Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 V 275



115 V 275

37. Urteil vom 6. Juli 1989 i.S. Waadt-Versicherungen gegen S. und
Versicherungsgericht des Kantons Bern Regeste

    Art. 20 Abs. 2 und 3 UVG, Art. 31 und 32 UVV: Berechnung der
Komplementärrenten für Invalide (in casu: Bezüger einer Ehepaar-Altersrente
der AHV).

    - Bei der Berechnung der Komplementärrenten für Invalide gemäss
Art. 20 Abs. 2 UVG sind die Renten der AHV oder der IV grundsätzlich in
vollem Umfang zu berücksichtigen (Erw. 3a).

    - Soweit die Art. 31 und 32 UVV diesen Grundsatz für Komplementärrenten
an teilerwerbstätige Altersrentner, die schon vor einem UVG-versicherten
und zu einer Invalidität führenden Unfall Bezüger einer Ehepaar-Rente
der AHV waren, gestützt auf die Delegationsnorm des Art. 20 Abs. 3 UVG
uneingeschränkt und ohne abweichende Regelung übernehmen, erweisen sie sich
als gesetz- und verfassungsmässig; Bemerkungen de lege ferenda (Erw. 3b).

    Art. 40 UVG und Art. 74 Abs. 3 KUVG, Art. 51 Abs. 4 UVV:
Überversicherungsregeln.

    - Die allgemeine Überversicherungsregel des Art. 40 UVG und die
entsprechenden gemäss altrechtlicher Rechtsprechung (insbesondere zu
Art. 74 Abs. 3 KUVG) entwickelten Grundsätze sind nicht anwendbar, wenn
eine andere Koordinationsregel des Gesetzes - wie sie namentlich in Art. 20
Abs. 2 bzw. 31 Abs. 4 UVG enthalten ist - eingreift; insoweit findet auch
die Ausführungsbestimmung von Art. 51 Abs. 4 UVV (sog. Härtefallklausel)
keine Anwendung (Erw. 1c und 3c).

    - Frage offengelassen, ob der in Art. 74 Abs. 3 KUVG enthaltene
Grundsatz einer Identität des Schadenereignisses auch unter dem
Gesichtspunkt des Art. 40 UVG weiterhin gilt (Erw. 3a in fine).

Sachverhalt

    A.- Otto S. (geb. 1917) arbeitete auch nach Erreichen des
AHV-Rentenalters noch teilweise bei einem Verband und war damit bei
den Waadt-Versicherungen obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfällen versichert. Bei dieser Tätigkeit erzielte er zuletzt
einen Verdienst von Fr. 9'174.-- im Jahr. Am 18. Januar 1985 erlitt
er mit dem Auto einen Verkehrsunfall, bei dem er sich eine Verletzung
des Schultergelenks zuzog. Seither hat er infolge einer schmerzhaften
Instabilität der Schulter keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben können.

    Die Waadt-Versicherungen sprachen Otto S. u.a. Taggelder sowie eine
Integritätsentschädigung von Fr. 5'220.-- zu. Dagegen verneinten sie den
Anspruch auf eine Invalidenrente der obligatorischen Unfallversicherung,
weil die dem Versicherten seit 1982 zustehende Ehepaar-Altersrente der
AHV von jährlich Fr. 23'328.-- bereits 90%, des versicherten Verdienstes
übersteige und sich somit aus der Differenzberechnung gemäss Art. 20
Abs. 2 UVG keine Komplementärrente ergebe (Verfügung vom 1. Dezember 1986).

    Eine hiegegen erhobene Einsprache wurde mit Entscheid vom 13. Februar
1987 abgewiesen.

    B.- Otto S. beschwerte sich gegen diesen Entscheid, indem er
sein Begehren um Zusprechung einer Invalidenrente der obligatorischen
Unfallversicherung erneuerte.

    Das Versicherungsgericht des Kantons Bern stellte fest, bei der
Berechnung von Komplementärrenten für teilerwerbstätige Altersrentner
dürften entsprechend dem Begriff der Überentschädigung nur Leistungen
aufgrund eines und desselben Ereignisses bzw. mit gleicher wirtschaftlicher
Funktion miteinander verglichen werden. Eine entsprechende Regelung
habe auch schon vor dem Inkrafttreten des UVG bestanden (Art. 39bis
IVV und Art. 66quater AHVV). Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass
der Gesetzgeber mit der Einführung der Komplementärrenten im UVG von
der früheren Regelung habe abweichen wollen. In analoger Anwendung
von Art. 32 Abs. 1 UVV sei lediglich der dem prozentualen Anteil der
vor dem Unfall ausgeübten Erwerbstätigkeit am gesamten Aufgabenbereich
entsprechende Teil der AHV-Rente bei der Berechnung der Komplementärrente
zu berücksichtigen. Von diesem Anteil der AHV-Ehepaar-Rente seien
ferner in analoger Anwendung von Art. 31 Satz 2 UVV nur zwei
Drittel in die Berechnung der Komplementärrente mit einzubeziehen. Das
Versicherungsgericht hiess deshalb die Beschwerde dahingehend gut, dass es
die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache "an die Beschwerdegegnerin"
zurückwies "zum weiteren Vorgehen im Sinne der Motive und zum Erlass
einer neuen Verfügung" (Entscheid vom 20. Oktober 1987).

    C.- Die Waadt-Versicherungen lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen mit den Anträgen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides
sei ihre Verfügung vom 1. Dezember 1986 bzw. der Einspracheentscheid vom
13. Februar 1987 wiederherzustellen.

    Otto S. lässt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
und die Ausrichtung einer "100%igen Invalidenrente" beantragen. Das
Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) hält eine analoge Anwendung der
Härtefallklausel nach Art. 51 Abs. 4 UVV für möglich und trägt in diesem
Sinne auf Abänderung des vorinstanzlichen Entscheides an.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Nach Art. 18 Abs. 1 UVG hat der Versicherte Anspruch auf
eine Invalidenrente, wenn er infolge des Unfalls invalid wird. Hat er
auch Anspruch auf eine Rente der IV oder der AHV, so wird ihm gemäss
Art. 20 Abs. 2 UVG eine Komplementärrente gewährt; diese entspricht "der
Differenz zwischen 90 Prozent des versicherten Verdienstes und der Rente
der IV oder der AHV", höchstens aber dem für Voll- oder Teilinvalidität
vorgesehenen Betrag. Nach Abs. 3 desselben Artikels erlässt der Bundesrat
nähere Vorschriften, namentlich über die Berechnung der Komplementärrenten
in Sonderfällen. Von dieser Rechtssetzungskompetenz hat der Bundesrat
Gebrauch gemacht und in den Art. 31 ff. UVV verschiedene Bestimmungen
über die Komplementärrenten für Invalide erlassen. In diesem Sinne hat er
u.a. in Art. 31 UVV die "Berechnung der Komplementärrenten im allgemeinen"
sowie in Art. 32 UVV die "Höhe der Komplementärrenten in Sonderfällen"
wie folgt geregelt:

    Art. 31:

    "Bei der Berechnung der Komplementärrenten für Invalide werden auch
   die Zusatz- und Kinderrenten der AHV/IV voll berücksichtigt. Wird als

    Folge eines Unfalles eine Ehepaarrente der AHV/IV ausgerichtet, so
   wird diese vorbehältlich Artikel 32 Absätze 1 und 2 dem verunfallten

    Ehegatten zu zwei Dritteln angerechnet."

    Art. 32:

    "1 Vor dem Unfall gewährte IV-Renten werden bei der Berechnung der

    Komplementärrenten nur so weit berücksichtigt, als sie wegen des

    Unfalles erhöht werden. In den Fällen von Artikel 24 Absatz 4 wird
   die IV-Rente voll angerechnet.

    2 Hat ein Ehegatte aus einem Unfall bereits Anspruch auf eine Rente
   und wurde bei deren Berechnung eine AHV/IV-Rente schon berücksichtigt,
   so wird dem anderen Ehegatten, der durch Unfall invalid wird, die

    Ehepaarrente nur zu einem Drittel angerechnet.

    3 Wird eine Witwe, die eine AHV-Rente bezieht, wegen eines Unfalles
   invalid, so wird ihr die AHV-Rente nur zu zwei Dritteln angerechnet.

    4 Hat der Rentenberechtigte vor Eintritt der Invalidität neben der
   unselbständigen noch eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt,
   so wird für die Festsetzung der Grenze von 90 Prozent nach Artikel 20

    Absatz 2 des Gesetzes neben dem versicherten Verdienst auch das

    Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit bis zum Höchstbetrag
   des versicherten Verdienstes berücksichtigt.

    5 Teuerungszulagen werden bei der Bemessung der Komplementärrenten
   nicht berücksichtigt."

    Von diesen Vorschriften hat das Eidg. Versicherungsgericht in seiner
bisherigen Rechtsprechung Art. 32 Abs. 4 UVV als gesetzeskonform erklärt
(BGE 112 V 39).

    b) Stirbt der Versicherte an den Folgen eines Unfalls, so haben der
überlebende Ehegatte und die Kinder Anspruch auf Hinterlassenenrenten
(Art. 28 UVG). Diese betragen u.a. für Witwen und Witwer 40% sowie für
mehrere Hinterlassene zusammen höchstens 70% des versicherten Verdienstes
(Art. 31 Abs. 1 UVG). Stehen den Hinterlassenen auch Renten der AHV
oder der IV zu, so wird ihnen gemeinsam eine Komplementärrente gewährt;
diese entspricht "der Differenz zwischen 90 Prozent des versicherten
Verdienstes und den Renten der AHV oder der IV", höchstens aber dem in
Absatz 1 vorgesehenen Betrag (Art. 31 Abs. 4 UVG). Gemäss Abs. 5 desselben
Artikels erlässt der Bundesrat nähere Vorschriften, namentlich über
die Berechnung der Komplementärrenten sowie der Renten für Vollwaisen,
wenn beide Elternteile versichert waren. Der Bundesrat hat von dieser
an ihn delegierten Befugnis Gebrauch gemacht und in Art. 43 UVV zur
Komplementärrente an Hinterlassene u.a. folgendes bestimmt:

    "1 Bei der Berechnung der Komplementärrenten für Hinterlassene werden
   die AHV/IV-Renten. einschliesslich der Kinderrenten, voll
   berücksichtigt. Bei der Berechnung der Komplementärrenten an Vollwaisen
   wird die Summe der versicherten Verdienste beider Elternteile bis zum

    Höchstbetrag des versicherten Verdienstes berücksichtigt."

    Diese Bestimmung ist vom Eidg. Versicherungsgericht in BGE 115 V 272
Erw. 2b als gesetzmässig bezeichnet worden.

    c) Art. 40 UVG schreibt unter dem Titel "Zusammentreffen mit anderen
Sozialversicherungsleistungen" folgendes vor:

    "Wenn keine Koordinationsregel dieses Gesetzes eingreift, so werden

    Geldleistungen, ausgenommen Hilflosenentschädigungen, so weit gekürzt,
   als sie mit den anderen Sozialversicherungsleistungen zusammentreffen
   und den mutmasslich entgangenen Verdienst übersteigen. Art. 34 Abs. 2

    BVG bleibt vorbehalten."

    Diese Vorschrift stellt eine Generalklausel zur Vermeidung von
Überentschädigungen dar (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht,
S. 536 f.). Sie gilt nur subsidiär, d.h. wenn keine andere
Koordinationsnorm anwendbar ist. Da die Art. 20 Abs. 2 und 31 Abs. 4 UVG
typische Koordinationsregeln für das Zusammentreffen von AHV/IV-Renten
mit Renten der obligatorischen Unfallversicherung enthalten (BBl 1976
III 199; SEILER, Der Entwurf zu einem neuen Unfallversicherungsgesetz,
SZS 1977 S. 6 ff., besonders S. 25 und S. 29), finden insoweit Art. 40
UVG und die entsprechenden gemäss altrechtlicher Rechtsprechung
(namentlich zu Art. 74 Abs. 3 KUVG) entwickelten Grundsätze keine
Anwendung (vgl. z.B. BGE 112 V 129; a. M. KOHLER, Surindemnisation
choquante dans la LAA en cas de salaire résiduel, SZS 1987 S. 288 ff.,
insbesondere S. 298). Demgegenüber greift Art. 40 UVG beispielsweise dann
Platz, wenn Taggelder der Unfallversicherung mit Invalidenrenten der IV
zusammentreffen (BBl 1976 III 199; MAURER, aaO, S. 537); insoweit ist
auch die Ausführungsbestimmung von Art. 51 Abs. 4 UVV anwendbar (nicht
veröffentlichtes Urteil N. vom 30. Juni 1989), welche eine Härtefallklausel
für Fälle vorsieht, in denen Versicherte von einer Kürzung angesichts
ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse besonders hart
resp. in unbilliger Weise betroffen sind (MAURER, aaO, S. 539).

Erwägung 2

    2.- Streitig ist vorliegend der Anspruch des Beschwerdegegners auf
eine Komplementärrente der obligatorischen Unfallversicherung. Dieser
Anspruch ist nach Auffassung der Beschwerdeführerin und des BSV gestützt
auf Art. 20 Abs. 2 UVG zu verneinen, weil die dem Beschwerdegegner schon
vor dem Unfall ausgerichtete Ehepaar-Altersrente der AHV voll anzurechnen
sei und diese Rente 90%, des versicherten Verdienstes übersteige. Während
das Bundesamt eine mögliche Anspruchsberechtigung in analoger Anwendung
von Art. 51 Abs. 4 UVV für denkbar hält, erachten die Vorinstanz und
der Beschwerdegegner einen Anspruch vor allem deshalb als gegeben,
weil die Ehepaar-Altersrente der AHV bei der Differenzberechnung
gemäss Art. 20 Abs. 2 UVG nur teilweise bzw. gar nicht anzurechnen
sei. Der von der Vorinstanz u.a. aus einer analogen Anwendung von
Art. 32 Abs. 1 und Art. 31 Satz 2 UVV abgeleiteten Lösung hält der
Beschwerdegegner in seiner Vernehmlassung insbesondere entgegen,
bei der Berechnung der Komplementärrente gemäss Art. 20 Abs. 2 UVG
dürften nur die Hinterlassenen-, nicht aber die - vorliegend allein zur
Diskussion stehenden - Altersleistungen der AHV berücksichtigt werden,
da bloss Leistungen aus einem und demselben Schadenereignis in die
Überversicherungsberechnung mit einzubeziehen seien.

Erwägung 3

    3.- a) Bei der Auslegung von Art. 20 Abs. 2 UVG ist von Bedeutung, dass
im Gesetzestext generell von "der Rente der IV oder der AHV" die Rede ist,
ohne deren Anrechenbarkeit in irgendeiner Weise zu beschränken. Ebenso
spricht Art. 31 Abs. 4 UVG, der die gleiche Frage bei der Komplementärrente
für Hinterlassene regelt, generell und uneingeschränkt von "den Renten der
AHV oder der IV". (Es folgen Ausführungen darüber, dass gemäss wörtlicher
Auslegung sowie nach Sinn und Zweck dieser Bestimmungen die Renten der
AHV oder der IV grundsätzlich in vollem Umfang zu berücksichtigen sind;
vgl. BGE 115 V 270 Erw. 2a.)

    Auch was der Beschwerdegegner zur Begründung seines Standpunktes
sonst noch vorbringt, ist unbegründet. Insbesondere geht der von ihm
unter Hinweis auf die vorinstanzlichen Ausführungen erhobene Einwand fehl,
es dürften nur Leistungen aus einem und demselben Unfallereignis in die
Überversicherungsberechnung mit einbezogen werden. Denn dieser in Art. 74
Abs. 3 KUVG enthaltene Grundsatz ist vorliegend - anders als in dem vom
Beschwerdegegner zitierten BGE 112 V 126 - ebensowenig anwendbar wie die
allgemeine Überversicherungsregel des Art. 40 UVG (vgl. Erw. 1c hievor). Ob
mithin eine Identität des Schadenereignisses unter dem Gesichtspunkt des
Art. 40 UVG auch weiterhin gegeben sein müsse. wie der Beschwerdegegner
in seiner Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Gegensatz
zu MAURER, aaO, S. 539 (N. 1401), behauptet, kann deshalb offenbleiben.

    b) Nun hat der Gesetzgeber zu den in Art. 20 Abs. 2 (und 31 Abs. 4)
UVG statuierten Grundsätzen über die Berechnung der Komplementärrenten an
Invalide (bzw. Hinterlassene) die Möglichkeit von Abweichungen vorgesehen
(BBl 1976 III 172; vgl. dazu MAURER, aaO, S. 375 f., N. 941a, und S. 436
f.). In diesem Sinne ermächtigte er den Bundesrat in Art. 20 Abs. 3 (und 31
Abs. 5) UVG zum Erlass näherer Vorschriften, von welchen Kompetenzen dieser
namentlich in Art. 31 f. (sowie 43) UVV Gebrauch gemacht hat (vgl. Erw. 1a
und b hievor). Es stellt sich vorliegend die Frage, ob die in Art. 31 und
32 UVV aufgestellte Ordnung, die den vom Gesetz vorgegebenen Grundsatz
bezüglich der vollen Anrechenbarkeit von AHV-Renten für teilerwerbstätige
Altersrentner mit dem schon vor einem UVG-versicherten Unfall bestehenden
Anspruch auf eine Ehepaar-Altersrente der AHV uneingeschränkt und ohne
abweichende Regelung übernimmt, gesetz- und verfassungsmässig ist.
   aa) (Überprüfung der Verordnungen des Bundesrates)

    bb) Die Delegationsbestimmung des Art. 20 Abs. 3 UVG ermächtigt
den Bundesrat - wie bereits dargelegt - zum Erlass näherer
Vorschriften, namentlich über die Berechnung der Komplementärrenten in
"Sonderfällen". Diese Delegationsnorm enthält abgesehen davon, dass es
sich hinsichtlich der Komplementärrenten um "Sonderfälle" handeln muss
(vgl. dazu die beispielhafte Aufzählung in BBl 1976 III 191), keine
Richtlinien über die Art und Weise, wie von der Ermächtigung Gebrauch zu
machen sei. Mit einer solchen Delegation wurde dem Bundesrat ein sehr
weiter Spielraum des Ermessens (BGE 112 V 42 Erw. 3b in fine) für die
Regelung auf Verordnungsstufe und insbesondere die Kompetenz eingeräumt,
die Sonderfälle, bei denen die Berechnung der Komplementärrenten in einer
vom gesetzlichen Grundsatz abweichenden Weise zu erfolgen hat, unter
Beachtung der durch das Willkürverbot gesetzten Grenzen grundsätzlich
abschliessend zu umschreiben. In diesem Rahmen war der Bundesrat aufgrund
der an ihn delegierten Befugnis frei, auch solche Fälle in der Verordnung
zu regeln, bei denen man mit vertretbaren Argumenten geteilter Meinung
darüber sein kann, ob sie zu den Sonderfällen gehören sollen, und umgekehrt
für andere Fälle keine besonderen Vorschriften zu erlassen, welche
an sich auch als regelungswürdig bezeichnet werden könnten. In diesem
Sinne wäre es nach den zutreffenden Darlegungen der Beschwerdeführerin
wohl an sich möglich gewesen, etwa für (teil-)erwerbstätige Altersrentner
spezielle Regeln aufzustellen oder namentlich - wie u.a. das BSV ausführt -
eine sog. Härtefallklausel (dazu auch nachstehende Erw. 3c) vorzusehen,
was denn auch in der Kommission zur Vorbereitung der UVV erwogen, aber
schliesslich abgelehnt wurde (vgl. insbesondere Protokolle vom 13./14.
August und 18. Dezember 1980). Zu solchen - de lege ferenda allenfalls
berechtigten - Überlegungen hat sich das Eidg. Versicherungsgericht
indessen nicht zu äussern, weil es die Zweckmässigkeit der gestützt
auf Art. 20 Abs. 3 UVG vorgenommenen Regelung nicht zu prüfen und sein
Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates zu setzen hat. Auch
hat das Gericht infolge der verfassungsrechtlichen Beschränkung seiner
Überprufungsbefugnis (Art. 113 Abs. 3/Art. 114bis Abs. 3 BV) zur Frage,
ob die erwähnte gesetzliche Delegation den rechtsstaatlichen Anforderungen
an eine Delegationsnorm zu genügen vermag, ebensowenig Stellung zu nehmen
wie zur Angemessenheit des mit der Einführung der Komplementärrenten
vorgenommenen Systemwechsels (dazu BGE 115 V 270 Erw. 2a; zur neuen
Komplementärrentenregelung auch die kritischen Bemerkungen von SCHAER,
Grundzüge des Zusammenwirkens von Schadenausgleichssystemen, S. 359,
Rz. 1044 f. und N. 6). In Anbetracht des dem Bundesrat zustehenden weiten
Auswahlermessens (IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung,
6. Aufl., Nr. 66, S. 405) und angesichts der Komplexität der sich im
vorliegenden Zusammenhang ergebenden Probleme hat sich das Gericht
bei der Überprüfung von Art. 31 und 32 UVV Zurückhaltung aufzuerlegen
(vgl. auch BGE 114 V 304 Erw. 4c, 111 V 396 Erw. 4c; ARV 1986 Nr.
10 S. 45 Erw. 2c). Im Lichte dieser Darlegungen lässt sich - entgegen
dem, was die Vorinstanz anzunehmen scheint - die Nichtvornahme einer von
der gesetzlichen Grundregel der vollen Anrechenbarkeit der AHV/IV-Renten
abweichenden Ordnung für Fälle wie den vorliegenden nicht als willkürlich
beanstanden. Auch kann im Gegensatz zur Vorinstanz nicht gesagt werden,
die teilerwerbstätigen Altersrentner, die vor einem UVG-versicherten und
zu einer Invalidität führenden Unfall schon Bezüger einer Ehepaar-Rente
der AHV waren, hätten zwingend als Sonderfälle im Sinne von Art. 20 Abs. 3
UVG betrachtet werden müssen, weshalb die Verordnung es unterlassen habe,
Unterschiede zu treffen, die sie richtigerweise hätte berücksichtigen
müssen. Bei diesen Gegebenheiten muss es bei der Feststellung sein Bewenden
haben, dass sich die Art. 31 und 32 UVV, soweit sie für Fälle der genannten
Art keine besonderen Regeln vorsehen, ebenso wie Art. 43 Abs. 1 UVV -
mit einer vergleichbaren Ordnung bei Komplementärrenten für Hinterlassene
(BGE 115 V 272 Erw. 2b/bb) - als gesetzes- und verfassungskonform erweisen.

    cc) Auch den vom kantonalen Richter vorgetragenen Ausführungen
über eine analoge Anwendung von Art. 32 Abs. 1 und 31 Satz 2 UVV auf
Fälle wie den vorliegenden vermag das Eidg. Versicherungsgericht
nicht beizupflichten. Wie das BSV in seiner Vernehmlassung zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Recht bemerkt, mag die laut der
gesetzlichen Grundregel des Art. 20 Abs. 2 UVG vorzunehmende Berechnung der
Komplementärrenten wohl bisweilen als unbefriedigend erscheinen. Indessen
kann es nicht Sache des Richters sein, den im Gesetz verankerten Grundsatz
der vollen Anrechenbarkeit von AHV/IV-Renten durch die abweichende
Normierung einer Vielzahl von Sonderfällen auszuhöhlen. Dies wäre umso
weniger haltbar, als damit nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des
Beschwerdegegners neue Ungleichheiten in anderen Fällen geschaffen werden
könnten, welche - zufolge der dem Richter nur für Einzelfälle zustehenden
Beurteilungskompetenz - schwer überschaubar sind. Damit obliegt es nicht
dem Richter, sondern in erster Linie dem Verordnungs- bzw. allenfalls dem
Gesetzgeber, aufgrund einer Analyse der gesamten Problematik befriedigende
Lösungen zu erarbeiten und allfällige Mängel der heutigen Regelung zu
beseitigen, sofern dies aus sozialpolitischen Gründen als angezeigt
erachtet werden sollte.

    c) Dem vom BSV - wie vom Beschwerdegegner - angebrachten Vorschlag, die
Härtefallklausel nach Art. 51 Abs. 4 UVV auf den vorliegenden Fall analog
anzuwenden, kann nicht gefolgt werden. Wie das Eidg. Versicherungsgericht
bereits im unveröffentlichten Urteil N. vom 30. Juni 1989 dargelegt hat,
fällt eine Anwendung von Art. 51 Abs. 4 UVV als Ausführungsbestimmung zu
Art. 40 UVG dann ausser Betracht, wenn die zuletzt genannte Vorschrift -
wie hier - nicht anwendbar ist (vgl. Erw. 1c und 3a hievor in fine). Eine
Berücksichtigung der in Art. 51 Abs. 4 UVV enthaltenen Ausnahmeregelung
hat ferner auch deshalb zu entfallen, weil die mögliche Einführung
einer Härtefallklausel im Rahmen der Berechnung von Komplementärrenten
für Invalide anlässlich der Vorarbeiten zur UVV ausdrücklich geprüft,
aber schliesslich verworfen wurde (dazu vorstehende Erw. 3b/bb). Die
vom Beschwerdegegner für notwendig gehaltene Rückweisung der Sache zur
"diesbezüglichen Abklärung (durch) die Verwaltung" erübrigt sich daher.

Erwägung 4

    4.- Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Berechnung der
Komplementärrente vorliegend gemäss Art. 20 Abs. 2 UVG zu erfolgen hat.
Insoweit steht unbestrittenermassen fest, dass die Beschwerdeführerin
an sich korrekt vorgegangen ist, indem sie den 90% des versicherten
Verdienstes (d.h. Fr. 8'256.--) die Ehepaar-Altersrente der AHV
von jährlich Fr. 23'328.-- gegenübergestellt hat, womit sich aus
der Differenzberechnung nach der zitierten Gesetzesbestimmung keine
Komplementärrente ergibt. Die Verfügung und der Einspracheentscheid
der Beschwerdeführerin, mit welchen sie den streitigen Anspruch des
Versicherten verneint hat, erweisen sich somit als rechtmässig.

Erwägung 5

    5.- (Parteientschädigung)

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid
des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 20. Oktober 1987 aufgehoben.