Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 II 577



123 II 577

60. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
12. September 1997 i.S. S. gegen Eidgenössisches Militärdepartement
und Rekurskommission des Eidgenössischen Militärdepartements
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 22 MO; Art. 106 LFG; Haftung des Bundes für Zusammenstoss zwischen
Militär- und Zivilflugzeug in der Luft.

    Die Haftung des Bundes für einen Zusammenstoss zwischen einem
Militär- und einem Zivilflugzeug in der Luft richtet sich nicht nach
dem Luftfahrtgesetz, sondern nach der Militärorganisation (heute:
Militärgesetz) (E. 3).

    Begriff der Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 MO;
bei Personenschäden ergibt sich die Widerrechtlichkeit, auch ohne dass
spezifische Vorschriften verletzt wurden, bereits aus der Verletzung
eines absoluten Rechts, sofern kein Rechtfertigungsgrund vorliegt (E. 4).

    Selbstverschulden des Geschädigten; in casu verneint (E. 6).

Sachverhalt

    Der Fluglehrer C. führte am 5. Mai 1989 mit seinem Flugschüler
S. (geboren 1968) auf dem militärischen, aber unter bestimmten
Voraussetzungen dem zivilen Flugverkehr offenstehenden Flugplatz
Kägiswil mit einem zivilen Schulungsflugzeug Start- und Landeübungen
durch. Gleichzeitig näherte sich Kpl M., Angehöriger der Pilotenschule
55-I/89, mit einem militärisch immatrikulierten Trainingsflugzeug PC-7 auf
dem Landeanflug dem nahe beim Flugplatz Kägiswil gelegenen Militärflugplatz
Alpnach. Die beiden Flugzeuge kollidierten in der Luft. Das zivile Flugzeug
stürzte ab, wobei S. und C. den Tod fanden. Kpl M. konnte unverletzt
auf dem Flugplatz Alpnach landen.

    Ein militärisches Strafverfahren gegen Kpl M. wurde eingestellt. Ein
gegen den vertretungsweise eingesetzten Flugverkehrsleiter des Flugplatzes
Alpnach, F., eingeleitetes Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung endete
mit rechtskräftigem Freispruch.

    Die Eltern und Brüder von S. machten beim Generalsekretariat
des Eidgenössischen Militärdepartements (im folgenden: Departement)
gestützt auf Art. 22 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 12. April 1907
über die Militärorganisation der Schweizerischen Eidgenossenschaft
(Militärorganisation, MO; BS 5 3) eine Genugtuung geltend. Das
Generalsekretariat lehnte das Begehren ab; es erwog, die Haftung des Bundes
für Schäden durch schweizerische Militärflugzeuge richte sich gemäss
Art. 106 des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 1948 (LFG; SR 748.0)
nicht nach der Militärorganisation, sondern nach dem Luftfahrtgesetz,
wobei für Zusammenstösse von Flugzeugen in der Luft Art. 79 LFG auf
das Obligationenrecht verweise. Für die Beurteilung einer Haftung
aus Obligationenrecht sei indessen nicht das Generalsekretariat des
Militärdepartements zuständig, sondern das Finanzdepartement.

    Die Hinterbliebenen von S. erhoben Beschwerde bei der Rekurskommission
des Eidgenössischen Militärdepartements. Der Präsident der Rekurskommission
schränkte das Verfahren auf die Grundsatzfrage ein, ob eine Haftung der
Eidgenossenschaft aus dem Bundesgesetz über die Militärorganisation
vorliege oder nicht. In ihrem Entscheid vom 7. November 1996 kam die
Rekurskommission zum Schluss, dass sich die Haftung des Bundes entgegen
der Ansicht des Generalsekretariats nach Art. 22 Abs. 1 oder Art. 23 MO
richte, doch seien die Haftungsvoraussetzungen gemäss diesen Bestimmungen
nicht erfüllt. Demnach stellte die Rekurskommission fest, dass die
Eidgenossenschaft für den geltend gemachten Anspruch nicht haftbar sei.

    Die Angehörigen von S. erheben gemeinsam Verwaltungsgerichtsbeschwerde
mit dem Antrag, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben, die Haftung
aufgrund von Art. 22 Abs. 1 bzw. Art. 23 Abs. 1 MO festzustellen und die
Angelegenheit an das Eidgenössische Militärdepartement, eventuell an die
Vorinstanz, zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    (2.- Das Verfahren beschränkt sich auf die Grundsatzfrage,
ob der Bund aufgrund der Art. 22 bzw. 23 der hier noch anwendbaren
Militärorganisation [in der Fassung gemäss Änderung vom 5. Oktober 1967,
AS 1968 73] haftbar ist oder nicht. Es ist zunächst abzuklären, ob eine
andere Haftungsgrundlage als die Militärorganisation besteht).

Erwägung 3

    3.- a) Nach Ansicht des Departements richtet sich die Haftung des
Bundes für Militärflugzeuge aufgrund von Art. 106 LFG nicht nach der
Militärorganisation, sondern nach dem Luftfahrtgesetz. Indessen gilt
Art. 106 Abs. 1 LFG nach seinem klaren Wortlaut nur für Schäden, die
von einem schweizerischen Militärflugzeug einer Person oder einer Sache
auf der Erde zugefügt werden (so in BGE 112 II 118 E. 1 S. 121). Es
ist kein Grund ersichtlich, von diesem klaren Wortlaut abzuweichen
und Art. 106 LFG auch auf Zusammenstösse von Flugzeugen in der Luft
anzuwenden. Art. 106 LFG ist vielmehr im Zusammenhang mit Art. 64 LFG zu
sehen: die spezialgesetzliche Kausalhaftung des Luftfahrtgesetzes gilt
nur für Schäden, welche ein Flugzeug am Boden verursacht, während sich
die Haftung für den Zusammenstoss von Flugzeugen in der Luft nicht nach
dem Luftfahrtgesetz richtet (Art. 79 LFG; Men Duri Werro, Die Haftung aus
Zusammenstoss von Flugzeugen, Diss. Zürich 1978, S. 39 f.). Dementsprechend
ist es sachgerecht, auch die Haftung des Bundes für Militärflugzeuge nur
dann nach dem Luftfahrtgesetz zu beurteilen, wenn es um Schäden auf der
Erde geht.

    b) Für Schäden aus der Kollision zwischen einem Militärflugzeug und
einem Zivilflugzeug in der Luft ist folglich die in Art. 106 LFG enthaltene
Verweisung auf die Art. 64-74 und 77-79 LFG nicht anwendbar. Demnach
gilt dafür auch die in Art. 79 LFG enthaltene Weiterverweisung auf das
Obligationenrecht nicht.

    c) Das Luftfahrtgesetz ist daher, wie im angefochtenen Entscheid
zutreffend festgestellt, vorliegend nicht anwendbar. Es ist auch
keine andere spezialgesetzliche Haftungsnorm ersichtlich, unter
welche der Sachverhalt fallen könnte. Die Haftung des Bundes ist
somit nach den Art. 22 bzw. 23 MO zu beurteilen (ebenso BINSWANGER,
die Haftungsverhältnisse bei Militärschäden, Diss. Zürich 1969, S. 143;
a.A. WERRO, aaO, S. 144, welcher offensichtlich übersieht, dass Art. 106
LFG nur für Schäden auf der Erde gilt).

    d) Was das Departement dagegen unter Hinweis auf das
Strassenverkehrsgesetz vorbringt, ist unerheblich, da Art. 61 Abs. 1 SVG
gemäss Art. 73 Abs. 1 SVG für jeden Unfall, an welchem Bundesfahrzeuge
beteiligt sind, anwendbar ist und diese Regelung insoweit von derjenigen
von Art. 106 LFG abweicht. Es trifft zu, dass damit der mit einem
Militärflugzeug kollidierende Geschädigte besser gestellt ist als
derjenige, der mit einem Zivilflugzeug zusammenstösst; das ist jedoch
kein Grund, das Gesetz nicht anzuwenden.

    e) Es ist somit zu prüfen, ob die Haftungsvoraussetzungen nach Art. 22
oder 23 MO erfüllt sind.

Erwägung 4

    4.- a) Die Rekurskommission hat zunächst untersucht, ob eine Haftung
des Bundes nach Art. 22 Abs. 1 MO gegeben sei. Sie bejaht das Vorliegen
eines Schadens und einer Rechtswidrigkeit. Zusätzlich sei aber die Haftung
nach Art. 22 Abs. 1 MO von einer Ordnungswidrigkeit eines Armeeangehörigen
abhängig. Kpl M. habe indessen keine Ordnungswidrigkeit begangen. Der
Flugverkehrsleiter F. sei nicht Armeeangehöriger gewesen; deshalb könne
für sein Verhalten der Bund nicht nach Art. 22 Abs. 1 MO haften, sondern
allenfalls nach Art. 3 des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März
1958 (VG; SR 170.32), wofür aber das Eidgenössische Militärdepartement
bzw. die Rekurskommission des Eidgenössischen Militärdepartements nicht
zuständig seien.

    b) Nach Art. 22 Abs. 1 MO haftet der Bund für den Schaden, den ein
Wehrmann in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit "widerrechtlich"
zufügt. Das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit wird vom Gesetz nicht
ausdrücklich verlangt. Fragen kann sich einzig, ob sich dieses Erfordernis
aus dem Begriff der "Widerrechtlichkeit" ergibt. Da Art. 22 Abs. 1 MO
insoweit gleich lautet wie Art. 3 VG, kann dafür auch die diesbezügliche
Lehre und Praxis herangezogen werden (vgl. BINSWANGER, aaO, S. 314
und 316).

    c) Nach der im privaten Haftpflichtrecht herrschenden Lehre und
Praxis ergibt sich gemäss der objektiven Widerrechtlichkeitstheorie die
Widerrechtlichkeit einer schädigenden Handlung daraus, dass entweder
ein absolutes Recht des Geschädigten beeinträchtigt wird, ohne dass
ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (Erfolgsunrecht), oder eine reine
Vermögensschädigung durch Verstoss gegen eine Norm bewirkt wird, die
nach ihrem Zweck vor derartigen Schäden schützen soll (Handlungsunrecht)
(BGE 122 III 176 E. 7b S. 192; 119 II 127 E. 3 S. 128; 115 II 15 E. 3a
S. 18; vgl. BGE 112 II 118 E. 5e S. 128; OFTINGER/STARK, Schweizerisches
Haftpflichtrecht, Bd. I, 5. Aufl. Zürich 1995, S. 174 ff.).

    d) aa) Im Bereich der Staatshaftung gilt eine Schadenszufügung dann
als widerrechtlich, wenn die amtliche Tätigkeit des Beamten gegen Gebote
oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz des verletzten
Rechtsgutes dienen (BGE 118 Ib 473 E. 2b S. 476; 116 Ib 193 E. 2a S. 195;
107 Ib 160 E. 3a 164). Die Lehre vertritt dazu teilweise die Ansicht,
dass die Staatshaftung immer ein Handlungsunrecht voraussetze, die
blosse Rechtsgutverletzung somit noch nicht widerrechtlich sei (THOMAS
FLEINER, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts,
2. Aufl. Zürich 1980, S. 350; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif,
Vol. II, Neuchâtel 1984, S. 797 f.; DIETER ANDREAS GRÜNINGER, Der
Begriff der Rechtswidrigkeit im Staatshaftungsrecht, Diss. Basel 1987,
S. 35 f., 48 f.; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen
Verwaltungsrechts, 2. Aufl. Zürich 1993, S. 408; OTTO K. KAUFMANN, Die
Verantwortlichkeit der Beamten und die Schadenersatzpflicht des Staates in
Bund und Kantonen, ZSR 72/1953 S. 201a-380a, 327a; PETER UELI ROSENSTOCK,
Die Haftung des Staates als Unternehmer im Bereiche der Hoheitsverwaltung,
Diss. Zürich 1965, S. 159; HANS-RUDOLF SCHWARZENBACH, Die Staats- und
Beamtenhaftung in der Schweiz, 2. Aufl. Zürich 1985, S. 46 ff.).

    bb) Das Bundesgericht hat indessen schon in BGE 91 I 449 E. 3 S. 452 f.
festgehalten, dass der Begriff der Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 3
Abs. 1 VG mit demjenigen gemäss Art. 41 OR übereinstimme. In BGE 113 Ib
420 E. 2 S. 423 hat es sich ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt,
auch im Staatshaftungsrecht gelte gleichermassen wie im Privatrecht
die Verletzung eines absoluten Rechts grundsätzlich als rechtswidrig,
ohne dass ein Handlungsunrecht erforderlich sei. Diese Ansicht wurde
seither wiederholt bestätigt (BGE 118 Ib 473 E. 2b S. 476; 116 Ib 367
E. 4b S. 373 f.; vgl. auch für den Fall der subsidiären Ersatzpflicht des
Bundes nach Art. 16 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 18. März 1983
[KHG; SR 732.44] BGE 116 II 480 E. 5 S. 492, wonach bei Sachschäden die
Widerrechtlichkeit bereits aus der Eigentumsverletzung folgt). Soweit
es um eine Verletzung absoluter Rechte geht, ergibt sich demnach die
Rechtswidrigkeit grundsätzlich auch ohne dass eine Ordnungswidrigkeit
oder eine Amts- oder Dienstpflichtverletzung vorliegt.

    cc) Wenn in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Staatshaftung
das Kriterium der Amtspflichtverletzung wiederholt erwähnt und geprüft
wurde, handelte es sich in der Regel um Fälle, in denen ein reiner
Vermögensschaden zur Diskussion stand (BGE 118 Ib 163 E. 2, 473 E. 7 S. 482
f.; 116 Ib 193 E. 2 S. 195 ff., 367 E. 5 S. 374 ff.; 107 Ib 5 E. 2a S. 7
f., 160 E. 3 S. 163 ff.; 106 Ib 357 E. 2c S. 362; 100 Ib 8 E. 3b S. 12;
94 I 628 E. 4/5 S. 639 ff.; ebenso wurde in einem Anwendungsfall von
Art. 22 MO [BGE 101 Ib 252] die Normverletzung im Hinblick auf einen
indirekt am Vermögen Geschädigten geprüft), oder aber um Fälle, in denen
aufgrund des anwendbaren kantonalen Staatshaftungsrechts zusätzlich zur
Widerrechtlichkeit ein Verschulden Haftungsvoraussetzung war (BGE 92 I
516 E. 4/5 S. 523 ff.).

    dd) Eine wesentliche Amtspflichtverletzung ist ferner Voraussetzung für
das Vorliegen einer Staatshaftung für Schäden infolge eines Rechtsaktes,
der sich später als unrichtig erweist (BGE 120 Ib 248 E. 2b S. 249; 119 Ib
208 E. 5a S. 215; 118 Ib 163 E. 2 S. 164, mit Hinweisen). Diese Praxis
steht im Zusammenhang mit dem Rechtskraftprinzip, welches vermeiden
will, dass die Frage der Richtigkeit eines formell rechtskräftigen
Rechtsaktes nachträglich auf dem Weg über einen Schadenersatzprozess
wieder aufgerollt werden kann (Art. 12 VG; MICHAEL FAJNOR, Staatliche
Haftung für rechtmässig verursachten Schaden, Diss. Zürich 1987,
S. 33 f.; PIERRE MOOR, Droit administratif, vol. II, Bern 1991, S.
470 f.; EMIL W. STARK, Die Haftungsvoraussetzung der Rechtswidrigkeit in
der Kausalhaftung des Staates für seine Beamten, Festschrift Häfelin,
Zürich 1989, S. 569-582, 581). Zudem geht es in diesen Fällen meistens
um reine Vermögensschäden. Die Frage des ungerechtfertigten Eingriffs
in absolute Rechte stellt sich am ehesten bei der rechtswidrigen Haft,
wo aber besondere Grundsätze gelten (Art. 5 Ziff. 5 EMRK; vgl. BGE 119
Ia 221 E. 6a S. 230).

    ee) Auch im Rahmen einer Staatshaftung für medizinische Behandlung in
einem staatlichen Spital ist im Ergebnis die Verletzung einer objektiv
gebotenen Sorgfaltspflicht zu prüfen (BGE 120 Ib 411 E. 4a S. 414;
115 Ib 175 E. 2a S. 180; 112 Ib 322 E. 2-4 S. 326 ff.). Zwar ist auch
der ärztliche Eingriff in die körperliche Integrität grundsätzlich
widerrechtlich, doch liegt in der Regel ein Rechtfertigungsgrund
(Einwilligung des aufgeklärten Patienten, Geschäftsführung ohne Auftrag,
allenfalls Amtspflicht) vor (vgl. BGE 117 Ib 197 E. 2a S. 200; 113 Ib
420 E. 4 S. 424). Indessen deckt die tatsächliche oder hypothetische
Einwilligung des Patienten bloss den nach den Regeln der ärztlichen
Kunst vorgenommenen Eingriff ab, nicht aber den unsorgfältigen.
Insofern erlangt das Verhaltensunrecht auch bei der Verletzung absolut
geschützter Rechtsgüter Bedeutung, wenn das Erfolgsunrecht in einer
Sonderbeziehung durch einen Rechtfertigungsgrund nur teilweise gedeckt ist.
Eine Haftung des Staates kann sich insoweit nur dann ergeben, wenn die
Behandlung sorgfaltswidrig erfolgte (WOLFGANG PORTMANN, Erfolgsunrecht oder
Verhaltensunrecht? SJZ 93/1997 S. 273-279, 276; STARK, aaO, S. 576 ff.).
Diese Situation ist jedoch nicht vergleichbar mit dem vorliegenden Fall,
in welchem keine Sonderbeziehung vorliegt, sondern durch staatliches
Handeln ein unbeteiligter Dritter geschädigt wird.

    ff) Schliesslich muss eine Amtspflichtverletzung vorliegen, damit
eine Staatshaftung aus einer Unterlassung hergeleitet werden kann,
wie beispielsweise aus einer ungenügend wahrgenommenen Aufsichtspflicht
des Staates über gefährliche oder schädigende private Tätigkeiten. Für
Schädigungen infolge einer Unterlassung kann sich eine Haftpflicht nicht
aus einer natürlichen Kausalität ergeben, sondern nur dadurch, dass eine
Garantenpflicht verletzt wurde. Eine solche kann nur durch rechtliche
Vorschriften begründet werden; Verletzung der Garantenpflicht setzt
somit voraus, dass die gesetzlichen Bestimmungen, welche Art und Umfang
dieser Pflicht festlegen, verletzt wurden (BGE 89 I 483 E. 6 S. 491 ff.;
FAJNOR, aaO, S. 52 f.; TOBIAS JAAG, Öffentliches Entschädigungsrecht,
ZBl 98/1997 S. 145-174, 162; FRITZ GYGI, Die Widerrechtlichkeit in der
Staatshaftung, Mél. Grisel, Neuchâtel 1983, S. 417-431, 424 f., 430;
JOST GROSS, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, Bern 1995, S. 154 f.,
160 f.; MOOR, aaO, S. 469; PORTMANN, aaO, S. 276; STARK, aaO, S. 576).

    gg) Abgesehen von solchen besonderen Fällen liegt jedoch bei
Verletzung eines absoluten Rechts auch dann Widerrechtlichkeit vor,
wenn keine spezifischen Vorschriften verletzt wurden.

    e) Die Lehre vertritt mehrheitlich ebenfalls diese Auffassung
(BALZ GROSS, Die Haftpflicht des Staates, Diss. Zürich 1996, S. 129
f.; JOST GROSS, aaO, S. 148 ff.; FRITZ GYGI, Staatshaftung und
Verwaltungsrechtspflege, Mél. Bridel, Lausanne 1968, S. 221-236,
228 ff.; ders., aaO [1983], S. 422 f.; ders., Verwaltungsrecht,
Bern 1986, S. 257 f.; MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung, 5. A., Basel 1976, S. 750; JAAG, aaO, S. 162;
ders., Staats- und Beamtenhaftung, Basel 1996, S. 35 f.; BLAISE KNAPP,
Précis de droit administratif, 4.A. Basel 1991, S. 505 Rz. 2431; MORITZ
KUHN, Die vermögensrechtliche Verantwortung des Bundes, Diss. Zürich
1971, S. 223 ff.; MOOR, aaO, S. 466; BERNHARD MÜLLER, Die Haftung der
Eidgenossenschaft nach dem Verantwortlichkeitsgesetz, ZBJV 105/1969
S. 341-367, 350 f.; OFTINGER/STARK, aaO, Bd. I, S. 186; RENÉ RHINOW/BEAT
KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband,
Basel 1990, S. 323, STARK, aaO, S. 575 f., 581; ders., Einige Gedanken zur
Haftpflicht für staatliche Verrichtungen, SJZ 86/1990 S. 1-12, 11; ULRICH
ZIMMERLI, Besprechung von BGE 113 Ib 420 in ZBJV 125/1989, S. 387 ff.).

    f) Dagegen wird teilweise vorgebracht, der privatrechtliche
Widerrechtlichkeitsbegriff sei für den Bereich der Staatshaftung nicht
passend, weil der Staat für die Erfüllung seiner Aufgaben zwangsläufig
gelegentlich in die Rechtsgüter der Bürger eingreifen müsse, was
nicht widerrechtlich sei. Eine haftungsbegründende Widerrechtlichkeit
ergebe sich daher erst dann, wenn gegen eine gesetzliche Amtspflicht
verstossen worden sei (FLEINER, aaO, S. 350; GRÜNINGER, aaO, S. 35
f.; KAUFMANN, aaO, S. 327a). Soweit der Staat zur Erfüllung seiner
Aufgaben in die Rechte der Bürger eingreifen muss, liegt jedoch ein
haftungsausschliessender Rechtfertigungsgrund vor (hinten E. 4i). Ein
Argument gegen die Gleichstellung von privat- und staatshaftungsrechtlichem
Widerrechtlichkeitsbegriff ergibt sich daraus nicht.

    g) Die geschilderten Überlegungen gelten gleichermassen für die
Haftung nach Art. 22 MO (ebenso für die Regelung nach aArt. 27 MO
auch BINSWANGER, aaO, S. 38 f.; anders freilich ders., aaO, S. 314
f. für den 1967 revidierten Art. 22 MO). Die Ansicht der Vorinstanz
und des Departements, es sei zusätzlich zur Rechtswidrigkeit eine
Ordnungswidrigkeit erforderlich, wurde zwar auch vom Bundesrat vertreten
(Botschaft zum Militärgesetz vom 3. Februar 1995, BBl 1993 IV 110),
der sich dabei auf OFTINGER/STARK, aaO, Bd. II/3, 4. Aufl. Zürich 1991,
S. 468 beruft. OFTINGER/STARK sind jedoch widersprüchlich: während sie in
Bd. I S. 50 f. sowie in Bd. II/3 S. 468 Rz. 78, S. 487 Rz. 155 und S. 510
Rz. 236 die Ansicht vertreten, eine Ordnungswidrigkeit sei erforderlich,
betrachten sie in Bd. I S. 22 sowie in Bd. II/3 S. 463 ff. Rz. 57, 68, 69,
72, 75 und 77 die Haftung nach Art. 22 MO als eine der Gefährdungshaftung
gleichzustellende scharfe Kausalhaftung. Ebenso stellen sie sich in
Bd. II/3 S. 516 Rz. 261 im Zusammenhang mit Art. 22 MO auf den Boden des
Erfolgsunrechts. Im übrigen wird das Erfordernis einer Ordnungswidrigkeit
weder bei OFTINGER/ STARK noch bei BINSWANGER (aaO, S. 314 f.), auf
den sich die Vorinstanz beruft, begründet. Dass es sich dabei um
eine Freistellungshaftung handelt, wie die Vorinstanz unter Berufung
auf REY (HEINZ REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, Zürich 1995,
Rz. 98 ff.) ausführt, hat mit der Frage der Ordnungswidrigkeit bzw. des
Handlungsunrechts nichts zu tun. Das Erfordernis einer Ordnungswidrigkeit
ergibt sich auch nicht aus BGE 101 Ib 252. Zur Begründung ihrer Ansicht
führt die Vorinstanz im Grunde - gestützt auf Oftinger/

    STARK (aaO, Bd. I, S. 50) - lediglich aus, bei Verzicht auf das
Erfordernis der Ordnungswidrigkeit würde die Beschwerdegegnerin auch
immer dann haften, wenn ein mitwirkender Zufall massgebend zum Eintritt
des Schadens beigetragen hat, was die Haftung des Staates ins Unendliche
ausufern liesse. Dabei handelt es sich jedoch, wie die Beschwerdeführer
richtig ausführen, um eine Frage der adäquaten Kausalität, welche durch
aussergewöhnliche Zufälle unterbrochen wird. Dass für mitwirkenden
Zufall bis zu einem gewissen Grad gehaftet wird, liegt in der Natur der
Kausalhaftung und kann kein Argument sein, zusätzliche, vom Gesetz nicht
vorgesehene Haftungsvoraussetzungen aufzustellen.

    h) Da vorliegend die adäquate Kausalität gegeben ist, erweist sich
somit der Tod von S. als widerrechtliche Schädigung, auch wenn dem
Militärpiloten keine Ordnungswidrigkeit vorzuwerfen ist.

    i) Die Rechtswidrigkeit wird aufgehoben, wenn ein Rechtfertigungsgrund
vorliegt. Die rechtmässige Ausübung öffentlicher Gewalt ist ein
Rechtfertigungsgrund, der eine Haftpflicht nach Art. 3 VG bzw. Art. 22
Abs. 1 MO ausschliesst (JAAG, aaO [1996], S. 44; OFTINGER/STARK, aaO,
Bd. II/3, S. 517 ff.; STARK, aaO [1989], S. 576; BEATRICE WEBER-DÜRLER,
Zur Entschädigungspflicht des Staates für rechtmässige Akte, Festschrift
Kaufmann, Bern 1989, S. 339-353, 349). Indessen wird nicht jede Schädigung
bereits dadurch gerechtfertigt, dass keine konkreten Dienstvorschriften
oder Amtspflichten verletzt wurden. Vielmehr ist zu unterscheiden: Die
Schädigung durch eine Amtshandlung ist dann gerechtfertigt, wenn sie der
gesetzlich vorgesehene Sinn und Zweck der Handlung ist (wie zum Beispiel
bei einer Verhaftung oder Freiheitsstrafe) oder wenn sie zwangsläufig mit
der Durchführung des Gesetzes verbunden ist, wenn also der Staat schädigend
handeln muss, um die gesetzlich vorgesehenen Aufgaben erfüllen zu können
(OFTINGER/STARK, aaO, Bd. II/3, S. 517 f.). Erfolgt jedoch eine Schädigung
als unbeabsichtigte, vom Gesetz nicht gewollte und zur Erreichung der
gesetzlich festgelegten Ziele nicht notwendige Nebenfolge bei der Ausübung
einer an sich rechtmässigen Tätigkeit, so ist sie nicht gerechtfertigt
(FAJNOR, aaO, S. 49 ff.; BALZ GROSS, aaO, S. 140 f.; GYGI, aaO [1968],
S. 230; MOOR, aaO, S. 466 f.; OFTINGER/STARK, aaO, Bd. II/3, S. 518 ff.;
FRANZ SCHÖN, Staatshaftung als Verwaltungsrechtsschutz, Diss. Basel 1979,
S. 167 f.). Das staatliche Handeln kann sich nicht im reinen Vollzug von
Vorschriften erschöpfen. Das gilt insbesondere für die Tätigkeit der Armee,
welche zur Erfüllung ihrer Aufgaben einen gewissen Handlungsspielraum haben
muss, der nicht abschliessend durch Vorschriften geregelt ist. Trotzdem
darf der Staat auch in diesem relativ unbestimmt normierten Bereich nicht
in die Rechte der Bürger eingreifen. Der blosse Umstand, dass keine
spezifischen Vorschriften verletzt bzw. Ordnungswidrigkeiten begangen
wurden, kann daher noch keinen Rechtfertigungsgrund darstellen.

    k) Vorliegend war die Schädigung von S. nicht notwendig mit der
Durchführung des militärischen Fluges verbunden. Der blosse Umstand, dass
die beteiligten Beamten bzw. Armeeangehörigen keine Ordnungswidrigkeit
begangen haben, stellt somit keinen Rechtfertigungsgrund dar. Die
weitere Voraussetzung, dass der Schaden in Ausübung einer dienstlichen
Tätigkeit zugefügt wurde, ist offensichtlich erfüllt. Die Schweizerische
Eidgenossenschaft haftet demnach aufgrund von Art. 22 Abs. 1 MO.

Erwägung 5

    5.- Ergibt sich eine Haftung bereits aus Art. 22 MO, erübrigt sich
eine Prüfung der Frage, ob auch die Haftungsvoraussetzungen nach Art. 23 MO
erfüllt wären. Das rechtfertigt sich um so mehr, als das neue Militärgesetz
vom 3. Februar 1995 (SR 510.10) in Art. 135 eine einheitliche Haftungsnorm
kennt, welche die alten Art. 22 und 23 MO zusammenfasst und - jedenfalls
in der Tatbestandsvariante von Abs. 1 lit. b - inhaltlich mit dem alten
Art. 22 MO übereinstimmt.

Erwägung 6

    6.- Die Haftung des Bundes nach Art. 22 oder 23 MO kann
durch Selbstverschulden des Geschädigten oder durch überwiegendes
Drittverschulden aufgehoben werden; dabei kommt aber nur ein grobes
Drittverschulden in Frage (BGE 71 I 48 E. 2 S. 54 f.; nicht publiziertes
Urteil des Bundesgerichts i.S. Schweizerische Eidgenossenschaft vom
28. Juni 1996, E. 4a; BINSWANGER, aaO, S. 36 f., 317; OFTINGER/STARK,
aaO, Bd. II/3, S. 528 ff.).

    Vorliegend ergibt sich aus der Sachverhaltsdarstellung der
Rekurskommission, die für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich
ist (Art. 105 Abs. 2 OG), dass der Fluglehrer C. sich vor dem Flug
vorschriftsgemäss beim Flugverkehrsleiter des Flugplatzes Alpnach
gemeldet hatte, dass der im Zivilflugzeug sitzende Pilot das durch den
Flügel verdeckte Militärflugzeug nicht sehen konnte, dass C. mit dem
Flugverkehrsleiter von Alpnach in ständigem Funkkontakt stand, diesem
auch seine Position mitteilte, von ihm aber nicht über das Herannahen
des Militärflugzeuges unterrichtet wurde. Zudem fehlte in der von
C. verwendeten Flugkarte jeglicher Hinweis auf die Kreuzung der zivilen
mit der militärischen Flugvolte. Unter diesen Umständen kann von einem
die Haftung ausschliessenden überwiegenden Verschulden der Insassen des
Zivilflugzeuges nicht die Rede sein.