Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IV 42



115 IV 42

9. Urteil des Kassationshofes vom 9. März 1989 i.S. L. gegen Z.
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 173 Ziff. 1 StGB; üble Nachrede.

    Der im unmittelbaren Kontext mit einer Kritik der Wohnungsspekulation
erhobene Vorwurf des Plagens von Asylbewerbern verletzt den durch Art. 173
StGB geschützten Persönlichkeitsbereich nicht (E. 1).

Sachverhalt

    A.- Am 1. April 1986 erschien in der "Basler AZ" auf der Seite
"Leserforum" unter dem Titel "Wohnungen statt Wohnzentren" ein
Leserbrief, unterzeichnet mit "L., Mitglied Asylkomitee Schweiz und Basel,
Rechtsberater und Vorstandsmitglied des Mieterverbandes Basel". Der Text
des Briefes beginnt wie folgt:

    "Z., FCB-Präsident G., Optiker Z.: Einige Namen von
Wohnungsspekulanten,
   die nicht nur die Schweizer MieterInnen plagen, sondern auch
   ausländische

    AsylbewerberInnen. AsylbewerberInnen sollen nicht länger Opfer solcher

    Spekulanten sein, sagen die Behörden, welche das "Asylantenkonzept"
   geschaffen haben..."

    B.- Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte L. auf
Privatklage von Z. am 2. November 1988 zweitinstanzlich wegen übler
Nachrede zu einer Busse von Fr. 100.--; dies auf Grund des Vorwurfes,
Z. plage ausländische Asylbewerber. Dagegen wurde er von der Anschuldigung
der üblen Nachrede freigesprochen in bezug auf das Wort "Wohnungsspekulant"
und den Vorwurf des Plagens von Schweizer Mieterinnen, da das Gericht
den Wahrheitsbeweis hiefür als erbracht erachtete.

    C.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt L., dieses
Urteil aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

    Das Appellationsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen,
verzichtete indessen auf eine Vernehmlassung.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Zu beurteilen ist im vorliegenden Fall, ob der Satz: "Einige
Namen von Wohnungsspekulanten, die nicht nur die Schweizer MieterInnen
plagen, sondern auch ausländische AsylbewerberInnen" in bezug auf den
Vorwurf des Plagens von Asylbewerbern ehrverletzend sei, und zwar auch
dann, wenn zufolge des erbrachten Wahrheitsbeweises der ehrverletzende
Charakter des Ausdrucks "Wohnungsspekulanten" sowie des Vorwurfs des
Plagens von Schweizer Mietern zu verneinen ist.

    Dabei gilt es zu beachten, dass der Vorwurf des Plagens von
Asylbewerbern im Zusammenhang mit den weiteren Äusserungen, für welche
der Wahrheitsbeweis erbracht wurde, viel weniger ins Gewicht fällt,
als wenn er allein erhoben worden wäre.

    b) Im Duden, Deutsches Universalwörterbuch (Mannheim 1983) werden
unter dem Stichwort "plagen" zwei Bedeutungsvarianten angegeben: Zum einen
"jemandem lästig werden" mit den Beispielen: "Die Kinder plagen die Mutter
den ganzen Tag (mit ihren Wünschen); von Mücken geplagt werden"; zum andern
"bei jemandem quälende, unangenehme Empfindungen hervorrufen" mit den
Beispielen: "Mich plagt die Hitze, der Durst, der Hunger, das Kopfweh"
(ähnlich dtv Wörterbuch der deutschen Sprache, München 1978 S. 595:
plagen = jemanden mit etwas belästigen, quälen). Schon dies zeigt, dass
die Bedeutung des Ausdrucks "plagen" nicht klar ist. Die Aussage, jemand
plage einen andern, ist daher nicht von vornherein ehrverletzend.

    c) Fraglich ist, ob die hier strittige Äusserung die Persönlichkeit
des Beschwerdegegners in ihrer menschlich-sittlichen Bedeutung berührt
oder nur in ihrer sozialen Funktion, was nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts zum strafrechtlich geschützten Ehrbegriff nicht ausreichen
würde, eine Ehrverletzung zu bejahen.

    So wie der Leserbrief des Beschwerdeführers formuliert ist, soll
in erster Linie ein Sachproblem zur Diskussion gestellt werden: Die
unerwünschten Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt, die dadurch entstehen,
dass Miethäuser gekauft werden, den bisherigen Mietern gekündigt wird
und die Wohnungen anschliessend unter Erzielung einer wesentlich höheren
Rendite an Asylbewerber vermietet werden, und dass gleichzeitig mit den
betroffenen Personen - Mietern und Asylbewerbern - nicht zimperlich
umgegangen wird. Die Kritik des Beschwerdeführers richtet sich gegen
die Wohnungsspekulation. Die Äusserung, der Beschwerdegegner plage
Asylbewerber, erfolgte in diesem Zusammenhang und muss daher auch im
konkreten Kontext gesehen und beurteilt werden. Der nähere Inhalt dieser
Aussage ergibt sich aus dem unmittelbar anschliessenden Satz, wonach
Asylsuchende nach Auffassung der Behörden nicht länger Opfer solcher
Spekulanten sein sollten.

    Der Vorwurf, ein Spekulant zu sein, betrifft, wie das Bundesgericht
(Urteil vom 7. Oktober 1988 i.S. R. S. E. 3) entschied, ausschliesslich die
Geltung als Berufs- oder Geschäftsmann und damit nicht den strafrechtlich
geschützten Persönlichkeitsbereich. Es kann offen bleiben, ob die
Aussage des Plagens von Asylbewerbern, für sich allein betrachtet
ehrverletzender Natur sein könnte. Im unmittelbaren Kontext mit der Kritik
der Wohnungsspekulation - welche lediglich die berufliche und geschäftliche
Tätigkeit berührt - ist dies zu verneinen. Die Äusserung konkretisiert
lediglich die Auswirkungen der kritisierten Wohnungsspekulation und damit
diesen Vorwurf, weshalb keine Verletzung des strafrechtlich geschützten
Persönlichkeitsbereichs gegeben ist.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerde erweist sich somit als begründet; das angefochtene
Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des
Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägung 3

    3.- Bei dieser Sachlage müssen die weiteren Rügen des Beschwerdeführers
nicht geprüft werden.