Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 V 319



120 V 319

44. Urteil vom 4. Juli 1994 i.S. Berufliche Vorsorgestiftung der SBG,
Sammelstiftung BVG der SBG gegen R. und Versicherungsgericht des Kantons
Basel-Landschaft Regeste

    Art. 50 Abs. 3 BVG.

    - Gesetz im Sinne dieser Bestimmung meint ausschliesslich das im
Zusammenhang mit der beruflichen Vorsorge erlassene Recht (Erw. 7a). Frage
offengelassen, ob Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG auch dann angerufen werden
kann, wenn sich die Rechtswidrigkeit einer Reglementsbestimmung ohne
Rückgriff auf das BVG feststellen lässt (Erw. 7b).

    - Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG bezweckt die Ausserkraftsetzung zwingenden
Rechts zugunsten gesetzeswidriger Reglementsbestimmungen. Dies ruft nach
einer restriktiven Handhabung (Erw. 8d). Im Falle von Dauerleistungen
heisst dies, dass die Leistungspflicht mit dem Wegfall des guten Glaubens
ex nunc et pro futuro auflebt (Erw. 9a), dies ohne Rücksicht darauf,
dass sich ihre Voraussetzungen zu einer Zeit verwirklichten, als die
gesetzliche Ordnung suspendiert war (Erw. 9b). Damit ist dem Einwand der
fehlenden Finanzierung Rechnung getragen (Erw. 9c).

    - Begriff des guten Glaubens (Erw. 10a). Stellt das Eidg.
Versicherungsgericht die Gesetzeswidrigkeit einer Verordnungs- oder
Reglementsbestimmung fest, entfällt der - zu vermutende (Erw. 5c) -
gute Glaube einer am Verfahren nicht beteiligten Vorsorgeeinrichtung im
Regelfall erst mit der Veröffentlichung des Urteils. In casu genügen
hiefür die Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge, die den
wesentlichen Urteilsgehalt vor der Publikation in der amtlichen Sammlung
verbreiteten (Erw. 10b).

Sachverhalt

    A.- Die 1939 geborene R. war von 1972 bis Ende Juni 1989 für die
Maschinenfabrik S. AG tätig und infolgedessen seit Januar 1985 bei
der Beruflichen Vorsorgestiftung der SBG (Sammelstiftung BVG der SBG)
vorsorgeversichert gewesen. Seit 1. Mai 1989 bezieht sie eine ganze
Rente der Invalidenversicherung. Ferner richtet ihr die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) seit 1. August 1989 eine Invalidenrente
auf der Grundlage einer berufskrankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit von
32% aus.

    Mit Schreiben vom 25. Juli 1991 wandte sich R. an die Berufliche
Vorsorgestiftung der SBG, um von dieser ebenfalls die Ausrichtung einer
Invalidenrente zu verlangen. Die Vorsorgestiftung anerkannte diesen
Anspruch in grundsätzlicher Hinsicht, glaubte jedoch, aufgrund der bereits
von der SUVA ausgerichteten Rente (32%) nur anteilsmässig im Umfang von
68% leisten zu müssen.

    B.- Am 17. Oktober 1991 liess R. beim Versicherungsgericht des
Kantons Basel-Landschaft Klage einreichen mit dem Rechtsbegehren,
es sei die Berufliche Vorsorgestiftung der SBG zu verpflichten, ihr
ab 28. September 1989 eine Invalidenrente auf der Grundlage 75%iger
Erwerbsunfähigkeit auszurichten, und zwar gekürzt um den Betrag, um den
sie zusammen mit den anrechenbaren Leistungen der Invalidenversicherung
und der SUVA 90% des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteige. Zur
Begründung wurde auf das in BGE 116 V 189 veröffentlichte Urteil C. des
Eidg. Versicherungsgerichts vom 31. August 1990 verwiesen, woraus sich
ergebe, dass die Vorsorgeeinrichtungen nicht berechtigt seien, die
Gewährung von Hinterlassenen- oder Invalidenleistungen nach Massgabe der
Leistungspflicht des Unfallversicherers auszuschliessen.

    Mit Entscheid vom 4. März 1992 stellte das Versicherungsgericht
des Kantons Basel-Landschaft in grundsätzlicher Hinsicht fest, dass der
geltend gemachte Anspruch bestehe.

    C.- Die Berufliche Vorsorgestiftung der SBG führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei in Aufhebung des
kantonalen Gerichtsentscheides festzustellen, dass R. ihr gegenüber keine
BVG-Invalidenrente beanspruchen könne.

    Während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) unter Hinweis
auf die vorinstanzliche Begründung auf eine ausführliche Stellungnahme
verzichtet, lässt R. auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliessen.

    Auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsentscheides und der
Anträge wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Zuständigkeit)

Erwägung 2

    2.- Das kantonale Gericht hat den erhobenen Anspruch im angefochtenen
Entscheid lediglich in grundsätzlicher Hinsicht beurteilt und im übrigen
erwogen, sich vor dessen Rechtskraft mit der ebenfalls strittigen Höhe der
Invalidenrente nicht zu befassen. Nichtsdestoweniger liegt mit Bezug auf
die beurteilte Grundsatzfrage ein Entscheid mit instanzabschliessender
Wirkung vor. Es handelt sich folglich um einen Teilentscheid, der der
Anfechtung - anders als die Zwischenverfügung (Art. 101 lit. a und
129 Abs. 2 OG und Art. 45 Abs. 1 VwVG) - im gleichen Verfahren wie ein
Endentscheid (Art. 97, 98 lit. g, 98a und 128 OG; Art. 5 Abs. 1 VwVG)
unterliegt (BGE 106 V 241 Erw. 1; vgl. ferner BGE 118 V 315 oben und 107
Ib 343 Erw. 1; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 140 f.;
MOOR, Droit administratif, Bd. II, Kap. 5.4.2.3, S. 377).

    Nach dem Gesagten ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
einzutreten.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin stützt die Einschränkung ihrer
Leistungspflicht auf Art. 52 ihrer Allgemeinen Bestimmungen für die
Personalvorsorge nach BVG (im folgenden AVB) in der seit 23. November
1983 geltenden Fassung. Danach schliesst die Sammelstiftung die
Gewährung von Hinterlassenen- oder Invalidenrenten aus, wenn für den
gleichen Vorsorgefall die Unfallversicherung oder die Militärversicherung
leistungspflichtig ist (Abs. 1). Erbringt die Unfallversicherung oder die
Militärversicherung nicht die volle Hinterlassenen- oder Invalidenleistung,
weil der Tod oder die Invalidität nicht ausschliesslich auf eine von
diesen Versicherungen zu berücksichtigende Ursache zurückzuführen ist,
so leistet die Sammelstiftung anteilsmässig (Abs. 2).

    a) Streitig ist, ob und inwieweit diese Bestimmungen nach dem
höchstrichterlichen Urteil C. vom 31. August 1990 noch wirksam sein können.
Denn mit diesem Urteil erklärte das Eidg. Versicherungsgericht den als
Grundlage von Art. 52 Abs. 1 AVB dienenden Art. 25 Abs. 1 BVV 2 in der
Fassung vom 18. April 1984 (AS 1984 I 543 ff.) als gesetzeswidrig,
soweit darin den Vorsorgeeinrichtungen bei Leistungspflicht der
Unfall- oder Militärversicherung im gleichen Versicherungsfall im
BVG-Obligatoriumsbereich die Möglichkeit zum Ausschluss von Hinterlassenen-
oder Invalidenleistungen eingeräumt wurde (BGE 116 V 189; vgl. ferner
BGE 117 V 344 Erw. 4a/aa).

    b) Die Vorinstanz hat erkannt, das erwähnte Urteil äussere sich
zur Gesetzmässigkeit von Art. 25 Abs. 2 BVV 2 zwar nicht ausdrücklich,
doch bestehe aufgrund der Erwägungen kein Zweifel, dass auch der
anteilsmässige Leistungsausschluss bei bloss teilweiser Unfallkausalität
im Sinne jener Bestimmung vor dem Gesetz nicht standhalte. - Dieser -
von der Beschwerdeführerin nicht bestrittenen - Auffassung ist ohne
weiteres beizupflichten (vgl. die geänderte Fassung von Art. 25 BVV 2
vom 28. Oktober 1992, in Kraft seit 1. Januar 1993 [AS 1992 II 2234 f.]).

    Zu prüfen gilt es somit, ob - und gegebenenfalls ab welchem
Zeitpunkt - die Beschwerdegegnerin vorsorgerechtliche Invalidenleistungen
beanspruchen kann, und zwar im Rahmen von Art. 24 Abs. 1 BVV 2, wonach
"die Vorsorgeeinrichtung die Hinterlassenen- und Invalidenleistungen
kürzen kann, soweit sie zusammen mit anderen anrechenbaren Einkünften 90%
des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen".

Erwägung 4

    4.- a) Das kantonale Gericht hat die grundsätzliche Leistungspflicht
der nunmehrigen Beschwerdeführerin mit der Begründung bejaht, dass eine
durch Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts verbindlich gewordene
Rechtsauffassung auf die im Zeitpunkt der Urteilsfällung noch nicht
rechtskräftig erledigten sowie auf alle künftigen Fälle anwendbar sei. In
diesem Sinne hat es dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass der
vorliegend in Frage stehende Versicherungsfall vor dem erwähnten Urteil
C. vom 31. August 1990 eingetreten war. Der Leistungsanspruch sei zwar
womöglich schon vor der Urteilspublikation entstanden, mit Sicherheit
aber erst später, nämlich am 25. Juli 1991 geltend gemacht worden. Zu
Recht werde sodann nicht behauptet, dass der Anspruch bereits verjährt sei.

    Ebensowenig hat das kantonale Gericht die Berufung der
Vorsorgeeinrichtung auf Art. 50 Abs. 3 BVG gelten lassen, da sich das darin
angelegte Rückwirkungsverbot nicht auf Verordnungsrecht, sondern nur auf
das eigentliche Gesetz beziehe. Selbst wenn die betreffende Bestimmung
auch gegenüber Verordnungen zum Tragen käme, vermöchte sie jedenfalls die
Beurteilung der hängigen Versicherungsfälle nach der neuen Rechtspraxis
nicht abzuwenden.

    b) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Vorinstanz im
wesentlichen vorgeworfen, mit ihrer Anwendung des Urteils BGE 116 V 189
auf einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt gegen Art. 50 Abs. 3
BVG verstossen zu haben. Denn im Falle der Beschwerdegegnerin hätte ein
Anspruch auf berufsvorsorgerechtliche Invalidenleistungen ("Stammrecht")
entstehen können, als sie invalid im Sinne des IVG geworden war (1. Mai
1989); doch damals sei die Gesetzmässigkeit des in Anlehnung an Art. 25 BVV
2 ergangenen Art. 52 AVB noch in keiner Weise in Frage gestellt gewesen,
womit ihr kein Stammrecht auf Invalidenleistungen und erst recht kein von
dessen Existenz abhängiges Recht auf einzelne Rentenleistungen erwachsen
konnte.

Erwägung 5

    5.- Gemäss Art. 50 Abs. 3 BVG gehen die Vorschriften dieses Gesetzes
den von der Vorsorgeeinrichtung erlassenen Bestimmungen vor (Satz 1).
Konnte die Vorsorgeeinrichtung jedoch guten Glaubens davon ausgehen, dass
eine ihrer reglementarischen Bestimmungen im Einklang mit dem Gesetz stehe,
so ist das Gesetz nicht rückwirkend anwendbar (Satz 2).

    a) Das Gesetz ist in erster Linie nach seinem Wortlaut auszulegen. Ist
der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss
nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller
Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text
zugrunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm
im Kontext zukommt (BGE 119 V 126 Erw. 4, 118 Ib 191 Erw. 5a, 452 Erw. 3c,
555 Erw. 4d, 118 II 342 Erw. 3e, je mit Hinweisen; RHINOW/KRÄHENMANN,
Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 21 B IV,
S. 66; KNAPP, Cours de droit administratif, Basel 1994, S. 36 N. 422).

    b) Der erste Satz von Art. 50 Abs. 3 BVG hält den Vorrang des Gesetzes
gegenüber widersprechenden Reglements- oder Statutenbestimmungen fest
und unterstreicht damit dessen zwingenden Charakter. Dieser Gehalt ist
klar (Erw. 6a hernach; vgl. ferner BGE 117 V 51, 116 V 108 Mitte; 115
V 210 Erw. 2a a. E.) und im folgenden nur von mittelbarer Bedeutung. -
Anders verhält es sich freilich mit Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG: Sein in den
einzelnen Sprachfassungen keine nennenswerten Unterschiede aufweisender
Wortlaut besagt, dass im Falle gesetzeswidriger Reglementsbestimmungen
eine rückwirkende Gesetzesanwendung dann ausser Betracht fällt, wenn
eine Vorsorgeeinrichtung hinsichtlich der Gesetzeskonformität guten
Glaubens war ("Si toutefois l'institution de prévoyance pouvait admettre
de bonne foi qu'une de ces dispositions réglementaires était conforme
à la loi, celle-ci n'est pas applicable rétroactivement". - "Tuttavia,
se l'istituto di previdenza poteva presumere in buona fede che una sua
disposizione regolamentare fosse conforme alla legge, quest'ultima non
è applicabile retroattivamente").

    Dass dieser Wortlaut keineswegs klar ist und es folglich nach seiner
wahren Tragweite zu suchen gilt (Erw. 5a), tritt im hier streitigen Fall
unübersehbar zutage. Dabei steht die Frage im Vordergrund, welche Bedeutung
dem "Rückwirkungsverbot" gemäss Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG unter den hier
zu beurteilenden Umständen zukommt - wenn also Invaliden(dauer)leistungen
im Streite liegen, die gemäss Art. 26 Abs. 1 BVG unbestritten ab Mai 1989
entstanden wären (vgl. BGE 118 V 39 Erw. 2b/aa f.), die Vorsorgeeinrichtung
sich ihrer Leistungspflicht jedoch unter Berufung auf eine Reglements-
(Art. 52 AVB) bzw. Verordnungsbestimmung (Art. 25 BVV 2) zu entziehen
sucht, deren Gesetzeswidrigkeit erst mit höchstrichterlichem Urteil vom
31. August 1990 festgestellt wurde.

    c) Vorweg kann festgehalten werden, dass der Beschwerdeführerin
jedenfalls bis zu der mit Urteil C. des Eidg. Versicherungsgerichts
vom 31. August 1990 (BGE 116 V 189) erfolgten Feststellung der
Gesetzeswidrigkeit von Art. 25 Abs. 1 BVV 2 Gutgläubigkeit hinsichtlich
der Gesetzeskonformität ihres gestützt darauf erlassenen Reglements
zuzubilligen ist (vgl. JÄGGI, Berner Kommentar, N. 41 zu Art. 3 ZGB). Denn
bis zu jenem Zeitpunkt trugen die fraglichen Bestimmungen die Vermutung
ihrer Rechtmässigkeit in sich (RHINOW, Rechtsetzung und Methodik,
Basel 1979, S. 277 nach N. 104), und es hatte die Beschwerdeführerin
keinen Anlass für irgendwelche Zweifel in dieser Hinsicht. Unter diesen
Umständen und nachdem auch nichts Gegenteiliges behauptet worden ist,
kann es mit der Vermutung gemäss Art. 3 Abs. 1 ZGB sein Bewenden haben.

Erwägung 6

    6.- Das Eidg. Versicherungsgericht hat sich mit der hier angesprochenen
Gesetzesbestimmung, die im dritten Teil ("Organisation"), ersten Titel
("Vorsorgeeinrichtung") des BVG enthalten ist (Randtitel: "Reglementarische
Bestimmungen") und zu der sich ein vergleichbares Gegenstück im übrigen
Sozialversicherungsrecht nicht finden lässt, bis heute nie eingehender
befasst. Auch seitens der Lehre ist Art. 50 Abs. 3 BVG, soweit ersichtlich,
nur am Rande behandelt worden.

    a) Immerhin finden sich gewisse Ausführungen dazu einerseits bei
RIEMER, der zunächst in Art. 50 Abs. 3 Satz 1 BVG den zwingenden Charakter
der berufsvorsorgerechtlichen Bestimmungen bekräftigt sieht. Hinsichtlich
des hier interessierenden Folgesatzes der nämlichen Bestimmung (Art. 50
Abs. 3 Satz 2 BVG) hält dieser Autor sodann fest, dass der Gesetzgeber
darin einen generellen Vorbehalt zugunsten des guten Glaubens der
Vorsorgeeinrichtung statuiere, der jedoch nicht schon darum geltend
gemacht werden könne, weil die Aufsichtsbehörde nicht eingegriffen
habe (RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz,
Bern 1985, § 2 N. 40, mit Hinweis auf die Materialien). Anderseits
führt BRÜHWILER aus, dass die vom Gesetz für den Fall gesetzeswidriger
Reglementsbestimmungen an sich vorgesehene Nichtigkeitsfolge "ex tunc"
(Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG a. E.) einer Vorsorgeeinrichtung mitunter
erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bereiten könne; die Nichtigkeit
wirke daher lediglich "ex nunc", ab dem Zeitpunkt der formellen
Reglementsänderung, wenn die Vorsorgeeinrichtung gutgläubig auf die
Gesetzeskonformität ihrer reglementarischen Bestimmungen vertrauen
durfte (BRÜHWILER, Die betriebliche Personalvorsorge in der Schweiz,
Bern 1989, § 19 N. 9, ebenfalls mit Hinweisen auf die Materialien in
Fn. 30; vgl. ferner SCHWEIZER/MANHART, Die berufliche Vorsorge nach BVG
und Ausführungsverordnungen, SZS 1984 S. 202 Fn. 80).

    b) Den Gesetzesmaterialien lässt sich entnehmen, dass die fragliche
Norm in der Fassung des bundesrätlichen Entwurfs für rechtswidrige
Reglementsbestimmungen noch kurzerhand die Nichtigkeitsfolge vorgesehen
hatte, weil ein solches Vorgehen den Versicherten grösseren Schutz ihrer
im Gesetz verankerten Rechte garantiere (Botschaft des Bundesrates an
die Bundesversammlung zum Bundesgesetz über die berufliche Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 19. Dezember 1975, in
BBl 1976 I 257, 303). Erst auf Betreiben des Ständerates, namentlich
seiner vorberatenden Kommission, fand - unter Hinweis auf die mit einer
rückwirkenden Gesetzesanwendung verbundenen weitgehenden materiellen Folgen
- der Vorbehalt des guten Glaubens zugunsten der Vorsorgeeinrichtungen
Aufnahme in das Gesetz, ohne dass in den Räten selbst eine Diskussion
hierüber stattgefunden hätte (Amtl.Bull. N. 1977 1352, S 1980 294, N. 1981
1099 unten f.; vgl. ferner Protokolle der ständerätlichen Kommission vom
10. September 1979, S. 29 f. und vom 5. Februar 1980, S. 73 f.). Dabei
erfuhr der ursprüngliche ständerätliche Vorschlag auf Antrag der
Kommissionssprecher im Nationalrat freilich insofern eine gewichtige
Änderung, als gemäss endgültiger Gesetzesfassung der Gutglaubensschutz
nicht schon wegen der Untätigkeit der Aufsichtsbehörde anrufbar sein soll
(Amtl.Bull. N. 1981 1099 f., S 1982 21; vgl. ferner das Protokoll der
nationalrätlichen Kommission vom 17. Februar 1981, S. 49 ff.).

    c) Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die in den
Gesetzesmaterialien (zur Bedeutung: BGE 115 V 349 Erw. 1c; Jörg
Paul MÜLLER, Demokratische Gerechtigkeit, München 1993, S. 181
f.) dokumentierte Entstehungsgeschichte zum Verständnis von Art. 50
Abs. 3 BVG kaum mehr beizutragen vermag als die von den erwähnten Autoren
gewonnenen Erkenntnisse. Allgemein darf immerhin angefügt werden, dass
das gesetzgeberische Bestreben bei der Schaffung von Art. 50 Abs. 3 Satz
2 BVG offenkundig dahin ging, eine Schutzbestimmung zugunsten der an
der Durchführung des Obligatoriums beteiligten Vorsorgeeinrichtungen zu
erlassen, um diese vor der Übernahme unvorhergesehener und damit nicht
finanzierter Risiken zu bewahren. Des weiteren ist zu vermerken, dass
eine Einschränkung des Anwendungsbereichs von Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG
auf gewisse Teilbereiche (Organisation, Verantwortlichkeit etc.) nicht
beabsichtigt war und sich insbesondere das Ansinnen nicht durchzusetzen
vermochte, die Ansprüche der Versicherten generell davon auszunehmen
(vgl. die Diskussion in der nationalrätlichen Kommission vom 17. Februar
1981, Protokoll S. 55 f.). Darüber hinaus vermitteln die Materialien für
das hier zu beurteilende Rechtsproblem, bei dem es im wesentlichen um die
Tragweite des "Rückwirkungsverbotes" im Sinne von Art. 50 Abs. 3 Satz
2 BVG geht, keine klare Antwort. Jedenfalls insofern fallen sie daher
als Auslegungshilfen ausser Betracht (BGE 115 V 349 Erw. 1c, 111 V 282
Erw. 2b mit Hinweisen).

Erwägung 7

    7.- a) Bei der Ermittlung der wahren Tragweite von Art. 50 Abs. 3
BVG ist zunächst hervorzuheben, dass dessen Anwendung notwendigerweise
auf den BVG-Obligatoriumsbereich beschränkt bleibt. Ferner kann mit dem
darin verwendeten Begriff "Gesetz" allein das im Zusammenhang mit der
beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge erlassene Recht
gemeint sein. Beides ergibt sich aus dem Wortlaut, namentlich des ersten
Satzes von Art. 50 Abs. 3 BVG ("Die Vorschriften dieses Gesetzes...; ... de
la présente loi...; ... della presente legge..."), vor allem aber aus dem
gegebenen Sachzusammenhang und aus Überlegungen systematisch-logischer
Art. Der Klarstellung, dass anderweitige Bestimmungen des Bundesrechts oder
gar des kantonalen Rechts nicht erfasst werden, bedarf es - falls überhaupt
- allein für den zweiten Satz von Art. 50 Abs. 3 BVG, und zwar insbesondere
für die Wendung "in Einklang mit dem Gesetz" ("... conforme à la loi...;
... conforme alla legge..."); dort könnte sie mitunter bedeutsam werden,
wenn eine öffentlichrechtliche Vorsorgeeinrichtung dem Gedanken verfiele,
sich auf die Gesetze des sie tragenden Gemeinwesens zu berufen.

    b) Weniger klar ist dagegen, ob sich das BVG mit der Verwendung des
Begriffes "Gesetz" in Art. 50 Abs. 3 ausschliesslich auf sich selbst
bezieht - wie die Vorinstanz zu glauben scheint (Erw. 4a hievor) -
oder ob es die dazu erlassenen Ausführungserlasse ebenfalls miterfasst
haben möchte.

    Für die vom kantonalen Gericht vertretene Auffassung spricht
zunächst der Umstand, dass der Geltungsbereich der fraglichen Norm (Erw. 8
hernach) in Anbetracht der gebotenen Verwirklichung zwingenden Rechts nach
Möglichkeit zu begrenzen ist. Unabhängig davon erwiese sich die Anwendung
von Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG aus grammatikalischen Gründen dann als
zweifelhaft, wenn sich die Rechtswidrigkeit einer Reglementsbestimmung
ohne Rückgriff auf das BVG selbst bereits aus dem tieferrangigen Recht
ergäbe. Dies wäre dann der Fall, wenn die Satzungen des Vorsorgeträgers
in Widerspruch zum (gesetzeskonformen) Verordnungsrecht stünden; erwähnt
seien dabei namentlich jene Gesetzesbestimmungen, deren Gehalt sich -
an der Grenze zur Blankettnorm - in der Rechtsetzungsdelegation an
den Verordnungsgeber erschöpft, der seinerseits gesetzesvertretendes
Verordnungsrecht zu erlassen hat. Dessen ("rückwirkende") Anwendung
zugunsten des verordnungswidrigen Reglements gestützt auf Art. 50 Abs. 3
Satz 2 BVG auszuschliessen, schiene mit Blick auf den Gesetzeswortlaut
in der Tat kaum haltbar.

    Wie es sich im einzelnen damit verhält, braucht hier freilich nicht
entschieden zu werden. Denn im vorliegenden Fall verhält es sich so, dass
die betreffende Reglementsbestimmung (Art. 52 AVB) in fast wörtlicher
Anlehnung an das Verordnungsrecht (Art. 25 BVV 2) geschaffen wurde. Ihre
rechtliche Unzulänglichkeit hat sich demnach nicht schon aus der Verordnung
selbst ergeben; vielmehr ist sie als eigentliche Gesetzeswidrigkeit erst
mit der im Urteil C. des Eidg. Versicherungsgerichts vom 31. August 1990
erfolgten Beanstandung von Art. 25 BVV 2 zutage getreten. Vorher durfte
die Beschwerdegegnerin guten Glaubens davon ausgehen (Erw. 5c), dass die
in ihrem Reglement (Art. 52 AVB) enthaltene Umsetzung von Art. 25 BVV
2 nicht nur mit dieser Verordnung, sondern mit dem BVG (Art. 34 Abs. 2)
selbst in Einklang stand. Unter diesen Umständen kann der vorinstanzlichen
Auffassung nicht beigepflichtet werden, beruht sie doch auf einer rein
formalen Trennung von Gesetzes- und Verordnungsrecht, die in dieser Form
jedenfalls im vorliegenden Fall nicht als sachgerecht erscheint.

Erwägung 8

    8.- Zu prüfen bleibt im folgenden, wie das in Art. 50 Abs. 3 Satz 2
BVG angelegte "Rückwirkungsverbot" im einzelnen zu verstehen ist.

    a) Die in der fraglichen Bestimmung enthaltene Wendung "so ist das
Gesetz nicht rückwirkend anwendbar" hat im wenigen verfügbaren Schrifttum
auffallenderweise keine nähere Erläuterung erfahren (Erw. 6a hievor). Dies
erstaunt, zumal die Einzigartigkeit von Art. 50 Abs. 3 BVG nicht zuletzt
in diesem Satzteil gründet, dessen Gehalt mitnichten klar ist.

    b) Gemeinhin wird von der rückwirkenden Anwendung einer gesetzlichen
Ordnung dann gesprochen, wenn sich diese auf Sachverhalte erstrecken soll,
die sich abschliessend vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht
haben. Eine solche Rückwirkung ist ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage
nur möglich, wenn sie sich aus dem Gesetz als klar gewollt ergibt und
wenn sie durch triftige Gründe veranlasst sowie zeitlich beschränkt ist
(BGE 119 V 206 Erw. 5c/dd; 119 Ia 257 Erw. 3a; 110 V 254 Erw. 3a mit
Hinweisen). Schon hieraus muss gefolgert werden, dass Art. 50 Abs. 3 Satz 2
BVG nicht auf jene Fälle abzielt, in denen sich der zu regelnde Sachverhalt
vor dem Eintritt der Geltungskraft des BVG zugetragen hatte. Ein derartiger
Ausschluss versteht sich nach der dargelegten Rechtsprechung von selbst und
bedarf keiner ausdrücklichen Verankerung im Gesetz. Dies gilt - angesichts
der systematischen Einordnung - gleichermassen unter Berücksichtigung
des in Art. 98 BVG vorgesehenen gestaffelten Inkrafttretens des Gesetzes.

    Demnach will Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG von vornherein nicht die
eigentliche (echte) Rückwirkung des Gesetzes ausschliessen. Ebensowenig
bezweckt jedoch diese Bestimmung den Ausschluss der sogenannten "unechten
Rückwirkung", also der Anwendbarkeit des neuen Rechts (ex nunc et pro
futuro) auf die noch vor seiner Geltung eingetretenen, indes auf Dauer
angelegten Sachverhalte (vgl. BGE 119 V 206 Erw. 5c/dd mit Hinweisen sowie
BGE 120 V 182). Dergleichen entspricht zwar - wenn auch nicht ausnahmslos
(vgl. Art. 49 Abs. 2 BVG, Art. 89bis Abs. 6 ZGB) - der Absicht des
Gesetzes, doch ergibt sich diese nicht aus der hier in Rede stehenden
Bestimmung, sondern aus einer eigenen Übergangsordnung (Art. 91 BVG),
die durch Art. 50 Abs. 3 BVG keiner Ergänzung bedarf (vgl. BRÜHWILER,
aaO, § 15 N. 11 ff.; RIEMER, aaO, § 1 N. 47 ff.; SCHWARZENBACH-HANHART,
Rechtliche Grundfragen des BVG, SZS 1985 S. 85 ff. sowie S. 67 zu Art. 11
Abs. 2 ÜbBest. BV; vgl. zur Übergangsordnung des BVG auch BGE 118 V 99
Erw. 2c, 117 V 333 Erw. 5b).

    c) Dennoch ginge es nicht an, Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG jeden
übergangsrechtlichen Bezug abzusprechen. Dabei ist vor allem daran
zu erinnern, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens rund 18 000
Vorsorgeeinrichtungen existierten, denen - gemäss gesetzgeberischer
Absicht - die Durchführung des BVG-Obligatoriums ermöglicht werden sollte
(vgl. BRÜHWILER, aaO, § 16 N. 1 ff.; BGE 114 V 251 Erw. 8e). Die im
einzelnen erst im Verordnungsrecht umschriebenen Voraussetzungen für die
provisorische Registrierung solcher Vorsorgeeinrichtungen (Art. 92/93 BVG)
bestanden unter anderem in deren Erklärung über ihren Willen und ihre
Fähigkeit, von Anfang an die Alterskonten zu führen und die gesetzlichen
Leistungen zu erbringen (Art. 6 Abs. 3 BVV 1), wobei ihnen für die
förmliche Anpassung der Satzungen (und die definitive Registrierung)
Frist bis zum 31. Dezember 1989 eingeräumt wurde (Art. 8 Abs. 2 und Art. 9
BVV 1).

    Vor diesem Hintergrund der beabsichtigten Integration bestehender
Vorsorgeträger in das neue System sowie ganz allgemein mit Blick auf die
mit der veränderten Rechtslage verbundenen Unwägbarkeiten lässt sich
wenigstens die Entstehung von Art. 50 Abs. 3 BVG erklären. Allein für
dessen Auslegung ist damit nichts gewonnen. Namentlich wäre es verfehlt
und anhand der Materialien nicht begründbar, Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG
nur auf solche Vorsorgeeinrichtungen anzuwenden, die vor Inkrafttreten
des vorsorgerechtlichen Obligatoriums gegründet wurden. Endlich sei an
dieser Stelle erwähnt, dass sich im Rahmen der Gesetzesberatung auch
der Vorschlag einer Befristung der fraglichen Norm nicht durchzusetzen
vermochte (Protokoll der nationalrätlichen Kommissionssitzung vom
17. Februar 1981, S. 52 ff.).

    d) Es hat sich somit ergeben, dass die Bedeutung von Art. 50 Abs. 3
Satz 2 BVG nicht in der Regelung klassischer übergangsrechtlicher
Fragen besteht, weil damit nicht die Anwendbarkeit des Gesetzes auf
Sachverhalte angesprochen wird, die wenigstens ihren Ursprung ausserhalb
seines zeitlichen Geltungsbereichs haben. Zweck der fraglichen Bestimmung
ist es also nicht, die rückwirkende Gesetzesanwendung auszuschliessen,
sondern einzig, das Gesetz schlechthin ausser Kraft zu setzen in
Fällen, in denen es - aus temporaler Sicht - an sich anwendbar wäre. Ein
übergangsrechtlicher Bezug mag dabei lediglich indirekt, auf der normativen
Ebene vorliegen; nämlich insofern, als das mit dem Gesetz kollidierende
Satzungsrecht häufig aus der Zeit vor Inkrafttreten des BVG stammen
dürfte. - Eine andere Deutung lassen weder der Wortlaut und die damit
aufs engste verbundene systematische Gliederung von Art. 50 Abs. 3 BVG
noch die dazu erhaltenen Materialien zu.

    Wird im weiteren in Betracht gezogen, dass die bezweckte Suspension
des Gesetzes ihren Grund - rechtlich besehen - im guten Glauben der
betroffenen Vorsorgeeinrichtung an die Rechtmässigkeit ihres eigenen
Regelwerks findet, erscheint Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG als ein von
der Idee des Vertrauensschutzes durchdrungener Tatbestand. Dessen
Besonderheit und rechtsstaatliche Problematik besteht darin, dass die
damit beabsichtigte Derogierung zwingendes Recht beschlägt, und zwar nicht
zugunsten betroffener Bürger oder Versicherter, sondern im Interesse
der Vorsorgeträger, die, wenn nicht mit hoheitlicher Gewalt versehen,
so doch mit dem Vollzug gesetzlicher Aufgaben befasst sind (vgl. BGE 115
V 228 Erw. 2, 379 f.).

    Die Anwendung einer derartigen Bestimmung ist notwendigerweise
restriktiv zu handhaben:

    aa) Einerseits führt die Umsetzung von Art. 50 Abs. 3 Satz 2
BVG zu einer Ausserkraftsetzung zwingenden Rechts zugunsten der
Weitergeltung rechtswidriger Satzungen, die im übrigen Recht kaum
ihresgleichen kennt. Zum Vergleich sei hier etwa das Beispiel der
konkreten (inzidenten) Normenkontrolle angeführt, wo die gerichtliche
Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Bestimmung regelmässig
deren (sofortige) Nichtanwendung im betreffenden Fall, verbunden
mit der Aufhebung des gestützt darauf ergangenen Anwendungsaktes,
nach sich zieht (BGE 117 V 323 Erw. 5a). Gegenteiliges wurde von der
Rechtsprechung aus vertrauensrechtlichen Erwägungen nur ausnahmsweise,
und zwar ausschliesslich im Interesse verfahrensbeteiligter Bürger
zugelassen (vgl. z.B. BGE 101 Ia 116; dazu FRIDOLIN SCHIESSER, Die
akzessorische Prüfung, Zürcher Diss. 1983/84, S. 42 f.; WEBER-DÜRLER,
Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, Zürcher Habil. 1983, S. 253,
273 f., je mit weiteren Hinweisen). Abgesehen davon hat eine Änderung
der Rechtsprechung im allgemeinen zur Folge, dass die neue Praxis von den
rechtsanwendenden Behörden ab sofort (ex nunc et pro futuro) und mitunter
sogar auf bereits verfügungsweise geregelte Dauerrechtsverhältnisse
angewandt wird (MEYER-BLASER, Die Bedeutung von Art. 4 BV für das
Sozialversicherungsrecht, ZSR 111/1992 II/3 S. 415 Ziff. 10, S. 418 ff.,
mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; RHINOW/KRÄHENMANN, aaO, Nrn. 72
und 77 B VII; vgl. z.B. BGE 119 Ib 415 Erw. 3).

    In beiden Beispielen schlägt sich somit die Durchsetzung des objektiven
Rechts - in aller Regel ungehindert - auf Sachverhalte nieder, die
ihren Ursprung in einer Zeit vor seiner richtigen Erkenntnis hatten. Dem
steht Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG entgegen, dies je nachdem - vor allem
im Leistungsbereich - zu Lasten von Versicherten, deren Glaube in das
Gesetz und seine Geltungskraft nicht übermässig enttäuscht werden darf.

    bb) Damit zusammenhängend gilt es zu bedenken, dass der in Art. 50
Abs. 3 Satz 2 BVG verankerte Sondertatbestand des Gutglaubensschutzes,
wiewohl in einem Erlass öffentlichrechtlicher Natur enthalten (BGE 119
II 399 Erw. 2b mit Hinweisen), von seiner Konzeption her demjenigen
des Zivilrechts entspricht. Denn wie im Zivilrecht wird hier der zu
lösende Interessengegensatz durch das Gesetz selbst, unter den von ihm
umschriebenen Voraussetzungen, ein für allemal zugunsten einer bestimmten
Partei (der Vorsorgeeinrichtung) geregelt; dies möglicherweise zu Lasten
einer "Gegenpartei" (z.B. des Versicherten), die ihrerseits nicht etwa
bösgläubig zu sein hat. Dagegen ruft der im öffentlichen Recht aus dem
Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitete Vertrauensschutz in jedem
Fall erneut nach einer Abwägung der widerstreitenden Interessen in dem
Sinne, dass selbst bei gegebenen Voraussetzungen dem Vertrauensschutz nur
dann zum Durchbruch verholfen werden kann, wenn ihm keine öffentlichen
Interessen entgegenstehen (MEYER-BLASER, aaO, S. 414 Ziff. 9; WEBER-DÜRLER,
aaO, S. 112; zu den Begriffen "Treu und Glauben" sowie "guter Glaube"
vgl. EVGE 1957 S. 176 mit Hinweisen; DESCHENAUX, Der Einleitungstitel,
in: Schweizerisches Privatrecht [SPR], Bd. II, Basel 1967, S. 210 und 214;
Katharina SAMELI, Treu und Glauben im öffentlichen Recht, ZSR 96/1977 II
S. 300 f.). Daher lässt das öffentliche Recht die Berufung des Bürgers auf
den guten Glauben über den Vertrauensschutz grundsätzlich global zu, wobei
die erforderliche Interessenabwägung erst im Anwendungsfall vorzunehmen
ist (WEBER-DÜRLER, aaO, S. 18 mit Hinweisen), während das Zivilrecht
seinerseits lediglich einen punktuellen (Art. 3 Abs. 1 ZGB), aber auch
hinsichtlich seiner Folgen gesetzlich normierten Gutglaubensschutz kennt
(JÄGGI, aaO, N. 11 zu Art. 3 ZGB; DESCHENAUX, aaO, S. 221; ungenau
BRÜHWILER, aaO, § 19 N. 9).

    Diese Ausführungen sind im vorliegenden Zusammenhang insofern
bedeutsam, als die punktuelle Geltung des Gutglaubensschutzes
mit einer extensiven Auslegung des auf unterschiedlichste, nicht
vorauszusehende Sachlagen anwendbaren Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG zersetzt
würde. Des weiteren muss bedacht werden, dass sich das Ergebnis der
Interessenabwägung, wie es im Gesetz mit einer einseitigen Bevorzugung
der Vorsorgeträger zum Ausdruck gelangt, einer einzelfallweisen Korrektur
entzieht, weshalb sich auch unter diesem Gesichtspunkt eine zurückhaltende
Anwendung der fraglichen Bestimmung aufdrängt.

Erwägung 9

    9.- Die gebotene restriktive Anwendung von Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG,
bei der aufgrund der gesetzgeberischen Beweggründe die Interessen der
Vorsorgeeinrichtungen einschliesslich der Versichertengesamtheit nicht
ausser acht gelassen werden dürfen (Erw. 6b und c hievor), lässt sich
von der Sache her am ehesten auf dem Wege entsprechender Auslegung des
Begriffs "rückwirkend" bewerkstelligen.

    a) Da Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG die Ausserkraftsetzung der zwingenden
gesetzlichen Ordnung im Einzelfall bezweckt (Erw. 8d hievor) und sich ein
solches Ziel auch ohne das Wort "rückwirkend" erreichen liesse, fragt es
sich, welche Bedeutung diesem zukommt. Die Annahme, dass das betreffende
Wort überhaupt entbehrlich wäre, fällt indes ausser Betracht. Denn zum
einen wird damit der beteiligten Vorsorgeeinrichtung unmissverständlich
klargemacht, dass sie den Mangel ihrer reglementarischen Ordnung aus der
Welt zu schaffen hat. Zum andern erweist sich das Wort "rückwirkend"
auch im konkreten Anwendungsfall keineswegs als überflüssig. Das Gesetz
soll nämlich nicht schlechthin derogiert werden, sondern es hat nur seine
"rückwirkende Anwendung" zu unterbleiben.

    Mit Bezug auf die Ansprüche der Versicherten folgt daraus, dass
die Vorsorgeeinrichtung so lange keine Leistungen zu erbringen hat,
als sie gutgläubig auf die Rechtmässigkeit ihrer die Leistungspflicht
ausschliessenden Statutenbestimmungen vertrauen durfte. Fällt jedoch
der gute Glaube weg, lebt zugleich die Leistungspflicht auf, freilich
eben nicht mit Wirkung ex tunc, sondern ex nunc et pro futuro, und zwar
unmittelbar, ohne dass es einer formellen Satzungsänderung bedürfte
(insofern unlogisch BRÜHWILER, aaO, § 19 N. 9 [Erw. 6a hievor], der die
Nichtigkeit erst ab der formellen Reglementsänderung eintreten lassen
will). Diese differenzierende Sicht ist dann von praktischer Bedeutung,
wenn es - wie im vorliegenden Fall - um die Ausrichtung von Dauerleistungen
geht. Denn hier soll die Beschwerdegegnerin wenigstens ab der mit Urteil
C. vom 31. August 1990 festgestellten Gesetzeswidrigkeit von Art. 52 AVB
bzw. Art. 25 BVV 2 (zum genauen Zeitpunkt Erw. 10 hernach) in den Genuss
einer vorsorgerechtlichen Invalidenrente gelangen.

    b) Dagegen liesse sich allerdings einwenden, dass ein Rentenanspruch
im vorliegenden Fall gar nie entstehen konnte und daher auch die Annahme
seines Auflebens fehlgeht, weil das Gesetz in jenem massgebenden Zeitpunkt
(Art. 26 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 29 IVG: 1. Mai 1989) durch das
abweichende Reglement der Beschwerdeführerin ausser Kraft gesetzt war. Eine
solche Betrachtungsweise, der auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das
Wort geredet wird (Erw. 4b hievor), mag im Lichte von Art. 50 Abs. 3 Satz
2 BVG als folgerichtig erscheinen; dies, obwohl die Gesetzeswidrigkeit der
betreffenden Reglementsbestimmungen nicht erst mit dem besagten Urteil
C. konstituiert wurde, sondern seit Beginn bestanden hatte. Sie wird
indes dem schwerer zu gewichtenden Umstand in keiner Weise gerecht, dass
sich die Invalidität nicht auf den Zeitpunkt ihres Eintritts reduzieren
lässt, es sich vielmehr um einen Dauerzustand handelt, woran auch die
leistungsseitig bestehende Möglichkeit der Kapitalabfindung (Art. 37
Abs. 2 BVG) von vornherein nichts ändert. Damit ist nach den Grundsätzen
der sogenannten "unechten Rückwirkung" (Erw. 8b hievor und v.a. BGE
99 V 200; zur Problematik des Begriffs vgl. statt vieler: ALFRED KÖLZ,
Intertemporales Verwaltungsrecht, ZSR 102/1983 II S. 163 mit Hinweisen)
auch hier die Annahme einer Leistungspflicht ex nunc et pro futuro zu
rechtfertigen, obschon deren Voraussetzungen zu einer Zeit eintraten,
als die gesetzliche Ordnung suspendiert, deren Geltung also aufgeschoben
gewesen war. Würde anders entschieden, liefe dies nicht nur der gebotenen
Verhältnismässigkeit zuwider. Es ergäbe sich überdies eine sachlich
nicht zu begründende Ungleichbehandlung solcher Versicherter, die - wie
die Beschwerdegegnerin - bei eingetretener Arbeitsunfähigkeit versichert
gewesen waren (Art. 23 BVG; vgl. BGE 118 V 39 Erw. 2b/aa), zudem sämtliche
weiteren gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen (Art. 26 Abs. 1 BVG) zum
Bezug einer vorsorgerechtlichen Invalidenrente erfüllten, jedoch - anders
als hernach betroffene Versicherte - bei Eintritt ihrer Invalidität unter
eine ausschliessende Reglementsbestimmung fielen, deren Gesetzeswidrigkeit
zufälligerweise noch nicht feststand (zur verfassungsbezogenen Auslegung:
BGE 119 V 130 Erw. 5b, 118 V 206; MEYER-BLASER, aaO, S. 347 ff., vor
allem auch S. 363 Ziff. 32 bezüglich rechtsungleicher Behandlung aufgrund
zeitlichen Zufalls).

    c) Gegen die hier vertretene Auslegung von Art. 50 Abs. 3 Satz
2 BVG vermag endlich auch das Argument der fehlenden Finanzierung
(vgl. BRÜHWILER, aaO, § 19 N. 9) nicht durchzudringen. Diesem Gesichtspunkt
(Erw. 6 hievor; ferner Art. 69 BVG und BGE 119 V 282 Erw. 4b) wird
hinlänglich Rechnung getragen, indem die Leistungspflicht eben nicht
rückwirkend (ex tunc), sondern erst mit dem Wegfall des guten Glaubens
(ex nunc et pro futuro) entsteht, was sich in manchen Fällen ungleich
deutlicher zugunsten der Vorsorgeeinrichtung auswirken dürfte als
hier. Steht im übrigen die Gesetzeswidrigkeit einer reglementarischen
Ordnung fest, wie dies nach dem Urteil C. vom 31. August 1990 der Fall war,
wird der betroffene Vorsorgeträger bei Bedarf auch die Finanzierung den
neuen Gegebenheiten anpassen können. Ganz allgemein gilt es schliesslich
festzuhalten, dass das BVG nicht nur Dauerleistungen kennt (Art. 19
Abs. 2 BVG) und sich Art. 50 Abs. 3 Satz 2 BVG auch nicht allein auf den
Leistungsbereich (Erw. 6c hievor) bezieht, womit seiner Anwendung ein
weites Feld verbleibt.

Erwägung 10

    10.- Zu prüfen bleibt schliesslich, wie es sich mit dem guten Glauben
der Beschwerdeführerin verhält. Diesen für die Zeit vor dem Urteil C.
vom 31. August 1990 anzuzweifeln, besteht - wie bereits festgehalten
(Erw. 5c und 7b hievor) - kein Anlass. Der Klärung bedarf indes die
für den Beginn der Leistungspflicht zentrale Frage, ab wann genau der
Beschwerdeführerin die Berufung auf ihren guten Glauben zu versagen ist.

    a) Wer einen Rechtsmangel kennt, gilt diesbezüglich nicht als
gutgläubig. Sodann darf sich derjenige nicht auf seinen guten Glauben
berufen, dem der Mangel bei Anwendung zumutbarer Aufmerksamkeit erkennbar
gewesen wäre (vgl. Art. 3 Abs. 2 ZGB). Dabei ist diejenige Aufmerksamkeit
geboten, die nach den Umständen verlangt werden kann (JÄGGI, aaO, N. 115
zu Art. 3 ZGB); dies lässt sich nur im Einzelfall in Würdigung aller
Gegebenheiten beurteilen, wobei von objektiven Kriterien auszugehen ist
(vgl. BGE 119 II 25 und 27 mit Hinweisen; vgl. ferner DESCHENAUX, aaO,
S. 230; BRÜHWILER, aaO, § 19 N. 9). Diese zivilrechtlichen Grundsätze
gelten gleichermassen für den Bereich des Sozialversicherungsrechts
(BGE 102 V 246 Erw. b mit Hinweisen; vgl. ferner BGE 112 V 103 Erw. 1c,
110 V 180 Erw. 3c; AHI 1994 S. 123 Erw. 2c; vgl. RIEMER, Berührungspunkte
zwischen Sozialversicherungs- und Privatrecht, Festschrift 75 Jahre EVG,
S. 153).

    b) Mit Blick auf den guten Glauben mag der hier zu beurteilende
Fall insofern besonders gelagert sein, als die Beschwerdeführerin an
dem zum Urteil C. vom 31. August 1990 führenden Verfahren, in dem die
Gesetzeswidrigkeit von Art. 25 BVV 2 und damit mittelbar auch diejenige
von Art. 52 AVB erkannt wurde, nicht selbst beteiligt gewesen war. Dass
ihr mit diesem Urteil die Möglichkeit genommen wurde, sich fortan auf
ihren guten Glauben hinsichtlich der Gesetzeskonformität von Art. 52 AVB
zu berufen, steht fraglos fest; daran vermöchte selbst die unterbliebene
Intervention der Aufsichtsbehörde nichts zu ändern (Erw. 6a und b).

    Zu beachten gilt es freilich, dass das besagte Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts der Öffentlichkeit nicht schon im Zeitpunkt seiner
Ausfällung, sondern erst mit der Publikation in den einschlägigen Organen
zugänglich wurde. Dies geschah mit den Mitteilungen des BSV über die
berufliche Vorsorge Nr. 17 vom 15. Oktober 1990 (Rz. 108), worin der
wesentliche Gehalt jenes Grundsatzurteils - rund dreieinhalb Monate vor
seiner Veröffentlichung (30. Januar 1991) in der amtlichen Urteilssammlung
(BGE 116 V 189) - erstmals verbreitet worden sein dürfte (ebenso publ. in
SPV 1990 Nr. 12 S. 388 [vgl. ferner die Urteilszusammenfassung in
SPV, aaO, S. 423] und in ZAK 1990 S. 503 f.). Unter diesen Umständen
rechtfertigt es sich, der Beschwerdeführerin die Berufung auf ihren guten
Glauben erst ab November 1990 zu versagen. Denn als eine der Aufsicht
des BSV unterstehende Vorsorgeeinrichtung müsste sie die entsprechenden
Mitteilungen erhalten haben (vgl. Mitteilungen Nr. 1 vom 24. Oktober
1986). Selbst wenn dies programmwidrig nicht geschehen sein sollte,
wäre es einer Vorsorgeeinrichtung im Range der Beschwerdeführerin bei
Anwendung der gebotenen Sorgfalt möglich gewesen, sich aus eigenem Antrieb
Kenntnis dieser Informationen zu verschaffen. Hingegen bestehen keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass diese Kenntnisnahme bereits vor Erhalt der
amtlichen Mitteilungen erfolgt sein könnte.

Erwägung 11

    11.- Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das kantonale
Gericht die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin dem Grundsatz nach zu
Recht bejaht hat. Zu präzisieren ist, dass diese Pflicht mit dem Wegfall
des Gutglaubensschutzes erst ab November 1990 besteht.