Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 84



123 III 84

13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Januar 1997 i.S. Z.
AG gegen P. (Berufung) Regeste

    Art. 321c Abs. 2 OR; Arbeitsvertrag; Ausgleich von Überstunden durch
Freizeit.

    Der Ausgleich von Überstundenarbeit durch Freizeit setzt auch nach
Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber und gleichzeitiger
Freistellung des Arbeitnehmers dessen Einverständnis voraus (E. 5).

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Schliesslich macht die Beklagte geltend, der Kläger habe seine
Überstunden während der Kündigungsfrist kompensieren können, weil
er freigestellt worden sei und im fraglichen Zeitraum auch keinerlei
Ferienguthaben mehr gehabt habe.

    a) Gemäss Art. 321c Abs. 2 OR können die Überstunden innert
einer angemessenen Zeitspanne durch Freizeit von mindestens gleicher
Dauer ausgeglichen werden. Ein solcher Ausgleich setzt allerdings das
Einverständnis des Arbeitnehmers voraus und kann - soweit die Parteien
nichts anderes vereinbart haben - nicht einseitig vom Arbeitgeber
angeordnet werden. Die Parteien müssen sich vielmehr über den genauen
Zeitpunkt der Kompensation geeinigt haben (BGE 112 V 242 E. 2b;
SCHÖNENBERGER/STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N. 17 zu Art. 321c OR;
REHBINDER, Berner Kommentar, N. 8 zu Art. 321c OR; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER,
Commentaire du contrat de travail, 2. Aufl., Lausanne 1996, N. 6 zu
Art. 321c OR). Ohne Zustimmung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber die
Kompensation somit auch nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses während
der Freistellungszeit nicht eigenmächtig durchsetzen. Einzelne kantonale
Entscheide anerkennen bei längerdauernder Freistellung eines Arbeitnehmers
ein Weisungsrecht des Arbeitgebers auf Kompensation von Überstunden während
der Freistellungszeit (JAR 1996 S. 119 f. und 123 f.; 1992 S. 175 f.). Bei
langandauernder Freistellung kann sodann die Weigerung des Arbeitnehmers zu
Kompensation von Überstunden rechtsmissbräuchlich sein (STREIFF/VON KAENEL,
Arbeitsvertrag, 5. Aufl., N. 11 zu Art. 321c OR; JAR 1995 S. 280 f.).

    Bei der Annahme einer treuwidrigen Ablehnung eines
Kompensationsangebotes ist Zurückhaltung zu üben. Wird das
Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber gekündigt, muss sich der
Arbeitnehmer während der Freistellungszeit der Stellensuche widmen, so
dass die Kompensation von Überstunden häufig als unzumutbar erscheint,
zumal er während der Kündigungsfrist ohnehin Anspruch auf freie Zeit hat
(Art. 329 Abs. 3 OR). Es kann von ihm nicht ohne weiteres verlangt werden,
dass er dafür Überstunden einzieht. Eine solche Verpflichtung folgt auch
nicht aus der Sorgfalts- und Treuepflicht (Art. 321a OR). Zudem ist zu
beachten, dass der Arbeitgeber mit der Freistellung weitgehend auf sein
Weisungsrecht verzichtet (STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 11 zu Art. 321c OR).

    Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich aus den Regeln
über die Ferien nichts anderes ableiten. Es ist anerkannt, dass nicht in
jedem Fall der Bezug eines noch bestehenden Ferienanspruchs während der
Kündigungsfrist verlangt werden kann (STREIFF/VON KAENEL, aaO, N. 11 zu
Art. 329c OR; REHBINDER, aaO, N. 14 zu Art. 329c OR). Zudem lässt sich
der Ferienanspruch mit dem Anspruch auf Vergütung der Überstunden nicht
ohne weiteres vergleichen. Die Ferien sind grundsätzlich in natura zu
beziehen und dürfen nur ausnahmsweise in Geld abgegolten werden. Die
Überstunden sind demgegenüber grundsätzlich auszubezahlen und dürfen
nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers kompensiert werden. Letzterer
muss sodann mit der Wahl des Zeitpunkts der Kompensation einverstanden
sein. Demgegenüber kann der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Ferien bestimmen,
wenn er auch dabei auf die Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen
muss (Art. 329c Abs. 2 OR).

    b) Das Einverständnis des Klägers, die Überstunden während
der Kündigungsfrist zu kompensieren, wird vorliegend nicht einmal
behauptet. Wohl hatte der Kläger bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses
durch die Beklagte am 29. März 1994 seine Ansprüche auf Abgeltung
von Überstunden noch nicht geltend gemacht, weshalb von Seiten der
Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch keine Aussage bezüglich der Abgeltung
allfälliger Überstundenguthaben zu erwarten war. Gemäss der eigenen
Sachverhaltsdarstellung der Beklagten in der Berufungsschrift forderte
der Kläger ca. sieben Wochen nach erfolgter Kündigung eine Entschädigung
für geleistete Überstunden. Trotz der nunmehr formulierten Ansprüche
wurden bis zum Ablauf der Kündigungsfrist keinerlei Forderungen an
die Adresse des Klägers gestellt, allfällige Überstunden während der
verfügten Freistellung zu kompensieren. Ein solches Angebot musste der
Kläger auch nicht aufgrund der konkreten Umstände oder eines konkludent
zum Ausdruck gebrachten Willens der Beklagten erkennen. Eine Verletzung
von Treuepflichten oder gar Rechtsmissbrauch kann dem Kläger auch nicht
schon deshalb vorgeworfen werden, weil er nicht von sich aus Überstunden
kompensiert hat. Vielmehr durfte er die Freistellungszeit zur Stellensuche
verwenden, weshalb auch der Einwand der Beklagten, Ziff. 7.3.1. der
Anstellungsbedingungen verpflichte zur Kompensation von Überstunden,
ohne dass hiefür das Einverständnis des Arbeitnehmers oder eine Weisung
des Arbeitgebers notwendig sei, nicht durchschlägt.

    Die Berufung wird somit abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.