Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 II 206



120 II 206

38. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Juni 1994 i.S. Urs
H.K. und Charles O. gegen Christian G. (Berufung) Regeste

    Begründung einer Mietzinserhöhung (Art. 269d OR; Art. 19 Abs.
1 lit. a VMWG).

    Die Begründung einer Mietzinserhöhung ist im Formular selbst
anzugeben; sie gehört zum notwendigen Bestandteil des Formulars und
hat den Erfordernissen der qualifizierten Schriftlichkeit zu genügen
(E. 3a). Eine im Formular fehlende Begründung der Mietzinserhöhung kann
nicht mittels Anhang oder Begleitschreiben ersetzt werden (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- Mit amtlichem Formular vom 19. März 1992 kündigten Urs H.K. und
Charles O. ihrem Untermieter Christian G. eine Mietzinserhöhung auf
den 1. April 1992 an, wobei sie zur Begründung der Erhöhung auf das
in Kopie beigelegte Formular des Hauptvermieters verwiesen. In einem
Begleitschreiben teilten sie dem Untermieter mit, er habe vorläufig den
alten Mietzins zu bezahlen, da sie die ihnen angekündigte Mietzinserhöhung
anfechten würden. In der Folge schlossen Urs H.K. und Charles O. mit
ihrem Vermieter einen Vergleich hinsichtlich der Höhe des Mietzinses. Den
Vergleich teilten sie Christian G. mit, der sich damit nicht einverstanden
erklärte.

    Nachdem Urs H.K. und Charles O. (nachfolgend Kläger) dem
Untermieter (nachfolgend Beklagter) erfolglos Frist zur Zahlung der
seit dem 1. April 1992 bestehenden Mietzinsdifferenz gesetzt hatten,
kündigten sie das Untermietverhältnis und verlangten im Anschluss daran
die Ausweisung von Christian G. Der Untermieter focht die Kündigung
an. Mit Verfügung vom 22. Juni 1993 lehnte der zuständige Einzelrichter
das Kündigungsschutzbegehren ab und ordnete die sofortige Räumung des
Mietobjektes an. Auf Rekurs des Beklagten hin hob das Obergericht den
Entscheid des Einzelrichters auf und wies das Ausweisungsbegehren der
Kläger ab.

    Die von den Klägern erhobene Berufung weist das Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Im angefochtenen Beschluss hat das Obergericht die
Mietzinserhöhung vom 19. März 1992 wegen fehlender Bestimmtheit als
unwirksam bezeichnet und die Mitteilung des Vergleichs hinsichtlich
der Mietzinserhöhung als nichtig erachtet, da diese nicht mit amtlichem
Formular erfolgt sei. Ausgehend von einer nichtigen Mietzinserhöhung
hat es die Voraussetzungen für eine ausserordentliche Kündigung gemäss
Art. 257d OR verneint und das Ausweisungsbegehren abgewiesen. Diese
Betrachtungsweise ist nach Auffassung der Kläger bundesrechtswidrig. Sie
machen ausdrücklich eine Verletzung von Art. 269d OR in Verbindung mit
Art. 19 VMWG (Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn-
und Geschäftsräumen, SR 221.213.11) sowie von Art. 270b OR geltend.

    b) Der angefochtene Beschluss ist insofern unklar, als das Obergericht
die am 19. März 1992 angekündigte Mietzinserhöhung als "unwirksam"
bezeichnet, ohne auszuführen, ob damit Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit
gemeint ist. Die Kläger ihrerseits bestreiten, dass ein Nichtigkeitsgrund
im Sinne von Art. 269d Abs. 2 OR vorliegt, und weisen darauf hin, dass
der Untermietvertrag auch die Weitergabe von Mietzinserhöhungen aus dem
Hauptmietverhältnis umfasse, was vorliegend geschehen sei; der Beklagte
habe die Mietzinserhöhung vom 19. März 1992 nicht angefochten.

Erwägung 3

    3.- a) Mietzinserhöhungen sind mindestens zehn Tage vor Beginn der
Kündigungsfrist auf einem vom Kanton genehmigten Formular mitzuteilen
und zu begründen (Art. 269d OR). Gesetzlich vorgeschrieben ist
eine qualifizierte Schriftform, da sie nicht nur die Art, sondern
auch den Inhalt der Mitteilung umfasst (BGE 118 II 130 E. 2b und c
S. 132 f.; SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 63 und 67 zu Art. 11 OR;
SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 35 und 55 f. zu Art. 11
OR). Das Mietrecht, ein durch Formstrenge gekennzeichnetes Rechtsgebiet,
lässt Ausnahmen von einer zum Schutz des Mieters aufgestellten Regel
grundsätzlich nicht zu (BGE 117 II 415 E. 5d S. 420 f.). Art. 269d OR
verlangt ausdrücklich die Begründung der Mietzinserhöhung im Formular
selbst; sie gehört zum notwendigen Bestandteil des Formulars und hat auch
den Erfordernissen der qualifizierten Schriftlichkeit zu genügen. Sinn und
Zweck von Art. 269d OR ist es, dem Mieter ein klares Bild über Tragweite
und Berechtigung der Mietzinserhöhung zu verschaffen (vgl. auch BGE 118 II
130 E. 2b S. 132, 117 II 458 E. 2a S. 460). An der unter altem Mietrecht
geltenden Praxis ist festzuhalten, wonach es dem Vermieter durchaus
frei steht, die im Formular genannten Gründe für die Mietzinserhöhung
in einem begleitenden Schreiben näher auszuführen und zu erläutern
(BGE 106 II 166 E. 4 S. 168, 356 E. 3c S. 360). Art. 19 Abs. 1 lit. a
Ziff. 4 VMWG steht nicht entgegen, ein solches Begleitschreiben bei der
vertrauenstheoretischen Auslegung der Erklärung des Vermieters beizuziehen.

    b) Die Kläger haben die für den 1. April 1992 vorgesehene
Mietzinserhöhung ihrem Untermieter mit dem amtlichen Formular vom 19. März
1992 angezeigt. Zur Begründung haben sie auf die in Kopie beigelegte
Ankündigung der Mietzinserhöhung durch den Hauptvermieter verwiesen. Dieser
blosse Verweis genügt der mietrechtlichen Formstrenge nicht. Das beigelegte
Formular des Hauptvermieters kann lediglich als Anhang zur Ankündigung
der Mietzinserhöhung angesehen werden. Unter diesen Umständen ist die
Mietzinserhöhung gemäss Art. 269d Abs. 2 lit. b OR nichtig. An dieser
Schlussfolgerung ändert auch das Begleitschreiben vom 19. März 1994
nichts; dieses kann die im Formular fehlende Begründung nicht ersetzen,
sondern bloss ergänzen. Das Schreiben ist, wie das Obergericht zu Recht
ausführt, alles andere als klar und wäre bei einer Auslegung nach Treu
und Glauben zuungunsten der Kläger zu würdigen. Gemäss Art. 19 Abs. 1
lit. a Ziff. 4 VMWG muss die Begründung der Mietzinserhöhung klar
sein. Das Begleitschreiben enthält keine Angaben über den Betrag der
vorgesehenen Mietzinserhöhung und über dessen Fälligkeit. Ebensowenig
musste der Beklagte bei Erhalt dieses Schreibens davon ausgehen, er selbst
habe die angekündigte Erhöhung ebenfalls anzufechten. Die gesetzlichen
Anforderungen an die Begründungspflicht gemäss Art. 269d OR wären selbst
dann nicht erfüllt, wenn man das Vorgehen der Kläger als solches, entgegen
der klaren Rechtsprechung, genügen liesse.

    Erweist sich die Mietzinserhöhung vom 19. März 1992 als nichtig und
steht fest, dass nachher keine formgültige Mietzinserhöhung erfolgt
und der Beklagte seinen vertraglichen Zahlungspflichten nachgekommen
ist, so fehlt es an dem für die ausserordentliche Kündigung gemäss
Art. 257d OR vorausgesetzten Zahlungsrückstand. Mit der Abweisung des
Ausweisungsbegehrens hat das Obergericht kein Bundesrecht verletzt.