Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 II 440



115 II 440

78. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. November 1989
i.S. C. AG gegen A. (Berufung) Regeste

    Schadenersatzpflicht wegen Vertragsverletzung; Kausalzusammenhang
zwischen vertragswidrigem Verhalten und Schaden.

    1. Berücksichtigung von hypothetischen Ereignissen, die unabhängig
vom vertragsverletzenden Verhalten ebenfalls zum Schadeneintritt geführt
hätten, als Befreiungsgrund? (E. 4)

    2. Kausalität von Unterlassungen: Einschränkung der Praxis,
wonach auch bei Unterlassungen zwischen natürlichem und adäquatem
Kausalzusammenhang zu unterscheiden ist (E. 5a). Bestätigung der Praxis
bezüglich der beschränkten Anfechtbarkeit von Annahmen oder Feststellungen
der Vorinstanz über hypothetische Geschehensabläufe (E. 5b).

    3. Die hypothetische Kausalität braucht nicht streng nachgewiesen
zu werden. Es genügt, wenn der Richter die Überzeugung gewinnt, die
überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche für einen bestimmten Kausalverlauf
(E. 6a).

Sachverhalt

    A.- Am 5. September 1978 schlossen Frau A. und die Gebrüder B. &
Co. AG einerseits sowie die C. AG in Gründung andererseits einen
öffentlich beurkundeten Vorvertrag zum Abschluss eines Kaufvertrages
über ein in D. gelegenes Grundstück. Ziffer 2 dieser Vereinbarung sah
vor, dass der Abschluss des Kaufvertrages innerhalb von dreissig Tagen
seit Rechtskraft einer rechtsgültigen Bewilligung für eine Überbauung
des Kaufobjektes erfolgen sollte. Die Verkäufer verpflichteten sich,
beim Bewilligungsverfahren mitzuwirken, soweit dies für Grundeigentümer
erforderlich ist (Ziffer 3). Der Vorvertrag sollte dahinfallen, falls
der Abschluss des Kaufvertrages und dessen Eintrag ins Grundbuch nicht
innerhalb von vier Jahren seit der Unterzeichnung des Vorvertrages
erfolgen würde (Ziffer 10). Unter bestimmten Voraussetzungen konnte die
Käuferin eine Verlängerung dieser Frist um weitere zwei Jahre verlangen
(Ziffer 11 Abs. 2).

    Ein Baugesuch vom 25. Mai 1979 für die Erstellung von zwei
dreigeschossigen Mehrfamilienhäusern auf einem Teil des Grundstückes stiess
unter der Bevölkerung von D. auf Widerstand. In der Gemeindeabstimmung
vom 8. Juni 1980 nahmen die Stimmbürger eine Initiative an, wonach dieses
Gebiet von der drei- in die zweigeschossige Wohn- und Gewerbezone umgezont
werden sollte. Eine von der C. AG in Gründung gegen den Rekursentscheid
des Regierungsrates eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wurde vom
Bundesgericht am 18. Mai 1983 gutgeheissen. Darauf liess die C. AG ein
neues Projekt ausarbeiten, das am 30. September 1983 eingabebereit war
(sog. 5. Projekt). Dieses Baugesuch wurde von der Gebrüder B. & Co. AG als
Miteigentümerin des Grundstückes am 3. November 1983 unterschrieben. Die
Miteigentümerin Frau A. unterzeichnete innerhalb einer bis 4. November 1983
gesetzten Frist nicht, worauf die inzwischen am 10. Oktober gegründet C. AG
ihr gegenüber auf die nachträgliche Leistung verzichtete und Schadenersatz
wegen Nichterfüllung des Vertrages verlangte.

    B.- Mit Klageschrift vom 9. April 1985 forderte die C. AG von Frau
A. die Zahlung von Fr. 1'611'881.40 nebst 5% Zins seit 21. März 1984. Die
Klägerin verlangte damit Ersatz für nutzlos gewordene Aufwendungen und
für entgangenen Gewinn wegen inzwischen eingetretener Wertsteigerung
des Grundstückes. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Das
Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden schützte die Klage am 3. Juli
1986 im Teilbetrag von Fr. 925'681.45. Dagegen appellierten beide
Parteien unter Aufrechterhaltung ihrer ursprünglichen Rechtsbegehren an
das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden, das die Klage mit Urteil vom
24. Mai 1988 abwies.

    Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung
eingereicht, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Nach Ansicht der Vorinstanz hatte die Klägerin zu beweisen, dass
das vertragsverletzende Verhalten der Beklagten Ursache des geltend
gemachten Schadens ist. Dieser Beweis ist gemäss dem angefochtenen
Urteil nicht erbracht worden, da es höchst wahrscheinlich sei, dass
die Klägerin wegen Einwirkungen Dritter erst nach dem 5. September 1984
eine rechtskräftige Baubewilligung hätte erhalten können, selbst wenn
die Beklagte innerhalb der ihr gesetzten Frist unterschrieben hätte. Die
Klägerin will diese Feststellungen mit der Begründung in Frage stellen,
die hypothetischen Verläufe hätten sich bei richtiger Betrachtungsweise
anders abgespielt, als vom Obergericht angenommen werde. Sie vertritt die
Meinung, das Problem der hypothetischen Kausalität werde in der Regel nicht
den Rechtsfragen, sondern den tatsächlichen Feststellungen zugeordnet,
welche im Berufungsverfahren der Überprüfung durch das Bundesgericht
entzogen seien. Anders verhalte es sich aber, soweit sich die Vorinstanz
auf Vermutungen über die künftige Entwicklung abstütze, da es sich dabei
um Rechtsfragen handle.

    a) Das Obergericht geht Zutreffend vom Grundsatz aus, dass der
Geschädigte gleich wie im Fall der unerlaubten Handlung auch bei einer
Vertragsverletzung den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dieser
und dem Schaden nachzuweisen hat (BGE 111 II 160).

    In Lehre und Rechtsprechung umstritten ist dagegen die von den Parteien
und der Vorinstanz stillschweigend bejahte Rechtsfrage, ob der Schädiger
zu seiner Befreiung einwenden kann, der behauptete Schaden wäre unabhängig
von seinem Verhalten wegen späterer hypothetischer Ereignisse ohnehin
eingetreten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist uneinheitlich. Es
hat zwar in einem unveröffentlichten Urteil vom 9. Mai 1989 (i.S. B.), in
dem es um die Verletzung eines Mietvertrages ging, auf die im Deliktsrechts
vertretene Lehrmeinung hingewiesen, dass sich der Schädiger in der Regel
nicht darauf berufen könne, der gleiche Schaden wäre auch aufgrund später
sich auswirkender hypothetischer Ereignisse entstanden, für die er nicht
verantwortlich sei. Diese Äusserung steht indessen im Widerspruch
zu mehreren Urteilen, die sowohl im Gebiet des Vertrags- wie des
Haftpflichtrechts ergangen sind. So wurde in BGE 39 II 476 - im Gegensatz
zum zitierten unveröffentlichten Entscheid - der Anspruch des Mieters auf
Ersatz der Kosten für den vorzeitigen Umzug mit der Begründung abgelehnt,
diese Kosten wären später ohnehin angefallen. In BGE 87 II 372 E. 2 wurde
die Ersatzpflicht eines Anwaltes gegenüber seinem Klienten davon abhängig
gemacht, dass die wegen Fristversäumnis verwirkte Klage des Klienten
gutgeheissen worden wäre. In BGE 96 II 178 E. 3b hat das Bundesgericht den
Einwand, eine von selbst niedergehende Lawine hätte den gleichen Schaden
angerichtet wie die vorher künstlich ausgelöste Lawine, nicht grundsätzlich
für unerheblich erklärt (entgegen BREHM, N. 149 zu Art. 41 OR), sondern als
nicht bewiesen erachtet. Im Haftpflichtrecht ist sodann anerkannt, dass der
Einwand zugelassen werden muss, die konstitutionelle Prädisposition des
Verunfallten hätte allein und unabhängig vom Unfall zum späteren Schaden
oder dessen Vergrösserung geführt (BGE 113 II 92 E. 3). In BGE 113 II
339 hat das Bundesgericht schliesslich bezüglich der Ersatzforderung von
Angehörigen eines tödlich verunfallten Mannes ausgeführt, die Kosten
für Trauerkleider seien nicht voll zu erstatten, wenn sie ohnehin
angeschafft worden wären. Bei der Schadensberechnung werden im übrigen
spätere hypothetische Ereignisse in der Regel berücksichtigt; sei es
aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften (vgl. dazu OFTINGER,
Schweiz. Haftpflichtrecht, Bd. I, 4. Aufl., S. 173, 194 ff. und 233
f.) oder unmittelbar aufgrund des allgemeinen Schadensbegriffes (vgl.
GUHL/MERZ/KUMMER, Schweiz. Obligationenrecht, 7. Aufl., S. 64: entgangener
Gewinn).

    In der schweizerischen Lehre sind die Meinungen geteilt. Während
die ältere Literatur sich ablehnend äusserte (BECKER, N. 14 zu Art. 41
OR; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 90 zu Art. 41 OR), wurde diese Auffassung
später eingeschränkt. So halten VON TUHR/PETER (OR Allg. Teil, Bd. I,
S. 92 f.) zwar am Grundsatz der Unerheblichkeit späterer hypothetischer
Ereignisse unter dem Gesichtspunkt der Kausalität fest, wollen diese aber
bei der Schadensberechnung berücksichtigen, "wenn das künftige schädliche
Ereignis seinen Schatten vorauswirft in Gestalt einer Gefährdung
der Sache". DESCHENAUX hat sich dieser Ansicht angeschlossen (Norme
et causalité en responsabilité civile, in: Erhaltung und Entfaltung
des Rechts in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts,
S. 405). Im Ergebnis gleich äussert sich VON BÜREN (OR Allg. Teil, S. 72
ff.). BREHM hält dagegen die sich später auswirkende hypothetische Ursache
grundsätzlich für rechtlich unerheblich (N. 149 zu Art. 41 OR). Eine
Meinung, die er aber in anderem Zusammenhang stillschweigend einschränkt
(N. 7 ff. zu Art. 45 OR: Ersatz der Bestattungskosten). Eine differenzierte
Auffassung vertritt sodann OFTINGER, der die Frage als Problem der
Adäquanz des Kausalzusammenhangs behandelt (aaO, S. 124 f.). Nach diesem
Autor vermag ein hypothetischer Schadenseintritt, der sich unabhängig von
der als haftungsbegründend angenommenen Ursache ereignet, die Adäquanz
in der Regel nicht zu unterbrechen. Er weist jedoch auf gesetzlich
geregelte Ausnahmen und den Fall der konstitutionellen Prädisposition
hin und fügt bei, weitere Ausnahmen seien denkbar und von Fall zu Fall
zu beurteilen. Nicht logische, sondern wertende Gesichtspunkte seien
massgebend; so dürfe bei der Schadensberechnung die Berücksichtigung eines
hypothetischen Schadenseintritts nur erfolgen, wenn sie sich angesichts
der Umstände mit Sinn und Zweck des Schadenersatzes vertrage. STEPHAN
WEBER, der sich zum Fall der konstitutionellen Prädisposition äussert,
hält Reserveursachen für erheblich, soweit sie sich bereits im Zeitpunkt
der Verletzung manifestiert haben (SJZ 85/1989 S. 77). KRAMER will dagegen
die Berufung auf eine Reserveursache, die hypothetisch zum gleichen
Schaden geführt hätte, in Anlehnung vor allem an die deutsche Literatur
grundsätzlich zulassen (Die Kausalität im Haftpflichtrecht: Neue Tendenzen
in Theorie und Praxis, ZBJV 123 (1987) S. 289 ff., S. 302/3). In der von
diesem Autor zum Vergleich herangezogenen deutschen Lehre wird mehrheitlich
eine Berücksichtigung der hypothetischen Kausalität im Prinzip befürwortet,
aber nach Sachverhaltsgruppen und Art des geltend gemachten Schadens
differenziert; in die gleiche Richtung geht die deutsche Rechtsprechung
(vgl. LARENZ, Lehrbuch des Schuldrechts, 14. Aufl., Bd. I, S. 523 ff.;
STEFFEN, RGRK, N. 99 ff. zu § 823 BGB; GRUNSKY, Münch.Komm., Bd. 2,
2. Aufl., N. 78 ff. vor § 249 BGB; ESSER/SCHMIDT, Schuldrecht, Bd. I,
Allg. Teil, 6. Aufl. S. 541 ff., § 33 IV).

    b) Im vorliegenden Fall ist von Bedeutung, dass der geltend
gemachte Schaden mit der Weigerung der Beklagten, das Baugesuch bis zum
4. November 1983 zu unterschreiben, noch nicht eingetreten war. Vielmehr
stand erst mit Ablauf des Vorvertrages am 5. September 1984 fest, dass
die Beklagte nicht mehr gebunden war und die Klägerin das Grundstück
nicht erwerben konnte. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet geht
es nicht um den Vergleich zwischen einem am 4. November 1983 bereits
abgeschlossenen Sachverhalt und einem anderen, hypothetischen, der erst
später zu wirken begann, sondern zu beurteilen sind zwei parallele
Verläufe, welche beide im gleichen Zeitpunkt zum schadenauslösenden
Ereignis geführt haben würden. Der eine dieser Verläufe blieb aber
hypothetisch, weil aufgrund des anderen eine notwendige Voraussetzung
zu seiner Realisierung fehlte. Es muss somit nicht über die Streitfrage
entschieden werden, ob auch hypothetische Ereignisse von Bedeutung sind,
die erst nach Schadeneintritt wirksam werden. Insoweit spielt deshalb die
mehrheitlich ablehnende Haltung der schweizerischen Literatur für den
vorliegenden Sachverhalt keine Rolle. Damit kann zudem offenbleiben,
wie in solchen Fällen die Berücksichtigung späterer hypothetischer
Geschehnisse in zeitlicher Hinsicht einzugrenzen wäre. Im vorliegenden
Fall bestehen jedenfalls wegen der zeitlichen Nähe der hypothetischen
Ereignisse insoweit keine Bedenken. Dazu kommt, dass es unter den gegebenen
Umständen auch sachlich naheliegt, hypothetisch mit einer Wiederholung oder
einem ähnlichen Verlauf der früheren Geschehnisse zu rechnen. Aufgrund
von wertenden Gesichtspunkten, wie sie OFTINGER für massgebend hält,
kann deshalb die hypothetische Kausalität berücksichtigt werden.

    c) Eine weitere Besonderheit liegt im Umstand, dass der Beklagten nicht
eine vertragswidrige Handlung, sondern eine Unterlassung vorgeworfen
wird. Im angefochtenen Urteil wird dazu auf die Rechtsprechung des
Kassationshofs verwiesen, der auf eine Kritik von SCHULTZ (ZBJV 112/1976
S. 416 und 113/1977 S. 534) seine frühere Praxis zum Kausalzusammenhang
bei Unterlassungen geändert hat. Nach dieser früheren Rechtsprechung
war auch im Fall einer Unterlassung zwischen natürlichem und adäquatem
Kausalzusammenhang zu unterscheiden. Gemäss geänderter Rechtsprechung
(BGE 105 IV 19/20) kann bei Unterlassungen nicht im gleichen Sinn von
Kausalität gesprochen werden wie bei Handlungen, da es bei Unterlassungen
nur um eine Kausalität der nicht erfolgten Handlung gehe, die hypothetisch
zum eingetretenen Erfolg in Beziehung gesetzt werde. In diesem Urteil wurde
sodann ausgeführt, die Kontroverse sei aber für den Ausgang der Sache ohne
Belang, da es so oder anders um die objektive Zurechnung eines Erfolgs
gehe und bei fahrlässigen Erfolgsdelikten jener dem Täter nur zuzurechnen
sei, wenn er durch Anwendung pflichtgemässer Vorsicht höchstwahrscheinlich
vermieden worden wäre; wäre er gleichwohl eingetreten, so beruhe er nicht
auf der Pflichtwidrigkeit, wobei es keinen Unterschied ausmache, ob diese
in einem Tun oder Unterlassen liege. Dieser Grundsatz wurde in BGE 108 IV
7/8 dahin zusammengefasst, der Kausalzusammenhang sei nur dann gegeben,
wenn die erwartete Handlung nicht hinzugedacht werden können, ohne dass
der Erfolg höchstwahrscheinlich entfiele.

    Das Obergericht will daraus vor allem ableiten, dass der natürliche
Kausalzusammenhang nicht streng, sondern nur mit hoher Wahrscheinlichkeit
nachzuweisen sei. Ob das für den Zivilprozess richtig ist, bleibt noch zu
prüfen. Wesentlicher und von grundlegender Bedeutung ist indessen eine
andere Auswirkung der Rechtsprechung des Kassationshofes. Sie beruht
nämlich auf dem Gedanken, dass der Normverstoss nur dann rechtserheblich
ist, wenn nicht auch ein normgemässes Verhalten zum gleichen Erfolg
geführt hätte. Wird aber ein solcher Rechtswidrigkeitszusammenhang (dazu
KRAMER, aaO, S. 299) zwischen normwidrigen Verhalten und Erfolg verlangt,
so muss folgerichtig auch der Einwand zugelassen werden, dass im Fall
normgemässen Verhaltens weitere hypothetische Ereignisse trotzdem zum
Eintritt des Erfolges geführt hätten, da auch dann der Sachverhalt vom
Anwendungsbereich der verletzten Norm nicht erfasst wird.

    In diesem Sinn befürwortet KRAMER die Übernahme des Grundsatzes in das
Haftpflichtrecht, weil damit Wertungseinheit mit der Strafrechtspraxis
hergestellt und eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von
zwei Fallgruppen im Haftpflichtrecht vermieden werden könne (aaO,
S. 299 f.). Seiner Auffassung ist - jedenfalls für den vorliegenden
Fall - zuzustimmen. Dem steht nicht entgegen, dass es nicht um
eine Schadenersatzpflicht aus unerlaubter Handlung, sondern aus
Vertragsverletzung geht, denn im Vertragsrecht gelten insoweit die gleichen
Zurechnungsprinzipien. Das Obergericht hat somit zu Recht geprüft, ob
die Vertragsverletzung der Beklagten für die Entstehung des behaupteten
Schadens nicht rechtserheblich ist, weil dieser aufgrund hypothetischer
Ereignisse, für die sie nicht verantwortlich ist, auch dann eingetreten
wäre, wenn sie ihrer vertraglichen Pflicht zur Unterzeichnung des
Baugesuchs nachgekommen wäre.

Erwägung 5

    5.- a) Die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts geht im Gegensatz
zum Kassationshof in ständiger Praxis davon aus, dass auch bei einer
Unterlassung zwischen natürlichem und adäquatem Kausalzusammenhang
unterschieden werden kann und muss (vgl. z.B. BGE 108 II 53 E. 3, 103 II
244 E. 4, 102 II 263 E. 3, 93 II 29 E. 6). In einem unveröffentlichten
Urteil vom 6. März 1984, das von SCHUBARTH (Berufung und staatsrechtliche
Beschwerde, BJM 1985 S. 78 ff.) auszugsweise zitiert wird, ist sodann
darauf hingewiesen worden, dass der natürliche Kausalzusammenhang bei einer
Unterlassung auf der hypothetischen Annahme beruhe, der Schaden wäre bei
rechtmässigem Handeln nicht eingetreten; die natürliche Kausalität müsse
deshalb nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit und in zwingender Weise
nachgewiesen werden.

    Nach überwiegender und richtiger Auffassung handelt es sich bei
der Frage, ob eine Unterlassung natürliche Ursache einer Wirkung oder
eines Erfolges sein kann, um einen blossen Streit um Worte, da Einigkeit
darüber besteht, dass es nur um den hypothetischen Zusammenhang zwischen
der unterlassenen Handlung und dem Erfolg gehen kann (STRATENWERTH,
Schweiz. Strafrecht, Allg. Teil I, S. 384; KRAMER, aaO, S. 295;
Appellationshof des Kantons Bern in ZBGR 67/1986 S. 147 f.). Daraus
ergibt sich aber gegenüber dem Fall der Handlung die Besonderheit, dass
der Sachrichter bereits bei der Feststellung dieses Zusammenhangs in
der Regel auch auf die allgemeine Lebenserfahrung abstellt und damit
bestimmte, nach dieser Erfahrung unwahrscheinliche Geschehensabläufe
von vornherein ausser Betracht lässt. Die wertenden Gesichtspunkte,
welche sonst erst bei der Beurteilung der Adäquanz zum Tragen kommen,
spielen deshalb schon bei der Feststellung der hypothetischen Kausalität
eine Rolle. Aus diesem Grunde ist es im allgemeinen nicht sinnvoll,
den festgestellten oder angenommenen hypothetischen Geschehensablauf
auch noch auf seine Adäquanz zu prüfen, da ein solcher Vergleich den
beabsichtigten Zweck einer vernünftigen Begrenzung der Haftung (BGE 107
II 276, 96 II 396 E. 2 mit Hinweisen) nicht zu erfüllen vermag. Anders
kann es sich aber verhalten, falls aufgrund von tatsächlich festgestellten
Anhaltspunkten angenommen werden muss, der hypothetische Geschehensablauf
hätte sich nicht so abgespielt, wie nach der allgemeinen Lebenserfahrung
zu erwarten ist. Die Unterscheidung zwischen natürlicher und adäquater
Kausalität ist im weitern auch dann von Bedeutung, wenn es nicht mehr
um hypothetische Verläufe geht, sondern um daran anschliessende, direkt
feststellbare Folgen (vgl. dazu KRAMER, aaO, S. 296 Fn. 27).

    Die zitierte Rechtsprechung zur Unterscheidung zwischen natürlichem
und adäquatem Kausalzusammenhang ist demnach im Sinne der vorangehenden
Erwägungen einzuschränken.

    b) Damit stellt sich die Frage, ob in bezug auf die Kausalität von
Unterlassungen und die damit verbundenen hypothetischen Annahmen an der
in ständiger Rechtsprechung befolgten Regel festgehalten werden kann,
dass Feststellungen der Vorinstanz über den natürlichen Kausalzusammenhang
für das Bundesgericht gemäss Art. 63 Abs. 2 OG verbindlich sind (BGE 113
II 56 mit Hinweisen).

    Das Bundesgericht hat sich bereits in BGE 86 II 187 E. 3d zu
dieser Frage geäussert und festgehalten, Annahmen der Vorinstanz über
hypothetische Geschehensabläufe seien verbindlich, da sie, gleich wie die
Feststellung dessen, was sich tatsächlich ereignet habe, auf dem Wege der
Beweiswürdigung getroffene Schlussfolgerungen aus konkreten Anhaltspunkten
darstellten. Im späteren BGE 87 II 373/4 scheint diese Auffassung mit
Hinweis auf die abweichende Rechtsprechung einer anderen Abteilung des
Bundesgerichts angezweifelt worden zu sein. Es wurde aber eingeräumt,
dass Hypothesen jedenfalls nur mit Zurückhaltung überprüft werden dürften,
da sie naturgemäss weitgehend durch die Beweiswürdigung der Vorinstanz
präjudiziert seien. Das Bundesgericht dürfe von derartigen Vermutungen
höchstens dann abweichen, wenn schwerwiegende Gründe gegen sie sprächen,
insbesondere wenn sie mit einer Erfahrungsregel unvereinbar seien. Diese
Betrachtungsweise liegt im wesentlichen auch dem unveröffentlichten Urteil
vom 6. März 1984 zugrunde, in dem ausgeführt wurde, wenn der kantonale
Richter einen behaupteten Kausalverlauf gestützt auf Zeugenaussagen oder
andere Beweismittel bejahe oder verneine, so liege Beweiswürdigung vor, die
nicht überprüft werden könne; vorbehalten blieben nur Schlussfolgerungen,
die ausschliesslich auf allgemeiner Lebenserfahrung beruhten. Daran ist
trotz der Kritik von SCHUBARTH (aaO, S. 79) für den vorliegenden Fall
festzuhalten. Ebenfalls von Bedeutung sind sodann die Erwägungen in BGE
107 II 274 E. 2b, wo klargestellt wurde, dass Schlüsse aus allgemeiner
Lebenserfahrung auch bei der Beweiswürdigung eine Rolle spielen, dieser
Umstand aber nicht zur Aufhebung der für das Berufungsverfahren vom Gesetz
vorgeschriebenen Kognitionsbeschränkung führen darf.

    c) Eine Prüfung der von der Klägerin angefochtenen vorinstanzlichen
Feststellungen ergibt, dass keine davon im erwähnten Sinne ausschliesslich
auf allgemeiner Lebenserfahrung beruht.

    Das gilt zunächst für die Feststellung, das gemeindeinterne
Bewilligungsverfahren dauere erfahrungsgemäss fünf bis sieben Monate,
welche das Obergericht auf den Bericht der Baupolizeikommission stützt. Die
Beweiswürdigung betreffen aber auch die Einwände, welche die Klägerin in
bezug auf die Ausschöpfung des Rechtsmittelweges und den Zeitbedarf für
das gesamte Verfahren erhebt. Die entsprechenden Feststellungen hat das
Obergericht vor allem aufgrund der Aussagen der als Zeugen einvernommenen
Eigentümerin eines Nachbargrundstückes und ihres Sohnes getroffen. Alle
diese Feststellungen hat die Klägerin denn auch mit der staatsrechtlichen
Beschwerde wegen willkürlicher Beweiswürdigung angefochten; sie ist damit
aber nicht durchgedrungen.

Erwägung 6

    6.- Mit der Berufung erhebt die Klägerin auch die Rüge einer Verletzung
von Art. 8 ZGB. Zur Begründung bringt sie vor, das Obergericht habe an
den Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen der Vertragsverletzung und dem
behaupteten Schaden zu hohe Anforderungen gestellt und von ihr beantragte
erhebliche Beweise nicht abgenommen sowie die Beweislast falsch verteilt.

    a) Nach Auffassung der Klägerin durfte die Vorinstanz an den
Beweis des Kausalzusammenhangs keine hohen Anforderungen stellen,
weil hypothetische Geschehensabläufe zu beurteilen waren. Damit
will sie offenbar rügen, die Vorinstanz hätte aufgrund des richtigen
Beweismasses andere als die angenommenen Hypothesen für wahrscheinlicher
halten müssen. Das Bundesgericht hat im unveröffentlichten Urteil vom
6. März 1984 festgehalten, in Fällen hypothetischer Kausalität genüge
es, wenn der Richter die Überzeugung gewinne, dass die überwiegende
Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Kausalverlauf spreche. Diese mit
Lehre und Rechtsprechung übereinstimmende Ansicht (KUMMER, N. 211 zu Art. 8
ZGB; OFTINGER, aaO, S. 90 mit Nachweis der Rechtsprechung) liegt indessen
auch dem angefochtenen Urteil zugrunde. Das Obergericht spricht zwar in
der theoretischen Einleitung von einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit,
der beim Nachweis des Kausalzusammenhangs erforderlich sei, wendet aber
dieses Beweismass dann in Wirklichkeit nicht an, wie die nachfolgenden
Erwägungen Zeigen. Das gleiche ergibt sich auch aus den Ausführungen
im Zusammenhang mit der Frage, ob gegen einen positiven Entscheid der
Gemeinde an den Regierungsrat rekurriert worden wäre. Aus Art. 8 ZGB
oder sonst aus dem Bundesprivatrecht abgeleitete Anforderungen an das
Beweismass sind somit vom Obergericht nicht verkannt worden.

    b) Kein Verstoss gegen Art. 8 ZGB liegt auch darin, dass die Vorinstanz
nicht alle von der Klägerin beantragten Beweise abgenommen hat. Wie im
Entscheid über die staatsrechtliche Beschwerde dargelegt worden ist, beruht
die Verweigerung der Beweisabnahme auf antizipierter Beweiswürdigung. In
einem solchen Fall ist der aus Art. 8 ZGB abgeleitete Beweisanspruch nach
ständiger Rechtsprechung nicht verletzt (BGE 114 II 291 mit Hinweisen).

    Ebenfalls unbegründet ist schliesslich die Rüge einer Verletzung von
Art. 8 ZGB durch falsche Verteilung der Beweislast. Gemäss der Praxis des
Bundesgerichts ist die Frage der Beweislastverteilung gegenstandslos,
wenn der kantonale Richter - wie hier - in Würdigung von Beweisen zur
Überzeugung gelangt ist, eine Tatsachenbehauptung sei bewiesen oder
widerlegt (BGE 114 II 291 mit Hinweisen).

    c) Damit ist die Feststellung des Obergerichts, die Klägerin hätte erst
nach Ablauf des Vorvertrages eine rechtskräftige Baubewilligung erhalten
können, für das Bundesgericht verbindlich. Das führt zur Abweisung der
Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils.