Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 II 30



115 II 30

7. Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. Januar 1989 i.S. H. gegen B. &
Cie AG (Berufung) Regeste

    Festsetzung der Abgangsentschädigung durch den Richter (Art.
339c Abs. 2 OR, Art. 4 ZGB); Kostenlosigkeit des Verfahrens (Art. 343
Abs. 3 OR), intertemporales Recht.

    1. Bindung des Richters an die in Art. 339c Abs. 1 OR genannte untere
Grenze von zwei Monatslöhnen (E. 1a). Umstände, die bei der Festsetzung
der Entschädigung vom Richter zu berücksichtigen sind (E. 2 und 3).

    2. Art. 343 Abs. 3 OR; Kostenlosigkeit des Verfahrens, intertemporales
Recht: die am 1. Januar 1989 in Kraft getretene neue Fassung von Art. 343
Abs. 2 OR, mit welcher die Streitwertgrenze auf 20'000 Franken angehoben
wurde, ist auch auf Verfahren anwendbar, die zu diesem Zeitpunkt bereits
bei einem Gericht hängig waren (E. 5a).

Sachverhalt

    A.- Der 1932 geborene Paul H. arbeitete von 1960 bis 1985 bei der B. &
Cie AG. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin
erfolgte, weil sie die Abteilung für Hydrotherapie-Apparate, die von H.
geleitet wurde, aus wirtschaftlichen Gründen aufhob. Der Lohn von H. betrug
zuletzt Fr. 6'130.-- brutto im Monat.

    H. arbeitet heute bei der Firma R. Er erhielt 1986 einen monatlichen
Bruttolohn von Fr. 4'640.-- und im folgenden Jahr von Fr. 4'877.--.

    B.- Im Februar 1987 klagte H. beim Arbeitsgericht Zürich gegen die B. &
Cie AG auf Zahlung einer Abgangsentschädigung. Er setzte seine ursprünglich
höhere Forderung anlässlich der Hauptverhandlung auf Fr. 27'000.-- herab,
entsprechend sechs Monatslöhnen, vermindert um die Beiträge der Beklagten
an die Pensionskasse von Fr. 9'780.--. Das Arbeitsgericht hiess die Klage
am 21. Mai 1987 gut.

    Auf Appellation der Beklagten hob das Obergericht des Kantons
Zürich den Entscheid des Arbeitsgerichts mit Urteil vom 25. April 1988
auf und setzte die Abgangsentschädigung auf viereinhalb Monatslöhne
fest. Dementsprechend verpflichtete es die Beklagte, dem Kläger
Fr. 17'805.-- nebst 5% Zins seit 3. November 1986 zu zahlen.

    C.- Mit seiner Berufung, die er am 7. Juni 1988 dem Bundesgericht
eingereicht hat, beantragt der Kläger, das Urteil des Obergerichts
aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von Fr. 27'000.-- nebst 5%
Zins seit 3. November 1986 zu verpflichten. Das Bundesgericht weist die
Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Im Berufungsverfahren ist nicht mehr streitig, dass die
Voraussetzungen von Art. 339c Abs. 1 OR nicht erfüllt sind und die
Abgangsentschädigung deshalb gemäss Absatz 2 vom Richter unter Würdigung
aller Umstände nach seinem Ermessen festzusetzen ist, wobei sie aber
den Betrag nicht übersteigen darf, der dem Lohn des Arbeitnehmers für
acht Monate entspricht. Die Vorinstanz nimmt überdies an, der Richter
sei auch an die in Art. 339c Abs. 1 OR genannte untere Grenze von
zwei Monatslöhnen gebunden. Diese Auffassung wird von der Lehre geteilt
(SCHWEINGRUBER, Kommentar zum Arbeitsvertrag, 2. Auflage, S. 288; STREIFF,
Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht, 4. Auflage, N. 7 zu Art. 339c OR;
BRÜHWILER, Handkommentar zum Einzelarbeitsvertrag, N. 8 zu Art. 339c
OR; KUHN, Aktuelles Arbeitsrecht für die betriebliche Praxis, Teil 4
Kapitel 3.9.5, S. 12). Sie stimmt zudem mit der Rechtsprechung anderer
kantonaler Gerichte überein (ZBJV 112 (1976) S. 460; GVP/SG 1974 Nr. 15
S. 46; BJM 1974 S. 101, 1975 S. 76). Die Verbindlichkeit der unteren
Grenze von zwei Monatslöhnen für den Richter ergibt sich einerseits aus
der Gesetzessystematik und geht anderseits klar aus den parlamentarischen
Beratungen hervor (JÜRG EMIL EGLI, L'indemnité de départ dans le contrat de
travail, Diss. Lausanne 1979, S. 29 und 89; Amtl.Bull. 1969 N. 847 ff.,
1970 N. 825, 1971 N. 442). Es ist demnach zu prüfen, ob die Vorinstanz
mit der Festsetzung der Abgangsentschädigung innerhalb dieses Rahmens
gegen Bundesrecht verstossen hat.

    b) Wo das Gesetz den Richter auf sein Ermessen oder auf die Würdigung
der Umstände verweist, hat er seine Entscheidung nach Recht und Billigkeit
zu treffen (Art. 4 ZGB). Eine solche Billigkeitsentscheidung verlangt, dass
alle wesentlichen Besonderheiten des konkreten Falles beachtet werden. Das
Bundesgericht ist zwar in deren Überprüfung frei; es überprüft aber nur
mit Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn grundlos von den in Lehre
und Rechtsprechung ermittelten Bemessungsgrundsätzen abgegangen wird,
wenn Tatsachen berücksichtigt werden, die für den Entscheid im Einzelfall
keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn umgekehrt Umstände ausser
Betracht geblieben sind, die hätten beachtet werden müssen. Es greift
ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich
unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 109 II 391 E. 3
mit Hinweisen, 105 II 66 E. 2).

Erwägung 2

    2.- a) Das Arbeitsgericht verwies zur Begründung des Entscheides
insbesondere auf seine Praxis, gemäss welcher es die Höhe der
Abgangsentschädigung nach einer Skala bestimme, die bei fünfundzwanzig
Dienstjahren und einem Alter von dreiundfünfzig Jahren von sechs
Monatslöhnen ausgehe. Das Obergericht lehnt die Anwendung dieser Skala ab,
weil die Höhe der Entschädigung gemäss Art. 339c Abs. 2 OR nicht nach
einer starren Regel, sondern nach richterlichem Ermessen zu bestimmen
sei. Im angefochtenen Urteil wird sodann darauf hingewiesen, dass sowohl
die von BRÜHWILER (aaO, N. 1 zu Art. 339c OR) als Entscheidungshilfen
empfohlenen Skalen der Gesamtarbeitsverträge der Bekleidungsindustrie und
des Coiffeurgewerbes wie auch die Tabelle der Rechtsschutzabteilung der
Gewerkschaft Bau und Holz, auf welche der Bernische Appellationshof in
der Regel abstelle, eine viel kleinere Entschädigung als sechs Monatslöhne
vorsähen. Zudem betrüge die Entschädigung nur drei Monatslöhne, wenn der
Kläger wie die anderen Arbeitnehmer der Beklagten dem Gesamtarbeitsvertrag
des SSIV/SMUV unterstellt wäre. Das müsse sich in dem Sinne auswirken,
dass auch beim Kläger nicht zu hoch gegriffen werde.

    Der Kläger wirft dem Obergericht ein offensichtliches Versehen und die
Verletzung von Art. 339c Abs. 2 sowie Art. 4 ZGB vor. Er macht geltend,
die Vorinstanz hätte nicht die erwähnten Gesamtarbeitsverträge, sondern
die Übereinkunft zwischen dem Verband Zürcher Handelsfirmen (VZH) und dem
Kaufmännischen Verein Zürich (KVZ) als Entscheidungshilfe berücksichtigen
müssen, da er Mitglied des KVZ sei und bei der Beklagten die Stellung
eines Prokuristen eingenommen habe. Überdies sei die Nichtbeachtung der
langjährigen Praxis des Arbeitsgerichts sachlich unbegründet, ja geradezu
willkürlich.

    b) Das Arbeitsgericht hat in seinem Entscheid lediglich das Ergebnis
der verwendeten Skala, nicht aber deren Inhalt aufgeführt. Das Obergericht
bemerkt dazu, die Skala sei der urteilenden Kammer nicht bekannt. Aus der
Literatur ergibt sich indes, dass die vom Arbeitsgericht angewendete Skala
grundsätzlich derjenigen des Gesamtarbeitsvertrages des Coiffeurgewerbes
entspricht (STREIFF, aaO, N. 5 zu Art. 339c OR; KUHN, aaO, Teil 4 Kapitel
3.9.5 Seite 16). Nach dieser Skala wird die Höhe der Abgangsentschädigung
ausschliesslich aufgrund der beiden Faktoren Dienstjahre und Alter des
Arbeitnehmers bestimmt, wobei das Maximum von acht Monatslöhnen mit 32
Dienstjahren oder im Alter von 62 Jahren erreicht wird. Sowohl die Skala
des Gesamtarbeitsvertrags der Bekleidungsindustrie wie auch die Tabelle
der Rechtsschutzabteilung der Gewerkschaft Bau und Holz stellen ebenfalls
auf diese Faktoren ab. Ihre Anwendung kann aber, verglichen mit der Skala
des Gesamtarbeitsvertrages des Coiffeurgewerbes, im Einzelfall zu bedeutend
niedrigeren Entschädigungen führen. So wird nach der erwähnten Tabelle das
Maximum von acht Monatslöhnen beispielsweise erst mit vierzig Dienst- und
sechzig Lebensjahren oder mit dreissig Dienst- und siebzig Lebensjahren
erreicht (vgl. ZBJV 112 (1976) S. 462). Die Skala der Übereinkunft
zwischen dem VZH und dem KVZ stellt dagegen ausschliesslich auf die
Anzahl der Anstellungsjahre ab, geht überdies über das Maximum von acht
Monatslöhnen hinaus und würde im vorliegenden Fall zu einer Entschädigung
von rund fünfzehn Monatslöhnen führen (vgl. STREIFF, aaO, N. 6 zu Art. 339c
OR). Diese Regelung kann jedoch im Rahmen von Art. 339c Abs. 2 OR selbst
als blosse Entscheidungshilfe von vornherein nicht berücksichtigt werden,
da sie über die gesetzlich festgesetzte Höchstgrenze hinausgeht und auch
die Mindestvoraussetzungen gemäss Art. 339b Abs. 1 OR nicht beachtet.

    c) Entgegen der Auffassung des Klägers ist sodann fraglich, ob das
Abstellen auf die Skala eines bestimmten Gesamtarbeitsvertrages, wie
es Praxis des Arbeitsgerichts ist, mit Art. 339c Abs. 2 OR vereinbart
werden kann. Abgesehen davon, dass das ausschliessliche Abstellen auf
die beiden Faktoren Dienst- und Lebensjahre der Anweisung des Gesetzes
an den Richter widerspricht, alle Umstände des Falles zu würdigen,
ist auch nicht einzusehen, warum bezüglich des Klägers die Regelung des
Gesamtarbeitsvertrages für das Coiffeurgewerbe als Entscheidungshilfe
herangezogen werden soll. Die unterschiedliche Gewichtung der beiden
Faktoren in den verschiedenen Skalen mag zwar wegen der Besonderheiten der
Arbeitsbedingungen in den betreffenden Gewerben sachlich gerechtfertigt
sein. Solche Gründe fehlen dagegen, wenn es um einen Arbeitnehmer geht,
der in einem anderen Beruf oder Gewerbe tätig war. Der Hinweis der
Vorinstanz auf die Regelung im Gesamtarbeitsvertrag des SSIV/SMUV hat
daher eine gewisse Berechtigung. Diese Frage kann jedoch offen bleiben,
denn die übrigen Erwägungen des Obergerichts vermögen seinen Entscheid
auch allein zu tragen, wie sich im folgenden zeigen wird. Damit ist auch
nicht zu prüfen, ob die Rüge eines offensichtlichen Versehens im Sinne
von Art. 55 Abs. 1 lit. d OG berechtigt ist.

Erwägung 3

    3.- Als Umstände, die bei der Festsetzung der Höhe der
Abgangsentschädigung vom Richter zu würdigen sind, werden in der Literatur
übereinstimmend mit der Botschaft des Bundesrates (BBl 1967 II 396 f.)
aufgezählt: die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die persönlichen
Verhältnisse des Arbeitnehmers und seine Unterstützungspflichten, seine
Stellung im Betrieb oder Haushalt des Arbeitgebers, die Aussichten für sein
wirtschaftliches Fortkommen und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des
Arbeitgebers. Zu Recht wird zudem in Lehre und Rechtsprechung anerkannt,
dass neben dem Dienstalter auch das Lebensalter des Arbeitnehmers zu
berücksichtigen ist (STREIFF, aaO, N. 4 zu Art. 339c OR; BRÜHWILER, aaO,
N. 2 zu Art. 339c OR; EGLI, aaO, S. 91; ZBJV 112 (1976) S. 461; BJM 1974
S. 101, 1975 S. 76). Über die Gewichtung der erwähnten Umstände und
die Frage, welche anderen Umstände darüber hinaus von Bedeutung sein
können, bestehen dagegen unterschiedliche Meinungen (vgl. KUHN, aaO,
Teil 4 Kapitel 3.9.5 Seite 12 f.; JAR 1980 S. 154). Aufschluss darüber
kann allein der Zweck der Abgangsentschädigung geben.

    Die Abgangsentschädigung soll in erster Linie der Altersvorsorge
dienen (BGE 105 II 283). Ein Anspruch entfällt deshalb, soweit
gleichwertige, vom Arbeitgeber finanzierte Vorsorgeleistungen einer
Personalfürsorgeeinrichtung bestehen (Art. 339d Abs. 1 OR). Dieses
Grundkonzept der Abgangsentschädigung ist indes vom Gesetzgeber nicht
folgerichtig verwirklicht worden. Er hat mit der Begrenzung des Anspruchs
auf Arbeitnehmer, die während mindestens zwanzig Jahren in einem
Arbeitsverhältnis zum gleichen Arbeitgeber gestanden haben, auch dem
Element der Betriebstreue und gleichzeitig dem Einwand Rechnung tragen
wollen, dass das Institut der Abgangsentschädigung den Stellenwechsel
fördern könnte. Darauf wurde sowohl in der Botschaft des Bundesrates (BBl
1967 II 394 ff.) wie auch in den parlamentarischen Beratungen hingewiesen
(Amtl.Bull. 1969 N. 844 ff.). Ein weiterer Zweck, der mit der Einführung
der Abgangsentschädigung mittelbar erreicht werden sollte - hier aber keine
Rolle spielt und mit dem Inkrafttreten des BVG hinfällig geworden ist -,
war sodann, die Arbeitgeber zur Schaffung von Personalfürsorgeeinrichtungen
zu veranlassen (VISCHER, SPR, Bd. VII/1, S. 395/6).

    a) Bei der Bemessung ist entsprechend dem gesetzgeberischen
Konzept der Abgangsentschädigung als Vorsorgeleistung und Vergütung der
Betriebstreue vor allem auf das Alter des Arbeitnehmers und die Dauer
des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Das hat die Vorinstanz getan, und
insoweit stimmt auch der Kläger zu. Beide Faktoren liegen mit dreieinhalb
und fünfeinhalb Jahren relativ knapp über den Mindestgrenzen von Art. 339b
Abs. 1 OR und erreichen die Mittelwerte nicht, die bei einem männlichen
Arbeitnehmer aufgrund des normalen Pensionierungsalters von fünfundsechzig
Jahren siebeneinhalb Jahre betragen. Würde lediglich auf das Dienst-
und Lebensalter abgestellt, wäre somit die Entschädigung deutlich unter
dem Mittelwert von fünf Monatslöhnen festzusetzen.

    b) Der Kläger geht sodann mit der Vorinstanz davon aus, dass auch
die Aussichten auf sein wirtschaftliches Fortkommen zu berücksichtigen
sind. Nach seiner Auffassung können sie im Gegensatz zur Beurteilung
durch das Obergericht nicht als recht gut betrachtet werden, da er
eine Lohneinbusse von 25% habe hinnehmen müssen und nur eine Stelle in
einem branchenfremden Betrieb gefunden habe. Damit fasst er jedoch den
Begriff des wirtschaftlichen Fortkommens zu eng. Wegleitend ist auch
diesbezüglich der Vorsorgezweck der Abgangsentschädigung. Massgebend
ist deshalb, ob ihm aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage zuzumuten ist,
auch aus eigenen Mitteln und Kräften für die Zeit nach der Pensionierung
vorzusorgen. Darum durfte die Vorinstanz der Lohneinbusse weniger Bedeutung
zumessen als dem Umstand, dass der Kläger innerhalb kurzer Zeit eine
neue Arbeitsstelle gefunden hat. Im übrigen nimmt das Obergericht an,
dass sich der Kläger beim neuen Arbeitgeber in den ihm verbleibenden
neun Jahren der Berufstätigkeit abgesehen vom Teuerungsausgleich auch
noch verbessern könne.

    c) Entgegen dem Einwand des Klägers kann sodann auch die Höhe des
Lohnes beim früheren Arbeitgeber berücksichtigt werden, und zwar in
dem Sinne, dass die Entschädigung für einen Arbeitnehmer, der eine
gut entlöhnte Position eingenommen hat, vergleichsweise niedriger
bemessen werden darf als diejenige für einen Arbeitnehmer, der wenig
Lohn erhalten hat. Diese Auffassung findet sich in Urteilen kantonaler
Gerichte (GVP/SG 1974 Nr. 15 S. 46; BJM 1974 S. 101, 1975 S. 76) und
wird auch in der Lehre vertreten (EGLI, aaO, S. 93 mit Hinweis auf die
parlamentarischen Beratungen: Amtl.Bull. 1969 N. 847, Votum Schuler). Das
vom Kläger zitierte Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich (JAR 1987
S. 265 ff.) behandelt die Frage nicht. Das Gericht hatte dort nicht über
die Bemessung der Abgangsentschädigung zu entscheiden, sondern über den
Einwand des Arbeitgebers, der gute Lohn sei als Ersatzleistung im Sinne
von Art. 339d OR zu betrachten (S. 270 E. 6).

    In der Literatur wird mit Recht darauf hingewiesen, dass die
Abgangsentschädigung neben der Vorsorge einem anderen Zweck dienen kann,
falls die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mit der Pensionierung
zusammenfällt. Denn dann hilft sie dem Arbeitnehmer, die Zeit der
Stellensuche zu überbrücken (EGLI, aaO, S. 34/5). Da anzunehmen ist, dass
relativ gut entlöhnte Arbeitnehmer wie der Kläger die Übergangszeit besser
meistern können als Bezüger bescheidener Löhne, darf bei der Bemessung
der Abgangsentschädigung danach unterschieden werden. Die Berücksichtigung
der Lohnhöhe rechtfertigt sich im übrigen auch darum, weil davon abhängt,
ob der Arbeitnehmer unabhängig von den Leistungen des Arbeitgebers selbst
etwas zu seiner Altersvorsorge beitragen kann.

    d) Die Vorinstanz hält im Gegensatz zum Arbeitsgericht für
unerheblich, dass der Kläger verheiratet und damit gegenüber seiner Ehefrau
beistandspflichtig ist. Nach ihrer Meinung kann seit dem Inkrafttreten des
neuen Eherechts die eheliche Unterhaltspflicht nicht mehr als Argument
für eine höhere Abgangsentschädigung dienen, da nach dem neuen Art. 163
ZGB die Ehegatten gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den
gebührenden Unterhalt der Familie zu sorgen hätten. Mit der Berufung wird
demgegenüber darauf hingewiesen, dass zwar die primäre Unterhaltspflicht
des Ehemannes nicht mehr bestehe, sich an der ehelichen Beistandspflicht
aber nichts geändert habe (Art. 159 ZGB). Da die finanziellen Mittel für
die Altersvorsorge des Ehepaars praktisch durchwegs aus der Tätigkeit
des Klägers stammten - die Ehefrau des Klägers habe erst 1984 eine
Teilzeitarbeit aufgenommen -, spiele eben doch eine Rolle, dass er mit
den erworbenen Altersvorsorgegeldern auch für seine Frau aufzukommen habe.

    Vorab ist festzuhalten, dass der Kläger aus der allgemeinen
Beistandspflicht der Ehegatten, wie sie in Art. 159 Abs. 3 ZGB statuiert
wird, unter den gegebenen Umständen nichts zu seinen Gunsten herleiten
kann. Anders verhielte es sich, wenn seine Ehefrau aus bestimmten Gründen,
wie zum Beispiel wegen einer schweren oder länger dauernden Krankheit,
auf seinen Beistand tatsächlich angewiesen wäre, d.h. nicht lediglich die
allgemeine Beistandspflicht, sondern eine eigentliche Unterstützungspflicht
mit der sich daraus ergebenden besonderen finanziellen Belastung
bestehen würde (vgl. dazu GVP/SG 1974 Nr. 15 S. 46). Auch STREIFF, auf
den sich der Kläger beruft, spricht nicht von Beistands-, sondern von
Unterstützungspflichten (aaO, N. 4 zu Art. 339c OR). Richtig ist dagegen,
dass bei einem verheirateten Arbeitnehmer neben seiner persönlichen
Lage auch diejenige seiner Ehefrau von Bedeutung sein kann. Im Fall des
Klägers drängt sich aber eine Berücksichtigung im Sinne einer Erhöhung
der Abgangsentschädigung nicht auf, da entsprechende Feststellungen im
angefochtenen Urteil fehlen und mit der Berufung nicht behauptet wird, die
Vorinstanz hätte den Sachverhalt in dieser Hinsicht abklären müssen. Dem
Urteil lässt sich einzig entnehmen, dass die Ehefrau des Klägers seit
dem 1. Juni 1984 einer Teilzeitarbeit nachgeht. Dieser Umstand wäre
jedenfalls bei der Bemessung der Abgangsentschädigung nicht erhöhend,
sondern eher ermässigend zu würdigen.

    e) Streitig ist im weitern, ob ein Dienstaltersgeschenk von
Fr. 5'000.-- zu berücksichtigen sei, das der Kläger nach fünfundzwanzig
Jahren Betriebszugehörigkeit erhalten hatte. Das Obergericht führt dazu
aus, eine direkte Anrechnung komme wegen der verschiedenen Funktion von
Dienstaltersgeschenk und Abgangsentschädigung nicht in Frage, andererseits
könne das Dienstaltersgeschenk aber auch nicht ganz unberücksichtigt
bleiben. Ein Dienstaltersgeschenk werde nicht nur als Dank für geleistete
Dienste ausgerichtet, sondern habe zudem oder sogar in erster Linie den
Zweck, den Arbeitnehmer zum weiteren Verbleiben zu veranlassen. Diesen
Sinn habe das Dienstaltersgeschenk im Fall des Klägers, dem die Beklagte
damals bereits gekündigt hatte, nicht haben können. Es sei vielmehr davon
auszugehen, dass die Beklagte das Dienstaltersgeschenk vor allem wegen
der besonderen Umstände der Kündigung ausgerichtet habe.

    Die Kritik des Klägers an dieser Begründung ist zum Teil berechtigt. So
ist nicht einzusehen, warum die Parteien, insbesondere die Beklagte,
das Dienstaltersgeschenk nicht wie üblich als Belohnung der Betriebstreue
und als Ausdruck des Dankes für die geleisteten Dienste des Arbeitnehmers
verstanden haben sollen. Die Vorinstanz führt denn auch keine Anhaltspunkte
an, welche ihre gegenteilige Annahme zu stützen vermöchten. Im Ergebnis
ist ihrer Auffassung aber trotzdem beizustimmen. Wie bereits dargelegt,
dient die Abgangsentschädigung nach dem gesetzgeberischen Konzept
zwar vor allem der Altersvorsorge, sie trägt aber auch dem Element der
Betriebstreue Rechnung. Insoweit besteht für das Dienstaltersgeschenk
und die Abgangsentschädigung eine vergleichbare Grundlage. Dazu kommt
im vorliegenden Fall, dass das Dienstaltersgeschenk kurze Zeit vor der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgerichtet worden ist. Für die
Berücksichtigung spricht daher auch die schon erörterte Nebenwirkung der
Entschädigung im Fall von Arbeitnehmern, die im Zeitpunkt der Beendigung
des Arbeitsverhältnisses das Pensionierungsalter noch nicht erreicht
haben. Aus diesen Gründen durfte die Vorinstanz das Dienstaltersgeschenk
bei der Bemessung der Abgangsentschädigung mitberücksichtigen. Eine
direkte Anrechnung fiel dagegen ausser Betracht.

    f) Der Kläger rügt schliesslich eine Verletzung von Art. 339c Abs. 2
und Art. 339d OR, weil das Obergericht zu Unrecht das Inkrafttreten
des BVG und seine Mitgliedschaft bei den Pensionskassen der alten
und jetzt der neuen Arbeitgeberin als Gründe für eine Herabsetzung der
Abgangsentschädigung anführe. Damit missversteht er indes die - allerdings
nicht sehr klaren - Erwägungen der Vorinstanz. Diese weist zwar auf die
genannten Umstände hin, leitet daraus aber nicht den vom Kläger behaupteten
Schluss ab. Sie stellt insbesondere fest, die genauen Pensionsansprüche
des Klägers gegenüber der Kasse der neuen Arbeitgeberin seien nicht
bekannt, weil er darüber keine Angaben gemacht habe. Die Firma R., von der
Beklagten mit Recht als wirtschaftlich mächtiger und konjunkturell sicherer
Arbeitgeber bezeichnet, habe aber für ihre Arbeitnehmer zweifellos eine
gute Altersvorsorge. Der Kläger habe sicherlich Glück gehabt, bei einer
solchen Arbeitgeberin sogleich eine neue und gute Stelle zu finden. Auch
dies sei bei der Bemessung der Abgangsentschädigung zu berücksichtigen.

    Die Folgerungen der Vorinstanz erschöpfen sich somit in einer
allgemeinen Beurteilung der heutigen Arbeitsstelle des Klägers. Dieser
Aspekt fällt aber in den grösseren Rahmen der Aussichten für das weitere
wirtschaftliche Fortkommen, das bei der Bemessung der Abgangsentschädigung
berücksichtigt werden darf. Das Obergericht hat sich auch insoweit nicht
von sachfremden Überlegungen leiten lassen.

    Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf zwei Beilagen, die er
mit der Berufungsschrift eingereicht hat. Solche Eingaben sind indes im
Berufungsverfahren unzulässig und deshalb unbeachtlich. Das gilt ebenfalls
für die damit verbundenen neuen Vorbringen der Berufungsbegründung
(Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

Erwägung 4

    4.- Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass das Obergericht
weder von Bemessungsgrundsätzen abgewichen ist, die nach Lehre und
Rechtsprechung massgebend sind, noch Umstände berücksichtigt hat, die
wegen den Besonderheiten des vorliegenden Falles keine Rolle hätten
spielen dürfen. Sein Entscheid erscheint auch im Ergebnis nicht als
offensichtlich unbillig, da er selbst dann vertretbar wäre, wenn die
einzelnen Faktoren - insbesondere der Vergleich mit den Entschädigungen
nach den Gesamtarbeitsverträgen - etwas anders gewichtet würden. Eine
Verletzung von Art. 4 ZGB liegt deshalb nicht vor.

Erwägung 5

    5.- a) Gemäss Art. 343 Abs. 3 OR dürfen den Parteien in Streitigkeiten
aus dem Arbeitsverhältnis bis zu einem Streitwert, der in Absatz 2
festgesetzt ist, weder Gerichtsgebühren noch Auslagen des Gerichts
auferlegt werden. Das gilt auch für bundesgerichtliche Verfahren (BGE 98
Ia 567 E. 6a).

    Mit der Teilrevision des Zehnten Titels des Obligationenrechts, die
am 1. Januar 1989 in Kraft getreten ist, wurde diese Streitwertgrenze
von Fr. 5'000.-- auf Fr. 20'000.-- angehoben (AS 1988 1476). Aus dem
Gesetz ergibt sich nicht, ob die neue Regelung auch auf Verfahren anwendbar
ist, die im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits hängig waren. Die
Gesetzesnovelle selbst enthält keine Übergangsbestimmungen. Art. 7 der
Schluss- und Übergangsbestimmungen zum X. Titel, der mit der Revision
von 1972 eingefügt wurde, gibt ebenfalls keinen Aufschluss. Auch die
Botschaften des Bundesrates zu beiden Revisionen äussern sich nicht zu
dieser Frage (vgl. BBl 1967 II 426/7; 1984 II 585 ff.).

    Nach den eidgenössischen Prozessgesetzen sind hängige Verfahren
grundsätzlich nach bisherigem Recht zu Ende zu führen (Art. 171 Abs. 1
OG und Ziff. III Abs. 2 der SchlBst. der Änderung vom 20. Dezember 1968;
Art. 87 Abs. 3 BZP; Art. 81 VwVG). Ob diese Regelungen einem allgemeinen
Grundsatz insbesondere des Zivilprozessrechtes entsprechen, ist in der
Lehre umstritten (vgl. einerseits GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht,
3. Auflage, S. 53, anderseits STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen
Zivilprozessordnung, N. 1 zu § 2 Einführungs- und Übergangsbestimmungen;
HABSCHEID, Schweiz. Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht,
S. 14/15). Für das Verfahren in Verwaltungssachen hat das Bundesgericht
indes bereits in BGE 79 I 87 darauf hingewiesen, dass neue Verfahrensregeln
gemäss einem allgemeinen Grundsatz sofort anzuwenden seien. Im Fall von
BGE 109 Ib 156 E. 1, ebenfalls eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit
betreffend, der aber mit dem vorliegenden insoweit vergleichbar ist,
als es auch dort um eine Rechtsänderung während der Hängigkeit des
bundesgerichtlichen Verfahrens ging und eine Übergangsbestimmung fehlte,
wurde zwar - analog der intertemporalrechtlichen Regelung für das
materielle Recht - grundsätzlich das alte Verfahrensrecht für anwendbar
erklärt, die Anwendung des neuen jedoch für den Fall vorbehalten,
dass es für den Betroffenen günstiger ist. Vor allem mit dem Hinweis
auf diesen letzteren Gesichtspunkt hat sodann das Eidgenössische
Versicherungsgericht in BGE 111 V 46 E. 4 die sofortige Geltung der
Vorschrift von Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG über die Kostenlosigkeit des
Verfahrens vor den kantonalen Versicherungsgerichten begründet (zustimmend
GYGI, Verwaltungsrecht, S. 113). Obschon es hier um ein Zivilverfahren
geht, entsprechen die Interessenlage und die vom Gesetzgeber mit Art. 343
Abs. 3 OR vorgenommene Wertung der sich gegenüberstehenden Interessen
jener von Art. 108 Abs. 1 lit. a UVG. Es rechtfertigt sich darum,
die neue Fassung von Art. 343 Abs. 3 OR in Anlehnung an den Entscheid
des Versicherungsgerichts auch auf Verfahren über Streitigkeiten aus
dem Arbeitsverhältnis anzuwenden, die am 1. Januar 1989 bereits vor dem
Bundesgericht oder vor kantonalen Gerichten hängig waren (vgl. auch SJZ 68
(1972) Nr. 72 S. 176 zur Revision von 1972).

    b) Gemäss Art. 343 Abs. 2 OR bemisst sich der Streitwert nach der
eingeklagten Forderung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist
unter der "eingeklagten Forderung" der vor erster Instanz gestellte
Anspruch zu verstehen. Veränderungen im Laufe des erstinstanzlichen
Verfahrens wie zum Beispiel die teilweise Anerkennung oder eine
Herabsetzung der Forderung sind deshalb nicht zu berücksichtigen. Auch
von den Rechtsmittelinstanzen ist das in Art. 343 Abs. 2 und 3 OR
vorgesehene besondere Verfahren nur dann einzuhalten, wenn die ursprünglich
eingeklagte Forderung die Streitwertgrenze nicht übersteigt (BGE 100 II
359 E. a). An der Richtigkeit dieser Auslegung hat die neue Fassung von
Art. 343 Abs. 2 OR, die insoweit wörtlich mit der alten übereinstimmt,
nichts geändert. Trotzdem ist das vom Kläger beim Arbeitsgericht
anhängig gemachte Rechtsbegehren auf Zahlung von Fr. 30'066.--, das
er an der Hauptverhandlung auf Fr. 27'000.-- herabgesetzt hat, nicht
massgebend. Wie sich nämlich aus den Akten ergibt, hat die Beklagte die
Forderung bereits an der Sühnverhandlung vor dem Arbeitsgericht in der Höhe
von Fr. 18'390.-- anerkannt. Diese Teilanerkennung hätte ohne weiteres
schon vor der Einleitung der Klage erfolgen können, was dem Kläger eine
entsprechend niedrigere Bezifferung des Klagebegehrens ermöglicht hätte. Zu
Gunsten des Klägers ist deshalb auf den Streitwert abzustellen, welcher
dem erstinstanzlichen Klagebegehren nach dem Ergebnis der Sühnverhandlung
tatsächlich zukam. Da er weniger als Fr. 20'000.-- betrug, sind dem Kläger
im bundesgerichtlichen Verfahren keine Gerichtskosten aufzuerlegen.

    c) Die in der Sache obsiegende Partei hat auch in Verfahren, die
gemäss Art. 343 Abs. 3 OR kostenlos sind, grundsätzlich Anspruch auf
Ersatz der Parteikosten (BGE 110 II 276 Nr. 55 E. 3). Ein solcher Anspruch
entfällt jedoch, wenn die obsiegende Berufungsbeklagte - wie hier - wegen
eines verschuldeten Fristversäumnisses keine Berufungsantwort einreichen
konnte. Denn soweit ihr im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren Kosten
erwachsen sind, liegt die Ursache nicht im Verhalten des Berufungsklägers,
sondern in ihrer eigenen Säumnis.