Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IV 248



115 IV 248

55. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. August 1989 i.S. L.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 37 Abs. 1 SVG; Art. 12 Abs. 2 VRV.

    1. Mit der Unaufmerksamkeit des nachfolgenden Fahrzeugführers muss
der Vorausfahrende grundsätzlich nicht rechnen (E. 3).

    2. Art. 12 Abs. 2 VRV untersagt lediglich das unnötigerweise plötzlich
erfolgende Anhalten (E. 4).

    3. Tauchen auf der Fahrbahn plötzlich Tiere auf, so stellt dies eine
Gefahrensituation dar, in welcher auch bei brüskem Bremsen nicht von
unnötigem Anhalten gesprochen werden kann (E. 5).

Sachverhalt

    A.- L. fuhr am 6. Juli 1987 um 13.15 Uhr mit ihrem Personenwagen mit
einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h auf der Kantonsstrasse von Bern gegen
Murten; nach der Autobahnausfahrt kurz vor Löwenberg bremste sie brüsk,
um einen Zusammenstoss mit zwei Tieren zu verhindern, welche die Fahrbahn
überquerten. Der ihr ebenfalls in einem Personenwagen nachfolgende H.
wurde dadurch überrascht und konnte nicht mehr rechtzeitig anhalten,
weshalb er auf den bereits stillstehenden Wagen von L. auffuhr. Während
diese annahm, dass es sich bei den beiden Tieren um Füchse handelte,
will H. lediglich eine Maus gesehen haben.

    Der Oberamtmann des Sensebezirks erliess gestützt auf diesen
Sachverhalt gegen H. einen Strafbefehl wegen Nichteinhaltens eines
ausreichenden Abstandes beim Hintereinanderfahren (Art. 34 Abs. 4 SVG);
dieser Strafbefehl ist in Rechtskraft erwachsen.

    Gegen L. erging ein Strafbefehl, weil sie nicht auf das ihr
nachfolgende Fahrzeug Rücksicht genommen und "wegen Kleintieren (Mäuse)"
brüsk gebremst habe, ohne dass ein Notfall vorlag (Art. 37 Abs. 1 SVG,
Art. 12 Abs. 2 VRV).

    Auf Einsprache hin erklärte sie der Polizeirichter des Seebezirks
am 27. September 1988 der Verletzung von Art. 37 Abs. 1 SVG und Art. 12
Abs. 2 VRV schuldig und verurteilte sie zu einer Busse von Fr. 60.--.

    Eine gegen dieses Urteil erhobene Kassationsbeschwerde wies das
Kantonsgericht des Staates Freiburg, Strafkassationshof, am 23. Januar
1989 ab.

    B.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt L., das
Urteil des Strafkassationshofes aufzuheben.

    Der Strafkassationshof des Kantonsgerichts des Staates Freiburg hat
auf eine Stellungnahme verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 37 Abs. 1 SVG
und Art. 12 Abs. 2 VRV, indem die Vorinstanz einen Notfall unter Hinweis
darauf verneinte, bloss um der Tiere willen hätte sie keine Vollbremsung
einleiten dürfen, wobei unerheblich sei, ob vor ihrem Fahrzeug Füchse
oder Mäuse die Fahrbahn überquerten.

Erwägung 2

    2.- a) Art. 34 Abs. 4 SVG bestimmt, dass namentlich beim
Hintereinanderfahren gegenüber allen Strassenbenützern ein ausreichender
Abstand zu wahren ist. Art. 12 Abs. 1 VRV führt dazu zusätzlich aus,
dass der Abstand des nachfolgenden Fahrzeugführers dann ausreichend ist,
wenn dieser auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeuges
rechtzeitig halten kann.

    b) Nach Art. 37 Abs. 1 SVG hat der Führer, der anhalten will, nach
Möglichkeit auf die nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen. Hierzu
bestimmt Art. 12 Abs. 2 VRV, brüskes Bremsen und Halten seien nur
gestattet, wenn kein Fahrzeug folgt und im Notfall.

Erwägung 3

    3.- Es ist zu prüfen, in welchem Verhältnis die beiden Bestimmungen
zueinander stehen.

    a) Auszugehen ist dabei von der Grundregel von Art. 26 SVG,
nach welcher sich im Verkehr jedermann so zu verhalten hat, dass er
andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert,
noch gefährdet, und welche zwar vor allem dann Bedeutung erlangt, wenn
besondere Regeln fehlen, die aber auch für die Auslegung der besonderen
Regeln von Bedeutung ist, indem sie die leitenden Gedanken aufzeigt, nach
welchen sich das Verhalten im Verkehr zu richten hat (BGE 94 IV 141 E. 1).

    Unter dem Marginale "Allgemeine Fahrregeln" verlangt sodann Art. 31
SVG, dass der Fahrzeugführer sein Fahrzeug ständig so beherrsche, dass er
seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Insbesondere die Geschwindigkeit
ist nach Art. 32 SVG stets den Umständen anzupassen, denn dadurch werden
auf einfache Weise gute Chancen dafür geschaffen, dass der Führer das
Fahrzeug in der geforderten Weise zu beherrschen vermag.

    Um letzteres in der besonderen Verkehrssituation des
Hintereinanderfahrens zu gewährleisten, schreibt Art. 34 Abs. 4 SVG einen
ausreichenden Abstand vor. Diese Vorschrift richtet sich klar an den
nachfolgenden Fahrzeugführer; ausser dem Abstand zum Vorausfahrenden
muss der Fahrzeugführer nicht auch jenen des ihm Nachfolgenden zu ihm
beachten, denn jeder ist allein für ausreichenden Abstand nach vorn
verantwortlich; es kann nicht verlangt werden, dass der Vorausfahrende
seine Geschwindigkeit erhöhe, um einen zu geringen Abstand zu vergrössern,
denn dies würde zu einer unzulässigen Ablenkung der Aufmerksamkeit vom
Verkehrsgeschehen vor dem Fahrzeug führen, welches in erster Linie zu
beobachten ist. Der Nachfolgende sieht die vor ihm fahrenden Fahrzeuge und
kann daher die Verkehrssituation ohne Schwierigkeiten überblicken, womit
er es in der Hand hat, seine Geschwindigkeit den Umständen anzupassen und
dadurch einen situationsgerechten Abstand herzustellen oder einzuhalten
und eine Behinderung oder Gefährdung der Verkehrsteilnehmer, insbesondere
des Vorausfahrenden selber, zu vermeiden. Der Bestimmung kommt grosse
Bedeutung zu, sind doch die Unfälle zahlreich, in denen ein zweites
Fahrzeug nicht genügend Abstand zum ersten einhielt (Sten.Bull. NR 1957
S. 175); in der Bundesrepublik Deutschland z.B. sind mehr als 26% der
Unfälle auf ungenügenden Abstand beim Hintereinanderfahren zurückzuführen
(H. JAGUSCH/P. HENTSCHEL, Strassenverkehrsrecht, 29. Auflage, München
1987, S. 336). Zu Recht ist die Bestimmung daher auch so formuliert,
dass sie ausnahmslos gilt: Der genügende Abstand ist immer einzuhalten
(Sten.Bull. NR 1957 S. 175).

    b) Art. 37 Abs. 1 SVG lautete im Entwurf des Bundesrates noch:
"Der Führer hat beim Anhalten auf die nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht
zu nehmen" (Art. 35 Abs. 1 des Entwurfes). Der Botschaft des Bundesrates
ist dazu zu entnehmen, dass damit gemeint sei, im dichten Verkehr, wo die
Abstände zwischen den sich folgenden Fahrzeugen sehr knapp würden, dürfe
nicht brüsk gestoppt werden, ausser wo es die Not gebiete (BBl 1955 II 34).

    In der parlamentarischen Beratung erfuhr die vorgeschlagene Bestimmung
indessen eine wesentliche Änderung: Da es nicht immer möglich sei,
auf das nachfolgende Fahrzeug Rücksicht zu nehmen, z.B. wenn man
wegen eines vorherfahrenden Fahrzeuges oder wegen eines plötzlich
eintretenden Hindernisses sofort bremsen müsse, habe der Führer, "der
anhalten will", diese Rücksicht zu nehmen, und zwar "nach Möglichkeit";
die Bestimmung solle nicht dem Führer des nachfolgenden Fahrzeuges einen
Teil der Verantwortung "(z.B. nicht zu nahes Aufschliessen!)" abnehmen;
man appelliere lediglich beim Führer des voranfahrenden Fahrzeuges auf
eine gewisse Rücksichtnahme; diese Rücksichtnahme solle darin bestehen,
dass nicht unnötigerweise plötzlich angehalten werde und dass nach dem
Anhalten beim Öffnen der Türen auf nachfolgende Fahrzeuge achtgegeben werde
(Sten.Bull. SR 1958 S. 106 f.).

    c) Daraus ergibt sich, dass bezüglich des Hintereinanderfahrens
Art. 34 Abs. 4 SVG die Hauptregel bildet, die sich an den nachfolgenden
Fahrzeugführer, welcher in erster Linie zur Vorsicht verpflichtet ist,
richtet und in jedem Fall gilt. Dieser Bestimmung gegenüber ist Art. 37
Abs. 1 SVG lediglich als doppelte Sicherung aufzufassen, die zufolge ihrer
untergeordneten Bedeutung in keinem Fall eine Umlagerung der Verantwortung
zu bewirken vermag (vgl. Sten.Bull. NR 1975 S. 170 zu Art. 34 Abs. 3 SVG,
der ebenfalls von Rücksichtnahme auf den nachfolgenden Verkehr spricht).

    Mit der Unaufmerksamkeit des Nachfolgenden braucht der Vorausfahrende
deshalb grundsätzlich nicht zu rechnen. Dies gilt erst recht, wenn - wie
im vorliegenden Fall - eine Baustelle den Grund für eine signalisierte
Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bildet; denn bei der
Vorbeifahrt an Baustellen ist erhöhte Vorsicht angezeigt, da in deren
Bereich immer wieder plötzlich, bedingt durch bestimmte Arbeitsabläufe,
unverhofft Hindernisse auf der Fahrbahn oder am Fahrbahnrand auftauchen
können, vor denen angehalten oder denen ausgewichen werden muss; die
Aufmerksamkeit ist hier daher in erster Linie auf die Fahrbahn und die zu
passierende Baustelle zu richten; der Vorausfahrende wäre überfordert, wenn
er neben den Arbeitsabläufen auf der Baustelle auch noch den rückwärtigen
Verkehr ständig beobachten müsste; er muss vielmehr darauf vertrauen
können, dass der Führer des nachfolgenden Fahrzeuges gerade wegen der
erhöhten Möglichkeit eines Verkehrshindernisses im Baustellenbereich von
sich aus den nötigen Abstand einhält, um ein Auffahren auch bei plötzlichem
Bremsen des vorausfahrenden Fahrzeuges zu verhindern.

Erwägung 4

    4.- a) Im Lichte dieser Ausführungen ist Art. 12 Abs. 2 VRV, der sich
auf Art. 37 Abs. 1 SVG stützt, auszulegen, wonach - wenn ein Fahrzeug
nachfolgt - brüskes Bremsen und Halten nur noch im Notfall erlaubt sind.

    b) Diese Bestimmung lehnt sich an den Wortlaut der Botschaft
des Bundesrates zu Art. 37 Abs. 1 SVG an, nach welcher die gebotene
Rücksichtnahme bedeute, dass nicht brüsk gestoppt werden dürfe, ausser
wo es die Not gebiete (BBl 1955 II 34).

    Die Formulierung von Art. 37 Abs. 1 SVG erfuhr indessen, wie bereits
dargelegt (E. 3b), in den parlamentarischen Beratungen eine - offenbar
bei Erlass der Verordnung nicht beachtete - bedeutsame Änderung, indem
sich die Bestimmung nun nur an denjenigen richtet, der anhalten will;
damit ist zunächst klar, dass Art. 37 Abs. 1 SVG seinem Wortlaut nach
grundsätzlich nur den Fall des freiwilligen und damit auch voraussehbaren
Haltens erfasst. Von Bedeutung ist zudem die in den Beratungen beigefügte
weitere Einschränkung, wonach die Rücksichtnahme lediglich nach Möglichkeit
geboten ist.

    An dieser Freiwilligkeit und der möglichen Rücksichtnahme gebricht
es, wenn ein Fahrzeugführer wegen äusserer Umstände, bspw. wegen eines
vor ihm fahrenden Fahrzeuges oder wegen eines plötzlich auftauchenden
Hindernisses sofort bremsen muss (Sten.Bull. SR 1958 S. 106). In einer
solchen Situation, die die volle Konzentration des Fahrzeugführers
nach vorn oder nach der Seite beansprucht, kann von ihm nicht verlangt
werden, nicht plötzlich zu bremsen, ohne sich im Rückspiegel davon
überzeugt zu haben, ob ihm ein Fahrzeug nachfolge, welches er allenfalls
gefährden könnte. Ein solches Verhalten zu verlangen, ginge weit über
die nach dem Willen des Gesetzgebers gebotene gewisse Rücksichtnahme
hinaus. Unvermutet auftauchende Hindernisse oder Gefahren stellen
nämlich höchste Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit des Betroffenen,
weshalb von ihm nicht gefordert werden kann, der aktuellen Handlungstendenz
entgegengesetzt zu reagieren: Es ist bekannt, dass Bremsen beim plötzlichen
Auftauchen von Hindernissen in der dadurch geschaffenen Gefahrensituation
für den Durchschnittsfahrer die nächstliegende Reaktion darstellt, und
er auch oft dann bremst, wenn die Gefahr etwa durch Ausweichen gebannt
werden könnte (vgl. R. SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen
Strassenverkehrsrechts, Band I, Bern 1984, N. 408). Die Gefahr braucht
dabei nicht unmittelbar im Hindernis selber zu liegen; man muss immer auch
damit rechnen, dass der Fahrzeuglenker durch das Über- oder Anfahren
eines Hindernisses, insbesondere bei Lebewesen, durch den dadurch
erlittenen Schrecken die Kontrolle über sich und das Fahrzeug verliert
und damit zu einer Gefahr für andere, vor allem die entgegenkommenden
Verkehrsteilnehmer wird.

    c) Nach dem Gesagten ist der Begriff des Notfalls im Sinne von
Art. 12 Abs. 2 VRV weit auszulegen: Ein Notfall liegt immer dann vor,
wenn wegen eines plötzlich auftauchenden Hindernisses sofort gebremst
werden muss; erforderlich ist dabei kein zwingender Grund, da lediglich das
unnötigerweise plötzlich erfolgende Anhalten untersagt ist (Sten.Bull. SR
1958 S. 106). Die Frage, ob das plötzliche Bremsen unnötigerweise erfolgt
sei, kann dabei nicht generell, sondern nur im konkreten Fall unter
Würdigung der Umstände entschieden werden.

Erwägung 5

    5.- Im vorliegenden Fall fuhren beide beteiligten Fahrzeuge mit
60 km/h. Die Beschwerdeführerin hat das Fahrzeug von H. bei der ersten
Verkehrstafel - welche sich am Anfang der Baustelle befand - hinter sich
bemerkt, als er noch sehr weit weg war. Kurz vor Ende der Baustelle sah
sie die Tiere - nach ihren Angaben hellbraun, einen Meter lang mit etwa
50 Zentimeter langen Schwänzen -, die sie zum Bremsen veranlassten.

    Die Vorinstanz kam zum Schluss, auch wenn es sich bei den beiden
Tieren um Füchse gehandelt hätte, so hätte sie deswegen keine Vollbremsung
einleiten dürfen. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.

    a) Zwar werden Tiere von der Rechtsordnung nach wie vor als
Sachen behandelt. Die Grundeinstellung des Menschen zum Tier hat
sich jedoch mit der Zeit im Sinne einer Mitverantwortung für diese
Lebewesen zum sogenannten "ethischen Tierschutz" (BBl 1977 I 1084)
entwickelt, welcher weiter geht als der Schutz lebloser Dinge, und
welcher das Tier als lebendes und fühlendes Wesen, als Mitgeschöpf
anerkennt, dessen Achtung und Wertschätzung für den durch seinen Geist
überlegenen Menschen ein moralisches Postulat darstellt (A. F. GOETSCHEL,
Kommentar zum Eidgenössischen Tierschutzgesetz, Bern/Stuttgart, 1986,
S. 15). Den heutigen ethischen Vorstellungen vermag nur ein umfassender
Lebensschutz auch des tierischen Lebens gerecht zu werden, wobei gewisse
Ausnahmen (Nahrungsgewinnung, Schädlingsbekämpfung) den Grundsatz
nicht zu erschüttern vermögen. Entsprechend dem Anwendungsbereich des
Tierschutzgesetzes (BBl 1977 I 1085) gilt dieser Grundsatz zumindest für
die Wirbeltiere.

    Von einem Lenker zu verlangen, dass er beim Auftauchen von Wirbeltieren
einfach zufährt, lässt sich nicht mit der dem Menschen eigenen Achtung
vor dem tierischen Leben vereinbaren, welches darauf gerichtet ist,
auch das tierische Leben zu erhalten und nicht, dieses zu vernichten.

    b) Tauchen daher auf der Fahrbahn überraschend Tiere auf - insbesondere
wenn es sich dabei wie hier um Wirbeltiere handelte -, so stellt dies
eine Gefahrensituation dar, in welcher auch bei brüskem Bremsen nicht
von unnötigem Anhalten gesprochen werden kann. Bremsen dürfte in dieser
Situation im übrigen auch der aktuellen Handlungstendenz entsprechen. Die
durch das Auftauchen der Tiere plötzliche entstandene Gefahrensituation
erforderte die volle - nach vorne und zur Seite gerichtete - Aufmerksamkeit
der Beschwerdeführerin und ein sofortiges Handeln; in dieser Lage konnte
ihr nicht zugemutet werden, ihre Reaktion - nach vorgängigem Blick in
den Rückspiegel - vom Abstand des ihr nachfolgenden Verkehrsteilnehmers
abhängig zu machen, den sie zuvor noch weit hinter sich wahrgenommen hatte.

    c) Die Vorinstanz hat aus diesen Gründen mit ihrer Auffassung,
wonach um der Tiere willen, seien dies nun Mäuse oder Füchse, nicht eine
Vollbremsung eingeleitet werden dürfe, Bundesrecht verletzt, was zur
Aufhebung des angefochtenen Entscheides führt.

    d) Im übrigen wäre in subjektiver Hinsicht zu beachten, dass der
unversehens brüsk Bremsende nur pflichtwidrig handelt, wenn er weiss oder
wissen muss, dass er durch sein Verhalten andere gefährdet (vgl. BGE 81
IV 52).

    Im vorliegenden Fall konnte die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer
Wahrnehmung des nachfolgenden Fahrzeuges in weiter Entfernung grundsätzlich
darauf vertrauen, dass der Führer dieses Fahrzeuges inzwischen noch nicht
bis zu ihr aufgeschlossen hatte; für eine abweichende Annahme lässt sich
den Akten nichts entnehmen. Sie musste daher nicht davon ausgehen, dass
sich der nachfolgende Lenker unmittelbar hinter ihr befand, sondern durfte
annehmen, dieser befinde sich immer noch in einiger Entfernung; denn es
darf nicht verlangt werden, dass bei einer normalen und alltäglichen
Verkehrssituation in kurzen Intervallen ein Blick in den Rückspiegel
zu erfolgen hat, wie dies etwa im städtischen Verkehr und bei stärkerem
Verkehrsaufkommen der Fall ist. Für eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber
dem nachfolgenden Verkehr bestand kein Anlass. Damit fehlte ihr aber auch
das Bewusstsein um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.