Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IV 95



115 IV 95

21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Juli
1989 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 64 Abs. 8 StGB; Strafmilderung wegen Ablaufs verhältnismässig
langer Zeit.

    Ob die Strafverfolgung der ordentlichen Verjährung nahe sei,
entscheidet sich auf den Zeitpunkt der Ausfällung des Sachurteils; bei
einer Appellation mit Devolutiv- und Suspensivwirkung ist dies das Datum
der obergerichtlichen Beurteilung.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, die Vorinstanz habe eine
Strafmilderung nach Art. 64 Absatz 8 StGB zu Unrecht verweigert; sie räume
zwar ein, dass die ordentliche Verjährungsfrist fast abgelaufen sei, ohne
jedoch darzulegen, weshalb sie dennoch Art. 64 StGB nicht anwende; es stehe
fest, dass seit der ersten Tat 19 Jahre und seit der letzten 9 Jahre bis
zur vorinstanzlichen Beurteilung verstrichen seien; der Rechtsbegriff der
"verhältnismässig langen Zeit" sei deshalb falsch ausgelegt worden; im
übrigen sei der Begriff des fortgesetzten Deliktes bei einer Deliktsserie,
die sich über 10 Jahre erstrecke, ohnehin höchst fragwürdig.

    Die Vorinstanz führte in diesem Zusammenhang aus: "Entgegen dem Antrag
des Privatverteidigers findet keine Strafmilderung nach Art. 64 Absatz
8 StGB statt. Wenngleich einzelne Deliktshandlungen heute schon weit
zurückliegen, ist seit der gesamten Tatzeit noch nicht eine so lange
Zeit verstrichen, dass die genannte Bestimmung zur Anwendung gelangen
könnte. Verhältnismässig lange im Sinne von Art. 64 Absatz 8 ist eine
Zeit praxisgemäss erst dann, wenn die ordentliche Verjährungsfrist
fast abgelaufen ist, der Eintritt der Verjährung also kurz bevorsteht
(...) Diese Voraussetzung ist hier noch nicht erfüllt."

    Die vom Appellationsgericht am 29. März 1989 zu dieser Begründung
eingereichten ergänzenden Bemerkungen müssen nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung unbeachtet bleiben (BGE 98 IV 307 E. 1). Auszugehen
ist deshalb einzig von den oben zitierten Erwägungen. Sollte der ihnen
vorangestellte Passus, bei der Strafzumessung folge das Appellationsgericht
den überzeugenden Ausführungen der Vorinstanz, sinngemäss bedeuten, bei der
Bestimmung der "verhältnismässig langen Zeit" sei grundsätzlich in jedem
Fall auf das erstinstanzliche Urteil abzustellen, so wäre diese Auffassung
mit dem Bundesrecht nicht vereinbar. Ob seit der Tat verhältnismässig lange
Zeit verstrichen, die Strafverfolgung der ordentlichen Verjährung nahe sei
(BGE 102 IV 209 E. 5 mit Hinweisen), entscheidet sich auf den Zeitpunkt der
Ausfällung des Sachurteils. Hat der Betroffene gegen ein erstinstanzliches
Urteil in einzelnen Schuldpunkten die Appellation erklärt, und kommt einer
solchen nach dem kantonalen Prozessrecht Devolutiv- und Suspensivwirkung
zu, wie es hier der Fall ist, so entscheidet sich demzufolge auf den
Zeitpunkt der oberinstanzlichen Beurteilung, ob die Voraussetzungen zur
Anwendung von Art. 64 Absatz 8 StGB gegeben sind. Selbst wenn indessen
vorliegend der 14. Dezember 1988, an welchem das Appellationsgericht
entschied, als massgeblicher Beurteilungszeitpunkt betrachtet wird,
erscheint es angesichts der Tatzeitpunkte gemäss Anklageschrift (letzte
Delikte Anfang 1980) fraglich, ob wirklich verhältnismässig lange Zeit
verstrichen sei und der Beschwerdeführer sich wohl verhalten habe. Das
Appellationsgericht trifft insofern keine tatsächlichen Feststellungen,
so dass die Rechtsanwendung nicht überprüft werden kann. Dies führt zur
Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und Rückweisung der Sache im Sinne
von Art. 277 BStP.