Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IB 150



120 Ib 150

22. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11.
März 1994 i.S. IDG Communications AG gegen Schweizerische PTT-Betriebe
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 9 Abs. 1 lit. c und Art. 10 Abs. 1 PVG, Art. 39 Abs. 1 lit. e
und Art. 39 Abs. 3 lit. a PVV; Anwendbarkeit der Zeitungstaxe auf eine
Computerzeitschrift.

    Sinn und Zweck der indirekten Presseförderung über vergünstigte
PTT-Taxen (E. 2a/b).

    Kriterien zur Beurteilung, ob eine Publikation überwiegend Geschäfts-
oder Reklamezwecken dient (Art. 39 Abs. 1 lit. e PVV) oder durch den
Inhalt oder die Gestaltung den Eindruck erweckt, dass der redaktionell
verarbeitete Teil hauptsächlich die Werbewirkung für gleichzeitig
angepriesene Produkte, Dienstleistungen oder Veranstaltungen unterstützen
soll (Art. 39 Abs. 3 lit. a PVV)(E. 2c - e).

Sachverhalt

    A.- Die IDG Communications AG ist Herausgeberin der monatlich in einer
Auflage von 10'000 Exemplaren erscheinenden "Macworld Schweiz". Seit
Sommer 1990 beförderten die Schweizerischen PTT-Betriebe die 3'000
abonnierten Exemplare dieser Zeitschrift zur Zeitungstaxe. Am 7. November
1991 kündigte die Sektion Tarifwesen Inland und Kundendienst der IDG
Communications AG an, dass die "Macworld Schweiz" ab 1. Januar 1993 nicht
mehr zur Zeitungstaxe befördert werden könne, weil die Publikation auf
Apple-Macintosh-Anwender ausgerichtet sei und überwiegend Geschäfts-
und Reklamezwecken diene. Nach zusätzlichen Abklärungen bestätigte die
Sektion Tarifwesen Inland und Kundendienst diesen Standpunkt am 16. Juni
1992. Die Generaldirektion der Schweizerischen PTT-Betriebe wies die von
der IDG Communications AG hiergegen erhobene Beschwerde am 18. Februar 1993
ab. Die Publikation "Macworld Schweiz" biete nur Information, um beim Leser
anzukommen, und weise zur Hauptsache Empfehlungs- und Reklamecharakter auf,
weshalb sie nicht zur Zeitungstaxe befördert werden könne.

    Die IDG Communications AG hat gegen die Weigerung der PTT-Betriebe, die
abonnierten Exemplare der "Macworld Schweiz" weiterhin zur Zeitungstaxe
zu transportieren, beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde
eingereicht. Sie macht geltend, die Generaldirektion der PTT-Betriebe
habe den Sachverhalt unrichtig und unvollständig festgestellt: Auf dem
Hardware-Markt für Mac-Anwender gebe es eine Vielzahl unterschiedlicher
Anbieter von Hard- und Software, die untereinander in einem harten
Konkurrenzkampf stünden. Die Testberichte seien neutral abgefasst und
enthielten auch "immer wieder kritische Elemente". Bei den aufgeführten
Adressen handle es sich nicht um solche von Händlern, sondern von
Distributoren, die "im Normalfall" nicht an Private verkauften. Die
Auffassung, dass nach Art. 10 Abs. 1 des Postverkehrsgesetzes vom
2. Oktober 1924 (PVG; SR 783.0) nur die staatspolitisch meinungsbildende
Presse zu fördern sei, erscheine überholt; "Macworld Schweiz" wolle für
die Konsumentinnen und Konsumenten "aus unabhängiger Warte Transparenz
in einen für den Einzelnen unübersichtlichen, verwirrenden Markt"
bringen und den Konsumenten "vor falschen oder übereilten" Entschlüssen
schützen. Wenn die Vorinstanz sich auf den "Bücher"-Service und den
"Shareware"-Verkauf berufe, um nachzuweisen, dass "Macworld Schweiz"
zur Hauptsache Empfehlungs- und Reklamecharakter habe, verkenne sie,
dass es sich dabei um klassische "Leserbindungs-Aktivitäten" handle. Das
Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 9 Abs. 1 lit. c PVG obliegt dem Postdienst die
Beförderung abonnierter Zeitungen und Zeitschriften. Die hierfür zu
erhebenden Taxen werden vom Bundesrat festgesetzt, der auf "die Erhaltung
einer vielfältigen Presse" Rücksicht zu nehmen hat (Art. 10 Abs. 1
PVG). Als Zeitungen, die von günstigeren Beförderungstaxen profitieren
können, gelten gemäss Art. 39 Abs. 1 PVV (SR 783.01) Publikationen, die in
der Schweiz hergestellt und herausgegeben werden (lit. a), vierteljährlich
wenigstens einmal erscheinen (lit. b), mit den Beilagen nicht mehr als 500
g wiegen (lit. c), in einer Auflage von wenigstens 100 Stück aufgegeben
werden (lit. d), nicht überwiegend Geschäfts- oder Reklamezwecken dienen
(lit. e), in jeder Ausgabe redaktionelle Beiträge von wenigstens 15 Prozent
aufweisen (lit. f) und zudem eine der in Absatz 2 genannten Voraussetzungen
erfüllen (lit. g). Selbst wenn die Voraussetzungen von Art. 39 Abs. 1
und 2 PVV erfüllt sind, gelten jedoch solche Publikationen nicht als
Zeitungen, die "durch den Inhalt oder die Gestaltung den Eindruck erwecken,
dass der redaktionell verarbeitete Teil hauptsächlich die Werbewirkung für
gleichzeitig angepriesene Produkte, Dienstleistungen oder Veranstaltungen
unterstützen soll" (Art. 39 Abs. 3 lit. a PVV).

    b) Art. 10 PVG, verfassungskonform ausgelegt, verpflichtet nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichts den Bundesrat, im Interesse
der Pressevielfalt der Informations- und Meinungspresse, nicht aber
Werbeorganen Taxvergünstigungen zu gewähren (unveröffentlichtes Urteil des
Bundesgerichts vom 13. Juni 1985 i.S. D.C. AG c. GD/PTT, E. 3c). Dadurch
soll die besondere Aufgabe der Presse honoriert werden, im öffentlichen
Interesse regelmässig über Tagesereignisse, Zeit- oder Fachfragen
zu berichten. Förderungskriterium ist der Beitrag des jeweiligen
Presseprodukts zu dieser besonderen Aufgabe; dient eine Publikation
überwiegend Geschäfts- oder Reklamezwecken, erfüllt sie diese in einem
demokratischen und pluralistischen Staat förderungswürdige Aufgabe nicht
oder nur in untergeordneter Weise, weshalb sich eine Privilegierung ihrer
Verteilung und damit eine indirekte staatliche Subventionierung nicht
rechtfertigt. Wie das Bundesgericht im bereits zitierten Entscheid vom
13. Juni 1985 festgehalten hat, kann eine staatliche Förderung nicht ohne
Rücksicht auf eine Förderungsbedürftigkeit postuliert und gerechtfertigt
werden. Staatliche Förderung, folge sie direkt aus der Bundesverfassung
oder erst aus dem Gesetz, setzt stets einen Dienst an der Allgemeinheit
oder eine wichtige Funktion in der Gesellschaft und im demokratischen
Staat voraus (zitiertes Urteil vom 13. Juni 1985, E. 3b).

    c) aa) Ob eine Publikation "überwiegend" Geschäfts- oder Reklamezwecken
dient (Art. 39 Abs. 1 lit. e PVV) oder ob sie durch den Inhalt oder die
Gestaltung den Eindruck erweckt, dass der redaktionell verarbeitete Teil
"hauptsächlich" die Werbewirkung für gleichzeitig angepriesene Produkte,
Dienstleistungen oder Veranstaltungen zu unterstützen sucht (Art. 39
Abs. 3 lit. a PVV), ist aufgrund der Umstände, das heisst gestützt
auf den Gesamteindruck der Publikation, zu beurteilen (vgl. BGE 101 Ib
178 E. 4c S. 187). Dabei können etwa die Aufmachung des Produkts, der
Gesellschaftszweck des Herausgebers, seine Beziehungen zu den Inserenten,
das mit der Publikation angesprochene Publikum, das redaktionelle Konzept
(Selbstverständnis der Zeitschrift) und die zur Verfügung stehenden
Mittel berücksichtigt werden. Als Indiz kann allenfalls auch der Verkaufs-
beziehungsweise Abonnementspreis von Bedeutung sein, ist in der Regel doch
davon auszugehen, dass der Leser kaum bereit ist, einen höheren Preis
für eine Publikation zu bezahlen, die überwiegend oder hauptsächlich
Reklamezwecke verfolgt.

    bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts schliesst die Tatsache,
dass eine Wochenzeitschrift gleichzeitig einen wirtschaftlichen und einen
kulturellen Zweck verfolgt, die Anwendung der vergünstigten Zeitungstaxe
solange nicht aus, als die Geschäftsempfehlungen und Reklame nicht "zur
Hauptsache der Publikation" werden. Zur Beurteilung der Frage, ob die
Werbe- oder die nicht geschäftsorientierte Informationsfunktion überwiege,
sei die Qualität des informativen Teils an sich nicht wesentlich; es sei
auch nicht entscheidend, dass bei der statutarischen Zwecksetzung des
Herausgebers der Warenverkauf allenfalls Hauptzweck, die Unterstützung
kultureller Bedürfnisse dagegen nur Nebenzweck bilde. Massgebend erscheine,
ob die Publikation hauptsächlich oder überwiegend auf den Nebenzweck
ausgerichtet sei (BGE 101 Ib 178 E. 4c S. 188). Das Bundesgericht wertete
im Hinblick auf den Gesamteindruck den Einwand auch schon als irrelevant,
eine Publikation zeuge von professioneller journalistischer Herstellung
und eigenständiger, der Pressefreiheit unterstehender redaktioneller
Leistung, weil damit im zu beurteilenden Fall nicht widerlegt werden
konnte, dass die Veröffentlichung überwiegend Geschäfts- und Reklamezwecke
verfolgte. Nach Auffassung des Bundesgerichts bedeutete die Tatsache,
dass die Gesellschaftsstatuten die Publikation erwähnten, ohne ihr
einen Werbezweck aufzuerlegen, noch nicht, dass ein solcher auch
nicht verfolgt wurde oder nur nebensächlich erschien. Die dem Gericht
vorgelegten Belegexemplare zeigten, dass die redaktionellen Beiträge,
soweit sie nicht selber schon allgemein zum Konsum animierten oder mehr
oder weniger verhalten für bestimmte Konsum- und Gebrauchsgüter, Reisen,
Gastronomie, Bücher oder Dienstleistungen warben, hinter dem Geschäfts-
und Werbezweck zurückstanden. Das entsprechende Magazin lieferte gewisse
Informationen unterhaltender Art eindrucksmässig nur, um den Geschäfts-
und Werbezweck etwas distinguierter verfolgen zu können (zitiertes Urteil
vom 13. Juni 1985, E. 2a).

    d) Bei der vorliegend zu beurteilenden Zeitschrift "Macworld
Schweiz" handelt es sich um eine Art von Publikation, über deren
Charakter und Förderungswürdigkeit sich das Bundesgericht noch nicht
auszusprechen hatte: Standen bisher Fälle zur Diskussion, in denen
der Herausgeber selber direkt oder indirekt über den Verkauf des
Presseproduktes hinausgehende, kommerzielle Zwecke verfolgte, wobei er
im Rahmen der Mitgliedschafts- bzw. Kundenpresse zum Verleger wurde
(vgl. BGE 99 Ib 283 Schweizer Verlagshaus AG ["NSB-Revue"]; 101 Ib
178 Schweizerischer Detaillistenverband ["Pro", "Wir Brückenbauer",
"Genossenschaft"], unveröffentlichtes Urteil vom 13. Juni 1985 D.C. AG),
handelt es sich beim Titel "Macworld Schweiz" um die Zeitschrift eines
auf Computer-Publikationen spezialisierten unabhängigen Verlags, der keine
weitergehenden kommerziellen Zwecke verfolgt. Die Zeitschrift richtet sich
an "Schweizer Mac-Anwender", informiert über Neuerscheinungen, sichtet
macintosh-kompatible Hard- und Software und testet solche Produkte. Die
"Macworld Schweiz" wird durch eine professionelle Redaktion gestaltet,
ihre Testberichte haben teilweise auch kritischen Gehalt und erschöpfen
sich - soweit dies aus den eingereichten Exemplaren ersichtlich ist -
nicht in blossen aus Werbematerial der Hersteller zusammengetragenen
Informationen (vgl. dagegen die von der GD PTT in einem Entscheid vom
27. März 1991 beurteilte Publikation "Macintouch"). Das Einzelexemplar
von "Macworld Schweiz" kostet am Kiosk Fr. 9.50, der Preis für ein
Jahresabonnement beträgt Fr. 98.--.

    e) Bei der Frage, ob die "Macworld Schweiz" überwiegend Geschäfts-
oder Reklamezwecke verfolgt beziehungsweise ihr redaktionell verarbeiteter
Teil hauptsächlich die Werbewirkung für gleichzeitig angepriesene Produkte,
Dienstleistungen oder Veranstaltungen unterstützt, handelt es sich unter
diesen Umständen um einen Grenzfall. Sollten die PTT-Betriebe, wie sie im
angefochtenen Entscheid andeuten, davon ausgehen, nur gerade die politische
Meinungspresse erscheine förderungswürdig, würden sie die Tragweite von
Art. 10 PVG und Art. 39 PVV verkennen; eine solche Beschränkung lässt
sich diesen Bestimmungen nicht entnehmen. Einem Verleger kann auch nicht
vorgehalten werden, er verfolge mit der Herausgabe der Publikation an sich
bereits "überwiegend Geschäftszwecke"; diese Überlegung wäre mit Blick auf
Art. 31 BV offensichtlich sachwidrig. Soweit die PTT-Betriebe dagegen bei
der Gesamtwürdigung im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums
(vgl. Art. 104 lit. c OG) zum Schluss gekommen sind, die Zeitschrift
"Macworld Schweiz" erfülle das Erfordernis von Art. 39 Abs. 1 lit. e
PVV nicht beziehungsweise falle unter die Ausnahme von Art. 39 Abs. 3
lit. a PVV, verletzt ihr Entscheid Bundesrecht noch nicht, weshalb die
vorliegende Beschwerde trotz den anzubringenden Vorbehalten abzuweisen
ist: Die Beschwerdeführerin nutzt für ihre Publikation die Tatsache, dass
eine Übersicht über Neuerscheinungen für den Computerbenützer (selbst
in einem Teilgebiet der Computerwelt) heute kaum mehr möglich ist. Sie
führt im redaktionellen Teil - auch bzw. gerade - den professionellen
"Mac-Anwender", d.h. den Abonnenten bzw. Käufer, und den Hard- oder
Software-Produzenten, d.h. den Inserenten, mit Blick auf allfällige
Geschäftsabschlüsse zusammen; nur so lassen sich die Bezugsquellenangaben
erklären, auch wenn es sich dabei lediglich um Distributorenadressen
handeln sollte. Dem gleichen Zweck dienen die verschiedenen
MW-Info-Nummern. Soweit die Beschwerdeführerin als Vermittlerin von
Shareware, Büchern und Spielen auftritt, gehen ihre Aktivitäten über
klassische Leserbindungsaktionen hinaus, sie vermittelt in jenen Rubriken
nämlich gerade solche Produkte, die sie - zumindest der Natur nach - zum
Gegenstand der redaktionellen Beiträge gemacht hat, weshalb der Eindruck
eines Katalogs entsteht und eine Abgrenzung von redaktionellen und der
Promotion dienenden Teilen schwerfällt. Der Leser zahlt den relativ hohen
Einzelnummerpreis von Fr. 9.50 beziehungsweise den Abonnementspreis von Fr.
98.--, weil ihm die Zeitschrift "Macworld Schweiz" eine mehr oder weniger
aufgearbeitete Übersicht über Marktneuheiten liefert und deshalb seinen
Geschäftszwecken dient. Auch reine Verkaufskataloge werden im Hinblick
auf spezifische Konsumbedürfnisse vom Kunden teilweise gekauft, weshalb
der Verkaufspreis allein im Rahmen der Gesamtwürdigung für die vorliegend
zu beurteilende Frage nicht entscheidend sein kann. Die Neuerscheinungen
und Besprechungen unter Angabe der Bezugsquellen bilden in der "Macworld
Schweiz" keine eigenständige untergeordnete Rubrik, wie dies bei anderen
Zeitschriften etwa der Fall ist, sondern ihren eigentlichen redaktionellen
Inhalt, weshalb sie überwiegend Geschäftszwecken dient und - vor allem
im Hinblick auf die Vermittlungstätigkeit der Beschwerdeführerin - die
Werbewirkung für gleichzeitig angepriesene Produkte, Dienstleistungen
oder Veranstaltungen fördert.