Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 123 III 289



123 III 289

46. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. Juni 1997
i.S. Z. M. gegen J. M. (Berufung) Regeste

    Ehescheidung; güterrechtliche Auseinandersetzung.
Nichtberücksichtigung von Vorsorgekapital (Art. 197 Abs. 1 und 2 ZGB,
204 Abs. 2 ZGB, 207 Abs. 2 ZGB, 214 Abs. 1 und 2 ZGB; Art. 5 FZG).

    Nach Anhängigmachung der Scheidungsklage ausbezahltes Vorsorgekapital
von Personalfürsorgeeinrichtungen kann zufolge aufgelöstem Güterstand
nicht mehr zu Errungenschaft werden und ist daher güterrechtlich irrelevant
(E. 3a und 3b/cc).

Sachverhalt

    Die Parteien heirateten 1968 im damaligen Jugoslawien. Am 25.  April
1991 machte Z.M. die Scheidungsklage beim Bezirksgericht Hinwil (ZH)
anhängig. Mit Urteil vom 14. März 1996 wurde die Ehe geschieden. Der
Beklagte wurde zu einer Rentenleistung im Sinne von Art. 152 ZGB
in Höhe von monatlich Fr. 500.- (indexiert) auf die Dauer von zehn
Jahren verpflichtet. Ausserdem hatte er der Klägerin zur Abgeltung ihrer
güterrechtlichen Ansprüche gemäss Art. 215 ZGB Fr. 100'850.- zu bezahlen,
wobei dieser Betrag u.a. auf den Ende 1994 dem Beklagten bar ausbezahlten
Vorsorgekapitalien der 2. Säule in Höhe von insgesamt ca. Fr. 150'000.-
basierte.

    Auf Berufung des Beklagten reduzierte das Obergericht des Kantons
Zürich mit Urteil vom 17. April 1997 die güterrechtlichen Ansprüche der
Klägerin auf Fr. 25'850.-. Den Antrag des Beklagten auf Aufhebung der
Unterhaltsverpflichtung wies das Obergericht jedoch unter Hinweis auf
die vorhandenen Mittel ab. Das Bundesgericht weist die von der Klägerin
eingereichte Berufung ab

Auszug aus den Erwägungen:

                     aus folgender Erwägung:

Erwägung 3

    3.- a) Die Vorinstanz hat die Vorsorgekapitalien des Beklagten deswegen
von dessen Errungenschaft ausgenommen, weil der Güterstand der Parteien
(Errungenschaftsbeteiligung) mit der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage
am 25. April 1991 aufgelöst worden sei (Art. 204 Abs. 2 ZGB; vgl. dazu
auch BGE 121 III 152 E. 3a). Leistungen von Personalfürsorgeeinrichtungen
gehörten nur dann zur Errungenschaft, wenn sie effektiv während der Dauer
des Güterstandes erbracht würden (Art. 197, 207 Abs. 1 ZGB). Nach der
Auflösung des Güterstandes könne keine Errungenschaft mehr entstehen
bzw. anwachsen (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, N. 13 zu
Art. 207 ZGB; vgl. auch BGE 118 II 27 E. 2). Vorliegend sei klar und
unbestritten, dass das Pensionskapital dem Beklagten im Dezember 1994
ausbezahlt worden sei, als er seine Erwerbstätigkeit in der Schweiz
aufgegeben habe und in seine Heimat zurückgekehrt sei; es könne damit
nicht mehr zur Errungenschaft gezählt werden.

    b) Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Was die Klägerin
hiegegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen:

    aa) Dass der Beklagte freiwillig, durch eine erlaubte, aber
«willkürliche» Handlung die Auszahlung der Vorsorgekapitalien erreichen
konnte, lag an der damaligen gesetzlichen Regelung (alt Art. 30 Abs. 2
lit. a BVG (Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge, SR 831.40) und gegebenenfalls auch alt Art. 331c Abs. 4
lit. b Ziff. 1 OR; vgl. dazu BGE 119 III 18 E. 2), die übrigens durch das
kurz darauf, am 1. Januar 1995, in Kraft getretene Freizügigkeitsgesetz
(SR 831.42) materiell als solche nicht geändert wurde (vgl. Art. 5
Abs. 1 lit. a FZG), auch wenn die Barauszahlung nunmehr grundsätzlich
von der Zustimmung des anderen Ehegatten abhängig ist (Art. 5 Abs. 2
und 3 FZG). Die vom Beklagten erwirkte Barauszahlung kann denn auch
nicht stossend sein. Dieser musste sich immerhin entschliessen, seinen
Arbeitsplatz und den Wohnsitz in der Schweiz aufzugeben, d.h. er nahm
ganz wesentliche persönliche Veränderungen in Kauf.

    bb) Dass eine derartige Barauszahlung, falls sie unmittelbar vor
Eintritt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage erfolgt wäre, zur
Vergrösserung der Errungenschaft des Beklagten geführt hätte, ändert
am Gesagten nichts. Insbesondere kann aus diesen unterschiedlichen
Rechtswirkungen auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Beklagten
(Art. 2 Abs. 2 ZGB) abgeleitet werden.

    cc) Dafür, dass die nach Eintritt der Rechtshängigkeit der
Scheidungsklage ausbezahlten Vorsorgekapitalien nachträglich und
rückwirkend als effektive Sparkapitalien im Sinne von Art. 197 ZGB
behandelt werden könnten, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Die
von der Klägerin erwähnten Art. 207 Abs. 2 ZGB sowie Art. 214 Abs. 1
und 2 ZGB vermögen nichts daran zu ändern, dass aufgrund von Art. 204
Abs. 2/207 Abs. 1 ZGB i.V.m. Art. 197 Abs. 1 und 2 Ziff. 2 ZGB
nach Anhängigmachung der Scheidungsklage erworbene Leistungen von
Personalfürsorgeeinrichtungen zufolge aufgelöstem Güterstand nicht
mehr zu Errungenschaft werden, wohingegen zur Zeit der Einreichung der
Scheidungsklage die diesbezüglichen Guthaben bzw. Anwartschaften noch
keine «Leistungen» von Personalfürsorgeeinrichtungen darstellten und daher
güterrechtlich irrelevant sind (vgl. hiezu RIEMER, Berufliche Vorsorge
und eheliches Vermögensrecht, in: SZS 1997 S. 108 Ziff. 5).