Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 V 141



120 V 141

19. Auszug aus dem Urteil vom 25. April 1994 i.S. A. gegen Bundesamt für
Militärversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Zürich Regeste

    Art. 25bis, Art. 30 Abs. 1 und 2 aMVG: res iudicata. Der Umstand,
dass ein Begehren um Anpassung einer anteiligen Hinterlassenenrente an
die Lohn- und Preisentwicklung vom Eidg. Versicherungsgericht abgewiesen
wurde, steht der Beurteilung eines neuen, im wesentlichen gleichlautenden,
aber auf anderer rechtlicher Grundlage beruhenden Gesuchs nicht entgegen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Den Akten ist zu entnehmen, dass die Eidg.  Militärversicherung
am 12. März 1965 über den Anspruch der Beschwerdeführerin an der
Hinterlassenenrente mit Wirkung ab 1. Januar 1964 wie folgt verfügte:
"Der Anteil der Frau A. an der vorliegenden Hinterlassenenrente wird vom 1.
Januar 1964 hinweg auf monatlich Fr. 300.-- festgesetzt, unter Ablehnung
weitergehender Begehren." Sodann steht fest, dass diese Verfügung mit
Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 18. März
1966 und mit Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 13. Juni 1966
bestätigt worden ist.

    b) Sämtliche Verfahrensbeteiligten gehen davon aus, dass die am
23. Juli und 14. August 1991 an das Bundesamt für Militärversicherung
(BAMV) herangetragenen Gesuche um anteilige Zusprechung einer an
die Teuerung angepassten Hinterlassenenrente Gegenstand der erwähnten
Beurteilung durch das Eidg. Versicherungsgericht gewesen seien. Aufgrund
der formellen und materiellen Rechtskraft dieses Urteils lehnte es das BAMV
wegen Fehlens eines Revisions-, Wiedererwägungs- oder Anpassungsgrundes
ab, sich erneut mit der Sache zu befassen, was zur - vorinstanzlich
bestätigten - Nichteintretensverfügung vom 31. Juli 1992 führte. Dieser
Betrachtungsweise folgt die Beschwerdeführerin insofern, als sie zwar das
Fehlen eines prozessualen Revisionsgrundes einräumt, jedoch im Bereich der
Wiedererwägung anzusiedelnde Gründe vorträgt, welche eine Neuprüfung der
ihrer Meinung nach rechtskräftig beurteilten Sache rechtfertigen sollen.

    c) Diese Auffassung verkennt, dass der Verfügung vom 12. März 1965,
mit welcher der Anspruch auf eine den Unterhaltsbeitrag von Fr. 300.--
übersteigende anteilige Hinterlassenenrente abgewiesen wurde, und dem
darüber ergangenen Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts vom 13. Juni
1966 ein anderes rechtliches Fundament zugrunde liegt als jenes, auf das
sich die Gesuche der Beschwerdeführerin vom 23. Juli und 14. August 1991
stützten. Dies ergibt sich aus den folgenden Gründen:

    aa) Eines der Hauptziele der Revision der Militärversicherung gemäss
Bundesgesetz vom 19. Dezember 1963 (AS 1964 253) bestand darin, dem
schwerfälligen System der Teuerungszulagenbeschlüsse der Bundesversammlung
- wie sie auch im Falle der Beschwerdeführerin bis Ende 1963 angewandt
wurden - ein Ende zu bereiten und durch eine neue Regelung abzulösen,
welche das Prinzip des ein für allemal festgesetzten anrechenbaren
Jahresverdienstes preisgab (BBl 1963 I 858 bis 860). Zu diesem Zweck wurde
der neue Art. 25bis MVG ins Gesetz vom 20. September 1949 aufgenommen,
welcher bis zum Inkrafttreten des UVG am 1. Januar 1984 (AS 1982 II 1717)
folgendermassen lautete (AS 1964 259):

    "1 Der Bundesrat erstattet der Bundesversammlung alle fünf Jahre, oder
   nach Bedarf, Bericht über das Verhältnis zwischen Renten, Preisen und

    Erwerbseinkommen. Er stellt nötigenfalls zu gleicher Zeit Antrag auf
   angemessene Anpassung der Renten.

    2 Die Bundesbeschlüsse betreffend Anpassung der Militärrenten
   unterstehen nicht dem Referendum."

    Im Bereich der Hinterlassenenrente wurde die Anspruchsberechtigung
nach Art. 30 Abs. 1 MVG neu gefasst (was im Falle der Beschwerdeführerin
zu einer Heraufsetzung des Rentenansatzes auf 50% führte), wogegen
Abs. 2 betreffend den anteiligen Anspruch der geschiedenen Ehefrau an
der Hinterlassenenrente der Witwe unverändert belassen wurde (AS 1964
259 unten f.).

    bb) Der Anspruch, den die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom
23. Juli 1991 an das BAMV herantrug, gründet auf Art. 25bis MVG, indem
sie geltend machte, diese anlässlich der Revision vom 19. Dezember 1963
neu eingeführte, dem Wortlaut nach auf alle Renten bezogene Bestimmung
gehe der bei jener Gelegenheit unverändert belassenen Norm des Art. 30
Abs. 2 MVG vor. Demgegenüber zeigt eine nähere Prüfung der zur Verfügung
vom 12. März 1965 führenden Administrativakten, dass die ab 1. Januar
1964 vorgenommene Rentenanpassung nicht auf Art. 25bis MVG basiert.

    Die Gesetzesnovelle vom 19. Dezember 1963 sah unter Ziffer IV vor,
dass die auf unbestimmte Zeit gewährten Renten mit Wirkung ab 1. Januar
1964 neu festzusetzen seien unter angemessener Berücksichtigung des
Preisindexes, des Erwerbseinkommens in der vom Versicherten ausgeübten
Tätigkeit und dessen Alters, wobei der Rentenbezüger nicht weniger
erhalten solle, als seine bisherigen Bezüge gesamthaft ausmachten; das
Nähere ordne der Bundesrat (Absatz 1) (AS 1964 263 unten f.). Gestützt
darauf wurde der Bundesratsbeschluss vom 20. März 1964 betreffend die
Anpassung der Renten der Militärversicherung auf den 1. Januar 1964
erlassen (AS 1964 269 f.). Auf dieser rechtlichen Grundlage - und nicht
auf Art. 25bis MVG - beruht die am 12. März 1965 auf Fr. 300.-- pro
Monat festgesetzte anteilige Hinterlassenenrente. Dem entspricht es,
dass das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil vom 13. Juni 1966 die
Bestimmung von Art. 25bis MVG nicht erwähnt und insbesondere nicht als
Grundlage für den zu beurteilenden Anspruch herangezogen hat; das Gericht
hat vielmehr über die kraft Ziffer IV der Gesetzesnovelle (in Verbindung
mit dem erwähnten Bundesratsbeschluss vom 20. März 1964) zu gewährende
Erhöhung der anteiligen Hinterlassenenrente (abschlägig) befunden.

    d) Damit steht der Umstand, dass das Eidg. Versicherungsgericht
das Begehren der Beschwerdeführerin um eine den Betrag von monatlich
Fr. 300.-- übersteigende Rentenanpassung mit Entscheid vom 13. Juni 1966
abgewiesen hat, einer (materiellen) Beurteilung der auf Art. 25bis MVG
basierenden Gesuche vom 23. Juli und 14. August 1991 um Anpassung der
anteiligen Hinterlassenenrente an die Lohn- und Preisentwicklung nicht
entgegen. Die Verwaltung hätte diese Begehren nicht durch Nichteintreten
erledigen dürfen; denn es fehlt an der Identität der Streitsache im
Sinne des gleichen Rechts- oder Entstehungsgrundes (BGE 112 II 272
Erw. b, 105 II 270 Erw. 2; vgl. auch BGE 98 V 178 mit Hinweisen; GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 323), welche gegeben
sein müsste, damit sich das BAMV mit Erfolg auf die materielle Rechtskraft
des erwähnten Urteils hätte berufen können. Daran ändert nichts, dass
sich dessen Erwägungen, welche von einer strikt wörtlichen Auslegung des
Art. 30 Abs. 2 MVG ausgehen, auf Art. 25bis MVG übertragen liessen und vom
Eidg. Versicherungsgericht wohl auch übertragen worden wären, wenn es sich
darüber hätte aussprechen müssen. Denn formell liegt keine richterliche
Entscheidung in bezug auf einen Rentenanpassungsanspruch gemäss Art. 25bis
MVG vor, was für die Frage der Rechtskraftwirkung allein massgebend ist.

    Nach dem Gesagten stellt die vorinstanzliche Bestätigung des vom
BAMV verfügten Nichteintretens als einer formellen Rechtsverweigerung
(BGE 107 Ia 97) eine Verletzung von Bundesrecht im Sinne von Art. 104
lit. a OG dar, weshalb der kantonale Entscheid aufzuheben und die Sache
zur materiellen Prüfung der Gesuche vom 23. Juli und 14. August 1991 an
die Verwaltung zurückzuweisen ist.