Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IV 208



120 IV 208

36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Juli 1994 i.S. A. und
B. gegen Statthalteramt des Bezirkes Zürich und X. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    1. Opportunitätsprinzip.

    Eine Verletzung des kantonalen Opportunitätsprinzips kann nicht mit
der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden (E. 1b/bb).

    2. Vervielfältigen und Weiterverbreiten eines urheberrechtlich
geschützten Werks nach altem und neuem Recht (Art. 50 Abs. 1 Ziff. 1
i.V.m. Art. 42 Ziff. 1 lit. a und b i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Ziff. 1 und 2
aURG; Art. 67 Abs. 1 lit. e und f i.V.m. Art. 10 Abs. 2 lit. a und b nURG);
Erschöpfungsgrundsatz (Art. 12 Abs. 1 nURG); Eigengebrauch (Art. 22 aURG;
Art. 19 Abs. 1 nURG).

    Wer ein ihm anonym zugestelltes Exemplar einer noch nicht genehmigten
Lizentiatsarbeit als Repräsentant einer darin kritisierten Organisation mit
Wissen und Willen ohne die Einwilligung der Urheberin vervielfältigt und
die Kopien weiteren, in der Arbeit ebenfalls behandelten Institutionen
zukommen lässt, macht sich der vorsätzlichen Urheberrechtsverletzung
schuldig (E. 2 und 4).

    3. Wahrung berechtigter Interessen. Interessenkonflikte zwischen
Urhebern einerseits und andern am urheberrechtlich geschützten Werk
interessierten Personen andererseits sind in der Regel im URG abschliessend
geregelt, weshalb der Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter
Interessen nur ausnahmsweise in Betracht kommt (E. 3).

    4. Rechtsirrtum (Art. 20 StGB); zureichende Gründe verneint (E. 5).

    5. Strafzumessung (Art. 48, 63, 68 StGB) (E. 6).

    6. Strafregistereintrag (Art. 9 Ziff. 2 V über das Strafregister). In
der Regel sind Bussen wegen Übertretungen nicht einzutragen (E. 7).

Sachverhalt

    A.- X. ist die Verfasserin einer Lizentiatsarbeit mit dem Titel "Zur
Verbreitung von Problemfällen im Zusammenhang mit religiösen Vereinigungen
und 'pseudoreligiösen', autoritativ-totalitären Gruppierungen und
Bewegungen im Kanton Zürich. Eine empirische Studie.". Eine Kopie dieser
(damals noch nicht genehmigten) Lizentiatsarbeit wurde dem Verein für
Psychologische Menschenkenntnis (VPM) anonym zugestellt. A. und B.,
verantwortliche Repräsentanten des VPM, liessen im Herbst 1991 vier
bis fünf Kopien der Arbeit herstellen. Ein Exemplar überliessen sie
den Mitarbeitern des VPM, ein weiteres übergaben sie den Statistikern
zur Analyse. Je eine Kopie wurde drei Institutionen bzw. Organisationen
zugestellt, nämlich der Neuapostolischen Kirche, der Baptistengemeinde
und dem "Opus Dei". Diese Institutionen wurden von A. und B. in einem
Begleitschreiben aufgefordert, das ihnen Mögliche gegen einen solchen
Vorstoss zu unternehmen, damit die Arbeit vom zuständigen Professor nicht
als Lizentiatsarbeit angenommen werde.

    B.- Auf Antrag von X. wurden A. und B. mit Strafverfügungen des
Statthalteramtes des Bezirkes Zürich vom 16. Dezember 1992 wegen Verletzung
des Urheberrechtsgesetzes je mit Fr. 400.-- gebüsst. Die Gebüssten erhoben
dagegen Einsprache.

    Am 21. April 1993 verurteilte der Einzelrichter in Strafsachen
des Bezirksgerichts Zürich A. und B. wegen Widerhandlung gegen das
Urheberrechtsgesetz zu Bussen von je Fr. 800.--.

    Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 14. Dezember 1993
diesen Entscheid.

    C.- Die Gebüssten führen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den
Anträgen, das Urteil des Obergerichts und mit ihm die Strafverfügung des
Statthalteramtes sowie der Entscheid des Bezirksgerichts seien aufzuheben
und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventualiter seien die
Bussen auf je Fr. 100.-- zu reduzieren unter Anordnung der vorzeitigen
Löschung im Strafregister nach Ablauf einer Probezeit von einem Jahr.

    D.- Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet; das
Statthalteramt des Bezirkes Zürich beantragt unter Verzicht auf
Vernehmlassung die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. X. stellt den
Antrag, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- b) bb) Nicht einzutreten ist auf die Beschwerde überdies, soweit
darin eine Verletzung des Opportunitätsprinzips geltend gemacht wird.
Insoweit bestehen keine bundesrechtlichen Vorschriften, die hier zur
Anwendung kommen könnten. Eine Verletzung des Opportunitätsprinzips
nach dem kantonalen Recht kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht
gerügt werden.

Erwägung 2

    2.- Das Bundesgesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der
Literatur und Kunst vom 7. Dezember 1922 ist durch das Bundesgesetz über
das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 9. Oktober 1992, in Kraft
seit 1. Juli 1993, ersetzt worden. Zwischen dem alten (aURG, BS 2 817)
und dem neuen Recht (nURG, SR 231.1) bestehen in bezug auf die hier zu
erörternden Fragen keine wesentlichen Unterschiede.

    a) Die in Frage stehende Lizentiatsarbeit der Beschwerdegegnerin
ist offensichtlich ein Werk im urheberrechtlichen Sinne (Art. 1 aURG;
Art. 2 nURG; vgl. BGE 117 II 466 E. 2a mit Hinweisen), was auch die
Beschwerdeführer nicht mehr in Abrede stellen.

    b) Das Urheberrecht besteht unter anderem in dem ausschliesslichen
Recht, das Werk durch irgendein Verfahren wiederzugeben (Art. 12
Abs. 1 Ziff. 1 aURG). Die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu
bestimmen, ob, wann und wie das Werk verwendet wird (Art. 10 Abs. 1
nURG); sie hat unter anderem insbesondere das Recht, Werkexemplare
herzustellen (Art. 10 Abs. 2 lit. a nURG). Die Urheberin hat also das
ausschliessliche Vervielfältigungsrecht. Ohne Bedeutung ist die Zahl der
hergestellten Werkexemplare; auch ein einziges Exemplar fällt unter das
Vervielfältigungsrecht (DENIS BARRELET/WILLI EGLOFF, Das neue Urheberrecht,
Bern 1994, Art. 10 N. 12).

    Die Beschwerdeführer verletzten diese Bestimmungen, indem sie das
ihnen anonym zugesandte Werkexemplar vervielfältigten.

    c) Das Urheberrecht besteht unter anderem in dem ausschliesslichen
Recht, Exemplare des Werkes zu verkaufen, feilzuhalten oder sonst in
Verkehr zu bringen (Art. 12 Abs. 1 Ziff. 2 aURG). Die Urheberin hat
insbesondere das Recht, Werkexemplare anzubieten, zu veräussern oder
sonstwie zu verbreiten (Art. 10 Abs. 2 lit. b nURG). Darunter fällt jede
Form der Übergabe, also zum Beispiel auch die Leihe und die Schenkung
(ALOIS TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. II, 3. Aufl. 1985, S. 686 mit
Hinweis auf S. 623; BARRELET/EGLOFF, Art. 10 N. 16). Das ausschliessliche
Verbreitungsrecht betrifft sämtliche Werkexemplare, seien sie rechtmässig
oder widerrechtlich hergestellt worden (BARRELET/EGLOFF, Art. 10 N. 16).

    Die Beschwerdeführer verstiessen gegen diese Bestimmungen, indem sie
einige von ihnen hergestellte Kopien des Werks Dritten zukommen liessen.

    d) Hat die Urheberin ein Werkexemplar veräussert oder der Veräusserung
zugestimmt, so darf dieses weiterveräussert oder sonstwie verbreitet
werden (Art. 12 Abs. 1 nURG). Dieser sogenannte Erschöpfungsgrundsatz war
auch nach dem alten Recht ohne ausdrückliche Festschreibung im Gesetz
allgemein anerkannt (BARRELET/EGLOFF, Art. 12 N. 1; vgl. TROLLER,
aaO S. 766). Die Beschwerdeführer berufen sich zu Unrecht auf den
Erschöpfungsgrundsatz. Die Urheberin hat ihnen das Werkexemplar, von
dem sie einige Kopien herstellten und verbreiteten, weder veräussert,
noch hat sie einer Veräusserung zugestimmt. Das Werkexemplar (eine Kopie
der Lizentiatsarbeit) wurde ihnen vielmehr anonym zugestellt. Sie könnten
sich nicht einmal dann auf den Erschöpfungsgrundsatz berufen, wenn ihnen
die Urheberin die Arbeit bloss ausgeliehen hätte (vgl. TROLLER, aaO).

    e) Gemäss Art. 22 aURG ist die Wiedergabe eines Werkes (mit
Ausnahme der Erstellung von Werken der Baukunst) zulässig, wenn sie
ausschliesslich zu eigenem, privatem Gebrauch erfolgt; mit der Wiedergabe
darf kein Gewinnzweck verfolgt werden. Nach Art. 19 Abs. 1 nURG dürfen
veröffentlichte Werke zum Eigengebrauch verwendet werden; als Eigengebrauch
gelten unter anderem jede Werkverwendung im persönlichen Bereich und im
Kreis von Personen, die unter sich eng verbunden sind, wie Verwandte
und Freunde (lit. a), sowie das Vervielfältigen von Werkexemplaren
in Betrieben, öffentlichen Verwaltungen, Instituten, Kommissionen und
ähnlichen Einrichtungen für die interne Information oder Dokumentation
(lit. c).

    Die Beschwerdeführer berufen sich zu Unrecht auf
Eigengebrauch. Eigengebrauch im Sinne des neuen Rechts ist vorliegend schon
deshalb nicht gegeben, weil Art. 19 Abs. 1 nURG nur für veröffentlichte
Werke gilt. Die Lizentiatsarbeit der Beschwerdegegnerin war aber jedenfalls
im Zeitpunkt der eingeklagten Handlungen nicht veröffentlicht. Ob
auch Art. 22 aURG nur für veröffentlichte Werke galt, kann hier
offenbleiben. Die Herstellung von Kopien des fraglichen Werkexemplars zum
Zwecke der Weitergabe an verschiedene Institutionen und diese Weitergabe
(an die Neuapostolische Kirche, an die Baptistengemeinde und das "Opus
Dei") selbst fallen offensichtlich nicht mehr unter den eigenen, privaten
Gebrauch im Sinne von Art. 22 aURG.

    f) Nach Art. 42 aURG ist zivil- und strafrechtlich verfolgbar, wer
unter Verletzung des Urheberrechts ein Werk durch irgendein Verfahren
wiedergibt (Ziff. 1 lit. a) bzw. Exemplare eines Werkes verkauft, feilhält
oder sonst in Verkehr bringt (Ziff. 1 lit. b). Wer eine der in Art. 42
aURG genannten Übertretungen begeht, wird nach Art. 50 Abs. 1 Ziff. 1
aURG mit Busse bis zu 5'000 Franken bestraft.

    Gemäss Art. 67 Abs. 1 nURG wird wegen Urheberrechtsverletzung mit
Gefängnis bis zu einem Jahr oder mit Busse bestraft, wer vorsätzlich
und unrechtmässig auf irgendeine Weise Werkexemplare herstellt (lit. e)
bzw. Werkexemplare anbietet, veräussert oder sonstwie verbreitet (lit. f).

    Die Beschwerdeführer haben die inkriminierten Handlungen unter der
Herrschaft des alten Rechts begangen. Daher ist dieses Recht anwendbar,
da das neue Recht nicht das mildere ist. Sie haben somit den objektiven
Tatbestand von Art. 50 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 42 Ziff. 1
lit. a und b in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 aURG erfüllt.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführer machen die Wahrung berechtigter Interessen
geltend.

    a) Dieser aussergesetzliche Rechtfertigungsgrund ist gegeben, wenn die
Tat ein zur Erreichung des berechtigten Ziels notwendiges und angemessenes
Mittel ist, sie insoweit den einzig möglichen Weg darstellt und offenkundig
weniger schwer wiegt als die Interessen, die der Täter zu wahren sucht
(BGE 117 IV 170 E. 3b mit Hinweisen). Die Rechtsprechung hat angenommen,
dass sich ein Mieter nicht unter Rückgriff auf den Rechtfertigungsgrund der
Wahrung berechtigter Interessen gegen seine Exmission wehren könne. Denn
die Lösung des Interessenkonflikts zwischen dem Mieter und dem Vermieter
ergebe sich in erster Linie aus dem Mietrecht, das sowohl die materiellen
Grundsätze als auch die verfahrensrechtlichen Prinzipien aufstellt,
nach denen der Konflikt zu lösen ist (nicht publiziertes Urteil des
Kassationshofes vom 22. August 1990, zitiert in BGE 117 IV 170 E. 3b). Auch
für den Bereich des Urheberrechts muss gelten, dass Interessenkonflikte,
die zwischen der Urheberin einerseits und anderen am urheberrechtlich
geschützten Werk interessierten Personen andererseits bestehen können,
jedenfalls in der Regel im Urheberrechtsgesetz selber abschliessend
entschieden sind und eine Berufung auf gesetzliche Rechtfertigungsgründe
(die gemäss Art. 333 Abs. 1 StGB sowie Art. 48 aURG grundsätzlich auch
im Urheberstrafrecht anwendbar sind) sowie auf den aussergesetzlichen
Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen nur ausnahmsweise
in Betracht kommt (vgl. ULRICH WEBER, Der strafrechtliche Schutz des
Urheberrechts, Tübingen 1976, S. 261 ff.; FROMM/NORDEMANN, Urheberrecht, 8.
Aufl. 1994, § 97 N. 19).

    b) Die Beschwerdeführer konnten jedenfalls die Interessen des VPM
wahren, ohne Kopien für die drei anderen Institutionen herzustellen
und an diese weiterzuleiten. Ob und inwieweit sie berechtigt gewesen
wären, auch die Interessen dieser Institutionen (Neuapostolische Kirche,
Baptistengemeinde und "Opus Dei") zu wahren, kann offenbleiben. Es ist
nicht ersichtlich, inwiefern das den Beschwerdeführern zur Last gelegte
Vorgehen der notwendige bzw. einzig mögliche Weg gewesen sei, um, wie
sie behaupten, die Persönlichkeitsrechte dieser drei Institutionen zu
verteidigen.

    Die Berufung auf den aussergesetzlichen Rechtfertigungsgrund der
Wahrung berechtigter Interessen ist somit unbegründet.

Erwägung 4

    4.- Strafbar wegen einer Urheberrechtsverletzung ist nur, wer
vorsätzlich gehandelt hat (Art. 46 aURG, Art. 67 Abs. 1 nURG). Die
Beschwerdeführer bestreiten den Vorsatz und machen Sachverhaltsirrtum
geltend.

    Vorsatz könnte nur dann verneint werden, wenn die Beschwerdeführer in
ihrer Vorstellung davon ausgegangen wären, die Urheberin habe ihnen das
fragliche Exemplar ihrer Arbeit nicht nur zugestellt, sondern überdies
in die Herstellung von Kopien und in die Weiterverbreitung an die drei
genannten Institutionen eingewilligt.

    Die kantonalen Instanzen stellen verbindlich fest, die Beschwerdeführer
seien subjektiv nicht davon ausgegangen, mit der anonymen Zustellung
der Arbeit sei eine Erlaubnis der Urheberin verbunden gewesen, die
Lizentiatsarbeit zu kopieren und sie an Dritte zu verschicken. Im übrigen
könne jemand, dem anonym und ohne Begleitschreiben eine Lizentiatsarbeit
zugestellt werde, nicht im Entferntesten auf die Idee kommen, die Urheberin
erlaube damit konkludent die Vervielfältigung und Weiterverbreitung
der Arbeit.

    Mit dieser Begründung haben die kantonalen Instanzen eine
Putativeinwilligung ohne Bundesrechtsverletzung verneint.

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführer berufen sich auf einen entschuldigenden
Verbotsirrtum im Sinne von Art. 20 StGB. Nach dieser Bestimmung kann der
Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern oder von einer Bestrafung
Umgang nehmen, wenn der Täter aus zureichenden Gründen angenommen hat,
er sei zur Tat berechtigt. Art. 20 StGB gilt gemäss Art. 333 Abs. 1 StGB
sowie Art. 48 aURG auch im Bereich des Urheberstrafrechts.

    a) Es kann offenbleiben, ob sich die Beschwerdeführer überhaupt in
einem Verbotsirrtum befunden haben, wenn jedenfalls die Entschuldbarkeit
eines solchen Irrtums zu verneinen ist.

    b) Nach der Rechtsprechung gilt ein Verbotsirrtum in der Regel dann
als vermeidbar, wenn der Täter selbst an der Rechtmässigkeit seines
Verhaltens zweifelt oder hätte Zweifel haben müssen (BGE 99 IV 251,
104 IV 221) oder wenn er weiss, dass eine rechtliche Regelung besteht,
er sich über deren Inhalt und Reichweite aber nicht genügend informiert
(BGE 75 IV 152 f., 86 IV 214 f., 106 IV 319 f.; vgl. auch BGE 111 IV
99). Entsprechendes gilt, wenn er durch die zuständige Behörde ausdrücklich
auf die Rechtslage hingewiesen worden ist (BGE 75 IV 43, 100 IV 51) oder
sich über behördliche Anordnungen hinwegsetzt (BGE 80 IV 275, 82 IV 17;
vgl. auch BGE 98 IV 51). Allerdings schliesst die theoretische Möglichkeit
der richtigen Erkenntnis der Rechtslage die Anwendung von Art. 20 StGB
nicht aus; die Vorwerfbarkeit kann aufgrund der Umstände ausgeschlossen
sein (BGE 116 IV 68).

    Die Beschwerdeführer haben nicht als Privatpersonen gehandelt,
sondern als leitende Funktionäre des VPM. Sie haben in dieser Eigenschaft
Kopien einer Examensarbeit hergestellt, die, wie sie wussten, noch nicht
angenommen war und welche ihnen unter Umständen zugekommen war, die sie
zu besonderer Vorsicht hätten veranlassen müssen. Sie haben die Arbeit an
die drei vorgenannten Institutionen weitergeleitet. Bei dieser Sachlage
waren sie zumindest verpflichtet, sich genauer über die Tragweite des
Urheberrechts zu informieren. Ihr Verbotsirrtum war daher jedenfalls
vermeidbar.

Erwägung 6

    6.- Die Beschwerdeführer machen geltend, die kantonalen Instanzen
hätten bei der Strafzumessung Bundesrecht verletzt.

    a) Die Beschwerdeführer versandten die von ihnen hergestellten
Kopien der Lizentiatsarbeit an drei verschiedene Institutionen, damit
diese das ihnen Mögliche unternähmen, dass die Arbeit vom zuständigen
Professor abgelehnt werde. Dadurch sollte auf die Universität Druck
ausgeübt werden. Diese von den kantonalen Instanzen in tatsächlicher
Hinsicht verbindlich festgestellten Beweggründe der Beschwerdeführer sind
verwerflich, und deren Verschulden wiegt daher nicht mehr leicht.

    b) Die Vorinstanzen berücksichtigten "straferhöhend", dass die
Beschwerdeführer mehrere Straftatbestände erfüllten, nämlich erstens
das ihnen zugespielte Werkexemplar vervielfältigten (Art. 42 Ziff. 1
lit. a aURG) und zweitens die Kopien in Verkehr brachten (Art. 42
Ziff. 1 lit. b aURG). Die Vorinstanzen nahmen damit, auch wenn sie
Art. 68 StGB nicht ausdrücklich erwähnten, offenbar Realkonkurrenz
an. Man kann sich mit den Beschwerdeführern fragen, ob in einem Fall
der vorliegenden Art das Vervielfältigen des Werkexemplars nicht als
mitbestrafte Vortat zum Inverkehrbringen der Kopien qualifiziert werden
sollte (siehe zum ähnlichen Problem des Verhältnisses zwischen Fälschung
und Inverkehrbringen des Falsifikats durch den Fälscher BGE 119 IV 154
E. 4a mit zahlreichen Hinweisen). Die Frage ist jedoch vorliegend ohne
praktische Bedeutung. Denn auch bei Annahme unechter Konkurrenz muss
der Richter bei der Strafzumessung im Rahmen von Art. 63 bzw. Art. 48
Ziff. 2 StGB neben andern Faktoren auch die Intensität der deliktischen
Verhaltensweise berücksichtigen, und dazu gehört die Tatsache, dass die
Beschwerdeführer die Kopien nicht nur in Verkehr brachten, sondern zunächst
herstellten (siehe auch BGE 119 IV 154 E. 4c). Im Ergebnis besteht also
kein Unterschied zu Art. 68 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, wonach der Richter, wenn
der Täter mehrere Bussen verwirkt hat, eine dem Verschulden angemessene
Busse ausspricht.

    c) Die ausgefällten Bussen von Fr. 800.-- verstossen auch in ihrer
Höhe nicht gegen Bundesrecht. Die Beschwerdeführer befinden sich in guten
finanziellen Verhältnissen.

Erwägung 7

    7.- Die Beschwerdeführer beantragen eventualiter, dass die Bussen
gestützt auf Art. 49 Ziff. 4 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 3 StGB unter
Ansetzung einer Probezeit von einem Jahr vorzeitig zu löschen seien.

    Nach Art. 9 Ziff. 2 der Verordnung über das Strafregister (SR 331)
in der Fassung vom 13. November 1991, in Kraft seit 1. Januar 1992,
werden in das Zentralstrafregister und in die kantonalen Strafregister
Verurteilungen wegen Übertretungen nur noch eingetragen, sofern eine
Haftstrafe ausgesprochen worden ist. Nicht gegeben ist die Ausnahme
gemäss Art. 9 Ziff. 2bis, wonach die Verurteilungen zu einer Busse
von mehr als 500 Franken wegen Übertretungen in den Fällen in die
Register aufzunehmen sind, in denen der Richter nach dem Gesetz oder
einer Verordnung ermächtigt oder verpflichtet ist, bei einer erneuten
Widerhandlung eine Busse mit einer bestimmten Mindestgrenze oder neben
einer Busse eine Haft- bzw. Gefängnisstrafe auszusprechen (vgl. dazu
JÜRG GIGER, Das neue Strafregisterrecht, ZStrR 1993/111, S. 197 ff.,
203 f.). Damit erübrigt es sich, eine vorzeitige Löschung anzuordnen.