Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 V 297



115 V 297

40. Auszug aus dem Urteil vom 30. Mai 1989 i.S. F. gegen Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste

    Art. 96 und 98 UVG, Art. 122 f. UVV, Art. 26-28 VwVG, Art. 4
Abs. 1 BV: Zum Anspruch auf Akteneinsicht im Gebiet der obligatorischen
Unfallversicherung (UV).

    - Rechtsgrundlagen des Anspruches auf Akteneinsicht in der UV
(Erw. 2a).

    - Verhältnis der Verfahrensbestimmungen von UVG/UVV zu den
entsprechenden prozessualen Normen gemäss VwVG (Erw. 2b).

    - Grundsätze der Akteneinsichtsgewährung nach VwVG (Erw. 2c).

    - Die Akteneinsichtsregelung von UVG/UVV weicht von der entsprechenden
Ordnung der Art. 26 ff. VwVG nicht grundsätzlich ab (Erw. 2d).

    - Das Akteneinsichtsrecht als Teilgehalt des Anspruches auf rechtliches
Gehör (Erw. 2e).

    - Schranken der Akteneinsichtsgewährung (Erw. 2f).

    - Die Behandlung verwaltungsinterner Akten (Erw. 2g/aa-cc).

    - Rechtsfolgen der Verletzung des Anspruches auf Akteneinsicht
(Erw. 2h).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- b) Anfechtungsgegenstand der vorliegenden
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist der kantonale Gerichtsentscheid, in
welchem die Vorinstanz die Beschwerde gegen den Einspracheentscheid
der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) vom
26. Januar 1987 im Umfange der bis 31. August 1986 eingeräumten
Taggeldberechtigung teilweise gutgeheissen, im übrigen aber und
insbesondere bezüglich der beantragten Aktenedition abgewiesen hat.
Dieser Anfechtungsgegenstand beruht nicht nur hinsichtlich der
Taggeld- und sonstigen materiellen Anspruchsberechtigung, sondern auch
hinsichtlich der beantragten Aktenedition auf Bundesverwaltungsrecht
(wie noch im einzelnen zu zeigen sein wird; vgl. Erw. 2), weshalb er
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar ist (BGE 112 V 112 mit
Hinweisen). Auf das Verwaltungsgerichtsbeschwerde-Begehren, "die SUVA
sei zu verpflichten, ihre sämtlichen Akten dieser Angelegenheit im
ursprünglichen Original zu edieren", ist daher insoweit einzutreten,
als im Hinblick auf den Anfechtungsgegenstand sinngemäss eine Verletzung
des bundesrechtlichen Akteneinsichtsrechts im vorliegenden Falle gerügt
wird. Insoweit ist der kantonale Gerichtsentscheid angefochten, weshalb -
nebst den materiellrechtlichen Gesichtspunkten - die Art und Weise der
Gewährung der Akteneinsicht durch die SUVA im vorliegenden Falle zum
Streitgegenstand zählt (BGE 110 V 51 Erw. 3c mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 98 UVG stehen die Akten den Beteiligten zur Einsicht
offen (Satz 1). Dabei sind jedoch wesentliche private Interessen des
Verunfallten und seiner Angehörigen sowie des Arbeitgebers zu wahren
(Satz 2). Der Bundesrat bezeichnet den Kreis der Beteiligten (Satz
3). Von dieser delegierten Rechtssetzungskompetenz hat der Bundesrat in
den Art. 122 f. UVV Gebrauch gemacht. In den Schranken von Artikel 98
des Gesetzes steht die Akteneinsicht nach Art. 122 UVV zu:

    a. dem Versicherten oder seinen Hinterlassenen, dem Arbeitgeber sowie
   dem gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreter dieser Personen für

    Akten, die Grundlage für eine sie unmittelbar betreffende Verfügung
   bilden;

    b. dem behandelnden Arzt und dem ärztlichen Gutachter im Rahmen
   ihres Auftrages,;

    c. dem Haftpflichtigen und seinem Vertreter für Akten, die der
Abklärung
   des Haftpflichtanspruches und des Schadens dienen;

    d. den Sozialversicherungsgerichten.

    Bei lit. b bis d des Art. 122 UVV handelt es sich nicht
um Akteneinsichtsrechte der betroffenen Person, sondern um
Ermächtigungstatbestände für die Weitergabe von Personendaten an Dritte,
was hier nicht zur Diskussion steht.

    Art. 123 UVV (Verfahren bei der Akteneinsicht) ordnet die Modalitäten
der Akteneinsichtsgewährung. Bedeutsam ist Abs. 2, wonach die Akteneinsicht
eingeschränkt werden kann, wenn die Ermittlung des Sachverhaltes oder
die medizinische Abklärung erheblich behindert würde.

    b) Nach Art. 96 UVG sind die Verfahrensbestimmungen dieses Gesetzes
anwendbar, soweit das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren
(VwVG) für Versicherer nicht gilt oder dieses Gesetz eine abweichende
Regelung enthält. Ob das VwVG Anwendung findet, hängt davon ab, welche
Versicherungsträger Verfügungen erlassen. Im Bereich des UVG gilt das VwVG
für die SUVA als eine autonome eidgenössische Anstalt (Art. 1 Abs. 1 und 2
lit. c VwVG; BGE 112 V 210 Erw. 2a, 109 V 232), während es für die anderen
zugelassenen Versicherer (Art. 68 Abs. 1 UVG) direkt nicht massgeblich
ist (Art. 1 Abs. 2 lit. e in Verbindung mit Art. 3 lit. a VwVG; MEYER,
Die Rechtspflege in der Sozialversicherung, in: BJM 1989 S. 21). Die in
Art. 97 ff. UVG erlassenen und gestützt darauf in der Verordnung noch
näher umschriebenen (Art. 122 ff. UVV) Verfahrensbestimmungen sind daher
für alle übrigen zugelassenen Versicherer massgebend (und bezwecken
insoweit eine einheitliche Ordnung des Administrativverfahrens), für
die SUVA dagegen nach der Regel des Art. 96 UVG nur insoweit, als sie im
Vergleich zur sachlich entsprechenden Ordnung des VwVG eine abweichende
Regelung enthalten (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht,
S. 596 und S. 600).

    c/aa) Das VwVG regelt die Frage des Akteneinsichtsrechts in den
Art. 26 bis 28. Art. 26 Abs. 1 VwVG lautet:

    Die Partei oder ihr Vertreter hat Anspruch darauf, in ihrer Sache
   folgende Akten am Sitze der verfügenden oder einer durch diese zu
   bezeichnenden kantonalen Behörde einzusehen:

    a. Eingaben von Parteien und Vernehmlassungen von Behörden;

    b. alle als Beweismittel dienenden Aktenstücke;

    c. Niederschriften eröffneter Verfügungen.

    Die Behörde darf nach Art. 27 VwVG die Einsichtnahme in die Akten
nur verweigern, wenn:

    a. wesentliche öffentliche Interessen des Bundes oder der Kantone,
   insbesondere die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft,
   die Geheimhaltung erfordern;

    b. wesentliche private Interessen, insbesondere von Gegenparteien, die

    Geheimhaltung erfordern;

    c. das Interesse einer noch nicht abgeschlossenen amtlichen
Untersuchung
   es erfordert (Abs. 1).

    Die Verweigerung der Einsichtnahme darf sich nur auf die Aktenstücke
   erstrecken, für die Geheimhaltungsgründe bestehen (Abs. 2).

    Die Einsichtnahme in eigene Eingaben der Partei, ihre als Beweismittel
   eingereichten Urkunden und ihr eröffnete Verfügungen darf nicht, die

    Einsichtnahme in Protokolle über eigene Aussagen der Partei nur bis zum

    Abschluss der Untersuchung verweigert werden (Abs. 3).

    Art. 28 VwVG lautet:

    Wird einer Partei die Einsichtnahme in ein Aktenstück verweigert, so
   darf auf dieses zum Nachteil der Partei nur abgestellt werden, wenn
   ihr die Behörde von seinem für die Sache wesentlichen Inhalt mündlich
   oder schriftlich Kenntnis und ihr ausserdem Gelegenheit gegeben hat,
   sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen.

    bb) In Art. 26 VwVG werden die Dokumente genannt, auf welche sich
das Einsichtsrecht bezieht, insbesondere alle als Beweismittel dienenden
Aktenstücke (Abs. 1 lit. b). Die Gewährung der Akteneinsicht ist dabei
der Grundsatz, deren Verweigerung die Ausnahme (vgl. die Randtitel zu
Art. 26 f. VwVG). Dabei darf die Akteneinsicht nur ausnahmsweise zum
Schutze wesentlicher öffentlicher oder privater Interessen verweigert
werden. Somit rechtfertigt nicht jedes entgegenstehende öffentliche oder
private Interesse die Verweigerung der Akteneinsicht. Es ist Aufgabe
der Verwaltungsbehörde oder im Streitfall des Richters, im Einzelfall
abzuwägen, ob ein konkretes Geheimhaltungsinteresse das grundsätzlich
wesentliche Interesse an der Akteneinsicht überwiegt (vgl. VPB 1978 Nr. 7
S. 46 ff.). Rechtsstaatlich bedeutsam ist insbesondere der wiedergegebene
Art. 28 VwVG, wie SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes,
S. 140, hervorhebt.

    d) An dieser Rechtslage gemäss VwVG ändert sich aufgrund
der dargestellten Bestimmungen von UVG/UVV zum Akteneinsichtsrecht
grundsätzlich nichts. Mit dem zitierten Art. 98 UVG wurden der Grundsatz
der Akteneinsicht und seine Einschränkungen zufolge vorgehender
Geheimhaltungsinteressen - entsprechend Art. 26 und 27 VwVG - den
Gegebenheiten der Unfallversicherung angepasst (Botschaft des Bundesrates
zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 18. August 1976, BBl 1976
III 222). Bezüglich des Umfangs des Akteneinsichtsrechts hält Art. 122
lit. a UVV ausdrücklich und im Einklang mit Art. 26 Abs. 1 lit. b VwVG
fest, dass es sich auf alle Akten bezieht, die Grundlage für eine die
Beteiligten unmittelbar betreffende Verfügung bilden. Daraus lässt sich
schliessen, dass in Analogie zu Art. 28 VwVG ein Aktenstück, in welches
die Einsichtnahme verweigert wird, nicht als Grundlage einer Verfügung
dienen darf, ausser wenn dem Betroffenen vom wesentlichen Inhalt der
geheimgehaltenen Akten Kenntnis gegeben und ihm Gelegenheit gegeben wird,
sich dazu zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen. Die Regelung
der Akteneinsicht in UVG und UVV weicht daher nicht wesentlich von den
sich aus Art. 26 ff. VwVG ergebenden Grundsätzen ab, weshalb letzte für
die SUVA massgeblich bleiben (Erw. 2b). Man kann höchstens von einer teils
knapperen, teils eingehenderen bereichspezifischen Akteneinsichtsordnung
sprechen (vgl. Art. 4 VwVG), welche indes von den gleichen wesentlichen
Grundgedanken und Prinzipien ausgeht. Darüber hinaus hätten allfällige
mehr redaktionelle Divergenzen kaum praktische Konsequenzen. Denn in
den Art. 26 ff. VwVG haben die allgemeinen, aus Art. 4 BV abgeleiteten
Grundsätze zum Akteneinsichtsrecht Ausdruck gefunden (BGE 113 Ia 3
Erw. 2, 261 Erw. 4a und 288 Erw. 2b, 113 Ib 268 Erw. 4c, 100 Ia 103
Erw. 5d; ZAK 1988 S. 39 Erw. 2a mit Hinweisen), welche ihrerseits von
Verfassungs wegen für die SUVA und auch für die übrigen zugelassenen
Unfallversicherer gelten (MEYER, aaO, S. 10). Rechtsprechung und Doktrin
zum minimalen verfassungsrechtlichen Akteneinsichtsrecht nach Art. 4 BV
einerseits und nach den Art. 26 bis 28 VwVG anderseits beeinflussen sich
somit gegenseitig.

    e) Auch aus Inhalt und Funktion des Akteneinsichtsrechts als Teil
des Anspruchs auf rechtliches Gehör folgt für alle Unfallversicherer
in gleicher Weise, dass grundsätzlich sämtliche beweiserheblichen
Akten den Beteiligten gezeigt werden müssen, sofern in der sie
unmittelbar betreffenden Verfügung darauf abgestellt wird (MAURER, aaO,
S. 601). Denn es gehört zum Kerngehalt des rechtlichen Gehörs, dass der
Verfügungsadressat vor Erlass eines für ihn nachteiligen Verwaltungsaktes
zum Beweisergebnis Stellung nehmen kann. Das Akteneinsichtsrecht
ist somit eng mit dem Äusserungsrecht verbunden, gleichsam dessen
Vorbedingung. Der Versicherte kann sich nur dann wirksam zur Sache
äussern und geeignete Beweise führen oder bezeichnen, wenn ihm die
Möglichkeit eingeräumt wird, die Unterlagen einzusehen, auf welche sich
die Behörde bei ihrer Verfügung gestützt hat. Das rechtliche Gehör dient
in diesem Sinne einerseits der Sachaufklärung und stellt anderseits ein
persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht im Verfahren dar (BGE 114 Ia
99 Erw. 2a, 113 Ia 288 Erw. 2b, 100 Ia 10 Erw. 3d). Daraus ergibt sich,
dass der Unfallversicherer, welcher neue Akten beizieht, auf die er sich
in seiner Verfügung zu stützen gedenkt, grundsätzlich verpflichtet ist,
die Beteiligten über den Aktenbeizug zu informieren (vgl. hiezu BGE 114
Ia 100 Erw. 2c, 112 Ia 202 Erw. 2a).

    f) Das Recht auf Akteneinsicht findet in der sozialen
Unfallversicherung seine Grenze am wesentlichen Interesse des Verunfallten
selber - dies insbesondere im Lichte des Persönlichkeitsschutzes -, ebenso
an wesentlichen Interessen der Angehörigen und des Arbeitgebers (Art. 98
UVG). In jedem Falle müssen die der Akteneinsicht entgegenstehenden
Interessen überwiegen. Die Akteneinsicht kann ferner auch dann
eingeschränkt werden, wenn, wie bereits erwähnt, die Ermittlung des
Sachverhalts oder die medizinische Abklärung erheblich behindert würde
(Art. 123 Abs. 2 UVV). Im Lichte der dargestellten verfassungsrechtlichen
Grundsätze bedarf es indes für die Annahme dieses Ablehnungsgrundes
greifbarer wesentlicher Anhaltspunkte. In jedem Falle ist eine konkrete,
sorgfältige und umfassende Abwägung der entgegenstehenden Interessen
nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmen, wobei der Grundsatz der
Verhältnismässigkeit zu beachten ist (BGE 113 Ia 4 Erw. 4a, 262 Erw. 4a
mit Hinweisen, 113 Ib 269 f.). Die Beschränkung oder Verweigerung der
Akteneinsicht ist zu begründen (ZBl 78/1977 S. 377).

    g/aa) Weder nach der Akteneinsichtsordnung des VwVG noch jener von
UVG/UVV noch aufgrund des verfassungsmässigen Mindestschutzes nach Art. 4
BV besteht Anspruch auf Einsicht in verwaltungsinterne Akten. Das sind
Unterlagen, denen für die Behandlung eines Falles kein Beweischarakter
zukommt, welche vielmehr ausschliesslich der verwaltungsinternen
Meinungsbildung dienen und somit nur für den verwaltungsinternen Gebrauch
bestimmt sind (z. B. Entwürfe, Anträge, Notizen, Mitberichte, Hilfsbelege
usw.). Diese Einschränkung des Akteneinsichtsrechts soll verhindern,
dass die interne Meinungsbildung der Verwaltung über die entscheidenden
Aktenstücke und die erlassenen begründeten Verfügungen hinaus vollständig
vor der Öffentlichkeit ausgebreitet wird (BGE 113 Ia 9 Erw. 4c/cc mit
Hinweisen auf die Rechtsprechung und Literatur sowie 288 Erw. 2d; im
gleichen Sinne Rz. 27 des Kreisschreibens des BSV über die Schweigepflicht
und Akteneinsicht in der AHV/IV/EO/EL/FL, gültig ab 1. Juli 1988). Für
die Verweigerung der Akteneinsicht in solche internen Unterlagen bedarf
es keines entgegenstehenden überwiegenden Geheimhaltungsinteresses.

    bb) Eine Schwierigkeit ergibt sich unter Umständen daraus, dass die
Verwaltung für ihre Entscheidfindung bedeutsame Beweisergebnisse und
entsprechende Akten als "nur für internen Gebrauch bestimmt" betrachtet
und mit dieser Begründung das Akteneinsichtsrecht in solche Unterlagen
beschränkt oder verweigert. Nach dem Gesagten ist auch in einem solchen
Fall das Einsichtsrecht grundsätzlich zu bejahen (VPB 1984 Nr. 34 S. 224
f.; REINHARDT, Das rechtliche Gehör in Verwaltungssachen, Diss. Zürich
1968, S. 173 f.). Gilt es den Umfang des Akteneinsichtsrechts zu bestimmen,
kommt es demnach auf die im konkreten Fall objektive Bedeutung eines
Aktenstückes für die verfügungswesentliche Sachverhaltsfeststellung an,
und nicht auf die Einstufung des Beweismittels durch die Verwaltung
als internes Papier. Die Vorlegungspflicht hat sich nach der Relevanz
der umstrittenen Papiere zu richten (so zutreffend FISCHLI, Die
Akteneinsicht im Verwaltungsprozess, in: Mélanges Henri Zwahlen,
Lausanne 1977, S. 283). Keine internen Akten sind verwaltungsintern
erstellte Berichte und Gutachten zu streitigen Sachverhaltsfragen; diese
unterliegen praxisgemäss dem Akteneinsichtsrecht, weil der Anspruch auf
rechtliches Gehör vorbehältlich gewisser Ausnahmen das Recht einschliesst,
an Beweiserhebungen der Verwaltung teilzunehmen und sich zum Beweisergebnis
zu äussern. Anders verhält es sich nur bei Berichten verwaltungsinterner
Fachstellen, die sich darauf beschränken, an sich feststehende Tatsachen
sachverständig zu würdigen (vgl. BGE 104 Ia 71 mit Hinweisen). Dabei kann
aber im Unfallversicherungsbereich von feststehenden Tatsachen jedenfalls
so lange nicht gesprochen werden, als Diagnosen, Befunde, Auswirkungen
auf die Arbeitsfähigkeit, natürliche Kausalzusammenhänge usw. unter den
Parteien umstritten sind.

    Der Richter hat somit gegebenenfalls zu prüfen, ob die Verwaltung
zu Recht ein Aktenstück als internes Papier klassifiziert hat (dazu BGE
113 Ia 289 Erw. 2d). Führt diese Prüfung von verwaltungsinternen Akten
zum Schluss, dass sie den Ausgang eines Verfahrens beeinflussen können,
ist nach den gewöhnlichen Regeln und Grundsätzen der Interessenabwägung
zu entscheiden, ob auch sie der Akteneinsicht unterliegen, einzelne
dieser Aktenstücke (oder Teile davon) auszunehmen sind oder die Einsicht
sogar vollumfänglich verweigert werden muss. Wird einem Betroffenen die
Einsichtnahme in ein zu Unrecht als intern qualifiziertes Aktenstück
zufolge eines Geheimhaltungsgrundes verweigert, so darf auch darauf
zu seinem Nachteil nur abgestellt werden, wenn die Verwaltung seinen
wesentlichen Inhalt mündlich oder schriftlich (z. B. in Form redaktionell
bereinigter Kopien) bekanntgibt und dem Betroffenen Gelegenheit einräumt,
sich zu äussern und Gegenbeweismittel zu bezeichnen.

    cc) Die Abgrenzung zwischen verfügungserheblichen und rein internen
Akten mag gelegentlich Schwierigkeiten bereiten. Auch ist die Gefahr
nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, dass die Verwaltung in
besonders heiklen Fällen versucht sein könnte, bestimmte interne Akten
(von deren Existenz die Beteiligten allenfalls nicht einmal Kenntnis haben)
zur Grundlage einer Verfügung zu machen. Dies käme einer Vereitelung des
Akteneinsichtsrechts gleich. In praktischer Hinsicht darf indessen nicht
übersehen werden, dass Versicherte bei genügender Verfügungsbegründung,
zu welcher der Unfallversicherer von Verfassungs wegen verpflichtet ist
(vgl. dazu ZBl 88/1989 S. 137 ff.), in der Regel prüfen kann, ob ihm
die von der Verwaltung verwendeten Verfügungsgrundlagen bekanntgegeben
worden sind. Vor allem aber - und dies ist für den Rechtsschutz des
Versicherten gegenüber dem Sozialversicherer letztlich ausschlaggebend
- gründet die justizmässige Prüfung von Verwaltungsverfügungen auf
ihre tatsächliche Richtigkeit, Rechtmässigkeit und Angemessenheit hin
einzig auf Akten, welche der Akteneinsichtsordnung unterliegen, dagegen
niemals auf rein internen Akten, auf welche sich die Verwaltung daher im
Streitfall für die Stützung ihres Standpunktes nicht mit Erfolg berufen
kann. Auf die in der jüngeren Doktrin diskutierte Frage, ob angesichts der
anerkannten Grundsätze über die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts auf
die Unterscheidung zwischen internen und anderen Akten nicht verzichtet
werden sollte (siehe dazu GEORG MÜLLER, in Kommentar BV, Art. 4, Rz. 109;
JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, S. 248;
HUBER, Das Recht des Bürgers auf Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren,
Diss. St. Gallen 1980, S. 84 ff.; COTTIER, in: "recht" 2/1984, S. 123),
braucht daher hier nicht näher eingetreten zu werden.

    h) Das Recht auf Akteneinsicht ist wie das Recht, angehört zu werden,
formeller Natur. Die Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht führt
ungeachtet der Erfolgsaussichten der Beschwerde in der Sache selbst
zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung (vgl. BGE 106 Ia 74 Erw. 2
mit Hinweisen). Vorbehalten bleiben praxisgemäss Fälle, in denen die
Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. des Akteneinsichtsrechts nicht
besonders schwer wiegt und dadurch geheilt wird, dass die Partei, deren
rechtliches Gehör verletzt wurde, sich vor einer Instanz äussern kann,
welche sowohl die Tat- als auch die Rechtsfragen uneingeschränkt überprüft
(vgl. BGE 112 Ib 175 Erw. 5e, 110 Ia 82 Erw. 5d, 107 V 249 Erw. 3; ZBl
84/1983 S. 136).

Erwägung 3

    3.- a) Im vorliegenden Fall beanstandet die Beschwerdeführerin die
ungenügende Gewährung der Akteneinsicht im bisherigen Verfahren, soweit
es um den der Verfügung vom 11. November 1986 u.a. zugrunde liegenden
Bericht des Dr. med. B. vom 22. Oktober 1986 geht. Tatsächlich hat sich
die SUVA in ihrem Einspracheentscheid vom 26. Januar 1987 auf jenen
Bericht des Dr. med. B. von der Gruppe Unfallmedizin der medizinischen
Abteilung gestützt, der bei Erlass der Verfügung vom 11. November 1986 -
und noch über das Datum des Einspracheentscheides hinaus - nicht in den
zur Einsicht zugestellten Akten lag. Die SUVA stellte den Bericht des
Dr. med. B. dem Rechtsvertreter der Versicherten erst auf dessen Rüge hin
mit Schreiben vom 30. März 1987 zu und hat ihn als Nr. 51 zu den Akten
genommen. Der Rechtsvertreter beharrt darauf, er wisse mit Sicherheit,
dass es sich bei diesem Aktenstück Nr. 51 nicht um eine Kopie des roten
Originals, sondern um eine für die Partei und das Gericht erstellte und
vom Arzt neu unterschriebene Abschrift handle; dabei sei die materielle
Identität nach wie vor nicht belegt.

    b) Diese Auffassung weckt unter den gegebenen Umständen
Verständnis. Die SUVA ist insofern fragwürdig vorgegangen, als sie den
Bericht des Dr. med. B. bei Erlass ihrer Verfügung vom 11. November
1986 wohl mit berücksichtigte, ihn aber dem Rechtsvertreter nicht zur
Kenntnis brachte. Im Schreiben vom 30. März 1987 hat sich die SUVA
auf den Standpunkt gestellt, sie wäre "überfordert, wenn sie die rund
2000 Einsprachen im Jahr aufgrund aller prozessualen Regeln behandeln
müsste"; auch hier gebe es "vernünftige Grenzen der Sozialversicherung,
deren Beachtung im Gesamtinteresse" liege. Das Gegenteil ist richtig,
weil selbstverständlich alle verbindlichen Verfahrensbestimmungen, somit
auch die grundlegende rechtsstaatliche Sicherung des Akteneinsichtsrechts
im Einspracheverfahren einzuhalten sind. Schliesslich fällt auf, dass die
SUVA noch in ihrer Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
klar Stellung genommen hat zur Frage, ob und allenfalls inwiefern sie den
Originaltext der Anfrage an Dr. med. B. und seine ursprüngliche Antwort
abgeändert hat. Die SUVA will lediglich generell festgestellt haben,
dass "ein Zwang zu originalgetreuer Wiedergabe unbedeutender interner
Textstellen oder Schriftlichkeiten nicht" bestehe. Davon kann indessen bei
einem Arztbericht, der eine wesentliche Verfügungsgrundlage bildete, nicht
gesprochen werden. Eine Verletzung des Akteneinsichtsrechts liegt daher
vor, ist doch kein Grund ersichtlich, warum der Bericht des Dr. med. B. vom
22. Oktober 1986 in seiner ursprünglichen Fassung dem Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin nicht hätte zur Kenntnis gebracht werden können. Dieser
Verfahrensverstoss bleibt indes vorliegend insofern folgenlos, als er
nicht besonders schwer ist - die Auffassung des Dr. med. B., auf welche
sich die SUVA stützt, wurde in den nachfolgend zu den Akten gegebenen
Berichten hinreichend deutlich gemacht - und als sich die Einholung einer
Oberexpertise zu den Unfallauswirkungen sowie den daraus resultierenden
Arbeitsunfähigkeiten ohnehin aufdrängt. Damit verlieren der Bericht
des Dr. med. B. vom 22. Oktober 1986 und die Frage, ob es sich bei
der schlussendlich zu den Akten gegebenen Fassung dieses Berichts
um eine mit der ursprünglichen Niederschrift übereinstimmende Version
handelt, für die Beurteilung der streitigen Versicherungsansprüche jeden
wesentlichen Beweiswert, kann doch nach den Umständen des vorliegenden
Falles die Leistungsverweigerung nicht mit den Stellungnahmen des
Dr. med. B. begründet werden.

    c) Auf die weitere rein pauschale Behauptung des Rechtsvertreters in
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, es könnten noch weitere "Geheimakten"
vorhanden sein, ist nicht einzutreten, weil es sich um blosse vage
Vermutungen handelt, für die keine konkreten Anhaltspunkte bestehen. Davon
abgesehen wären solche internen Akten für die Beurteilung der materiellen
Leistungsberechtigung nach dem Gesagten klarerweise nicht erheblich.