Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 V 65



120 V 65

9. Urteil vom 4. Januar 1994 in Sachen Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt gegen F. und Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden Regeste

    Art. 77 Abs. 2 und 3 lit. b UVG, Art. 100 Abs. 1 und 2 UVV.

    - Zuständigkeit der Versicherer bei Nichtberufsunfällen: Art. 77 Abs. 2
UVG enthält diesbezüglich keine abschliessende Regel. Vielmehr ist der
Bundesrat gemäss Art. 77 Abs. 3 lit. b UVG befugt, die Leistungspflicht und
das Zusammenwirken der Versicherer bei einem erneuten Unfall zu ordnen,
und zwar nicht nur für die im Gesetz erwähnten Spezialfälle, sondern
generell. Insofern sind Art. 100 Abs. 1 und 2 UVV gesetzmässig (Erw. 5b).

    - Die beiden Absätze von Art. 100 UVV stehen zueinander im Verhältnis
von Grund- (Abs. 1) und Spezialregel (Abs. 2). Das in Abs. 1 aufgestellte
Erfordernis "und versichert ist" meint nicht die beim bisherigen
(letzten) Unfallversicherer bestehende, sondern die generelle, allenfalls
durch die Zugehörigkeit bei einem anderen Versicherer begründete,
Versicherteneigenschaft (Erw. 5c).

Sachverhalt

    A.- Der 1968 geborene F. nahm am 28. Juli 1987 eine Aushilfstätigkeit
für die A. AG auf und erlitt bereits am ersten Tag einen Arbeitsunfall
mit erheblichen Verletzungen. Als Folgen resultierten eine langdauernde
Arbeitsunfähigkeit, zahlreiche operative Eingriffe und schliesslich -
nachdem er seine Lehre als Sanitärinstallateur nicht beenden konnte -
eine Umschulung zum Helikopterpiloten. Da es sich bei der A. AG um eine
der SUVA unterstellte Unternehmung handelte, kam die Anstalt für die
Folgen dieses Unfalls ohne weiteres auf.

    Nach Erwerb des Berufspilotenbrevets arbeitete F. ab 1. Mai 1990 für
die - ebenfalls der SUVA unterstellte - S. AG, und zwar zu Beginn mit
einem vollen Pensum. Aufgrund der damit verbundenen Belastungen gelangte
er jedoch bald an seine Leistungsgrenze, was mit ein Grund dafür gewesen
sein mag, dass er auf Ende August 1990 aus diesem Betrieb austrat. In der
Folge war F. vom 1. September bis 30. November 1990 im Restaurant D. und
vom 15. Dezember 1990 bis 15. Januar 1991 für die I. AG tätig, bevor er
aufgrund von Spätfolgen seines Unfalls erneut vollständig arbeitsunfähig
wurde und ihm die SUVA ab 16. Januar 1991 wiederum Taggeldzahlungen
ausrichtete. Im Verlaufe des Jahres 1991 flog F. zu einem Ansatz von
Fr. 2.-- pro Flugminute verschiedene Einsätze für die H. AG, was ihm
einen Gesamtverdienst von rund Fr. 8'000.-- einbrachte. Am 19. Mai
1992 erstattete er der SUVA Meldung über einen am 1. desselben Monats
erlittenen Nichtberufsunfall: Beim Befestigen eines Drahtes hatte er
sich mit der Zange den rechten Eckzahn ausgeschlagen und zwei weitere
Zähne gelockert. Die SUVA stellte sich auf den Standpunkt, dass dafür kein
Versicherungsschutz bestehe, weshalb sie am 2. September 1992 die Ablehnung
von Leistungen verfügte. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus,
dass F. nach Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit ab 1. September
1990 bis zur erneuten Arbeitsunfähigkeit ab 16. Januar 1991 in keinem
ihr unterstellten Betrieb gearbeitet und daher der Versicherungsschutz am
30. September 1990 geendet habe; auch mit der Tätigkeit für die H. AG sei
kein Anstellungsverhältnis begründet worden, das geeignet gewesen wäre,
den Versicherungsschutz wiederherzustellen.- An dieser Auffassung hielt
die SUVA mit Einspracheentscheid vom 19. November 1992 fest.

    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht
des Kantons Graubünden, nach Einholung einer ablehnenden Vernehmlassung
der SUVA, mit Entscheid vom 26. März 1993 gut.

    C.- Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag,
es sei der kantonale Gerichtsentscheid aufzuheben.

    F. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen.
Denselben Antrag stellt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV).

    D.- Auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsentscheides und
der Anträge wird, soweit erforderlich, in den nachstehenden Erwägungen
eingegangen.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Nach Art. 3 Abs. 2 UVG endet die obligatorische
Unfallversicherung mit dem 30. Tag nach dem Tage, an dem der Anspruch auf
mindestens den halben Lohn aufhört. Gemäss Abs. 5 der gleichen Bestimmung
regelt der Bundesrat unter anderem die Vergütungen und Ersatzeinkünfte, die
als Lohn gelten. Dazu zählen insbesondere die Taggelder der obligatorischen
Unfallversicherung und der Invalidenversicherung (Art. 7 Abs. 1 lit. b
UVV).

    b) Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, werden die
Versicherungsleistungen bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen
und Berufskrankheiten gewährt (Art. 6 Abs. 1 UVG). Art. 7 und 8 UVG
umschreiben die Berufs- und Nichtberufsunfälle. Teilzeitbeschäftigte, deren
Arbeitsdauer das vom Bundesrat festzusetzende Mindestmass nicht erreicht,
sind gegen Nichtberufsunfälle nicht versichert, wohingegen bei ihnen auch
die Unfälle auf dem Arbeitsweg als Berufsunfälle gelten (Art. 7 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 UVG). Das Mindestmass der Arbeitsdauer ist in
Art. 13 UVV festgehalten. Danach sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer,
deren wöchentliche Arbeitszeit bei einem Arbeitgeber mindestens 12
Stunden beträgt, auch gegen Nichtberufsunfälle versichert (Art. 13
Abs. 1 UVV). Daraus folgt durch Umkehrschluss, dass keine Versicherung
für Nichtberufsunfälle besteht, wenn der Teilzeitbeschäftigte wöchentlich
weniger als 12 Stunden für einen Arbeitgeber tätig ist.

    c) Bei Berufsunfällen erbringt derjenige Versicherer die Leistungen,
bei dem die Versicherung zur Zeit des Unfalls bestanden hat (Art. 77
Abs. 1 Satz 1 UVG). Bei Nichtberufsunfällen erbringt derjenige
Versicherer die Leistungen, bei dem der Verunfallte zuletzt auch gegen
Berufsunfälle versichert war (Abs. 2). Nach Abs. 3 lit. b (am Anfang)
dieser Bestimmung ordnet der Bundesrat insbesondere die Leistungspflicht
und das Zusammenwirken der Versicherer bei einem erneuten Unfall. Dazu
hat er Art. 100 UVV erlassen, dessen vorliegend bedeutsame Absätze 1 und
2 wie folgt lauten:

    "Art. 100  Leistungspflicht bei erneutem Unfall

    1 Wenn der Versicherte erneut verunfallt, während er wegen eines
   versicherten Unfalls noch behandlungsbedürftig, arbeitsunfähig und
   versichert ist, so muss der bisher leistungspflichtige Versicherer
   auch die

    Leistungen für den neuen Unfall erbringen.

    2 Verunfallt der Versicherte während der Heilungsdauer eines oder
   mehrerer Unfälle, aber nach der Wiederaufnahme einer versicherten

    Tätigkeit, erneut und löst der neue Unfall Anspruch auf Taggeld aus, so
   erbringt der für den neuen Unfall leistungspflichtige Versicherer
   auch die

    Leistungen für die früheren Unfälle. Die anderen beteiligten
Versicherer
   vergüten ihm diese Leistungen, ohne Teuerungszulagen, nach Massgabe der

    Verursachung; damit ist ihre Leistungspflicht abgegolten. Die
beteiligten

    Versicherer können untereinander von dieser Regelung abweichende

    Vereinbarungen treffen, namentlich wenn der neue Unfall wesentlich
   geringere Folgen hat als der frühere."

Erwägung 2

    2.- Fest steht unbestrittenermassen, dass der Beschwerdegegner im
Zeitpunkt seines neuerlichen Unfalls vom 1. Mai 1992 aufgrund des Anfang
Januar 1991 eingetretenen Rückfalls im Genuss von Taggeldern der SUVA
stand. Soweit er hingegen im vorliegenden Verfahren erneut dafürzuhalten
scheint, dass sich bereits aus diesem Grund eine Leistungspflicht der
SUVA auch hinsichtlich der am 1. Mai 1992 erlittenen Zahnverletzungen
ergebe, kann ihm - wie Vorinstanz, SUVA und BSV zu Recht erkannt haben
- nicht gefolgt werden. Denn es besteht kein Zweifel, dass der, seit
Anfang Mai 1990 wiederum voll arbeitsfähige, Beschwerdegegner seine
Versicherteneigenschaft 30 Tage nach dem auf Ende August 1990 erfolgten
Austritt aus der - der SUVA unterstellten - S. AG verlor, nachdem ihm
aus diesem Arbeitsverhältnis keine weitergehenden Lohnansprüche mehr
zustanden. Weder dem Gesetz noch der dazu ergangenen Verordnung lässt
sich eine Vorschrift entnehmen, wonach bereits die wegen des Rückfalls
am 16. Januar 1991 wieder auflebende Taggeldberechtigung geeignet
gewesen wäre, das Versicherungsverhältnis zur SUVA erneut entstehen zu
lassen. Ebensowenig vermag der Beschwerdegegner mit seiner Rüge der
Ungleichbehandlung durchzudringen, lassen sich doch die Verhältnisse
bei ununterbrochenem Taggeldbezug einerseits und neu entstandener
Taggeldberechtigung nach Verlust der Versicherteneigenschaft anderseits
weder sachlich noch rechtlich miteinander vergleichen: Der Versicherte,
dessen Taggeldberechtigung zufolge Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit
erlischt, ist in der Lage, sich den Versicherungsschutz durch Ausübung
einer versicherungspflichtigen Arbeitnehmertätigkeit, sei es beim
bisherigen, sei es bei einem anderen Arbeitgeber, zu wahren oder ihn
durch Antritt einer Stelle wieder zu erlangen. Gerade in einem System,
das nebst der SUVA noch andere registrierte Versicherer zulässt (Art. 58
und 68 UVG), kann dieser Unterschied nicht unberücksichtigt bleiben.

Erwägung 3

    3.- a) Im Rahmen seiner Hauptbegründung hat das kantonale Gericht die
nach geleisteten Flugminuten entlöhnte Tätigkeit des Beschwerdegegners
für die H. AG als versicherungspflichtige Arbeitnehmertätigkeit im Sinne
von Art. 1 UVG qualifiziert, da er vom 19. Januar bis 10. August 1991
während ungefähr 66 Flugstunden mehr oder weniger regelmässig für jenen
Betrieb gearbeitet habe. Diese Dauer und Regelmässigkeit zeigten - so
die Vorinstanz -, dass es sich bei dieser Tätigkeit nicht um blosse
Handreichungen oder kurzfristige Gefälligkeitstätigkeiten gehandelt
habe. Vielmehr liege eine unselbständige Erwerbstätigkeit vor, womit der
Beschwerdegegner im Januar 1991 automatisch wieder bei der SUVA versichert
gewesen sei, welches Versicherungsverhältnis aufgrund der - ohne Unterbruch
von mindestens 30 Tagen - erbrachten SUVA-Taggeldleistungen bis zum Unfall
vom 1. Mai 1992 fortgedauert habe.

    b) In diesem Punkt wirft die SUVA der Vorinstanz zur Hauptsache vor,
sie verkenne, dass es sich bei der fraglichen Tätigkeit lediglich um eine
- das zeitliche Mindestmass gemäss Art. 7 Abs. 2 UVG in Verbindung mit
Art. 13 Abs. 1 UVV nicht erfüllende - Teilzeitbeschäftigung gehandelt habe.

    Dem ist mit dem BSV beizupflichten. Denn weil der Beschwerdegegner
mit den auf mehrere Monate (Januar bis August 1991) verteilten total 66
Stunden fraglos während weniger als 12 Stunden wöchentlich tätig gewesen
war, vermochte er jedenfalls hinsichtlich der Nichtbetriebsunfälle,
um die es hier einzig geht, keinen Versicherungsschutz zu erlangen
(vgl. Erw. 1b hievor). Daher lässt sich aus dem Umstand der ab 16. Januar
1991 wieder aufgenommenen, bis zum Unfall vom 1. Mai 1992 ununterbrochenen
Taggeldausrichtung in Verbindung mit den Einsätzen für die H. AG nichts
zugunsten des Beschwerdegegners ableiten.

Erwägung 4

    4.- Zu prüfen bleibt schliesslich, wie es sich mit der Zusatzbegründung
des angefochtenen Gerichtsentscheides verhält.

    a) Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdegegner
vom 15. Dezember 1990 bis zum 15. Januar 1991 für die der SUVA nicht
unterstellte I. AG vollwertig gearbeitet habe. Dadurch und in Verbindung
mit der am 16. Januar 1991 wieder einsetzenden Taggeldzahlung zufolge
erneuter vollständiger Arbeitsunfähigkeit sei die durch den Eintritt
bei der I. AG entstandene Unfallversicherungsdeckung aufrecht geblieben,
sofern seither kein Wechsel des Versicherungsträgers wegen neuerlicher
Aufnahme einer versicherten Erwerbstätigkeit erfolgte. Falls ein neues
versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit der H. AG zu verneinen sei
- welche Auffassung in bezug auf Nichtberufsunfälle nach dem Gesagten
(Erw. 3b hievor) die allein richtige ist -, habe das mit der Aufnahme
der Arbeit bei der I. AG neu begründete Versicherungsverhältnis mit
einem anderen Versicherer (Art. 68 UVG) infolge der anschliessend
lückenlos geleisteten UVG-Taggelder der SUVA bis zum Unfall vom 1. Mai
1992 weitergedauert. Der neue Versicherer (der I. AG) hätte jedoch gemäss
Art. 100 Abs. 2 UVV nur dann für die Unfallfolgen aufkommen müssen, wenn
durch den neuen Unfall vom 1. Mai 1992 ein Anspruch auf Taggeldleistungen
ausgelöst worden wäre, was hier nicht zutreffe. Der Zweck jener Bestimmung
bestehe unter anderem wohl darin, aus verfahrensökonomischen Gründen bei
blossen Bagatellunfällen die Leistungspflicht beim bisherigen Versicherer
zu belassen, obwohl grundsätzlich - nach Wiederaufnahme einer versicherten
Tätigkeit - ein später hinzugetretener Versicherer für den neuerlichen
Unfall zuständig wäre. Ein solcher Bagatellunfall liege hier vor, nachdem
der Beschwerdegegner am 1. Mai 1992 einen Zahnschaden erlitten habe,
ohne dass er dadurch arbeitsunfähig geworden wäre. Infolgedessen sei die
SUVA, die nach wie vor die Leistungen aus dem Unfall von 1987 erbringe,
auch für den Unfall vom 1. Mai 1992 leistungspflichtig.

    b) Die beschwerdeführende SUVA widersetzt sich dieser
Eventualbegründung insoweit nicht, als sie auf der Annahme beruht,
es sei durch den Antritt der Arbeit für die I. AG ein neues und wegen
des lückenlosen UVG-Taggeldbezugs bis zum Unfall vom 1. Mai 1992
fortbestehendes Versicherungsverhältnis mit einem anderen zugelassenen
Versicherer begründet worden. Hingegen wendet sie sich gegen die
vorinstanzliche Auslegung von Art. 100 Abs. 2 UVV, die sich nach ihrem
Dafürhalten mit Art. 77 Abs. 2 UVG nicht vereinbaren lasse. Denn die
Leistungspflicht der Versicherer sei im Gesetz abschliessend geregelt,
indem bei Nichtberufsunfällen derjenige Versicherer die Leistungen
erbringe, bei dem der Verunfallte zuletzt auch gegen Berufsunfälle
versichert war. Dies sei im vorliegenden Fall der Unfallversicherer
der I. AG gewesen, und letztere habe die Prämien sowohl für die Berufs-
als auch die Nichtberufsunfallversicherung geleistet.

    Zu Art. 100 Abs. 2 UVV führt die SUVA aus, dass darin die
Leistungspflicht des neuen Versicherers für den neuen Unfall als
Grundprinzip verankert werde. Diese Leistungspflicht gehe so weit,
dass der spätere Versicherer auch für die Leistungen aus früheren
Unfällen aufzukommen habe, sofern der neue Unfall einen Anspruch auf
Taggeldleistungen auslöse, welche Zusatzleistungen ihm von den übrigen
beteiligten Versicherern anteilsmässig zurückerstattet würden. Entgegen den
vorinstanzlichen Annahmen sei also der Zweck von Art. 100 Abs. 2 UVV nicht
in der Entlastung des späteren Versicherers zu suchen, sondern in dessen
Zusatzbelastung durch Leistungen aus einem früheren Unfall. Dabei solle
vor allem verhindert werden, dass der betroffene Versicherte mit mehreren
Versicherungen verhandeln und allenfalls prozessieren müsse. Demgegenüber
bringe die vorinstanzliche Auslegung, wonach die Leistungspflicht bei
blossen Bagatellunfällen aus verfahrensökonomischen Gründen beim bisherigen
Versicherer zu belassen sei, erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich. So
müsste bei einem Bagatellunfall jeder Arbeitgeber zunächst prüfen,
ob eventuell der Versicherte aus einem früheren Unfall noch Leistungen
beziehe, was bei bloss teilweiser Arbeitsunfähigkeit häufig vorkomme. In
dieser Situation dürfte er nach der vorinstanzlichen Lesart den neuen
Bagatellunfall nicht seinem eigenen Unfallversicherer melden, sondern er
müsste die frühere Unfallversicherung ausfindig machen und dieser den
Schaden anzeigen. Eine solche Regelung liefe dem Gesetzeswortlaut von
Art. 77 UVG klar zuwider und wäre in der Praxis unhaltbar.

    Die SUVA beschliesst ihre Ausführungen damit, dass sie für den
Nichtberufsunfall vom 1. Mai 1992 keine Leistungen zu erbringen habe,
die Leistungspflicht vielmehr beim Unfallversicherer der I. AG liege, dem
sie die erforderlichen Akten nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens
zukommen lassen werde.

    c) Das BSV seinerseits pflichtet der vorinstanzlichen
Eventualbegründung bei, da sie sich nicht nur vom Wortlaut her,
sondern auch aus entstehungsgeschichtlicher Sicht rechtfertigen
lasse. Unter anderem wird hervorgehoben, die SUVA selbst habe im
Vernehmlassungsverfahren zur UVV auf den Kompromisscharakter der geltenden
Lösungsvariante von Art. 100 Abs. 2 UVV hingewiesen und zudem ausdrücklich
festgehalten, dass die gesetzliche Grundlage dafür in Art. 77 Abs. 3 UVG
zu finden sei. Die von der Anstalt nunmehr beschwerdeweise vorgetragene
Ansicht, die gesetzliche Grundlage zu Art. 100 Abs. 2 UVV bestehe in
Art. 77 Abs. 2 UVG, welche Bestimmung die Leistungspflicht der Versicherer
abschliessend regle, könne daher nicht geteilt werden.

Erwägung 5

    5.- a) Vorweg ist festzuhalten, dass der Beschwerdegegner im Zeitpunkt
seines Nichtberufsunfalls vom 1. Mai 1992 grundsätzlich obligatorisch
unfallversichert war. Dies folgt aus der Arbeitnehmertätigkeit für die
I. AG vom 15. Dezember 1990 bis zum 15. Januar 1991 und den im Anschluss
von der SUVA ab 16. Januar 1991 erbrachten Taggeldzahlungen. Insoweit
besteht auch unter den Verfahrensbeteiligten Einigkeit. In Frage
steht einzig, bei welchem Versicherer diese Deckung bestand. Es
geht mithin aus unfallversicherungsrechtlicher Sicht nicht um die
Versicherteneigenschaft als solche, sondern um die Abgrenzung der
leistungsbezogenen Zuständigkeit, und zwar zwischen der SUVA einerseits
und dem registrierten Unfallversicherer der I. AG anderseits.

    Mit Blick auf die zu klärende Rechtsfrage bestünde an sich Anlass,
den Unfallversicherer der I. AG als Mitinteressierten in das vorliegende
Verfahren einzubeziehen. Wie sich jedoch aus den nachfolgenden Erwägungen
ergibt, kann von derartigen Weiterungen abgesehen werden.

    b) Bei der Beantwortung dieser Frage kann der SUVA zunächst insoweit
nicht gefolgt werden, als sie die Abgrenzung der Versicherungszuständigkeit
bei Nichtberufsunfällen durch Art. 77 Abs. 2 UVG abschliessend geregelt
sehen möchte. Zwar trifft es zu, dass die in Art. 77 Abs. 1 und Abs. 2
UVG aufgestellten formellrechtlichen Grundsätze durch materielles
Verordnungsrecht nur in dem Umfang abgeändert werden dürfen, als dazu nach
Art. 77 Abs. 3 UVG eine delegationsrechtliche Zuständigkeit eingeräumt
wird (vgl. BGE 116 V 53 f.). Soweit die Abgrenzung der Zuständigkeit
der SUVA gegenüber anderen registrierten Versicherern in Frage steht
(unveröffentlichtes Urteil K. vom 14. März 1988), darf abweichendes
Verordnungsrecht gesetzt werden, sofern dazu in Art. 77 Abs. 3 UVG eine
Delegationsgrundlage besteht. Eine solche Grundlage ist im vorliegenden
Sachzusammenhang gegeben. Denn gemäss Art. 77 Abs. 3 lit. b UVG ordnet
der Bundesrat die Leistungspflicht und das Zusammenwirken der Versicherer
unter anderem bei einem erneuten Unfall (erster Satzteil), und zwar - wie
dem anschliessenden, durch das Wort "namentlich" eingeleiteten Satzteil
zu entnehmen ist - generell, also nicht nur für die im Gesetz besonders
erwähnten Spezialfälle (Verlust paariger Organe oder andere Änderungen
des Invaliditätsgrades). Insofern halten sich Art. 100 Abs. 1 und 2 UVV
sicherlich im gesetzlichen Rahmen.

    c) Was im weiteren den Aufbau von Art. 100 UVV, insbesondere das
Verhältnis zwischen dessen beiden Absätzen anbelangt, handelt es sich
beim zweiten um eine lex specialis zum ersten Absatz: Sofern und soweit
der Tatbestand des Abs. 2 entfällt - was hier zutrifft, nachdem der
neue Unfall keinen Anspruch auf Taggeld auslöste -, bleibt es bei der
Grundregel des Art. 100 Abs. 1 UVV. Dessen Tatbestand ist im vorliegenden
Fall, bis auf eine Ausnahme, in allen Punkten ohne weiteres gegeben:
So verunfallte der Beschwerdegegner erneut, als ("während") er wegen
eines versicherten Unfalls noch behandlungsbedürftig und arbeitsunfähig
war. Fraglich bleibt einzig die soeben erwähnte Ausnahme, nämlich was die
Verordnung mit der zusätzlich verlangten Versicherteneigenschaft ("und
versichert ist") meint. Damit kann diejenige beim bisherigen (letzten)
Unfallversicherer angesprochen sein oder aber ganz einfach die (generelle)
Versicherteneigenschaft an sich, die allenfalls durch Zugehörigkeit bei
einem anderen (registrierten) Versicherer begründet worden ist.

    Hinsichtlich der so gestellten Frage erweist sich als bedeutsam,
dass sich der Passus "wegen eines versicherten Unfalls" wohl auf das
"noch behandlungsbedürftig und arbeitsunfähig", nicht aber auf das "und
versichert" beziehen kann. Denn wie sich aus den Darlegungen in Erw. 2
ergibt, gewährleistet der Umstand eines erlittenen versicherten Unfalls
als solcher die Weiterdauer der Versicherteneigenschaft und damit des
Versicherungsschutzes gerade nicht. Deshalb kann sich das kausale "wegen"
notwendigerweise nicht auf das "und versichert ist" beziehen. Aus diesen
grammatikalisch-systematischen Überlegungen ergibt sich schlüssig, dass
das Erfordernis "und versichert ist" in Art. 100 Abs. 1 UVV generell die
blosse unfallversicherungsrechtliche Versicherteneigenschaft meint. Damit
erwarb sich der Beschwerdegegner durch den Antritt der Vollzeitarbeit
in der I. AG erneut die Versichertenqualität, weshalb er nach Art. 100
Abs. 1 UVV von der SUVA die Zusprechung der gesetzlichen Leistungen aus
dem zweiten Unfall vom 1. Mai 1992 beanspruchen kann. Damit hält der
angefochtene Gerichtsentscheid im Ergebnis stand.