Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IV 78



120 IV 78

15. Urteil des Kassationshofes vom 28. Januar 1994 i.S. Schweizerische
Bundesanwaltschaft gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 366 Abs. 2 lit. b StGB; Ermächtigung zur Strafverfolgung.

    Auch gegenüber Mitgliedern von Gemeindeexekutiven und auch bei
Übertretungen (E. 1a)?

    Art. 268 BStP.

    Begriff des Einstellungsbeschlusses (E. 1b).

    Art. 270 Abs. 6 i.V.m. Art. 265 Abs. 1 BStP und Art. 3 Ziff. 13 der
Mitteilungsverordnung.

    Legitimation des Bundesanwalts zur eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde gegen Entscheide betreffend Widerhandlungen gegen
das Umweltschutzgesetz (E. 1c).

    Art. 1 StGB; Art. 1, 7 11, 12 und 61 Abs. 1 lit. a USG; Art. 26a Abs. 1
der Luftreinhalte-Verordnung (LRV); Ziff. 71 und 72 des Anhangs 2 der LRV;
Art. 3 Abs. 3 und 4 der Technischen Verordnung über Abfälle (TVA).

    Begriffe der Anlagen, Emissionen und Emissionsbegrenzungen. Das
Verbrennen einer grösseren Menge Sperrgut auf einer - bewilligten oder
sog. "wilden" - Deponie erfüllt den objektiven Tatbestand von Art. 61
Abs. 1 lit. a USG i.V.m Art. 12 Abs. 1 lit. c USG und Art. 26a Abs. 1 LRV
(E. 2 u. 3).

    Die Abfallverbrennung im Freien ist jedenfalls dann nicht nach Art. 61
Abs. 1 lit. a USG strafbar, wenn es an einer Anlage im (allerdings weiten)
Sinne von Art. 7 Abs. 7 USG fehlt (E. 4).

    Problematik der Gesetzestechnik in bezug auf die Strafbarkeit des
Verbrennens von Abfällen im Freien (E. 5).

Sachverhalt

    A.- X. soll gemäss Polizeirapport der Kantonspolizei Obwalden
vom 23. April 1993 in seiner Eigenschaft als für das Sperrgutwesen der
Gemeinde zuständiges Mitglied des Gemeinderates (Exekutive) Z. beauftragt
haben, das einige Tage zuvor eingesammelte Sperrgut auf dem Gelände
M. zu verbrennen. Z. soll diesen Auftrag am 21. April 1993 ausgeführt
haben. Der Verhörrichter übermittelte die Akten der Obergerichtskommission
des Kantons Obwalden zur Prüfung der Frage, ob gegen das Behördemitglied
X. ein Untersuchungsverfahren zu eröffnen sei.

    B.- Die Obergerichtskommission des Kantons Obwalden entschied am
20. August 1993, dass gegen Gemeinderat X. wegen des Verdachts der
Ablagerung von Abfällen auf einer nicht bewilligten Deponie (Art. 61
Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Art. 30 Abs. 3 USG [SR 814.01]) ein
Strafuntersuchungsverfahren eröffnet werde. Dagegen lehnte sie die
Eröffnung einer Strafuntersuchung auch wegen des Verdachts des Verbrennens
von Abfällen im Freien (Art. 26a Abs. 1 LRV [SR 814.318.142.1]) ab mit
der Begründung, dass Art. 26a Abs. 1 LRV einer gesetzlichen Grundlage
entbehre und dessen Missachtung daher keine strafbare Handlung sei.

    C.- Die Schweizerische Bundesanwaltschaft führt eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der
Obergerichtskommission des Kantons Obwalden vom 20. August 1993 sei
hinsichtlich der Nichteröffnung eines Strafverfahrens gegen X. betreffend
Abfallverbrennung im Freien aufzuheben und die Angelegenheit zwecks
Eröffnung eines auch die Abfallverbrennung im Freien umfassenden
Strafverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zur Begründung wird
auf ein der Beschwerdeschrift beigeheftetes Schreiben des Bundesamtes
für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) verwiesen.

    D.- X. beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der
Nichtigkeitsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Die Vorinstanz hat den angefochtenen Entscheid laut Rubrum
"als Ermächtigungsbehörde gemäss Art. 53 Abs. 4 GOG" gefällt. Nach dieser
Bestimmung entscheidet die Obergerichtskommission über die Eröffnung
von Strafverfahren gegen Beamte oder Behördemitglieder wegen strafbarer
Handlungen, die ihre Amtsführung betreffen. Gemäss den Ausführungen der
Vorinstanz finden in der Praxis des Kantons Obwalden beim Entscheid über
die Eröffnung von Strafverfahren gegen Beamte oder Behördemitglieder
wegen strafbarer Handlungen, die ihre Amtsführung betreffen, mangels
spezieller Vorschriften die allgemeinen Bestimmungen über die Eröffnung
des Strafverfahrens Anwendung; insbesondere kann die Eröffnung nur bei
offensichtlicher Grundlosigkeit verweigert werden.

    Gemäss Art. 366 Abs. 2 lit. b StGB (SR 311.0) bleiben die Kantone
berechtigt, Bestimmungen zu erlassen, wonach die Strafverfolgung
gegen Mitglieder ihrer obersten Vollziehungs- oder Gerichtsbehörden
wegen Verbrechen oder Vergehen im Amte vom Vorentscheid einer nicht
richterlichen Behördeabhängig gemacht und die Beurteilung in solchen
Fällen einer besonderen Behörde übertragen wird. Ob es mit dieser
Bestimmung vereinbar sei, die Strafverfolgung gegen Mitglieder eines
Gemeinderates (Exekutive) wegen Übertretungen im Amte vom Vorentscheid
einer nicht richterlichen Behörde abhängig zu machen, braucht hier nicht
entschieden zu werden. In der Literatur wird die Auffassung vertreten,
dass die Strafverfolgung insoweit ohne Verletzung von Bundesrecht vom
Vorentscheid einer richterlichen Behörde abhängig gemacht werden dürfe,
sofern für den Ermächtigungsentscheid nur strafrechtliche - nicht auch
etwa staatspolitische (siehe dazu BGE 106 IV 43) - Gründe relevant seien
(NICCOLÒ RASELLI, Die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Mitglieder
der obersten kantonalen Behörden, Festschrift zum 50jährigen Bestehen der
Schweizerischen Kriminalistischen Gesellschaft, S. 137 ff., 140, 147). Wie
es sich damit im einzelnen verhält, kann vorliegend aus nachstehenden
Gründen ebenfalls dahingestellt bleiben.

    b) Im angefochtenen Entscheid wird die Eröffnung eines Strafverfahrens
wegen Verbrennens von Sperrgut im Freien im wesentlichen mit der Begründung
abgelehnt, dass Art. 26a Abs. 1 der Luftreinhalte-Verordnung einer
gesetzlichen Grundlage im Bundesgesetz über den Umweltschutz entbehre und
daher die Missachtung des sich aus dieser Bestimmung ergebenden Verbots
der Abfallverbrennung im Freien keine nach dem USG strafbare Handlung
sei. Der angefochtene Entscheid ist damit der Sache nach im Ergebnis ein
letztinstanzlicher Einstellungsbeschluss gemäss Art. 268 Ziff. 2 BStP
(SR 312.0). Der Begriff des Einstellungsbeschlusses im Sinne dieser
Bestimmung ist weit auszulegen. Er umfasst ungeachtet ihrer Bezeichnung
alle an Stelle einer richterlichen Beurteilung ergangenen Verfügungen,
Beschlüsse und Entscheide, durch die ein Strafverfahren nicht eröffnet
oder nicht weitergeführt wird (BGE 119 IV 95 E. 1b mit Hinweisen; SCHWERI,
Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, N. 156).

    Zwar ist die Obergerichtskommission des Kantons Obwalden ein
Gericht, doch hat sie, was hier entscheidend ist, nicht die Sache selbst
(etwa im Sinne eines Freispruchs) beurteilt, wozu sie auch gar nicht
zuständig wäre, sondern das Verfahren nicht eröffnet. So wird denn auch
in BGE 117 IV 125 E. 1 ein Entscheid des Zürcher Kassationsgerichts,
durch den wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots ein Urteil des
Zürcher Obergerichts aufgehoben und auf die Anklage nicht eingetreten
wird, als Einstellungsbeschluss im Sinne von Art. 268 Ziff. 2 BStP
bezeichnet. Anders verhält es sich etwa bei der Einstellung des Verfahrens
infolge Eintritts der Verjährung; hier kommt es für die Abgrenzung zwischen
Ziff. 1 und 2 von Art. 268 BStP entscheidend darauf an, ob ein Gericht
oder aber eine andere Behörde das Verfahren eingestellt hat (siehe BGE
117 IV 235 E. 1b).

    c) Gemäss Art. 270 Abs. 6 BStP steht die Nichtigkeitsbeschwerde
dem Bundesanwalt unter anderem dann zu, wenn die Entscheidung nach
einem Bundesgesetz oder nach einem Beschluss des Bundesrates gemäss
Art. 265 Abs. 1 BStP dem Bundesrat mitzuteilen ist. Das USG sieht eine
Mitteilung nicht vor. Nach Art. 265 Abs. 1 BStP kann der Bundesrat durch
Beschluss für bestimmte Zeit anordnen, dass ihm Urteile, Strafbescheide
der Verwaltungsbehörden und Einstellungsbeschlüsse in Bundesstrafsachen
ohne Verzug nach ihrem Erlass in vollständiger Ausfertigung unentgeltlich
mitzuteilen sind. Gemäss Art. 3 Ziff. 13 der Verordnung über die
Mitteilung kantonaler Strafentscheide (SR 312.3), die der Bundesrat
gestützt auf Art. 265 Abs. 1 BStP erlassen hat, sind die Entscheide,
die nach den Bestimmungen des USG ergangen sind, mitzuteilen. Die
Bundesanwaltschaft ist somit zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde
legitimiert.

    Auf die Beschwerde, mit der die Verletzung von eidgenössischem Recht
geltend gemacht wird, ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Der Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985 wurde durch
Verordnung vom 20. November 1991, in Kraft seit 1. Februar 1992, unter dem
neuen 8. Abschnitt - "Abfallverbrennung im Freien" - Art. 26a eingefügt,
der lautet:

    "Werden Abfälle verbrannt, so darf dies nur in dafür
   geeigneten stationären Anlagen erfolgen.

    Die Kantone können das Verbrennen von natürlichen Wald-,

    Feld- und Gartenabfällen im Freien zulassen, sofern dadurch keine
   übermässigen Immissionen entstehen."

    Nach Art. 61 Abs. 1 lit. a USG wird mit Haft oder mit Busse bestraft,
wer vorsätzlich "aufgrund dieses Gesetzes erlassene Emissionsbegrenzungen
verletzt (Art. 12 und 35)". Handelt der Täter fahrlässig, so ist die
Strafe Busse (Abs. 2). Versuch und Gehilfenschaft sind strafbar (Abs. 3).

    Art. 35 USG ("Vorschriften der Kantone"), auf den Art. 61 Abs. 1 lit. a
USG verweist, betrifft u.a. verschärfte Emissionsbegrenzungen, welche die
Kantone im Einvernehmen mit dem Bundesrat für Gebiete festlegen können,
in denen die Bodenfruchtbarkeit stark gefährdet oder bereits beeinträchtigt
ist. Diese Bestimmung fällt vorliegend ausser Betracht.

    Art. 12 USG ("Emissionsbegrenzungen"), auf den Art. 61 Abs. 1 lit. a
USG ebenfalls verweist, lautet:

    "Emissionen werden eingeschränkt durch den Erlass von:

    a. Emissionsgrenzwerten;

    b. Bau- und Ausrüstungsvorschriften;

    c. Verkehrs- oder Betriebsvorschriften;

    d. Vorschriften über die Wärmeisolation von Gebäuden;

    e. Vorschriften über Brenn- und Treibstoffe.

    Begrenzungen werden durch Verordnungen oder, soweit diese nichts
   vorsehen, durch unmittelbar auf dieses Gesetz abgestützte Verfügungen
   vorgeschrieben."

    a) Nach Auffassung der Vorinstanz stellt das sich aus Art. 26a
Abs. 1 LRV ergebende Verbot der Abfallverbrennung im Freien keine
"Emissionsbegrenzung" im Sinne von Art. 12 USG dar und ist daher
die Missachtung dieses Verbots nicht gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. a in
Verbindung mit Art. 12 USG strafbar. Weder werde in Art. 26a Abs. 1 LRV
ein "Emissionsgrenzwert" festgelegt, noch sei diese Vorschrift etwa eine
Bau- oder Ausrüstungs- oder Betriebsvorschrift, welche allesamt Anlagen
im Sinne von Art. 7 Abs. 7 USG betreffen. Wohl diene das Verbot der
Abfallverbrennung im Freien der Verhinderung von Luftverunreinigungen
etc. und damit dem Immissionsschutz, doch könne es, was entscheidend
sei, nicht dem abschliessenden Katalog von Art. 12 Abs. 1 lit. a-e
USG subsumiert werden. Zwar würden die etwa in den Ziffern 71 und
72 des Anhangs 2 der LRV festgelegten Emissionsgrenzwerte und anderen
Emissionsbegrenzungen betreffend Anlagen zum Verbrennen von Abfällen aller
Art durch die Vorschrift, Abfälle nur in dafür geeigneten stationären
Anlagen bzw. nicht im Freien zu verbrennen, wirksam unterstützt;
die Kompetenz des Bundesrates zum Erlass von (Abfallverbrennungsanlagen
betreffenden) Emissionsbegrenzungen gemäss Art. 12 USG gebe dem Bundesrat
aber nicht auch die Befugnis vorzuschreiben, dass Abfälle nur in solchen
Anlagen bzw. nicht im Freien verbrannt werden dürfen. Die Vorschriften
betreffend den Betrieb etc. von Anlagen seien im übrigen keineswegs
sinnlos, auch wenn deren Benützung nicht obligatorisch sei. Für die
Auslegung von Art. 12 USG könne nicht massgebend sein, dass es sich bei
Art. 26a LRV um eine sinnvolle Vorschrift handle, deren Durchsetzung einer
komplementären Strafbestimmung rufe. Es sei Sache des Gesetzgebers, im USG
die Abfallverbrennung im Freien zu verbieten und unter Strafe zu stellen,
soweit er dies als notwendig erachte. Eine Verurteilung wegen Missachtung
von Art. 26a Abs. 1 LRV verstiesse gegen das Legalitätsprinzip (Art. 1
StGB), da Art. 26a Abs. 1 LRV von Art. 12 USG, auf den Art. 61 Abs. 1
lit. a USG verweist, nicht erfasst werde.

    b) Die Beschwerdeführerin ist demgegenüber der Auffassung, Art. 26a
LRV stelle eine "Emissionsbegrenzung" nach Art. 12 Abs. 1 USG dar und
die Missachtung von Art. 26a LRV sei daher gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. a
USG strafbar. Nach Art. 7 Abs. 1 USG seien "Einwirkungen" unter anderem
Luftverunreinigungen, die durch den Betrieb von Anlagen oder den Umgang mit
Abfällen erzeugt werden. Unter den gesetzlichen Anlagenbegriff (Art. 7
Abs. 7 USG) fielen auch Abfallanlagen, also Anlagen, in denen Abfälle
behandelt werden (Art. 3 Abs. 4 der Technischen Verordnung über Abfälle
[TVA; SR 814.015]). Unter den gesetzlichen Anlagenbegriff fielen ferner
Abfallablagerungen, namentlich unbewilligte Deponien, da sie in der
Regel "Terrainveränderungen" bewirkten. Nach den weiteren Ausführungen
der Beschwerdeführerin werden Emissionen von Luftschadstoffen durch
Massnahmen bei der Quelle begrenzt (Art. 11 Abs. 1 USG) und stehen
zur Begrenzung die in Art. 12 Abs. 1 USG abschliessend aufgezählten
Massnahmen zur Verfügung, die gemäss Art. 12 Abs. 2 USG unter anderem
in bundesrätlichen Verordnungen vorgeschrieben werden. Strafbar nach
Art. 61 Abs. 1 lit. a USG mache sich somit, wer beim Betrieb einer Anlage
oder beim Umgang mit Abfällen eine Emissionsbegrenzung nach Art. 12 USG
verletze. Die LRV enthalte Vorschriften über die Begrenzung der Emissionen
bestimmter Typen von Anlagen, so auch von Abfallverbrennungsanlagen.
Diese Emissionsbegrenzungen seien zum Teil als Emissionsgrenzwerte
ausgestaltet oder stellten zum andern Teil Betriebsvorschriften dar. Die
emissionsbegrenzende Wirkung dieser Massnahmen könne allerdings nur dann
erreicht werden, wenn sichergestellt sei, dass die Abfälle tatsächlich in
einer Anlage verbrannt werden, welche so ausgerüstet sei und betrieben
werde, dass die erwähnten Emissionsbegrenzungsvorschriften eingehalten
werden. "Insofern" stelle Art. 26a LRV, der für die Verbrennung von
Abfällen die Benützung geeigneter Verbrennungsanlagen vorschreibe und
damit die Entstehung schädlicher Luftverunreinigungen beim Verbrennen
von Abfällen verhindere, eine Emissionsbegrenzung im Sinne von Art. 12
Abs. 1 lit. c USG dar, nämlich eine Vorschrift über den Betrieb der
Kehrichtverbrennungsanlagen. Damit erfülle jede Verbrennung von Abfall
im Freien den objektiven Tatbestand von Art. 61 Abs. 1 lit. a USG. Diese
Betrachtungsweise werde auch durch Art. 30 Abs. 1 USG gestützt, wonach der
Inhaber von Abfällen diese nach den Vorschriften des Bundes und der Kantone
verwerten, unschädlich machen oder beseitigen müsse. Art. 26a LRV sei eine
Verhaltensanweisung an die jeweiligen Inhaber von Abfällen, diese nicht
in ungeeigneten Anlagen oder im Freien zu verbrennen. "In diesem Sinne"
sei Art. 26a LRV eine emissionsbegrenzende Betriebsvorschrift für den
Umgang mit Abfällen, die in Art. 12 Abs. 1 lit. c USG ihre gesetzliche
Grundlage finde.

    Der objektive Tatbestand von Art. 61 Abs. 1 lit. a USG sei aber auch
aus folgenden Gründen erfüllt. Die Deponie M., auf welcher gemäss der
Strafanzeige das Sperrgut verbrannt worden sei, stelle eine Abfallanlage
dar. Bei der Verbrennung des Abfalls sei unter anderem Ziffer 718 des
Anhangs 2 der LRV verletzt worden, wonach Siedlungs- und Sonderabfälle
nicht in Anlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von weniger als 350
kW verbrannt werden dürfen; mit einem Feuer von der im Polizeirapport
beschriebenen Dimension könne eine solche Mindestfeuerungswärmeleistung
nicht erreicht werden. Zudem habe die in Ziffer 716 des Anhangs 2 der LRV
vorgeschriebene Überwachung nicht stattgefunden und seien die in Ziffer
714 des Anhangs 2 der LRV festgelegten Emissionsgrenzwerte, insbesondere
in bezug auf Kohlenmonoxyd, mit Gewissheit überschritten worden.

Erwägung 3

    3.- Laut Polizeirapport soll das sogenannte M. als Deponieplatz
für Bauschutt gekennzeichnet sein. Ob auf dem Gelände M. irgendwelche
bauliche Massnahmen zum Zweck der Ablagerung und/oder Verbrennung von
Siedlungsabfällen getroffen worden sind, ist unklar. Darauf kommt es
indessen nicht an.

    a) Gemäss Art. 7 Abs. 2 USG werden Luftverunreinigungen, Lärm,
Erschütterungen und Strahlen beim Austritt aus Anlagen als Emissionen,
am Ort ihres Einwirkens als Immissionen bezeichnet. Anlagen sind gemäss
Art. 7 Abs. 7 USG Bauten, Verkehrswege und andere ortsfeste Einrichtungen
sowie Terrainveränderungen; den Anlagen sind Geräte, Maschinen, Fahrzeuge,
Schiffe und Luftfahrzeuge gleichgestellt. Nach Art. 11 Abs. 1 USG werden
Luftverunreinigungen, Lärm, Erschütterungen und Strahlen durch Massnahmen
bei der Quelle begrenzt (Emissionsbegrenzungen).

    Eine - bewilligte oder sogenannte "wilde" - Deponie, auf der
Siedlungsabfälle, z.B. Sperrgut, in grösseren Mengen abgelagert und in der
Folge verbrannt werden, stellt auch ohne besondere bauliche Einrichtungen
eine ortsfeste Einrichtung oder auch wegen der durch die Ablagerung und die
Verbrennung jedenfalls bewirkten Terrainveränderungen eine Anlage im Sinne
des Gesetzes dar; die bei der Verbrennung entstehenden Luftverunreinigungen
sind daher Emissionen. Eine solche Deponie, auf der Siedlungs- oder andere
Abfälle verbrannt werden, ist auch eine Anlage, in der Abfälle behandelt
werden (Art. 3 Abs. 3 und 4 TVA). Entsprechend sind die Bestimmungen im
Sinne von Ziff. 71 und 72 des Anhangs 2 der LRV grundsätzlich anwendbar. Da
die für diese Anlagen zum Verbrennen von Siedlungs- und anderen Abfällen
insbesondere nach den Ziff. 714 (Emissionsgrenzwerte) und 718 bzw. 728
(betreffend die Feuerungswärmeleistung von mindestens 350 kW) geltenden
Vorschriften und damit die gesetzliche Regelung der Emissionsbegrenzungen
in Art. 12 USG sonst leicht umgangen bzw. unterlaufen werden könnten,
erweist sich ein Verbot des Verbrennens von Abfällen auf Deponien als
unabdingbar.

    b) Nach Art. 26a Abs. 1 LRV dürfen Abfälle nur in dafür geeigneten
stationären Anlagen verbrannt werden. Art. 26a Abs. 1 LRV schreibt mithin
vor, dass die Anlagen, in denen Abfälle einzig verbrannt werden dürfen,
hiefür geeignet und stationär sein müssen. Art. 26a Abs. 1 LRV enthält
damit unter anderem eine (allgemein gehaltene) Betriebsvorschrift im
Sinne von Art. 12 Abs. 1 lit. c USG, die in den Anhängen der LRV durch
zahlreiche detaillierte Vorschriften konkretisiert wird, und stellt
somit eine gemäss Art. 12 Abs. 2 USG in einer Verordnung erlassene
Emissionsbegrenzung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 USG dar. Geeignet im Sinne
von Art. 26a Abs. 1 LRV ist eine Anlage nur dann, wenn bei der Verbrennung
von Siedlungs- oder anderen Abfällen die Vorschriften gemäss Ziff. 71 und
72 des Anhangs 2 der LRV überhaupt eingehalten werden können. Das ist
bei der Verbrennung von Siedlungsabfällen auf einer - bewilligten oder
sogenannten "wilden" - Deponie von vornherein nicht der Fall. Eine solche
Deponie ist daher keine im Sinne von Art. 26a Abs. 1 LRV geeignete Anlage.

    c) Wer Siedlungsabfälle auf einer - bewilligten oder sogenannten
"wilden" - Deponie verbrennt, erfüllt dadurch jedenfalls den objektiven
Tatbestand von Art. 61 Abs. 1 lit. a USG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit. c
USG und Art. 26a Abs. 1 LRV. Vorbehalten bleiben Bagatellfälle (dazu
nachfolgende E. 4).

Erwägung 4

    4.- Art. 26a LRV verbietet das Verbrennen von Abfällen ausserhalb
dafür geeigneter stationärer Anlagen unter Vorbehalt der in Abs. 2
genannten Abfälle uneingeschränkt. Dieses Verbot geht offensichtlich
sehr weit. Verbotswidrig handelt, wer irgendeine Sache, um sich
ihrer zu entledigen (siehe Art. 7 Abs. 6 USG), ausserhalb einer dafür
geeigneten Anlage verbrennt. Es liegt auf der Hand, dass Handlungen, die
als Bagatellen erscheinen, jedenfalls nicht strafbar sein können. Eine
gewisse Einschränkung der Strafbarkeit ergibt sich de lege lata immerhin
dadurch, dass die Missachtung des Verbots der Abfallverbrennung im Freien
(siehe die Überschrift von Art. 26a LRV sowie dessen Abs. 2) nur insoweit
den Tatbestand von Art. 61 Abs. 1 lit. a USG erfüllen kann, als dieses
Verbot eine Emissionsbegrenzung im Sinne des USG (Art. 12 und 61 Abs. 1
lit. a) ist, es mithin Emissionen, also Luftverunreinigungen beim Austritt
aus Anlagen (Art. 7 Abs. 2 und 7 USG), begrenzt. Die Missachtung des sich
aus Art. 26a Abs. 1 LRV ergebenden Verbots der Abfallverbrennung im Freien
ist somit dann jedenfalls nicht nach Art. 61 Abs. 1 lit. a USG strafbar,
wenn es an einer "Anlage" im (allerdings weiten) Sinne von Art. 7 Abs. 7
USG fehlt.

    Wie es sich damit im einzelnen verhält und wie die Strafbefreiung in
Bagatellfällen dogmatisch zu begründen ist, kann vorliegend dahingestellt
bleiben.

    Z. soll im Auftrag des Beschwerdegegners am 21. April 1993 auf dem
Gelände M., welches möglicherweise eine nur für Bauschutt bewilligte,
möglicherweise eine sogenannte "wilde" Deponie ist, rund 50 m3 Sperrgut,
das einige Tage zuvor eingesammelt worden war, unter anderem Betten,
Matratzen, Möbel, Polstergruppen und Teppiche, verbrannt haben. Es habe
zunächst eine starke Rauchentwicklung gegeben, das Feuer habe rund zwei
Stunden lang gebrannt und beim Eintreffen der Polizei noch rund einen Meter
hoch gelodert. Dieses Verhalten erfüllt den objektiven Tatbestand von Art.
61 Abs. 1 lit. a USG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit. c USG und Art. 26a Abs. 1
LRV und ist keine Bagatelle.

Erwägung 5

    5.- Welches Verhalten gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. a USG strafbar ist,
ergibt sich weder aus dieser Bestimmung selbst noch aus Art. 12 und 35 USG,
auf die sie verweist, sondern erst aus den aufgrund von Art. 12 und 35
erlassenen Vorschriften. Diese Gesetzestechnik ist kompliziert (M. ALKALAY,
Umweltstrafrecht im Geltungsbereich des USG, 1992, S. 48; KARL-LUDWIG KUNZ,
Umweltkriminalität und Umweltstrafrecht: ein rechtspolitischer Überblick,
recht 1990, S. 15 ff.; siehe ferner STRATENWERTH, Das Strafrecht in
der Krise der Industriegesellschaft, 1993, S. 13 f.). Sie ist aber wohl
unvermeidlich, da einerseits die Materie gerade auch in bezug auf die
Emissionsbegrenzungen komplex ist und anderseits nach den Intentionen
des Gesetzgebers nicht jedes die Umwelt belastende Verhalten gemäss USG
strafbar sein soll. Immerhin sollten die grundlegenden strafbewehrten
Vorschriften, die sich nicht nur etwa an die Erbauer und Betreiber bzw. an
die Inhaber von Anlagen aller Art, sondern an die Inhaber von Abfällen,
also an jedermann richten, im Gesetz selber stehen. So wie das Ablagern
von Abfällen auf nicht bewilligten Deponien im Gesetz selber verboten
(Art. 30 Abs. 3 USG) und unmissverständlich mit Strafe bedroht wird
(Art. 61 Abs. 1 lit. e USG), sollte der Gesetzgeber, soweit ihm dies
als erforderlich erscheint, auch das Verbrennen von Abfällen ausserhalb
geeigneter Anlagen im Gesetz selber verbieten und unmissverständlich mit
Strafe bedrohen. Dazu bestünde im Rahmen der umfassenden Teilrevision
des USG, die zur Zeit im Gange ist (Botschaft des Bundesrates, BBl 1993
II 1445 ff.), Gelegenheit.

Erwägung 6

    6.- Die Nichtigkeitsbeschwerde der Bundesanwaltschaft ist somit
gutzuheissen und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit
diese gegen den Beschwerdegegner auch eine Strafuntersuchung wegen des
Verdachts des Verbrennens von Abfall ausserhalb einer dafür geeigneten
Anlage eröffne.

    Welches Konkurrenzverhältnis zwischen dem Tatbestand des Ablagerns
von Abfällen auf einer nicht bewilligten Deponie (Art. 61 Abs. 1 lit. e
USG in Verbindung mit Art. 30 Abs. 3 USG), in bezug auf welchen gegen
den Beschwerdegegner bereits eine Strafuntersuchung eröffnet worden
ist, und dem Tatbestand des Verbrennens von Abfällen ausserhalb einer
dafür geeigneten Anlage (Art. 61 Abs. 1 lit. a USG in Verbindung mit
Art. 12 USG und Art. 26a Abs. 1 LRV) besteht, wenn die Abfälle auf einer
(bewilligten oder "wilden") "Deponie" verbrannt werden, braucht hier nicht
entschieden zu werden. Es ist hier auch nicht darüber zu befinden, ob der
Beschwerdegegner aufgrund des angezeigten Sachverhalts als Mittäter oder
als Teilnehmer zu betrachten sei und ob er, falls ihm letztlich bloss
eine Unterlassung vorgeworfen werden könnte, in seiner Eigenschaft als
das für das Sperrgutwesen der Gemeinde zuständige Gemeinderatsmitglied
eine Garantenstellung innehatte; es ist insoweit auf Art. 6 Abs. 2 VStrR,
gemäss Art. 62 USG auch im Umweltstrafrecht anwendbar, zu verweisen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, der
Entscheid der Obergerichtskommission, soweit er die Nichteröffnung eines
Strafverfahrens wegen Verbrennens von Abfall betrifft, aufgehoben und
die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.