen eingegangenen Stellungnahmen grundsätzlich
die Schaffung eines einheitlichen schweizerischen Waffengesetzes. Der
bundesrätliche Entwurf eines Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör
und Munition ermächtigt in Art. 7 ("Einschränkungen in besonderen
Situationen") den Bundesrat, den Erwerb von Waffen etc. sowie das Tragen
von Waffen durch Angehörige bestimmter Staaten zu verbieten, wenn eine
erhebliche Gefahr des Missbrauchs besteht oder um den Beschlüssen der
internationalen Gemeinschaft oder den Grundsätzen der schweizerischen
Aussenpolitik Rechnung zu tragen. In der Botschaft wird zu Art. 7 des
Entwurfs ausgeführt, der Kriegsausbruch in Ex-Jugoslawien habe 1991
eine stark steigende Nachfrage nach Waffen zur Folge gehabt. Zum einen
habe die Zunahme der Waffenkäufe durch Personen aus Ex-Jugoslawien
ein Sicherheitsrisiko in der Schweiz selbst bedeutet, zum andern
habe verhindert werden müssen, dass in der Schweiz gekaufte Waffen
ins Kriegsgebiet transportiert und dort eingesetzt würden. Mit der
Kompetenzdelegation in Art. 7 des Entwurfs erhalte der Bundesrat
das Instrument, um in Zukunft ähnlichen Situationen umgehend auf dem
ordentlichen Verordnungsweg begegnen zu können (BBl 1996 I 1053 ff.,
1061). Gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. a des bundesrätlichen Entwurfs wird
mit Gefängnis oder Busse unter anderen bestraft, wer vorsätzlich ohne
Berechtigung eine Waffe erwirbt oder trägt. Demnach können gemäss Entwurf
die Angehörigen von Staaten, die in Missachtung eines vom Bundesrat
gesetzeskonform erlassenen Verbots Waffen tragen, mit Gefängnis oder mit
Busse bestraft werden. Sowohl Art. 7 als auch Art. 33 des bundesrätlichen
Entwurfs sind vom Ständerat als Erstrat in der Sommersession 1996 insoweit
diskussionslos angenommen worden (Amtl.Bull. StR 1996 S. 506 ff., 517,
526). Soweit sich gegen den Entwurf eines schweizerischen Waffengesetzes
Opposition geregt hat, richtet sich diese jedenfalls nicht gegen die
genannten Vorschriften.

    e) Allerdings ist nach verschiedenen kantonalen Waffenverordnungen
das Tragen von Waffen durch Privatpersonen in der Öffentlichkeit unter
Vorbehalt gewisser Ausnahmen (freiwillige und obligatorische militärische
Übungen, Ausübung der Jagd) bewilligungspflichtig und wird das Waffentragen
ohne diese Bewilligung mit Haft oder Busse bestraft, so etwa auch nach
der Schwyzer Verordnung über das Waffentragen vom 9. September 1970
(Schwyzer Gesetzessammlung, 527c) und nach der Zuger Verordnung betreffend
das Tragen von Schuss- und Stichwaffen vom 20. November 1936 (Bereinigte
Gesetzessammlung des Kantons Zug, 514.3). Das bedeutet aber entgegen einer
Bemerkung in der Beschwerde nicht, dass die Verordnung über den Erwerb und
das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige jedenfalls
insoweit nicht notwendig sei, als sie das Tragen und Mitführen von
Schusswaffen in der Öffentlichkeit verbietet und mit Strafe bedroht. Das
Tragen (und Mitführen) von Schusswaffen, das im Konkordat über den Handel
mit Waffen und Munition (SR 514.542) nicht geregelt wird (siehe auch BGE
103 Ia 169 E. 3 S. 172), ist in mehreren Kantonen ohne Bewilligung erlaubt
(vgl. dazu WALTER RUDOLF HÄBERLING, Waffenhandel, Erwerb, Besitz und Tragen
von Waffen aus der Sicht des Nebenstrafrechts, Diss. Zürich 1990, S. 203
Fn. 5). Angesichts der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien und der sich
daraus ergebenden erhöhten und unberechenbaren Gefahr von gewalttätigen
Auseinandersetzungen zwischen jugoslawischen Staatsangehörigen in der
Schweiz ist eine einheitliche gesamtschweizerische Regelung geboten,
welche für das verbotene Tragen und Mitführen von Schusswaffen durch
jugoslawische Staatsangehörige in der Öffentlichkeit nicht nur Haft,
sondern Gefängnis alternativ zu Busse androht.

    f) Die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch
jugoslawische Staatsangehörige genügte somit zur Zeit der inkriminierten
Handlung, im April 1994, den Anforderungen an eine verfassungsunmittelbare
Polizeiverordnung des Bundesrates auch insoweit, als nach Art. 11
Abs. 1 das (gemäss Art. 4 generell verbotene) Tragen und Mitführen von
Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige mit Gefängnis (bis zu
drei Jahren) alternativ zu Busse bestraft wird.

    g) Inwiefern die (bedingt vollziehbare) Gefängnisstrafe von 30 Tagen
auch bei Anwendung des in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung vorgesehenen
Strafrahmens von Gefängnis bis zu drei Jahren oder Busse bis zu 100'000
Franken unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles
bundesrechtswidrig sei, wird in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht dargelegt.

    h) Die Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer bedingt
vollziehbaren Gefängnisstrafe von 30 Tagen wegen Mitführens und Tragens
einer Schusswaffe in der Öffentlichkeit (Art. 11 Abs. 1 al. 2 i.V.m. Art. 4
der Verordnung) verstösst demnach nicht gegen Bundesrecht.

    Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher abzuweisen.

Erwägung 5

    5.- (Kostenfolgen)