Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 III 75



120 III 75

24. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 26.
August 1994 i.S. A. S. (Rekurs) Regeste

    Arrestierung einer Freizügigkeitsleistung (Art. 275 SchKG, Art. 92
Ziff. 13 SchKG).

    Sobald die Voraussetzungen für die Auszahlung der
Freizügigkeitsleistung gegeben sind, wird diese pfändbar und damit auch
arrestierbar (E. 1a).

    Zeitpunkt des Arrestvollzugs (E. 1b u. E. 1c).

    Rechtsmissbräuchlicher Widerruf des Auszahlungsbegehrens (E. 1d).

Sachverhalt

    A.- Nachdem A. S. seinen Arbeitsvertrag mit der X. auf den 31. Januar
1994 gekündigt hatte, beantragte er am 28. Januar 1994 gegenüber der
Vorsorgestiftung Y. die Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung, da er
die Schweiz endgültig verlasse.

    Am 8. Februar 1994 erwirkte die X. beim Einzelrichter im
summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Zürich gegen A. S. einen
Arrestbefehl; als Arrestgegenstand wurden dessen sämtliche Ansprüche auf
Freizügigkeitsleistung gegenüber der Vorsorgestiftung Y. bezeichnet. Das
Betreibungsamt Zürich 8 teilte am 10. Februar 1994 der Vorsorgestiftung
Y. mit, dass die Ansprüche von A. S. ihr gegenüber im Umfang des
Arrestbefehls mit Beschlag belegt seien und forderte sie zur Herausgabe
derselben auf. Nachdem die Vorsorgestiftung Y. am 3. März 1994 das
voraussichtliche Freizügigkeitsguthaben von A. S. auf Fr. 85'973.--
beziffert hatte, stellte das Betreibungsamt am 7. März 1994 den Vollzug
des Arrestes in der genannten Höhe fest.

    Das Bezirksgericht Zürich wies die von A. S. gegen den Arrestvollzug
erhobene Beschwerde am 13. Juni 1994 ab, welcher Beschluss vom Obergericht
des Kantons Zürich am 22. Juli 1994 bestätigt wurde.

    A. S. hat sich mit Rekurs vom 5. August 1994 an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts gewandt. Er beantragt die Aufhebung
des obergerichtlichen Beschlusses, die Gutheissung der Beschwerde
gegen den Arrestvollzug und die Aufhebung des Arrestes auf seinen
Freizügigkeitsansprüchen im Schätzungswert von Fr. 85'973.--; allenfalls
sei die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Rückweisung
der Sache zur Neubeurteilung an die obere kantonale Aufsichtsbehörde
vorzunehmen.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Rekurrent ist der Ansicht, dass sein Guthaben bei der
Vorsorgestiftung Y. nicht mit Arrest belegt werden könne, da es im
Zeitpunkt des Arrestvollzugs, nämlich am 7. März 1994, nicht fällig
gewesen sei; die zusätzlich zum Auszahlungsbegehren nötigen Belege über
das definitive Verlassen der Schweiz hätten gefehlt. Im übrigen habe er
seinen Antrag auf Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung bereits am
14./16. Februar 1994 widerrufen.

    a) Die kantonale Aufsichtsbehörde hat für das Bundesgericht verbindlich
festgestellt (Art. 63 Abs. 2 OG in Verbindung mit Art. 81 OG), dass der
Rekurrent am 28. Januar 1994 die Auszahlung seines Freizügigkeitsguthabens
verlangt und die Schweiz endgültig verlassen habe; er wohne nun gemäss
eigenen Angaben in X. Damit sind die tatsächlichen Gegebenheiten,
für die der Anspruchsberechtigte beweispflichtig ist, dargetan. Der
Rekurrent erfüllt die Voraussetzungen, die seiner Vorsorgeeinrichtung
die Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung erlaubt (Art. 30 Abs. 2
lit. a BVG, Art. 331c Abs. 4 lit. b Ziff. 1 OR; BGE 119 III 18 E. b S. 20
ff.; MAURER, Bundessozialversicherungsrecht, Basel 1993, S. 215). Mit
dem Eintritt eines der leistungsbegründenden Ereignisse wird die
Freizügigkeitsleistung zugleich pfändbar und damit auch arrestierbar
(Art. 92 Ziff. 13 SchKG, Art. 275 SchKG; BGE 120 III 75 E. 4).

    b) Das Betreibungsamt setzte die Vorsorgeeinrichtung am 10. Februar
1994 über die Arrestbewilligung in Kenntnis und eröffnete ihr, dass das
Freizügigkeitsguthaben des Rekurrenten in der Höhe der Arrestforderung mit
Beschlag belegt worden sei. Die entsprechenden Vermögenswerte oder die zu
ihrem Nachweis erforderlichen Unterlagen seien zur Verfügung zu stellen,
oder das Vorhandensein von Arrestgegenständen sei zu bestreiten. Inwieweit
der Arrestbeschlag aufrecht erhalten bleibe, werde nach Kenntnis der
vorhandenen Aktiven entschieden. Ferner wurde die Vorsorgeeinrichtung
auf die Straffolgen einer eigenmächtigen Verfügung über die gesperrten
Werte hingewiesen. Dieser Vorgang entspricht bereits dem Arrestvollzug
(Art. 99 SchKG in Verbindung mit Art. 275 SchKG). Mit dem am 7. März
1994 vom Betreibungsamt auf der Arresturkunde vermerkten Schätzungswert
von Fr. 85'973.--, entsprechend der von der Vorsorgeeinrichtung
bekanntgegebenen Höhe der Freizügigkeitsleistung, wurde lediglich der
genaue Umfang des Arrestbeschlags festgehalten.

    c) Der Rekurrent - und offenbar auch die kantonalen Aufsichtsbehörden
- gehen davon aus, dass die Arrestlegung erst am 7. März 1994 erfolgt
sei; über die Bedeutung des vom Betreibungsamt der Vorsorgeeinrichtung
bereits am 10. Februar 1994 zugestellten Schreibens finden sich weder
im angefochtenen Beschluss noch in der Rekursschrift irgendwelche
Ausführungen. Diese Auffassung widerspricht jedoch der Natur des
Arrestes als reinem Sicherungsmittel in der betreibungsrechtlichen
Zwangsvollstreckung, der nur einen Sinn hat, wenn er überfallartig erfolgt;
irgendwelche Vorzugsrechte werden dem Gläubiger dadurch allerdings nicht
eingeräumt (BGE 117 Ia 505; 107 III 29 E. 3 S. 31; AMONN, Grundriss
des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes, 5.A. Bern 1993, S. 399 N. 2,
S. 405 N. 31).

    Mit dem Ziel der Arrestlegung ist insbesondere nicht vereinbar,
zwischen einer gleichsam vorsorglichen Sperre und dem eigentlichen Vollzug
zu unterscheiden. Jedes andere Verständnis findet nicht nur keine Stütze
im Gesetz, es würde zudem zu einer (überflüssigen) Sicherstellung der
spätern Beschlagnahme im Rahmen des Arrestes führen (BGE 75 III 106
E. 1 S. 108). Dafür besteht kein Bedarf, denn der Arrest ist umgehend
zu vollziehen (JAEGER, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und
Konkurs, 3.A. Zürich 1911, zweiter Band, Art. 274 N. 4). Einzig im Rahmen
des Pfändungsvollzugs ist unter Umständen eine vorsorgliche Sperre von
Guthaben bei Dritten notwendig und erlaubt (BGE 107 III 67 E. 2 S. 71).

    d) Der Widerruf des Auszahlungsbegehrens vom 14./16. Februar 1994
ist somit im Anschluss an den Arrestvollzug erfolgt. Es entspricht
einem leitenden Grundsatz, dass die Freizügigkeitsleistung grundsätzlich
für die Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes bestimmt ist und daher
eine Barauszahlung nur in den gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen in
Frage kommt (BGE 119 III 18 E. 2a/b S. 19; MAURER, aaO, S. 215). Ob der
Rekurrent auf seinen ursprünglichen Entscheid, von der Vorsorgeeinrichtung
die Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung anzufordern, zurückkommen
kann und damit allenfalls den entsprechenden Betrag der Arrestlegung
rückwirkend entziehen kann, braucht indessen nicht entschieden zu
werden. Die weitern im angefochtenen Beschluss erwähnten Arreste und
die von der obern kantonalen Aufsichtsbehörde festgestellte Absicht des
Rekurrenten, seinen Anspruch gegenüber der Vorsorgeeinrichtung doch noch
der Arrestlegung zu entziehen, lassen nämlich ohne weiteres den Schluss
zu, dass gerade der Widerruf vom 14./16. Februar 1994 einzig dem Ziel
diente, die Gläubiger zu schädigen; ein solches Ansinnen erweist sich
als rechtsmissbräuchlich und verdient daher keinen Schutz (Art. 2 ZGB;
BGE 118 III 27 E. e S. 33).