Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IV 179



120 IV 179

30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Mai
1994 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 251 Ziff. 1, Art. 110 Ziff. 5 StGB; Urkundeneigenschaft eines
Telefax.

    Das vom empfangenden Telefaxapparat angefertigte Schriftstück ist eine
Urkunde, wenn das beim Absender verwendete Schriftstück, das fernkopiert
wird, selber Urkundenqualität hat (E. 1c).

Sachverhalt

    A.- Am 14. März 1991 übermittelte die I. SA per Fax der Firma
S. folgenden Text:

    "Sehr geehrter Herr X.

    Ich beziehe mich auf unsere verschiedenen Telefongespräche und möchte

    Ihnen nun unseren Auftrag wie folgt bestätigen.

    Wir kaufen Ihnen folgende Ware gemäss Ihrer Offerte vom 7. März
1991 ab.

    - 50'000 Stk. Interbuy Color Fernseher 51 cm
   mit Fernbedienung (Hersteller Samsung/Korea)       zu Fr. 162.--

    - 50'000 Stk. Interbuy Videorecorder VHS
   mit Fernbedienung (Hersteller Samsung/Korea)       zu Fr. 172.--

    Total Betrag des Auftrages SFr. 16'700'000.--.

    Konditionen

    FOB Zollfreilager Hamburg (unverzollt)

    Zahlung: Wir eröffnen Ihnen auf Ihr Konto bei der Bank Y. ein
   unwiderrufliches Akkreditiv über den gesamten Betrag.

    Wir haben diesen Fall mit unserer Bank besprochen und haben
entschieden,

    Ihnen ein Akkreditiv zu eröffnen, da laut unserer Bank eine
Bankgarantie
   uns nicht die nötige Sicherheit bietet, dass die bestellte Ware auch
   rechtsmässig in unseren Besitz übergeht.

    Das Akkreditiv wird im Laufe des heutigen Tages von der Bank Z. zu

    Gunsten der Bank Y. eröffnet werden und Ihrer Bank per Fax zugestellt.

    In diesem Akkreditiv werden die verschiedenen von uns benötigten
Papiere
   erwähnt sein, damit Sie bei Uebergabe der Papiere an unseren Spediteur
   das

    Akkreditiv einlösen können.

    Wie besprochen, bitte ich Sie, im Laufe des Nachmittages anzurufen
um das
   weitere Vorgehen zu besprechen.

    Mit freundlichen Grüssen

    I. SA

    C.T."

    Die Mitteilung erfolgte ohne Unterschrift, doch war der Name von
Herrn T., wie ersichtlich, sowohl unter der I. SA aufgeführt wie auch im
Ingress des Faxes neben der absendenden Firma.

    B. änderte das bei der Firma S. eingegangene Fax wie folgt ab: Die
Stückpreisangaben von Fr. 162.-- bzw. Fr. 172.-- erhöhte er auf Fr. 320.--
bzw. Fr. 332.-- und den Preis des Gesamtauftrages von Fr. 16'700'000.--
auf Fr. 32'600'000.--.

    Am 11. Januar 1994 verurteilte das Kantonsgericht des Kantons Schwyz
B. in zweiter Instanz wegen Urkundenfälschung sowie weiterer Straftaten
zu drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus.

    Eine von B. dagegen erhobene eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) aa) Die Vorinstanz verurteilte den Beschwerdeführer wegen
Urkundenfälschung, weil er die per Fax übersandte Mitteilung vom
14. März 1991 abgeändert hatte. Sie bejaht die Urkundeneigenschaft,
obwohl das Schriftstück nicht unterzeichnet und nur per Fax übermittelt
wurde. Nach den Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr, insbesondere bei
derartigen Handelsgeschäften, sei die Übermittlung per Fax üblich. Der
Beschwerdeführer habe die Auftragsbestätigung verfälscht, indem er
die Stückpreisangaben wie auch den Preis des Gesamtauftrages nach oben
korrigiert habe.

    bb) Der Beschwerdeführer wendet ein, das fragliche Dokument sei
keine Urkunde gewesen, weshalb dessen Änderung keine Urkundenfälschung
darstelle. Ausserdem seien die subjektiven Voraussetzungen der
Urkundenfälschung nicht gegeben. Im übrigen handle es sich um eine
straflose Nachtat zur Verschleierung des vorangegangenen Vermögensdeliktes
(Veruntreuung oder Betrug).

    b) Gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB ist strafbar, wer in der Absicht,
jemanden am Vermögen oder an andern Rechten zu schädigen oder sich oder
einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, eine Urkunde
fälscht oder verfälscht. Urkunden sind unter anderem Schriften, die
bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu
beweisen (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB; BGE 101 IV 278).

    c) aa) Nach der Rechtsprechung kommt auch der Fotokopie einer
Urkunde Urkundenqualität zu, so dass eine Abänderung der Fotokopie eine
Urkundenfälschung darstellen kann (BGE 115 IV 51 E. 6, 114 IV 26). Eine
per Fax übersandte Mitteilung stellt der Sache nach nichts anderes dar
als eine Kopie der beim Absender verbleibenden Originalmitteilung. Das
Besondere an einer solchen gefaxten Mitteilung liegt einzig darin, dass
die Kopie nicht wie bei der Fotokopie an Ort und Stelle hergestellt
wird, sondern auf Distanz beim Empfänger der Mitteilung. Eine solche
Fernkopie ist unter dem Gesichtspunkt des Urkundenstrafrechtes der
Fotokopie im herkömmlichen Sinne gleichzustellen. Das vom empfangenden
Telefaxapparat angefertigte Schriftstück ist somit eine Urkunde, wenn
das beim Absender verwendete Schriftstück, das fernkopiert wird, selber
Urkundenqualität besitzt (CHRISTIAN SCHÖNING, Telegramm und Fernschreiben
im Urkundenstrafrecht, Pfaffenweiler 1985, S. 334). Das Telefax bietet die
Möglichkeit, dem Mitteilungsempfänger die gegebenenfalls unterschriebene
Urkunde selbst sichtbar zu machen und ihm sogleich das notwendige
Beweismittel in die Hand zu geben, weshalb in der zivilrechtlichen Lehre
angenommen wird, die mittels Telefax übermittelte unterschriebene Urkunde
dürfe dem Brief und dem Telegramm gleichgestellt werden (SCHMIDLIN,
Berner Kommentar zum Obligationenrecht, 1986, Art. 13 N. 32; SCHWENZER,
in: HONSELL/VOGT/WIEGAND, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht,
Obligationenrecht I, 1992, Art. 13 N. 14; vgl. auch BGE 112 II 326
betreffend Vertragsschluss durch Austausch von Telexmeldungen).

    bb) Die hier per Fax versandte Mitteilung hat offenkundig
Urkundencharakter. Aus ihr ist ersichtlich, dass die I. SA unter
Bezugnahme auf vorangegangene Telefongespräche der Firma S. bestätigte,
von ihr gemäss ihrer Offerte je fünfzigtausend Fernseher und Videorecorder
zu einem bestimmten Preis zu kaufen. Das Fehlen der Unterschrift ändert an
der Urkundeneigenschaft nichts. Denn der Aussteller ist hier offensichtlich
erkennbar: Der Name "C. T." ist sowohl im Ingress wie auch am Ende
der Mitteilung neben bzw. unter der absendenden Firma aufgeführt. Der
Beschwerdeführer hat deshalb dadurch, dass er in der bei ihm eingegangenen
Telefaxmitteilung die Stückpreisangaben und den Preis des Gesamtauftrages
abänderte, objektiv den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllt.