Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IA 101



120 Ia 101

15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
18. März 1994 i.S. W. gegen K., E. und A. sowie Bezirksanwaltschaft Zürich
und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Legitimation des Opfers zur staatsrechtlichen Beschwerde. BG vom
4. Oktober 1991 über die Hilfe an Opfer von Straftaten OHG).

    Intertemporales Verfahrensrecht. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen
des OHG sind anwendbar, wenn der angefochtene Entscheid nach dem
Inkrafttreten des OHG ergangen ist (E. 1).

    Voraussetzungen der seit dem Inkrafttreten des OHG erweiterten
Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 8 Abs. 1 OHG; Änderung
der Rechtsprechung; E. 2).

    Umfang des dem Opfer zustehenden Gehörsanspruchs nach dem
Opferhilfegesetz und nach Art. 4 BV. Beweislast im Strafverfahren, soweit
zivilrechtliche Ansprüche betroffen sind (E. 3).

Sachverhalt

    A.- W. fuhr am 21. Oktober 1991 in Zürich mit dem Fahrrad zur
Arbeit. Bei einer Baustelle am Russenweg geriet ein Gerüsthaken aus Metall
in das Vorderrad ihres Fahrrades und blockierte dieses sofort. W. stürzte
auf die Strasse und erlitt einen Kieferbruch, Rissquetschwunden am Kinn
und an Ober- und Unterlippen sowie verschiedene Zahnschäden.

    Das Haus Russenweg Nr. 14 wurde im Zeitpunkt des Unfalls
eingerüstet. Deshalb fiel auf K., E. und A., welche damals am Gerüst
arbeiteten, der Verdacht, den Gerüsthaken auf die Strasse oder sogar direkt
in das Vorderrad des Fahrrads geworfen zu haben und damit für den Unfall
verantwortlich zu sein. Die Bezirksanwaltschaft Zürich stellte jedoch
das Verfahren am 3. August 1992 ein, weil nicht bewiesen werden könne,
dass einer der drei Arbeiter den Gerüsthaken auf die Strasse geworfen habe.

    Die Rekurskommission der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
wies mit Beschluss vom 16. Dezember 1992 einen gegen die Verfügung der
Bezirksanwaltschaft erhobenen Rekurs von W. ab.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 29. Januar 1993 stellt W. den
Antrag, der Beschluss der Rekurskommission der Staatsanwaltschaft vom
16. Dezember 1992 sei wegen Willkür aufzuheben. Das Bundesgericht weist
die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der staatsrechtlichen
Beschwerde von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 117 Ia 2 E. 1,
mit Hinweisen).

    a) Nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichts war der durch eine
angeblich strafbare Handlung Geschädigte grundsätzlich nicht legitimiert,
gegen die Nichteröffnung oder Einstellung eines Strafverfahrens oder gegen
ein freisprechendes Urteil staatsrechtliche Beschwerde zu erheben. Dies
wurde damit begründet, dass der Geschädigte an der Verfolgung und
Bestrafung des Täters nur ein tatsächliches oder mittelbares, nicht
aber ein rechtlich geschütztes, eigenes und unmittelbares Interesse im
Sinne der Rechtsprechung zu Art. 88 OG habe. Der Strafanspruch, um den
es im Strafverfahren gehe, stehe ausschliesslich dem Staat zu, und zwar
unabhängig davon, ob der Geschädigte als Privatstrafkläger auftrete oder
die eingeklagte Handlung auf seinen Antrag hin verfolgt werde (BGE 108
Ia 99 E. 1 mit Hinweisen).

    b) Am 1. Januar 1993 trat das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über
die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5; AS
1992 2465) in Kraft. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Legitimation
der Beschwerdeführerin zur staatsrechtlichen Beschwerde grundsätzlich
aus den Bestimmungen dieses Gesetzes. Die Beschwerdeführerin macht
geltend, sie sei Opfer einer fahrlässigen Körperverletzung (Art. 125
Abs. 1 StGB) geworden. Dieses Delikt richtet sich gegen die körperliche
Integrität, weshalb die Beschwerdeführerin nach Art. 2 Abs. 1 OHG als Opfer
gilt. Allerdings fragt sich zunächst, ob es das Übergangsrecht zulässt,
dass die Beschwerdeführerin ihre Legitimation zur staatsrechtlichen
Beschwerde aus dem Opferhilfegesetz ableitet, weil sich ihr Unfall schon
vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ereignet hat.

    Das Opferhilfegesetz selber enthält keine Übergangsregelung. Aus
Art. 12 Abs. 2 der Verordnung des Bundesrates vom 18. November 1992 über
die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfeverordnung, OHV; SR 312.51)
kann grundsätzlich nicht abgeleitet werden, dass eine allenfalls erweiterte
Legitimation auch für Fälle gelten solle, in denen der angefochtene
Entscheid noch unter altem Recht ergangen ist. Unter diesen Umständen
rechtfertigt es sich, die Übergangsbestimmungen in den Prozessgesetzen
des Bundes heranzuziehen.

    Das Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 betreffend die teilweise Revision
des OG enthält die folgende Übergangsbestimmung:

    "Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten

    Verfahren des Bundesgerichts und des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts
   anwendbar, auf ein Beschwerde- oder Berufungsverfahren jedoch nur dann,
   wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses
   Gesetzes ergangen ist."

    Die Schlussbestimmungen der Änderung des OG vom 20. Dezember 1968
sahen unter Ziff. III Abs. 2 die folgende übergangsrechtliche Regelung vor:

    "Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf die im Zeitpunkt seines

    Inkrafttretens vor dem Bundesgericht oder dem Eidgenössischen

    Versicherungsgericht hängigen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten
und auf

    Beschwerden oder andere Rechtsmittel gegen vor diesem Zeitpunkt
getroffene

    Verfügungen."

    Mit Rücksicht auf diese Bestimmungen rechtfertigt es sich
grundsätzlich, auf den Zeitpunkt der Ausfällung des angefochtenen
Entscheides abzustellen. Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde
bestimmt sich mithin, unabhängig vom Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung,
nach dem alten Recht, wenn der angefochtene Entscheid noch unter der
Herrschaft des alten Rechts ausgefällt worden ist; sie bestimmt sich nach
dem neuen Recht, wenn der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten des
neuen Rechts ausgefällt worden ist (für die Nichtigkeitsbeschwerde siehe
BGE 120 IV 47 E. I/1b/bb.; vgl. auch BGE 115 II 97 ff.). Die Legitimation
zur staatsrechtlichen Beschwerde richtet sich also nach dem Recht, das zu
dem Zeitpunkt galt, als der angefochtene Entscheid gefällt wurde; Art. 8
OHG ist anwendbar auf Beschwerden gegen Entscheide, die am 1. Januar
1993 oder später gefällt wurden. Im vorliegenden Fall kann allerdings
offenbleiben, ob auf die Beschwerde gemäss altem Recht nicht einzutreten
ist oder ob sie gemäss neuem Recht auch materiell zu beurteilen ist. Die
materiell-rechtliche Beurteilung der Beschwerde wird ergeben, dass die
Beschwerde unbegründet ist; unter diesen Umständen rechtfertigt es sich,
die Frage einer allenfalls erweiterten Legitimation des Geschädigten oder
des Opfers einer Straftat zur staatsrechtlichen Beschwerde zu prüfen,
selbst wenn das Übergangsrecht eine Beurteilung nach neuem Recht nicht
zulassen sollte. Ohnehin waren nach der alten Praxis des Bundesgerichts
neue Verfahrensvorschriften sofort und uneingeschränkt anzuwenden, wenn
die Kontinuität des materiellen Rechts dadurch nicht gefährdet wurde und
Übergangsbestimmungen nicht ausdrücklich etwas anderes vorsahen (BGE 115
II 101, mit Hinweis).

Erwägung 2

    2.- a) Art. 8 OHG hat folgenden Wortlaut:

    Art. 8  Verfahrensrechte

    1 Das Opfer kann sich am Strafverfahren beteiligen. Es kann
insbesondere:

    a. seine Zivilansprüche geltend machen;

    b. den Entscheid eines Gerichts verlangen, wenn das Verfahren nicht
   eingeleitet oder wenn es eingestellt wird;

    c. den Gerichtsentscheid mit den gleichen Rechtsmitteln anfechten
wie der

    Beschuldigte, wenn es sich bereits vorher am Verfahren beteiligt
hat und
   soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren

    Beurteilung auswirken kann.

    2 ...

    Art. 8 OHG richtet sich zunächst an den kantonalen Gesetzgeber,
welcher verpflichtet wird, im kantonalen Strafprozessrecht dem Opfer
bestimmte Mindestgarantien zu gewähren. Zudem ist Art. 8 OHG im kantonalen
Strafverfahren in beschränktem Umfang auch unmittelbar anwendbar (vgl. die
Botschaft des Bundesrates, aaO, S. 974 und 985-987). Art. 8 Abs. 1 lit. c
OHG gibt dem Opfer einer Straftat das Recht, den über die Einstellung des
Strafverfahrens ergangenen Gerichtsentscheid innerhalb bestimmter Grenzen
mit den gleichen Rechtsmitteln anzufechten wie der Beschuldigte. Aus dem
Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung geht nicht hervor, dass diese nur im
kantonalen Verfahren gelten würde oder dass mit dem Ausdruck "Rechtsmittel"
nur ordentliche Rechtsmittel gemeint wären. Daher liegt es nahe, Art. 8
Abs. 1 lit. c OHG auch im Verfahren vor Bundesgericht gelten zu lassen
und auf das ausserordentliche Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde
anzuwenden. Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG ist demnach lex specialis zu Art. 88
OG und gibt dem Opfer das Recht zur staatsrechtlichen Beschwerde, wenn es
sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat und soweit der Entscheid
seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken
kann. Mit andern Worten: Das Interesse des Opfers an der Durchführung
oder Ergänzung der Strafuntersuchung ist seit der Inkraftsetzung des
Opferhilfegesetzes in dessen Art. 8 rechtlich geschützt und genügt deshalb
auch im Sinne von Art. 88 OG, um seine Legitimation zur staatsrechtlichen
Beschwerde zu begründen.

    Nach dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG stehen dem Opfer
allerdings nur dann dieselben Rechtsmittel wie dem Beschuldigten zu,
wenn der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren
Beurteilung auswirken kann.

    b) Das Opferhilfegesetz will unter anderem dem Opfer die Geltendmachung
von Zivilansprüchen im Strafverfahren erleichtern und eine Verweisung
dieser Ansprüche durch den Strafrichter auf den Zivilweg wesentlich
erschweren. Das Opfer soll seine Zivilansprüche nicht mehr in einem oft
aufwendigen und mit erheblichem Kostenrisiko verbundenen Zivilprozess
geltend machen müssen, sondern es soll sie auf dem vergleichsweise
einfachen Weg des Strafverfahrens adhäsionsweise geltend machen können. Der
Strafrichter kann die Zivilforderungen nur dann beurteilen, wenn sie im
Strafverfahren überhaupt geltend gemacht werden. Der Gesetzgeber geht
mithin davon aus, dass das Opfer seine Zivilansprüche aus strafbarer
Handlung im Strafverfahren geltend macht (Art. 8 Abs. 1 lit. a OHG)
und dass der Strafrichter, solange der Täter nicht freigesprochen oder
das Verfahren nicht eingestellt ist, auch über diese Zivilansprüche des
Opfers entscheidet (Art. 9 Abs. 1 OHG) respektive die Zivilansprüche
später behandelt (Art. 9 Abs. 2 OHG) oder sie jedenfalls dem Grundsatz
nach beurteilt (Art. 9 Abs. 3 OHG). Das Opfer ist indessen nicht selten
erst in einem relativ späten Verfahrensstadium überhaupt in der Lage,
seine Zivilforderungen aus der angeblichen strafbaren Handlung geltend
zu machen. Das in Art. 8 Abs. 1 lit. b OHG statuierte Recht des Opfers,
den Entscheid eines Gerichts zu verlangen, wenn das Verfahren nicht
eingeleitet oder wenn es eingestellt wird, setzt deshalb, anders als die
Rechtsmittellegitimation nach Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG, nicht voraus,
dass sich der Einstellungsbeschluss auf die Beurteilung der Zivilforderung
auswirken kann (vgl. das erwähnte Urteil vom 23. Februar 1994, E. I/4a,
mit zahlreichen Hinweisen auf die Botschaft des Bundesrates).

    Wenn aber das Recht des Opfers, gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. b OHG
einen Gerichtsentscheid zu verlangen, nicht die Geltendmachung von
Zivilforderungen voraussetzt, dann muss auch die staatsrechtliche
Beschwerde gegen den den Einstellungsbeschluss bestätigenden
Gerichtsentscheid unabhängig davon möglich sein, ob das Opfer bis dahin im
Strafverfahren Zivilforderungen geltend gemacht hat. Etwas anderes würde
höchstens gelten, wenn das Opfer ausdrücklich darauf verzichtet hätte,
im Strafverfahren Zivilforderungen geltend zu machen.

    c) Gegen das Strafurteil, durch das der Angeschuldigte beispielsweise
freigesprochen wird, kann das Opfer Rechtsmittel im Strafpunkt
aber grundsätzlich nur dann erheben, wenn es, soweit zumutbar, seine
Zivilansprüche aus strafbarer Handlung im Strafverfahren geltend gemacht
hat. Dies wird in Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG zwar nicht deutlich gesagt,
ergibt sich aber aus Sinn und Zweck von Art. 8 und 9 OHG. Das Opfer soll
nach der Konzeption des OHG nicht gewissermassen "mit Hilfe" eines von ihm
allenfalls erst im Rechtsmittelverfahren erstrittenen, für es günstigen
Strafurteils erstmals in einem gesonderten Zivilprozess Zivilansprüche
einbringen, sondern es soll, soweit zumutbar, seine Zivilansprüche
aus strafbarer Handlung im Strafverfahren geltend machen. Wenn es
dies tut, ist es unter den in Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG ausdrücklich
genannten Voraussetzungen zur Ergreifung von Rechtsmitteln im Strafpunkt
legitimiert. Wohl ist es dem Opfer freigestellt, ob es im Strafverfahren
eine Zivilforderung geltend machen wolle oder nicht; verzichtet es aber
auf die Geltendmachung von Zivilansprüchen im Strafprozess, obschon die
Einbringung einer solchen Forderung im Hauptverfahren zumutbar wäre,
dann ist es zur Ergreifung von Rechtsmitteln im Strafpunkt im Sinne von
Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG nicht legitimiert. Die Behörden haben im Rahmen
ihrer Informationspflicht (Art. 8 Abs. 2 OHG) das Opfer in diesem Sinne
zu belehren. Ob die Geltendmachung von Zivilansprüchen im Strafprozess
zumutbar war oder nicht, hängt von den Umständen des konkreten Falles ab.
Unter Umständen steht während des Strafprozesses, und zwar auch noch im
Hauptverfahren, noch nicht fest, ob infolge des Gegenstand des Verfahrens
bildenden Verhaltens des Angeschuldigten überhaupt ein Schaden entstanden
sei, oder die Höhe des Schadens lässt sich noch nicht zuverlässig
abschätzen. In solchen Fällen beispielsweise kann die Legitimation des
Opfers zur Ergreifung von Rechtsmitteln im Strafpunkt nicht davon abhängen,
ob es im Strafverfahren adhäsionsweise Zivilansprüche geltend gemacht habe
(BGE 120 IV 53, E. I/4b, mit Hinweisen).

    d) Die Rechtsmittellegitimation des Opfers im Strafpunkt setzt
gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG voraus, dass es sich vorher am Verfahren
beteiligt hat. Die Form der Beteiligung am Strafverfahren wird nicht
durch das Opferhilfegesetz, sondern durch das kantonale Prozessrecht
geregelt (vgl. dazu BGE 119 IV 172 E. 6). Die Kantone können mithin die
Rechtsmittellegitimation des Opfers an die Voraussetzung einer bestimmten
Form der Beteiligung am Strafverfahren knüpfen; die diesbezüglichen
Regelungen dürfen aber nicht derart sein, dass dadurch die Durchsetzung
der Zivilansprüche des Opfers im Strafverfahren im Widerspruch zu Sinn
und Zweck des Opferhilfegesetzes erheblich erschwert würde (BGE 120 IV 55,
E. I/5a).

    e) Das Opfer ist zur Ergreifung von Rechtsmitteln im Strafpunkt gemäss
Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG nur dann legitimiert, wenn sich der Entscheid
auf die Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken kann. Das Opfer
bzw. der Geschädigte ist demnach dann und insoweit zur staatsrechtlichen
Beschwerde legitimiert, als sich der Strafentscheid im Ergebnis und
aufgrund der darin enthaltenen Begründung negativ auf die Beurteilung
der Zivilforderung auswirken kann. In BGE 120 IV 56 E. I/6 hielt das
Bundesgericht fest, dafür genüge es, dass sich der Zivilrichter faktisch
an den Strafentscheid gebunden fühle. Das Opferhilfegesetz sagt indessen
nicht, ob eine tatsächliche Bindung des Zivilrichters an den Entscheid
des Strafrichters für die Legitimation des Opfers zur Ergreifung von
Rechtsmitteln genüge, oder ob dafür erforderlich ist, dass der Zivilrichter
rechtlich an den Strafentscheid gebunden ist.

    Art. 53 Abs. 2 OR bestimmt, ein strafgerichtliches Erkenntnis sei
mit Bezug auf die Beurteilung der Schuld und die Bestimmung des Schadens
für den Zivilrichter nicht verbindlich. Diese Vorschrift stellt einen
auf die Schuldfrage und die Schadensbestimmung beschränkten Eingriff des
Bundesgesetzgebers in das sonst im allgemeinen den Kantonen vorbehaltene
Prozessrecht dar; in bezug auf diese beiden Problemkreise ist demnach
eine Bindung des Zivilrichters an ein vorausgegangenes Strafurteil im
Interesse des materiellen Bundeszivilrechts ausgeschlossen. Nach der
bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts stand es jedoch den Kantonen
von Bundesrechts wegen frei, die Verbindlichkeit eines Strafurteils für
den Zivilrichter vorzusehen, insbesondere was die Feststellung der Tat
als solcher und deren Widerrechtlichkeit anbetraf (BGE 107 II 158 E. b,
mit Hinweisen). Diese Rechtsprechung ist heute zu präzisieren, soweit
das Opferhilfegesetz angewandt werden muss.

    Wie bereits erwähnt, will das Opferhilfegesetz unter anderem dem Opfer
die Geltendmachung von Zivilansprüchen im Strafverfahren erleichtern,
indem das Opfer seine Zivilansprüche auf dem vergleichsweise einfachen
Weg des Strafverfahrens adhäsionsweise soll durchsetzen können. Dieses
Ziel des Opferhilfegesetzes wird nur erreicht, wenn der Strafrichter,
welcher adhäsionsweise über die Zivilansprüche des Opfers urteilt
(Art. 9 Abs. 1 OHG) oder später darüber entscheidet (Art. 9 Abs. 2 OHG),
an seine eigenen Feststellungen rechtlich gebunden ist. Diese Bindung
des Adhäsionsrichters an seine eigenen Feststellungen galt übrigens schon
vor dem Inkrafttreten des Opferhilfegesetzes und gilt auch in Verfahren,
in denen das Opferhilfegesetz nicht anwendbar ist (GEORGES SCYBOZ, L'effet
de la chose jugée au pénal sur le sort de l'action civile, Freiburg 1976,
S. 46 ff.).

    Diese Regel gilt auch dann, wenn der Strafrichter unter den
Voraussetzungen des Opferhilfegesetzes das Opfer an das Zivilgericht
verweist. Für diesen Fall schreibt Art. 9 Abs. 3 OHG ausdrücklich vor,
dass das Strafgericht die Zivilansprüche in jedem Fall dem Grundsatz nach
entscheiden muss, bevor deren vollständige Beurteilung dem Zivilrichter
überlassen wird. Diese Bestimmung erfüllt nur dann ihren Sinn und Zweck,
wenn der Zivilrichter an die grundsätzliche Beurteilung der Zivilansprüche
durch den Strafrichter rechtlich gebunden ist. Sofern das Opfer seine
Zivilansprüche im Strafverfahren geltend gemacht hat, ist demnach der
Strafrichter im Adhäsionsverfahren oder der Zivilrichter im Verfahren
nach Art. 9 Abs. 3 OHG von Bundesrechts wegen (und nicht bloss nach
allfälligen Vorschriften des kantonalen Zivilprozessrechts) an das
Urteil des Strafrichters im rechtlichen Sinn gebunden. Das Opfer ist
dementsprechend dann im Sinne von Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG zur Ergreifung
von Rechtsmitteln legitimiert, wenn der Strafentscheid Auswirkungen
rechtlicher Natur auf die Beurteilung seiner privatrechtlichen Ansprüche
haben kann. Im übrigen ist das Opfer auch nach Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG
nur soweit zur Anfechtung des freisprechenden Urteils berechtigt, als es
sich gegen Bestimmungen im angefochtenen Urteil wendet, die in direktem
Zusammenhang mit seinen Zivilansprüchen stehen. Nicht angefochten werden
kann beispielsweise die Art und Höhe der Strafe (vgl. die Botschaft des
Bundesrates, aaO, S. 987).

    f) Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin in keiner Weise
auf zivilrechtliche Ansprüche gegenüber dem (bisher unbekannten) Täter
verzichtet. Die Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft vom
3. August 1992 wurde damit begründet, es könne nicht bewiesen werden,
dass ein bestimmter der drei beteiligten Arbeiter die behauptete Straftat
begangen habe. Damit verhindert die Verfügung, dass die Beschwerdeführerin
gegenüber einem dieser Arbeiter ihre zivilrechtliche Schadenersatzforderung
durchsetzen könnte. Da auch die übrigen Eintretensvoraussetzungen erfüllt
sind, ist nach dem Gesagten auf die Beschwerde einzutreten.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, zwar sei auch nach
ihrer Auffassung die Schuld der drei Beschwerdegegner nicht bewiesen,
doch hätten weitere Untersuchungsmassnahmen getroffen werden müssen,
um den tatsächlich Schuldigen zu finden. Weil die Rekurskommission der
Staatsanwaltschaft den Entscheid der Bezirksanwaltschaft geschützt habe,
wonach keine weiteren Beweise zu erheben seien, sei ihr das rechtliche
Gehör verweigert worden.

    a) Das Opferhilfegesetz enthält mehrere Bestimmungen, welche dem
Opfer bestimmte Rechte im Strafverfahren garantieren. Diese Bestimmungen
gehören zum eidgenössischen Gesetzesrecht; ihre Verletzung ist daher
mit der Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof des Bundesgerichts
zu rügen (vgl. Art. 269 BStP). Zu den mit Nichtigkeitsbeschwerde zu
rügenden Verfahrensrechten des Opferhilfegesetzes gehören vor allem
diejenigen Garantien, welche dem Schutz des Opfers und der Durchsetzung
seiner Zivilansprüche dienen (Art. 5, 6, 7, 9 und 10 OHG). Art. 8
Abs. 1 OHG gibt dem Opfer das allgemeine Recht, sich am Strafverfahren
zu beteiligen, während in lit. a, b und c der Bestimmung dieses Recht
konkretisiert wird. Grundsätzlich gibt die Bestimmung dem Opfer nicht
die gleichen Teilnahme-, Antrags-, Äusserungs- und Informationsrechte wie
dem Beschuldigten (Botschaft des Bundesrates, aaO, S. 985). Der Anspruch
auf rechtliches Gehör und damit auf Abnahme beantragter Beweise ist in
Art. 8 OHG nicht enthalten. Demnach folgt dieser Anspruch auch nach dem
Inkrafttreten des Opferhilfegesetzes unmittelbar aus Art. 4 BV und ist
mit staatsrechtlicher Beschwerde geltend zu machen.

    b) Nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichts konnte sich
der durch eine strafbare Handlung Geschädigte mit staatsrechtlicher
Beschwerde indessen nur wegen einer formellen Rechtsverweigerung, das
heisst wegen einer Verletzung von prozessualen Vorschriften beschweren,
die ihm bestimmte "Parteirechte" einräumen. Er vermochte demnach nur
ganz bestimmte Verfahrensmängel zu rügen, nicht aber geltend zu machen,
die Begründung eines im vorgeschriebenen Verfahren zustandegekommenen
Entscheids über die Einstellung eines Strafverfahrens verstosse gegen
Art. 4 BV (BGE 99 Ia 109 E. 1, mit Hinweisen). Mit dieser Rechtsprechung
wurde verhindert, dass sich der Anzeiger oder Geschädigte auf dem Umweg
über die Behauptung einer Gehörsverweigerung die Beschwerdelegitimation
in der Sache selbst verschaffte (nicht veröffentlichte Urteile des
Bundesgerichts vom 29. Dezember 1992 i.S. K., E. 2b, und vom 26.
September 1991 i.S. G., E. 2b, je mit weiteren Hinweisen).

    Seit der Inkraftsetzung des Opferhilfegesetzes ist indessen auf
diese Einschränkung zu verzichten, sofern die Beschwerdeführerin als
Opfer gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG zur staatsrechtlichen Beschwerde
legitimiert ist. Das Opfer kann die Verweigerung des rechtlichen Gehörs
im gleichen Umfang rügen wie der Beschuldigte. Im vorliegenden Fall ist
die Rüge der Beschwerdeführerin somit zulässig.