Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 II 285



120 II 285

55. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. September 1994 i.S.
B. gegen P. (Berufung) Regeste

    Beistandspflicht des Stiefelternteils (Art. 278 Abs. 2 ZGB); Bemessung
des Unterhaltsbeitrages des Elternteils, dem die elterliche Gewalt nicht
zusteht (Art. 285 Abs. 1 ZGB).

    Bloss subsidiäre Beistandspflicht des Stiefelternteils (E. 2b).

    Der leistungsfähigere Elternteil hat unter Umständen für den gesamten
Barbedarf aufzukommen, wenn der andere dem Kind in umfassender Weise
Naturalpflege zukommen lässt (E. 3a/cc).

    Der Unterhaltsbeitrag des Kindes ist nicht einfach linear nach der
finanziellen Leistungskraft der Eltern und ohne jeden Bezug zur konkreten
Situation des Kindes zu bemessen. Dass dieses mit finanziell weniger
gut gestellten andern Kindern zusammenlebt, ist kein Grund, ihm einen
geringeren Unterhaltsbeitrag zuzusprechen (E. 3b/bb).

    Zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
muss die Entwicklung von Einkommen und Vermögen seit der Scheidung in
Betracht gezogen werden. In bezug auf die künftigen Einkommensaussichten
rechtfertigt die unsichere Wirtschaftslage nicht, von einer Prüfung der
Entwicklungstendenzen im konkreten Berufszweig abzusehen (E. 4b).

Sachverhalt

    A.- Mit Urteil vom 17. April 1985 schied das Bezirksgericht Uster
die Ehe von P. und C. Der aus der Ehe hervorgegangene Sohn B., geboren am
6. Juli 1981, wurde unter die elterliche Gewalt seiner Mutter gestellt. P.
wurde verpflichtet, der Mutter an die Kosten des Unterhalts und der
Erziehung des Sohnes einen monatlichen (indexierten) Unterhaltsbeitrag
von Fr. 500.-- bis zu dessen Mündigkeit zu bezahlen.

    B.- Am 5. November 1990 reichte B. beim Bezirksgericht Hinwil Klage
auf Abänderung des Scheidungsurteils seiner Eltern in bezug auf seinen
Unterhaltsbeitrag ein. Dieses verpflichtete mit Urteil vom 23. Dezember
1992 P. zur Zahlung eines monatlichen (indexierten) Unterhaltsbeitrages
für den Sohn B. von Fr. 900.-- ab 1. November 1990 bis 31. Juli 1998
und von Fr. 1'025.-- ab 1. August 1998 bis zur Mündigkeit. Dieses Urteil
focht B. erfolglos mit Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich an.

    C.- B. beantragt dem Bundesgericht mit seiner Berufung, das Urteil
des Obergerichts vom 5. Januar 1994 aufzuheben. Er verlangt ferner u.a.,
P. sei zu verpflichten, ihm ab 1. November 1990 bis Ende Juli 1991 einen
Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'000.--, von Fr. 1'200.-- ab 1. August 1991
bis Ende Juli 1994 und von Fr. 1'500.-- ab 1. August 1994 bis zu seiner
Mündigkeit zu bezahlen.

    P. beantragt Abweisung der Berufung. Das Obergericht hat auf
Gegenbemerkungen verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Der Kläger wirft dem Obergericht vor, es habe gegen Art. 278
Abs. 2 ZGB verstossen. Er macht geltend, der Stiefelternteil habe
seine Beistandspflicht gegenüber den im gemeinsamen Haushalt lebenden
Stiefkindern direkt und durch Betreuung zu erfüllen; dieser habe an die
finanziellen Kosten höchstens subsidiär beizutragen. Dies gälte um so
mehr, als der Stiefvater, mit dem die Mutter des Klägers seit August
1990 verheiratet sei, eine unbefristete Scheidungsrente zu bezahlen und
überdies seine leiblichen Kinder zu unterstützen habe. Sein Einkommen
müsse deshalb ausser Betracht bleiben.

    b) Gemäss Art. 278 Abs. 2 ZGB hat jeder Ehegatte dem andern in
der Erfüllung der Unterhaltspflicht gegenüber vorehelichen Kindern in
angemessener Weise beizustehen. Stimmt der Stiefelternteil der Aufnahme
vorehelicher Kinder seines Ehepartners in die Hausgemeinschaft zu, so
hat er seinem Ehepartner nur in angemessener Weise beizustehen, denn in
bezug auf seine Leistungspflicht ist er dem leiblichen Elternteil nicht
gleichgestellt. Die Beistandspflicht ist subsidiär; die elterliche
Unterhaltspflicht gegenüber den eigenen leiblichen Kindern geht
vor. Lebt das Kind, wie hier, bei Mutter und Stiefvater, so hat für die
Barkosten des Kinderunterhalts der leibliche Vater aufzukommen (Art. 276
Abs. 2 ZGB). Der Beistand des Stiefvaters besteht darin, dass er einen
allfälligen Unterschied zwischen einem ungenügenden Unterhaltsbeitrag des
leiblichen Vaters und dem Bedarf des Kindes auszugleichen und das Risiko
für die Einbringlichkeit der Unterhaltsbeiträge zu tragen hat (HEGNAUER,
Der Unterhalt des Stiefkindes nach schweizerischem Recht, Festschrift
für W. Müller-Freienfels, Baden-Baden 1986, S. 276 ff.; STETTLER, SPR
III, S. 312 ff.; BRÄM/HASENBÖHLER, N. 140/141 zu Art. 159 ZGB). Mit
der darauf beschränkten Beistandspflicht des Stiefvaters verträgt es
sich nicht, wenn sein gesamtes Erwerbseinkommen für die Berechnung des
(auf die Mutter entfallenden) Unterhaltsbeitrages herangezogen wird,
wie dies im angefochtenen Urteil geschehen ist. Der Beklagte hat sich
seinerseits wieder verheiratet. Seine zweite Ehefrau erzielt - wie den
kantonalen Akten entnommen werden kann - ein erhebliches Erwerbseinkommen,
welches das Obergericht nicht einfach völlig beiseite lassen durfte,
wenn es anderseits das Einkommen des jetzigen Ehemannes der Kindsmutter
bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt hat. Jedenfalls erweist sich
die Beanstandung des Klägers als begründet, dass das Obergericht der nur
subsidiären Beistandspflicht des Stiefvaters in finanzieller Hinsicht
keine Rechnung getragen hat.

Erwägung 3

    3.- Der Kläger macht weiter geltend, das Obergericht habe in mehrfacher
Hinsicht gegen Art. 285 Abs. 1 ZGB verstossen.

    a) aa) Eine Verletzung von Bundesrecht erblickt der Kläger darin,
dass das Obergericht seinen Unterhaltsbedarf ohne jede Begründung
pauschal auf monatlich Fr. 800.-- festgelegt habe. Aus den Empfehlungen
des Jugendamtes des Kantons Zürich für ein Einzelkind in der Altersgruppe
7-16 Jahre ergebe sich indessen ein durchschnittlicher Unterhaltsbedarf
per 1. Januar 1993 von Fr. 1'220.-- und per Ende Dezember 1993 von
Fr. 1'250.--, wobei sich diese Werte auf Haushalte von Arbeitnehmern
in eher bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen bezögen. Auch sei
der erwähnte durchschnittliche Bedarf bei sehr guten wirtschaftlichen
Verhältnissen des Vaters zu erhöhen. Deswegen und auch angesichts der
gehobenen Lebensstellung des Beklagten müsse er sich nicht mit einem
durchschnittlichen Unterhaltsbedarf abfinden, macht der Kläger geltend.

    bb) Bei der Festlegung des Unterhaltsbedarfs für den Kläger ist das
Obergericht zwar von den Berechnungen des Jugendamtes des Kantons Zürich
ausgegangen, hat aber beigefügt, dass es sich dabei um Richtwerte handle,
von denen unter Umständen erheblich abgewichen werden könne. Bei der
Beurteilung der Bedürfnisse des Kindes sei zu beachten - so erwog das
Obergericht weiter - was die Eltern zu leisten vermöchten und welches
ihre Lebensstellung sei; würden in dieser Hinsicht Unterschiede zwischen
den beiden Elternteilen bestehen, so habe das Kind grundsätzlich gegenüber
jedem Elternteil Anspruch darauf, an dessen Lebensstellung teilzuhaben. Im
konkreten Fall lägen die Richtwerte für den Kläger und seine beiden
Halbgeschwister derzeit bei Fr. 945.--, gesamthaft also bei Fr. 34'000.--
pro Jahr. Da die Mutter des Klägers und deren jetziger Ehemann im Jahre
1992 ein Gesamteinkommen von Fr. 100'000.-- erzielt hätten, liege der
Unterhaltsbedarf des Klägers - bezogen auf die Leistungsfähigkeit und
die Lebensstellung der Mutter - etwas unter dem Richtwert, so dass er
auf Fr. 800.-- pro Monat zu beziffern sei.

    cc) Bei den Bedürfnissen des Kindes, die für die Festsetzung der
Unterhaltsbeiträge zu berücksichtigen sind, handelt es sich nicht um eine
von vornherein feststehende Grösse. Das Kind hat vielmehr auf eine den
Verhältnissen seiner Eltern entsprechende Erziehung und Lebensstellung
Anspruch. Leben die Eltern getrennt, so hat das Kind grundsätzlich
gegenüber jedem Elternteil einen Anspruch darauf, an dessen Lebensstellung
teilzuhaben. Von daher rechtfertigt es sich, für die von Vater und Mutter
zu erbringenden Unterhaltsbeiträge auf ihre jeweils unterschiedliche
Lebensstellung abzustellen (BGE 116 II 110 E. 3b S. 113/114).

    Unter diesem Gesichtswinkel ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn die
Vorinstanz den Unterhaltsbedarf des Klägers auf die Verhältnisse der Mutter
zugeschnitten und ihn nach deren Leistungsfähigkeit und Lebensstellung
bemessen hat. Hingegen ist aus der summarischen Begründung im angefochtenen
Urteil nicht ersichtlich, aus welchen Überlegungen das Obergericht den
Richtwert von Fr. 945.-- als zu hoch erachtet und nach welchen Kriterien
es den monatlichen Bedarf des Klägers auf Fr. 800.-- festgelegt hat. Nach
Auffassung der Vorinstanz hat die Mutter des Klägers die Hälfte des auf
ihre Verhältnisse zugeschnittenen Unterhaltsbedarfs, d.h. Fr. 400.--
zu tragen, was der Kläger als unhaltbar und stossend beanstandet.

    Im vorliegenden Fall lebt der Kläger bei seiner Mutter, die ihm die
gesamte Naturalpflege gewährt. Der Beklagte hat nach den Feststellungen
des Bezirksgerichts in den Jahren 1986-1990 ein durchschnittliches
Einkommen von ca. Fr. 150'000.-- erzielt und im Jahre 1992 rund
Fr. 141'000.-- verdient. Dagegen nimmt sich das Erwerbseinkommen der
Mutter, das sich nach dem obergerichtlichen Massnahmeentscheid auf rund
Fr. 22'000.-- pro Jahr beläuft, bescheiden aus. Das Bundesgericht hat
für Fälle der vorliegenden Art den Grundsatz aufgestellt, dass dort,
wo die Leistungsfähigkeit des einen Elternteils erheblich grösser ist
als diejenige des andern, der zudem das Kind in Obhut hat und durch die
tägliche Erziehung sowie die Zurverfügungstellung der Wohnung für das
Kind sorgt (Art. 276 Abs. 2 ZGB), es in keiner Weise zu beanstanden sei,
wenn dem wirtschaftlich leistungsfähigeren Elternteil zugemutet werde,
für den gesamten Bedarf des Kindes aufzukommen (nicht veröffentlichtes
Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. März 1994 in Sachen R.-W. gegen R.,
E. 5). In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung ist es gerechtfertigt,
hier der Mutter, welche dem Kläger in umfassender Weise Naturalpflege
zukommen lässt, nicht noch zusätzlich einen finanziellen Unterhaltsbeitrag
aufzubürden, sondern den überdurchschnittlich leistungsfähigen Vater den
gesamten Barbedarf des Klägers tragen zu lassen.

    b) aa) Das Bezirksgericht hat festgestellt, dass sich die
wirtschaftliche Situation des Beklagten seit der Scheidung im Jahre
1985 erheblich und dauerhaft verbessert hat. Im Blick darauf hat es den
von diesem zu leistenden Unterhaltsbeitrag, der im Scheidungsurteil
auf Fr. 500.-- festgesetzt worden war, angehoben, und zwar für die
Zeitspanne ab 1. November 1990 bis Ende Juli 1998 auf Fr. 900.--, und
für den Zeitraum ab 1. August 1998 bis zur Mündigkeit auf Fr. 1'025.--
pro Monat. Diese Erhöhung hat der Beklagte nicht angefochten.

    Das Obergericht hat jedoch eine weitere Anhebung abgelehnt, und
der Kläger hält dies für bundesrechtswidrig. Er beruft sich auf die
bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach ein Kind vom besser gestellten
Elternteil nicht deshalb weniger Unterhalt bekommen dürfe, weil der andere
in bescheideneren Verhältnissen lebe; massgebend sei die Lebenshaltung
des unterhaltspflichtigen Elternteils.

    bb) Der Unterhaltsbeitrag hat in einem vernünftigen Verhältnis
zur Lebensstellung und zur Leistungsfähigkeit des Beitragspflichtigen
zu stehen. Gestattet sich dieser eine hohe Lebenshaltung, so hat das
Kind grundsätzlich Anspruch darauf, dass auch seine Bedürfnisse höher
veranschlagt werden und dass es seine Wünsche aufwendiger und auch
in erweitertem Umfang befriedigen kann. Immerhin können die Umstände
im Einzelfall ergeben, dass aus erzieherischen Gründen dem Kind eine
einfachere Lebensstellung zukommen soll als diejenige der Eltern (BGE 116
II 110 E. 3b S. 113/114). Damit wollte zum Ausdruck gebracht werden,
dass der Unterhaltsbeitrag des Kindes nicht einfach linear nach der
finanziellen Leistungskraft der Eltern ohne jeden Bezug zur konkreten
Situation des Kindes zu bemessen ist. Vorerst muss jedoch die dem Kind
einzuräumende Lebensstellung aufgrund der von seinen Eltern tatsächlich
praktizierten Lebenshaltung eruiert werden. Hernach ist zu prüfen, ob die
Persönlichkeit des Kindes aus pädagogischen Gründen eine Zurückhaltung
bei der Festlegung des Unterhaltes rechtfertigt.

    Das Obergericht hat die finanzielle Lage des Klägers mit derjenigen
seiner beiden Halbgeschwister verglichen und wegen der dabei bestehenden
Differenz geschlossen, eine weitere Erhöhung des Unterhaltes für
den Kläger sei erzieherisch wegen dessen Bevorzugung gegenüber den
Halbgeschwistern nicht verantwortbar. Diese Argumentation hält einer
näheren Prüfung nicht stand. Einerseits fehlen konkrete Hinweise dafür,
dass es sich auf das persönliche Wachstum des Klägers negativ auswirkte,
wenn er einen höheren Unterhaltsbeitrag erhielte. Anderseits geht es
nicht an, einem Kind aufgrund des zufälligen Umstandes, dass es mit
finanziell weniger gut gestellten andern Kindern in Wohngemeinschaft
lebt, einen geringeren Unterhaltsbeitrag zuzugestehen, als wenn es
allein beim erziehenden Elternteil aufwächst (vgl. dazu auch HEGNAUER,
Grundriss des Kindesrechts, 4. Aufl., S. 47/148, Ziff. 21.15b). Das darf
nicht dem Unterhaltsberechtigten angelastet werden. Die Auffassung der
Vorinstanz hat auch zur Folge, dass der unterhaltspflichtige Elternteil
in einem solchen Fall von vornherein weniger leisten müsste und dadurch
in ungerechtfertigter Weise entlastet würde. Was das finanzielle Gefälle
zwischen miteinander aufwachsenden, aus unterschiedlichen Ehen stammenden
Kindern betrifft, so obliegt es dem erziehenden Elternteil dafür zu sorgen,
dass dieses Ungleichgewicht nicht zu einer Benachteiligung einzelner
Kinder führt.

    cc) Auch das weitere Argument des Obergerichts, es sei nicht
einzusehen, wie der Kläger zusätzliche Mittel sinnvoll verwenden könnte,
weshalb eine weitere Erhöhung der Unterhaltsbeiträge nicht in Frage
komme, vermag nicht zu überzeugen. Der Kläger ist derzeit 13jährig. Bei
Jugendlichen in diesem Alter fallen erfahrungsgemäss erhebliche Kosten für
Freizeitaktivitäten und für die Befriedigung kultureller Bedürfnisse an;
der Kläger betätigt sich denn auch in mehreren Sportvereinen. Vor allem
aber ist die Ausbildung heute sehr kostenintensiv. Es macht durchaus Sinn,
im Hinblick auf die berufliche Ausbildung oder ein mögliches Studium
bereits jetzt vorzusorgen.

Erwägung 4

    4.- a) Im angefochtenen Urteil wird weiter ausgeführt, selbst wenn
der Beklagte heute ausserordentlich gut gestellt wäre, sei eine weitere
Erhöhung des Unterhaltsbeitrages nicht zu rechtfertigen. Deshalb
erübrige es sich abzuklären, inwieweit sich die wirtschaftlichen
Verhältnisse des Beklagten seit der Scheidung verbessert hätten. Das
Obergericht fährt fort, das Einkommen und Vermögen des selbständig
tätigen Beklagten liesse sich bestenfalls bis zum Jahre 1992 sicher
ermitteln, womit für die Folgezeit aber wenig gewonnen sei. Weil die
Wirtschaftslage derzeit unsicher sei und sich nach wie vor nicht gerade
günstig entwickle, liesse es sich keinesfalls rechtfertigen, aufgrund des
heute beweisbaren Einkommens und Vermögens des Beklagten wesentlich höhere
Unterhaltsbeiträge festzusetzen. Nur wenn klare Hinweise bestehen würden,
dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten sehr stabil seien,
wäre eine weitere Erhöhung denkbar.

    Der Kläger beanstandet diese Auffassung als bundesrechtswidrig und
macht geltend, es komme entscheidend auf die seit dem Scheidungsurteil
eingetretene kontinuierliche Einkommensverbesserung beim Beklagten an.

    b) Ob erhebliche und dauerhaft veränderte Verhältnisse gegeben
sind, beurteilt sich nach der Tatbestandsfeststellung und der Prognose
im Scheidungsurteil einerseits und den derzeitigen sowie den für die
absehbare Zukunft gegebenen Verhältnissen anderseits. Ein ungewisser, bloss
hypothetischer künftiger Sachverhalt ist kein Abänderungsgrund. Dagegen
können konkrete Anhaltspunkte für das bevorstehende Eintreten veränderter
Verhältnisse und das Interesse an einer Klärung der Rechtslage eine
Urteilsabänderung rechtfertigen (BÜHLER/SPÜHLER, N. 85 zu Art. 157
ZGB). Die Veränderung der Verhältnisse darf zwar nicht schon bei der
Festsetzung des Beitrages im Scheidungsurteil berücksichtigt worden
sein. Ist dies aber nicht geschehen, so sind für die Frage der Neuregelung
primär die im Zeitpunkt der Beurteilung bestehenden Verhältnisse
resp. die bis dahin eingetretene Entwicklung der finanziellen Lage des
Unterhaltspflichtigen massgebend. Dabei fällt jede Einkommensverbesserung
auf Seiten des leistungspflichtigen Elternteils als eine Verbesserung
seiner Leistungsfähigkeit in Betracht (BÜHLER/SPÜHLER, N. 151 zu
Art. 157 ZGB). Berücksichtigt werden kann zudem die in naher Zukunft sich
abzeichnende Entwicklung der Verhältnisse, um spätere Abänderungsverfahren
soweit wie möglich zu vermeiden (STETTLER, SPR III/2, S. 326). Nur gerade
unter Berufung auf die Unsicherheit der allgemeinen Wirtschaftslage jede
weitere Erhöhung der Unterhaltsbeiträge a priori abzulehnen, wie dies
das Obergericht getan hat, ist indessen nicht haltbar. Vielmehr muss die
Entwicklung von Einkommen und Vermögen des Beklagten in der Zeit seit der
Scheidung in Betracht gezogen werden. In bezug auf die künftige Entwicklung
genügt eine vage Prognose zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des
Beklagten im Sinne von Art. 285 Abs. 1 ZGB nicht, vielmehr sind die
Entwicklungstendenzen im konkreten Berufszweig zu ermitteln. Insoweit
ist der Sachverhalt nicht genügend abgeklärt.