Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 III 92



120 III 92

30. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 1.
Juli 1994 i.S. X. S.p.A. (Rekurs) Regeste

    Arrestbetreibung (Art. 278 Abs. 1 SchKG); Lugano-Übereinkommen
vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
(SR 0.275.11).

    Die Einleitung der Betreibung (Ausstellung des Zahlungsbefehls)
am Arrestort verstösst nicht gegen das Lugano-Übereinkommen.

Sachverhalt

    A.- Das Betreibungsamt M. vollzog am 20. Juli 1992 den von Z.
gegen die in Italien domizilierte X. S.p.A. erwirkten Arrestbefehl
des Gerichtspräsidiums R. vom 17. Juli 1992. In der zur Prosequierung
des Arrestes eingeleiteten Betreibung stellte das Betreibungsamt M. am
3. August 1992 den Zahlungsbefehl aus. Am 23. November 1993 vollzog es
alsdann die Pfändung.

    Dem von der X. S.p.A. mit Beschwerde vom 14. Januar 1994 gestellten
Begehren, sämtliche Betreibungshandlungen für nichtig zu erklären,
haben weder die untere noch die obere kantonale Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen stattgegeben.

    Unter Erneuerung des im kantonalen Verfahren gestellten
Rechtsbegehrens hat die X. S.p.A. gegen den Entscheid der oberen kantonalen
Aufsichtsbehörde vom 28. April 1994 Rekurs an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts erhoben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) Sodann ist die Rekurrentin - hauptsächlich unter
Berufung auf WALTER A. STOFFEL (Ausschliessliche Gerichtsstände des
Lugano-Übereinkommens und SchKG-Verfahren, insbesondere Rechtsöffnung,
Widerspruchsklage und Arrest, in: Beiträge zum schweizerischen und
internationalen Zivilprozessrecht, Festschrift für Oskar Vogel, Freiburg
1991, S. 357 ff.) - der Ansicht, die am Ort des Arrestes zu dessen
Prosequierung eingeleitete Betreibung sei nichtig zu erklären, jedenfalls
aber aufzuheben, weil sie gegen das Lugano-Übereinkommen verstosse. Danach
seien sogenannte exorbitante Gerichtsstände, zu denen gemäss Art. 3 Abs. 2
LugÜ für die Schweiz ausdrücklich der Gerichtsstand des Arrestortes gehöre,
ausgeschlossen. Unter dem Lugano-Übereinkommen vermöge der Arrestort
mit andern Worten keinen Prosequierungsgerichtsstand mehr zu begründen;
der Arrest könne am betreffenden Ort nur noch dann prosequiert werden,
wenn sich dort zufällig ein anderer - zulässiger - Gerichtsstand befinde.

    b) Diese Vorbringen sind unbegründet. Die Rekurrentin verkennt, dass
der von ihr angerufene Autor davon ausgeht, dass auch in Fällen, wo am
Arrestort nicht zugleich ein Gerichtsstand gemäss Lugano-Übereinkommen
besteht, am erwähnten Ort ein Zahlungsbefehl zur Aufrechterhaltung des
Arrestes erlassen werden darf. Zwar ergibt sich dieser Schluss nicht
direkt aus der Qualifizierung des Zahlungsbefehls als Instrument der
Zwangsvollstreckung, um welche es (noch) nicht geht; die Prosequierung
durch Zahlungsbefehl ist jedoch als Bestandteil eines Verfahrens um
einstweiligen Rechtsschutz zu verstehen, wofür Art. 24 LugÜ ausdrücklich
einen Vorbehalt zu Gunsten des betreffenden Staates enthält (STOFFEL,
aaO S. 393). Der Erlass eines Zahlungsbefehls am Arrestort ist auch
nach ISAAK MEIER nicht schlechthin ausgeschlossen, doch vertritt dieser
Autor die Auffassung, dass, sofern noch nicht geschehen, zuvor bei
dem nach Lugano-Übereinkommen zuständigen Richter ein Entscheid über
die Forderung erwirkt werden müsse (Besondere Vollstreckungstitel
nach dem Lugano-Übereinkommen, in: IVO SCHWANDER [Hrsg.], Das
Lugano-Übereinkommen, St. Galler Studien zum internationalen Recht,
St. Gallen 1990, S. 208 f.). AMONN hält seinerseits dafür, dass nicht
nur die Prosequierungsbetreibung am Arrestort durchgeführt werden
dürfe, sondern auch das Rechtsöffnungsverfahren (vgl. Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. A., § 51 Rz. 85a).

    c) Die blosse Ausstellung des Zahlungsbefehls zur Aufrechterhaltung
des Arrestes im Sinne von Art. 278 SchKG verstösst insofern nicht gegen
das Lugano-Übereinkommen, als sich daraus nicht zwingend die örtliche
Zuständigkeit des Richters ergibt, der über den Bestand der Arrest-
bzw. Betreibungsforderung zu befinden hat. Der Rekurs ist mithin auch
in diesem Punkt abzuweisen. Ob der Auffassung von AMONN bezüglich
des Gerichtsstandes für die Rechtsöffnung beigepflichtet werden kann,
ist eine Frage, die nicht in die Zuständigkeit der erkennenden Kammer
fällt. Im übrigen ist sie im vorliegenden Fall gegenstandslos, da
der Rekursgegner mit Eingabe vom 23. Oktober 1992 gestützt auf eine
entsprechende Gerichtsstandsklausel beim Richteramt A., d.h. am Ort seines
Wohnsitzes, gegen die Rekurrentin Klage erhoben hat unter anderem mit
dem Antrag, es seien die Arreste, die er auf verschiedenen Guthaben der
Rekurrentin aus von ihm für sie getätigten Kaufabschlüssen gegenüber Kunden
erwirkt habe, zu prosequieren, soweit die Rekurrentin in den betreffenden
Arrestbetreibungen Rechtsvorschlag erhoben habe bzw. noch erheben werde.