Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IV 34



115 IV 34

7. Urteil des Kassationshofes vom 3. März 1988 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich gegen A. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 148 Abs. 2 StGB; Begriff der Gewerbsmässigkeit.

    Dass der Täter lediglich einen bestimmten Geldbetrag ertrügen will,
ist für den Begriff des Erwerbseinkommens belanglos, wenn dessen Merkmale
vorliegen (E. 2b).

    Die Bereitschaft des Täters, gegenüber unbestimmt vielen zu
handeln, setzt weder unbestimmt viele Geschädigte noch Getäuschte
voraus. Entscheidend ist seine Bereitschaft, in unbestimmt vielen Fällen
zu handeln (E. 3b; Präzisierung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- A. vereinbarte mit X., mit dessen Visakreditkarte Einkäufe zu
tätigen. Sie waren übereingekommen, dass A. in verschiedenen Geschäften
Waren beziehen, die Bezugsbelege mit "X." unterzeichnen und dass X.
hernach der Kreditkartenorganisation melden werde, die Kreditkarte sei
abhandengekommen. Sie wollten sich auf diese Weise um die Zahlungspflicht
für die bezogene Ware drücken. Gemäss diesem Plan tätigte A. am 20. und
21. Februar 1986 teilweise in den gleichen Geschäften insgesamt 40
Käufe. Die Kaufbeträge lagen zwischen Fr. 92,80 und Fr. 1'376.-- und
betrugen insgesamt ca. Fr. 22'000.--. Die Bezugsbelege unterzeichnete
er wie vereinbart mit dem Schriftzug "X.".

    Am 26. und 27. Juni 1986 ging A. auf dieselbe Weise vor: Mit einer
Visakreditkarte, die auf den Namen Y. lautete und die er von einer
ihm angeblich unbekannten Person namens "Z." erhalten hatte, tätigte
er 42 Käufe mit Beträgen von Fr. 76,90 bis Fr. 1'190.-- und insgesamt
ca. Fr. 20'000.--. Die Bezugsbelege versah er jeweils mit dem Schriftzug
"Y.".

    Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte A. am 2. März 1988 wegen
wiederholten fortgesetzten Betrugs sowie wiederholter und fortgesetzter
Urkundenfälschung zu zwölf Monaten Gefängnis und gewährte ihm den bedingten
Strafvollzug bei einer Probezeit von fünf Jahren.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei
aufzuheben und die Sache zur Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betrugs
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    A. beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im vorliegenden Verfahren ist einzig streitig, ob der
Beschwerdegegner die Betrüge gewerbsmässig im Sinne von Art. 148 Abs. 2
StGB begangen hat.

    Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts handelt gewerbsmässig,
wer in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der
Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen oder bei jeder sich bietenden
Gelegenheit zu handeln, die Tat wiederholt verübt (BGE 110 IV 31 E. 2
mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- a) Die Vorinstanz ging davon aus, der Beschwerdegegner habe
beabsichtigt, das Geld für die Ausreisegebühr für seine künftige Frau
zu beschaffen. Da er somit in einer ganz bestimmten Absicht einen ganz
bestimmten Betrag zu einem ganz bestimmten Zweck erlangt habe, sei seine
Absicht nicht darauf gerichtet gewesen, zu einem Erwerbseinkommen
zu gelangen, weshalb es an der Gewerbsmässigkeit im Sinne der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung fehle.

    b) Diese Argumentation geht fehl. Ein Erwerbseinkommen im Sinne der
bundesgerichtlichen Praxis kann im Erwirken irgendwelcher Vermögensvorteile
bestehen. Dabei ist ohne Belang, ob der Täter sich diese unmittelbar
zur Fristung seines Lebens, zur Bezahlung von Vergnügen, zum Zweck
gewinnbringender Anlage oder zur Hortung verschafft; wie bei der erlaubten
Tätigkeit eines Gewerbetreibenden kommt es beim Täter ebensowenig auf
den Beweggrund an, aus welchem er handelt (BGE 110 IV 31 E. 2; 71 IV
86). Demzufolge schliessen die Absicht des Beschwerdegegners und der
Zweck, den er verfolgte, nicht aus, dass er die Taten gewerbsmässig
ausführte. Auch nicht entscheidend ist, dass der Beschwerdegegner sich
nur einen bestimmten Geldbetrag verschaffen wollte. Sonst dürfte der
Betrüger, der zwar planmässig und während einer gewissen Dauer tätig
wird, aber die Absicht hat aufzuhören, sobald er z.B. das Geld für ein
50'000fränkiges Motorfahrzeug ertrogen hat, nicht wegen Gewerbsmässigkeit
verurteilt werden. Vorliegend ist vielmehr entscheidend, dass der Wert
der ertrogenen Waren (ca. Fr. 42'000.--) etwa zehn Monatslöhnen des
Beschwerdegegners entsprach, die Tat planmässig (jeweilige abgesprochene
Übernahme der Kreditkarte und bestimmtes Vorgehen) und auf eine gewisse
Dauer angelegt war; dies genügt für die Annahme eines Erwerbseinkommens,
da die Rechtsprechung diesbezüglich weder einen hauptsächlichen noch
regelmässigen Erwerb voraussetzt (BGE 110 IV 31 E. 2; 99 IV 88 E. 7).

Erwägung 3

    3.- a) Die Vorinstanz führte aus, vorliegend seien zwei voneinander
unabhängige Deliktserien zu beurteilen; der Beschwerdegegner habe vor der
ersten Serie die Meinung gehabt, er könne sich genügend Geld verschaffen,
und er habe deshalb nicht die Absicht gehabt, später erneut derartige
Betrüge zu begehen.

    b) Die Begriffsumschreibung der Gewerbsmässigkeit enthält als Element
die Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln. In den bisher
zu beurteilenden Fällen gewerbsmässigen Betrugs hatte der Täter jeweils
die Bereitschaft, unbestimmt viele zu schädigen. Dem Kreditkartenbetrug
liegt der besondere Sachverhalt zugrunde, dass in der Regel lediglich
die Kreditkartenorganisation geschädigt wird; je nach Ausgestaltung des
Vertragsverhältnisses kann aber auch dem Vertragsgeschäft oder eventuell
dem unsorgfältigen Angestellten ein Schaden erwachsen. Die Anzahl der
Geschädigten darf hier nicht entscheidend sein; denn wenn sich der Täter
überhaupt darüber Gedanken machen sollte, wen er schädigt, wird ihm dies
meist wohl gleichgültig sein. Anderseits würde der Täter, der mehrere
Geschäfte schädigt, indem er ohne Kreditkarte Kreditbetrüge begeht,
schlechter gestellt als derjenige, der dasselbe mittels einer Kreditkarte
ausführt und dadurch nur die Kreditkartenorganisation schädigt. Die Folgen
sind grundsätzlich dieselben: Der Täter hat, ohne zu bezahlen, Waren
bezogen und der angerichtete Schaden und damit auch die Gefährlichkeit des
Täters sind in beiden Fällen gleich. Diese gleichartigen Fälle ungleich
zu behandeln, dafür besteht kein sachlicher Grund. Deshalb drängt
es sich auf, nicht auf die Anzahl der Geschädigten oder Getäuschten
(hier entstünden dieselben Ungerechtigkeiten) abzustellen und die
Rechtsprechung dahin zu präzisieren, dass anstelle der "Bereitschaft,
gegenüber unbestimmt vielen" die "Bereitschaft, in unbestimmt vielen
Fällen" zu handeln, entscheidend ist.

    c) Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz (Art. 277bis
Abs. 1 BStP) hatte der Beschwerdegegner die Absicht, sich das Geld für
die Ausreisegebühr für seine zukünftige Frau zu beschaffen. Nachdem
er in einer ersten Serie in vierzig Malen sich Waren im Wert von
ca. Fr. 22'000.-- verschafft hatte und diese Beute für den benötigten
Betrag nicht ausreichte, handelte er wenige Monate später in zweiundvierzig
Malen ebenso. Daraus erhellt, dass der Beschwerdegegner bereit war,
in unbestimmt vielen Fällen Betrüge zu begehen, bis er den fraglichen
Geldbetrag beisammen gehabt hätte.

Erwägung 4

    4.- Da der Beschwerdegegner insgesamt in über achtzig Fällen Waren
ertrog und damit auch das Merkmal der wiederholten Tatbegehung vorliegt,
ist er wegen gewerbsmässigen Betrugs zu verurteilen.