Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IA 169



120 Ia 169

24. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juni 1994 i.S. Z.
gegen X. AG und Obergericht des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche
Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; Parteientschädigung im Zivilprozess.

    Es ist nicht willkürlich, einer Partei nicht die übliche Partei-,
sondern lediglich eine Umtriebsentschädigung zuzusprechen, weil sie
durch einen bei einer Rechtsschutzversicherung angestellten Rechtsanwalt
vertreten wird (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Z., die sich von einer Advokatin vertreten liess, obsiegte vor
Bezirksgericht Arlesheim in einem Prozess gegen ihre frühere Arbeitgeberin,
die X. AG. Das Bezirksgericht verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom
22. April 1993 in Gutheissung der Klage zur Zahlung von Fr. 20'000.--
nebst Zins. Es sprach der Klägerin indessen keine Parteientschädigung,
sondern lediglich eine Umtriebsentschädigung von Fr. 500.-- zu. Zur
Begründung wurde ausgeführt, die Vertreterin der Klägerin stehe in einem
Anstellungsverhältnis zu einer Rechtsschutzversicherung. Das Bezirksgericht
wies in diesem Zusammenhang auf einen Beschluss des Obergerichts des
Kantons Basel-Landschaft vom 2. November 1992 hin.

    Eine Beschwerde der Klägerin gegen diesen Entscheid wurde vom
Obergericht des Kantons Basel-Landschaft mit Beschluss vom 30. November
1993 abgewiesen. Das Obergericht berief sich ebenfalls auf den bereits
erwähnten Beschluss vom 2. November 1992, dessen Erwägungen in BJM 1993,
S. 334 ff., veröffentlicht worden sind.

    Z. hat den Entscheid des Obergerichts vom 30. November 1993 mit
staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV angefochten,
die vom Bundesgericht abgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Als weitere Gründe, welche die Ungleichbehandlung
rechtfertigen, betrachtet das Obergericht die unterschiedlichen
rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die je nach dem bestehen,
ob die Partei durch einen freiberuflich tätigen oder einen bei einer
Rechtsschutzversicherung angestellten Rechtsanwalt vertreten wird. Es sieht
in diesem Zusammenhang den grundlegenden Unterschied zu Recht nicht in der
Art der Tätigkeit und der Stellung des Vertreters im Prozess, sondern in
der rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Grundlage, auf welche
sich die Tätigkeit abstützt. Diese ist - wie das Obergericht zutreffend
hervorhebt - zur Hauptsache durch die unterschiedlichen Dienstleistungen
bedingt, die von einem freiberuflich tätigen Rechtsanwalt einerseits und
einer Rechtsschutzversicherung andererseits primär erbracht werden. Während
im einen Fall die berufsmässige Parteivertretung vor Gericht im Vordergrund
steht, geht es im anderen Fall in erster Linie um das Anbieten und Gewähren
von Versicherungsschutz, wie es bei allen Arten des Versicherungsgeschäfts
üblich ist.

    Damit hängen auch die unterschiedlichen rechtlichen Regelungen und
die damit verbundenen Einschränkungen der Berufstätigkeit zusammen, auf
welche das Obergericht ebenfalls hinweist (Unabhängigkeit, Reklameverbot,
Schweigepflicht: §§ 10, 13 und 15 Advokaturgesetz). Die Vertreterin der
Beschwerdeführerin behauptet zwar, sie sei in gleicher Weise wie ein
freiberuflich tätiger Advokat an diese Standespflichten gebunden und
auch in der Lage, sie einzuhalten. Das mag im wesentlichen zutreffen,
ändert aber nichts daran, dass sie in die betriebliche Organisation
der Versicherungsunternehmung eingebunden ist, die selbst solchen
Standespflichten nicht unterworfen ist. So profitiert die Vertreterin
der Beschwerdeführerin zum Beispiel mittelbar von deren Möglichkeit,
uneingeschränkt für die angebotenen Dienstleistungen zu werben. Zudem ist
davon auszugehen, dass sie die Infrastruktur der Versicherungsgesellschaft
benutzen kann und für ihre Arbeit angemessen entschädigt wird. Die
Gesellschaft ihrerseits erhält für ihre Leistungen die Prämien der
Versicherungsnehmer, aus denen sie auch ihre Betriebskosten finanziert. Auf
solche Verhältnisse ist die kantonale Tarifordnung indessen nicht
zugeschnitten. Wie insbesondere aus deren § 1 hervorgeht, liegt der damit
vorgeschriebenen Honorarbemessung vielmehr der Fall der freiberuflichen
Advokaten zugrunde. Für diese stellt das vom Gericht festgesetzte Honorar
aber im allgemeinen die einzige Entschädigung für die Tätigkeit als
Prozessvertreter dar. Berücksichtigt wird damit neben den im allgemeinen
höheren Infrastrukturkosten auch der Umstand, dass die freiberuflichen
Anwälte in der Regel Mandate von unterschiedlicher finanzieller
Bedeutung ausführen. Aus diesen Gründen ist es sachlich vertretbar
und deshalb nicht willkürlich (vgl. zum Willkürbegriff: BGE 119 Ia 113
E. 3a S. 117 mit Hinweisen), bei der Bemessung der Parteientschädigung
generell dem Umstand Rechnung zu tragen, ob die Parteivertreter bei einer
Rechtsschutzversicherung angestellt oder freiberuflich tätig sind, und
zwar auch in dem Sinne, dass bei freiberuflichen Anwälten die kantonale
Tarifordnung angewendet, bei angestellten das Honorar dagegen ohne Bindung
an den Tarif von Fall zu Fall festgesetzt wird.

    b) Besteht somit kein verfassungsmässiger Anspruch der
Beschwerdeführerin darauf, dass ihr für die Tätigkeit ihrer Vertreterin
eine nach der kantonalen Tarifordnung bemessene Entschädigung zugesprochen
werde, so war diese individuell zu ermitteln. Die diesbezüglichen, vom
Obergericht übernommenen Erwägungen des Bezirksgerichts werden mit der
Beschwerde nicht angefochten und können deshalb vom Bundesgericht nicht
überprüft werden.