Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 III 32



120 III 32

13. Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 24. März 1994 i.S.
Kanton Tessin (Rekurs) Regeste

    Kollokationsprozess über öffentlichrechtliche Forderungen; Art. 250
SchKG.

    Auch für öffentlichrechtliche Forderungen kann ein Kollokationsprozess
nach Massgabe von Art. 250 SchKG angestrengt werden. Für die Beurteilung
der Kollokationsklage ist der Konkursrichter am Ort, wo der Konkurs
durchgeführt wird, zuständig. Änderung der Rechtsprechung (E. 2).

    Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der Konkursverwaltung und dem
über die Kollokationsklage befindenden Konkursrichter (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Nachdem, in Abänderung des Kollokationsplanes und des
Lastenverzeichnisses im Konkurs der Monagal AG, Forderungen des Kantons
Tessin und der Einwohnergemeinde Massagno als pfandgesichert aufgenommen
worden waren, beschwerte sich die Solothurner Handelsbank bei der
Aufsichtsbehörde des Kantons Solothurn. Diese erkannte mit Urteil vom
16. Dezember 1993:

    "1. a) Die Beschwerde der Solothurner Handelsbank wird teilweise
   gutgeheissen.

    b) Von den Forderungen der Einwohnergemeinde Massagno sind im Sinne
   der Erwägungen bloss Fr. 7'616.50 an Steuern und Fr. 1'944.20 an

    Kanalisationsgebühren (jeweils nebst Zins zu 5% seit Verfall) als
   gesetzlich grundpfandversichert zuzulassen; die restlichen Forderungen
   der

    Gemeinde sind nicht in das Lastenverzeichnis aufzunehmen und in die 5.

    Klasse zu verweisen.

    2. Die Beschwerde des Kantons Tessin wird abgewiesen, soweit darauf
   eingetreten werden kann.

    3. Es werden keine Kosten erhoben."

    B.- Mit Rekursschrift vom 20. Januar 1994 zog der Kanton Tessin,
vertreten durch das Finanzdepartement, die Sache an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts weiter. Er beantragte die Aufhebung
des angefochtenen Entscheides und wollte alle seine im Konkurs der Monagal
AG angemeldeten Forderungen als pfandgesichert kolloziert wissen.

    Der Rekurs wurde von der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Insoweit von der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs
des Kantons Solothurn begründet wird, weshalb die Konkursverwaltung
- ausnahmsweise - zur Korrektur des Kollokationsplanes befugt war,
widerspricht der Rekurrent den Ausführungen im angefochtenen Entscheid
nicht. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat ihre Auffassung auf die
Rechtsprechung gestützt (BGE 96 III 74 E. 3, S. 78 f.; 98 III 67 E. 3,
S. 70), und in deren Licht erscheint die Korrektur des Kollokationsplanes
in der Tat als bundesrechtskonform (siehe auch FRITZSCHE/WALDER,
Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band II, Zürich
1993, § 49, N. 35 f., insbesondere Anm. 81).

Erwägung 2

    2.- Der Rekurrent spricht nun aber der Aufsichtsbehörde des Kantons
Solothurn die Befugnis ab, über die Kollokation der angemeldeten
Forderungen zu befinden. Es handle sich um Steuerforderungen, welche
rechtskräftig veranlagt worden seien und für welche die tessinische
Steuergesetzgebung ein gesetzliches Pfandrecht einräume. Zuständig zur
Feststellung des Bestandes einer Steuerforderung wie auch des gesetzlichen
Pfandrechtes seien - wie das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung
festgehalten habe - die kantonalen Verwaltungs- und Gerichtsbehörden
und nicht die Konkursverwaltung oder (im Sinne von Art. 250 SchKG)
der Konkursrichter. Dieser müsse sich als unzuständig erklären und die
Parteien an die in Steuersachen zuständige Gerichtsbehörde verweisen,
deren Entscheid für die Kollokation verbindlich sei. Das gelte nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht nur für die öffentlichrechtliche
Forderung an sich, sondern auch für das sie sichernde Pfandrecht.

    a) In der Tat ist nach einer älteren bundesgerichtlichen Rechtsprechung
der Entscheid über Bestand, Umfang und konkursrechtliche Qualifikation
einer im Konkurs eingegebenen Steuerforderung ausschliesslich den nach den
Vorschriften über den Steuerprozess dazu berufenen Behörden vorbehalten
(BGE 85 I 121 E. 3a, S. 125). Die Rechtsprechung hat es als eine unnötige
Komplikation bezeichnet, wenn wegen einer öffentlichrechtlichen Forderung
die Kollokationsklage angestrengt würde. Der Konkursrichter müsste sich
nämlich darauf beschränken, das Urteil über die Kollokationsklage bis
zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde bzw. des Verwaltungsgerichts
auszusetzen, um nachher einfach die Kollokation oder Nichtkollokation
gemäss jener Entscheidung anzuordnen. Unter diesen Umständen bleibe
für die Kollokationsklage praktisch überhaupt kein Raum, sondern der
Streit über die Zulassung der Forderung sei endgültig vor den materiell
zuständigen Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten auszutragen,
sofern ihre Entscheidung nicht bereits vorliege (BGE 62 II 300 E. 4,
S. 304; ferner BGE 77 III 43, S. 45 f.; 59 II 314, S. 317; 48 III 228, S.
230 f.).

    Von dieser Rechtsprechung, welche die Kollokationsklage für
öffentlichrechtliche Forderungen rundweg ausgeschlossen hat, wenn
andere Behörden als die Zivilgerichte zur Entscheidung darüber zuständig
sind (BGE 57 III 176), ist das Bundesgericht in BGE 63 III 57, S. 61,
abgewichen. Es ging um eine Forderung der Suval, und deren Kollokation
sollte - nach der dort vom Bundesgericht vertretenen Auffassung - durch
Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht verlangt werden. In einem Urteil
vom 2. November 1993 hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts dafürgehalten, dass über die Kollokation von Forderungen,
welche im öffentlichen Recht begründet sind, die für diesbezügliche
Streitigkeiten zuständigen Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden
befinden müssten. Die an jenem Fall ebenfalls beteiligten Tessiner
Behörden können sich jedoch der Auffassung des Bundesgerichts
nicht anschliessen. Sie möchten von einem Kollokationsprozess um
öffentlichrechtliche Forderungen überhaupt nichts wissen und weisen
zutreffend darauf hin, dass die frühere Rechtsprechung den Entscheid über
Bestand und Höhe einer öffentlichrechtlichen Forderung den zuständigen
Verwaltungsbehörden überlassen und deren Entscheid als für die Kollokation
verbindlich bezeichnet hat.

    b) Bei erneuter Betrachtung kann an der Rechtsprechung,
wonach der Kollokationsprozess für öffentlichrechtliche Forderungen
ausgeschlossen sein soll, nicht festgehalten werden. Der Entscheid über
die materiellrechtliche Begründetheit ist ein anderer als der Entscheid
über die vollstreckungsrechtliche Frage der Kollokation. In der jüngsten
Literatur wird denn auch erklärt, dass die Kollokationsgerichtsbarkeit zur
Ordnung des Konkursverfahrens gehöre und als zwingend zu betrachten sei
(FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
Band II, Zürich 1993, § 49 Rz. 29).

    In dem die zitierte Rechtsprechung einleitenden BGE 48 III 228
ist gesagt worden, es könne keinem Zweifel unterliegen, dass eine aus
öffentlichem Recht hergeleitete Forderung des Fiskus als Konkursforderung
anerkannt werden müsse. Das ist grundsätzlich zweifellos richtig; doch
völlig auszuschliessen ist die Möglichkeit nicht, dass Bestand und Höhe
einer öffentlichrechtlichen Forderung im Laufe eines Konkursverfahrens
streitig werden. Insbesondere aber ist ein im Kollokationsprozess
auszutragender Streit hinsichtlich des Rangverhältnisses oder - wie
gerade der vorliegende Fall zeigt - der Gültigkeit eines Pfandrechtes
leicht denkbar. Es liegt im Wesen des gesetzlichen Pfandrechtes,
wie es hier zur Diskussion steht, dass die übrigen Konkursgläubiger
hintangestellt und allenfalls zu Unrecht benachteiligt werden (vgl. BGE
85 I 121 E. 3, S. 125). Daher sollen die übrigen Konkursgläubiger sich
in einem Kollokationsprozess dagegen zur Wehr setzen können, dass einer
öffentlichrechtlichen Forderung ein ihr nicht zukommender Rang eingeräumt
wird oder dass sie gar unberechtigterweise als (gesetzlich) pfandgesichert
kolloziert wird. Nicht rundweg auszuschliessen ist aber auch, wie gesagt,
der Kollokationsprozess um Bestand und Höhe einer Forderung.

    Der Übersicht über das Verfahren und damit der Rechtssicherheit
dient es, wenn - wie FRITZSCHE/WALDER (aaO, § 49 N. 30) vorschlagen -
für die Kollokation öffentlichrechtlicher Forderungen die allgemeinen
Regeln befolgt werden. Das läuft darauf hinaus, dass erstens der
Kollokationsprozess über öffentlichrechtliche Forderungen zuzulassen ist
und dass zweitens der Konkursrichter am Ort, wo der Konkurs durchgeführt
wird, für die Beurteilung einer Kollokationsklage zuständig ist (Art. 250
Abs. 1 SchKG). Der Prozess ist im beschleunigten Verfahren zu führen
(Art. 250 Abs. 4 SchKG).

Erwägung 3

    3.- a) Was nun die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der
Konkursverwaltung einerseits und dem über die Kollokationsklage befindenden
Konkursrichter anderseits betrifft, lässt sich nur das wiederholen,
was die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts in ihrem
Urteil vom 2. November 1993 ausgeführt hat: Gemäss Art. 36 Abs. 1 VZG
(SR 281.42) dürfen Forderungen, die keine Belastung des Grundstücks
darstellen, nicht in das Lastenverzeichnis aufgenommen werden. Das
Betreibungs- oder Konkursamt ist zur Prüfung der in einem gewissen Grad
immer auch materiellrechtlichen Frage, ob eine Forderung eine Belastung
des Grundstücks darstelle, befugt; denn wenn die angemeldete Forderung
durch das geltend gemachte Pfandrecht nicht gedeckt ist, stellt sie
keine Belastung des Grundstücks dar und ist somit gemäss der zitierten
Bestimmung nicht in das Lastenverzeichnis - und dementsprechend nicht als
pfandgesichert in den Kollokationsplan - aufzunehmen (BGE 117 III 36 E. 3,
S. 38).

    b) Wenn die kantonale Aufsichtsbehörde nur die angemeldeten
Liegenschaftssteuern (bzw. die Restanzen) als pfandgesichert betrachtet
hat, weil diese Steuern eine besondere Beziehung zum belasteten Grundstück
haben, so erscheint dies als bundesrechtskonform (vgl. BGE 110 II 236 E. 1,
S. 237; BGE 112 II 322 E. 3 in fine, S. 325).

    Die Feststellung im angefochtenen Entscheid, dass eine klare
Ausscheidung desjenigen Teilbetrages des steuerbaren Reinertrages, der auf
das Pfandgrundstück entfällt, unterblieben sei, ist tatsächlicher Natur
und somit für die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts
nach Massgabe von Art. 63 Abs. 2 OG (in Verbindung mit Art. 81 OG)
verbindlich. Dass der kantonalen Aufsichtsbehörde ein offensichtliches
Versehen anzulasten wäre, tut der Rekurrent nicht in rechtsgenügender
Weise dar (vgl. BGE 104 II 68 E. 3b, S. 74; 104 II 108 E. 3a, S. 114).