Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IB 42



120 Ib 42

7. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 23. Februar 1994 i.S. K. und P. F. gegen Zürcher Naturschutzbund,
Gemeinde Stäfa, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 34 Abs. 1 RPG; Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    Entscheide über die Zulässigkeit des Eintretens auf ein Gesuch für eine
Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG sind mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
anfechtbar (E. 1a).

    Zulässigkeit der Wiedererwägung einer abgelehnten Ausnahmebewilligung
nach Art. 24 RPG.

    Voraussetzungen der Wiedererwägung rechtskräftiger
Verwaltungsentscheide (E. 2b).

    Es ist nicht zulässig, eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG
für das gleiche Baugesuch nur kurze Zeit nach deren Ablehnung durch das
kantonale Verwaltungsgericht in Wiedererwägung zu ziehen (E. 2c).

Sachverhalt

    A.- K. und P. F. sind Eigentümer eines Grundstücks in der Gemeinde
Stäfa. Die Parzelle liegt in der Landwirtschaftszone oberhalb des
zusammenhängenden Siedlungsgebiets am Abhang des Pfannenstiels. Die
Eheleute F. beabsichtigen, darauf neben dem bereits bestehenden Wohnhaus
ein Schwimmbecken und ein Gewächshaus zu bauen.

    Der Gemeinderat Stäfa verweigerte am 7. November 1989 die für
das Vorhaben erforderliche Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 des
Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700),
nachdem er bereits am 21. Juni 1988 ein erstes Baugesuch abgelehnt
hatte. Einen gegen die Bewilligungsverweigerung erhobenen Rekurs wies
die Baurekurskommission II des Kantons Zürich am 7. August 1990 ab. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies am 16. November 1990 eine gegen
den Entscheid der Baurekurskommission gerichtete Beschwerde ebenfalls
ab. Dieses Urteil wurde nicht angefochten.

    Am 9. November 1990 überwies die Gemeinde Stäfa das Baugesuch der
Eheleute F. gestützt auf die am 1. Oktober 1990 in Kraft getretene
Änderung der kantonalen Bauverfahrensverordnung ebenfalls der Direktion
der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich (nachstehend Baudirektion
genannt) zur Beurteilung der Frage, ob für die geplanten Bauten eine
Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG erteilt werden könne. Diese
erteilte am 28. Dezember 1990 die Ausnahmebewilligung für den Bau
des Schwimmbeckens, verweigerte sie aber für die Erstellung des
Gewächshauses. Der Zürcherische Naturschutzbund und die Gemeinde
Stäfa erhoben gegen den Entscheid der Baudirektion Rekurs beim
Regierungsrat. Dieser hiess am 3. Juni 1992 die Rechtsmittel gut und hob
die Verfügung der Baudirektion auf, soweit sie für die Erstellung des
Schwimmbeckens eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG erteilte. Die
Eheleute F. fochten darauf den Entscheid des Regierungsrats beim
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich an, welches ihre Beschwerde am
22. Januar 1993 abwies.

    K. und P. F. haben gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom
22. Januar 1993 beim Bundesgericht ein Rechtsmittel eingereicht, das
als Verwaltungsgerichtsbeschwerde oder im Falle ihrer Unzulässigkeit
als staatsrechtliche Beschwerde entgegenzunehmen sei. Sie beantragen
die Aufhebung des angefochtenen Entscheids und die Wiederherstellung der
Ausnahmebewilligung der Baudirektion vom 28. Dezember 1990.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Entscheid bestätigt die Auffassung des
Regierungsrats, dass die Baudirektion nach dem negativen Entscheid
des Verwaltungsgerichts vom 16. November 1990 nicht erneut über die
Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG für den Bau eines
Schwimmbeckens befinden durfte.

    a) Nach Art. 34 Abs. 1 RPG können Entscheide letzter kantonaler
Instanzen über Bewilligungen im Sinne von Art. 24 RPG beim Bundesgericht
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Diesem Rechtsmittel
unterliegen nicht nur die Verfügungen, mit denen eine Bewilligung
nach Art. 24 RPG erteilt wird, sondern auch jene, welche eine solche
Bewilligung verweigern. Ferner sind auch solche Entscheide mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar, welche dadurch, dass auf ein
Gesuch um Erteilung einer Ausnahmebewilligung nicht eingetreten wird,
die Anwendung der Regelung von Art. 24 RPG ausschliessen (BGE 116 Ib
8 E. 1 S. 9 f.; 115 Ib 206 E. 3 S. 208; 103 Ib 144 E. 2a S. 146; 100 Ib
368 E. 1 S. 370).

    Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts behandelt -
wie schon zuvor der Entscheid des Regierungsrats - die Frage nicht,
ob für das von den Beschwerdeführern geplante Schwimmbecken die
Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG erfüllt
sind. Es spricht sich vielmehr nur dazu aus, ob die Baudirektion nach
dem verwaltungsgerichtlichen Urteil vom 16. November 1990 das gleiche
Baugesuch erneut prüfen und über die Erteilung einer Ausnahmebewilligung
nach Art. 24 RPG entscheiden durfte. Nach der angeführten Rechtsprechung
ist ein solcher Entscheid über die Zulässigkeit des Eintretens auf ein
Gesuch für eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG ebenfalls mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar.

    Das von den Beschwerdeführern eingereichte Rechtsmittel ist somit als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegenzunehmen. Für die staatsrechtliche
Beschwerde bleibt demzufolge kein Raum (Art. 84 Abs. 2 OG).

    b) Zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind alle
Voraussetzungen erfüllt. Auf das Rechtsmittel ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer machen geltend, das Verwaltungsgericht habe
in willkürlicher Weise die Zuständigkeit der Baudirektion verneint,
nach dem Urteil vom 16. November 1990 erneut über die Erteilung einer
Ausnahmebewilligung nach Art. 24 RPG zu entscheiden. Es habe die für
eine Wiedererwägung von Verwaltungsverfügungen geltenden allgemeinen
Rechtsgrundsätze ohne Grund missachtet. Der angefochtene Entscheid verletze
daher Art. 4 BV.

    a) Der angefochtene Entscheid geht davon aus, dass der Baudirektion
nochmals das gleiche Baugesuch unterbreitet wurde, über welches das
Verwaltungsgericht am 16. November 1990 entschied. Für einen zweiten
Entscheid in der gleichen Sache bestehe aber wegen der materiellen
Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Urteile kein Raum. Die
Beschwerdeführer stellen sich dagegen auf den Standpunkt, dem Entscheid
der Baudirektion komme die Bedeutung einer Wiedererwägung zu, welche
unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sei.

    Im Zeitpunkt, als der Gemeinderat Stäfa das Baugesuch der
Beschwerdeführer beurteilte, dem 7. November 1989, lag die Zuständigkeit
zur Erteilung von Ausnahmebewilligungen gemäss Art. 24 RPG im Kanton
Zürich bei den Gemeinden. Der Gemeinderat Stäfa war somit zuständig,
über die für das Bauprojekt der Beschwerdeführer erforderliche
Ausnahmebewilligung zu entscheiden. Bei der von ihm ausgesprochenen
Bewilligungsverweigerung entfiel das sonst noch erforderliche Melde-
und das allenfalls anschliessende Genehmigungsverfahren bei der
Baudirektion. Mit dem Inkrafttreten der revidierten Bauverfahrensverordnung
vom 5. September 1990 am 1. Oktober 1990 ging die Kompetenz zur Erteilung
von Ausnahmebewilligungen gemäss Art. 24 RPG neu auf die Baudirektion
über. Das Baugesuch der Beschwerdeführer war zu dieser Zeit noch nicht
rechtskräftig beurteilt, vielmehr war das Beschwerdeverfahren beim
Verwaltungsgericht pendent. Es stellte sich daher die Frage, ob für
die Beurteilung des Baugesuchs noch die alte oder bereits die neue
Zuständigkeitsordnung massgebend sei. Die Verfahrensbeteiligten waren
sich in diesem Punkt nicht einig, was die Gemeinde Stäfa veranlasste,
das Baugesuch der Beschwerdeführer am 9. November 1990 ebenfalls der
Baudirektion zum Entscheid zu unterbreiten. Es sollte auf diese Weise
offenbar für den Fall vorgesorgt werden, dass das Verwaltungsgericht im
Rahmen des damals hängigen Verfahrens zum Schluss käme, auf das Baugesuch
der Beschwerdeführer finde bereits die neue Zuständigkeitsordnung
Anwendung.

    Erkennt man der Überweisung des Baugesuchs an die Baudirektion
lediglich diese vorsorgliche Funktion zu, so durfte die Baudirektion auf
das Gesuch nicht eintreten, nachdem das Verwaltungsgericht im Entscheid
vom 16. November 1990 die Anwendbarkeit der neuen Zuständigkeitsordnung
für das Baugesuch der Beschwerdeführer verneint hatte. Allerdings
hätte es sich aufgedrängt, dass die Gemeinde Stäfa der Baudirektion
nach dem Entscheid des Verwaltungsgerichts mitgeteilt hätte, dass
sie an ihrer vorsorglichen Überweisung nicht mehr festhalte. Sie hat
eine solche Mitteilung unterlassen, und aus ihren Ausführungen in
den nachfolgenden Rechtsmittelverfahren ist zu schliessen, dass sie
nach dem verwaltungsgerichtlichen Entscheid vom 16. November 1990 -
obwohl zu ihren Gunsten lautend - an einer Wiedererwägung durch die
Baudirektion interessiert war. Dies offenbar aus der Erwägung, dass es
der Bauherrschaft ohnehin freigestanden hätte, mit einem neuen Baugesuch
einen Entscheid der Baudirektion zu provozieren. Die Gemeinde legte somit
der Überweisung des Baugesuchs an die Baudirektion zumindest nachträglich
die Bedeutung einer Einladung an die neu zuständig gewordene Instanz bei,
eine bereits beurteilte Sache wiederzuerwägen.

    Unter diesen Umständen erscheint die Auffassung des
Verwaltungsgerichts, die Baudirektion sei nicht wiedererwägungsweise,
sondern in der gleichen, mit dem Entscheid vom 16. November 1990 bereits
beurteilten Sache tätig geworden und daher von vornherein unzuständig
gewesen, zumindest fragwürdig. Ob sie geradezu als willkürlich bezeichnet
werden muss, kann offenbleiben, da das Verwaltungsgericht im Sinne einer
Eventualbegründung auch zur Zulässigkeit der Wiedererwägung durch die
Baudirektion Stellung nimmt.

    b) Die Verwaltungsbehörden können unter bestimmten Voraussetzungen ihre
Verfügungen in Wiedererwägung ziehen. Sie sind dazu aber nur gehalten,
soweit sich eine entsprechende Pflicht aus einer gesetzlichen Regelung
oder einer konstanten Verwaltungspraxis ergibt. Dem Einzelnen steht
überdies gestützt auf Art. 4 BV ein Anspruch auf Wiedererwägung zu,
wenn sich die Verhältnisse seit dem ersten Entscheid erheblich geändert
haben oder wenn der Gesuchsteller Tatsachen und Beweismittel anführt,
die ihm im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals
geltend zu machen für ihn rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder
keine Veranlassung bestand (BGE 113 Ia 146 E. 3a S. 151 f.; 109 Ib 246
E. 4a S. 251; 100 Ib 368 E. 3a S. 371 f.; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit
administratif, vol. II, 1984, S. 948 f.).

    Die Wiedererwägung von Verwaltungsentscheiden, die in Rechtskraft
erwachsen sind, ist freilich nicht beliebig zulässig. Sie darf
namentlich nicht dazu dienen, rechtskräftige Verwaltungsentscheide
immer wieder in Frage zu stellen oder die Fristen für die Ergreifung
von Rechtsmitteln zu umgehen (BGE 109 Ib 246 E. 4a S. 250; 100 Ib 368
E. 3 S. 371; RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung,
Ergänzungsband, 1990, Nr. 41/B/VIII S. 127). Auch bei negativen Verfügungen
scheidet eine Wiedererwägung aus, wenn den Behörden kurze Zeit nach
einem abgelehnten Gesuch erneut ein identisches Gesuch unterbreitet wird
(vgl. BGE 100 Ib 368 E. 3a S. 372; GRISEL, aaO, S. 949).

    c) Das Verwaltungsgericht hält die von der Baudirektion vorgenommene
Wiedererwägung der Verweigerung der Ausnahmebewilligung für das
Schwimmbecken für unzulässig. Mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil vom
16. November 1990 sei über das Baugesuch der Beschwerdeführer rechtskräftig
entschieden worden, und für eine Wiedererwägung desselben Gesuchs seien
keine Gründe ersichtlich. Die Beschwerdeführer stellen die bindende
Wirkung des erwähnten Urteils nicht in Frage, sie sind jedoch der
Auffassung, dieses lasse Raum für eine günstigere Ermessensbetätigung
der ersten Instanz in derselben Frage. Dadurch, dass im Urteil vom
16. November 1990 die Verweigerung der Ausnahmebewilligung durch die
Gemeinde als "nicht rechtsverletzend" bezeichnet werde, sei über die
Zulässigkeit einer abweichenden Ermessensbetätigung noch nicht entschieden
worden. Es stehe vielmehr der ersten Instanz frei, auf den Entscheid
über das Baugesuch zurückzukommen und ihr Ermessen in einem für die
Baugesuchsteller günstigeren Sinn auszuüben, ohne sich mit dem Urteil
vom 16. November 1990 in Widerspruch zu setzen.

    Im genannten Urteil hatte das Verwaltungsgericht "die
Bewilligungsfähigkeit des Vorhabens aufgrund von Art. 24 RPG" zu prüfen. Es
war also zu untersuchen, ob für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für
ein Schwimmbecken die Voraussetzungen von Art. 24 RPG erfüllt sind. Dies
ist eine Rechts- und keine Ermessensfrage (THOMAS MÜLLER, Die erleichterte
Ausnahmebewilligung, Diss. Zürich, 1992, S. 155; RHINOW/KRÄHENMANN,
aaO, Nr. 37 B/IV S. 112; BGE 97 I 134 E. 3 S. 140). Sie wird im Urteil
vom 16. November 1990 vom Verwaltungsgericht negativ beantwortet und
nicht - wie die Beschwerdeführer behaupten - in dem Sinne offengelassen,
dass die Verweigerung der Ausnahmebewilligung zwar im Ermessen des
Gemeinderats Stäfa gelegen hat und nicht rechtsverletzend war, eine andere
Ermessensbetätigung aber auch nicht rechtsverletzend gewesen wäre. Der
Wiedererwägungsentscheid der Baudirektion vom 28. Dezember 1990, der
die Bewilligungsfähigkeit des Schwimmbeckens gestützt auf Art. 24 RPG
bejahte, betraf somit die gleiche, bereits im Urteil vom 16. November
1990 behandelte Frage, die nun im entgegengesetzten Sinn entschieden
wurde. Eine solche erneute Beurteilung der gleichen Frage, ohne dass sich
inzwischen die tatsächlichen Verhältnisse oder die materielle Rechtslage
verändert hatten, durfte das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid
ablehnen. Die Zulassung der Wiedererwägung im vorliegenden Fall würde die
Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 16. November 1990
missachten. Den Beschwerdeführern hätte es freigestanden, dieses erste
Urteil beim Bundesgericht anzufechten. Wenn sie darauf verzichtet haben,
so können sie nicht verlangen, dass ihr identisches Baugesuch auf dem Wege
der Wiedererwägung nochmals von allen Instanzen materiell beurteilt wird.

    d) Der angefochtene Entscheid verletzt somit kein Bundesrecht. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demzufolge abzuweisen.