Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 II 136



115 II 136

25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. April 1989
i.S. Bank X. gegen Y-AG (Berufung) Regeste

    Bauhandwerkerpfandrecht; Art. 840 und 841 ZGB.

    1. Nach Sinn und Zweck der Art. 840 und 841 ZGB besteht ein Vorrecht
der Baupfandgläubiger gegenüber der vorrangig grundpfandgesicherten
Baukreditbank auch insoweit, als diese den als Gegenwert des Bodens
verfügbaren Baukredit ungleichmässig an die einzelnen Baugläubiger
ausgerichtet hat, so dass auf den klagenden Baupfandgläubiger
verhältnismässig weniger als auf andere entfallen ist; entsprechende
Sorgfaltspflicht der Bank, namentlich bei unzureichendem Baukredit
(Bestätigung der Rechtsprechung).

    2. Grundsätze für die Berechnung des Ersatzes im Sinne von Art. 841
ZGB: Der anfechtende Baupfandgläubiger soll nicht mehr erhalten, als wenn
der Baukredit ab Beginn an sämtliche Bauhandwerker verteilt worden wäre,
und zwar im Verhältnis, in dem diese mit ihrer Arbeit zur Schaffung des
Mehrwerts beigetragen haben (E. 7).

Sachverhalt

    A.- Die Y-AG führte vom 30. September bis zum 24. Dezember 1980 auf dem
Grundstück GB Metzerlen Nr. 1249 (Gasthof Engelbad) des Architekten T. für
einen Hotelneubau verschiedene Arbeiten aus. Am 13. März 1981 stellte sie
dafür Fr. 221'427.35 in Rechnung. Als diese unbeglichen blieb, ersuchte
sie den Amtsgerichtspräsidenten von Dorneck-Thierstein am 19. März 1981
um die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts. Dem Gesuch
wurde am 20. März 1981 entsprochen. Am 31. März 1981 anerkannte T. die
Bauforderung der Y-AG, weshalb der Gerichtspräsident am 16. Juni 1981
die definitive Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts verfügen konnte.

    Am 15. Oktober 1981 wurde über T. der Konkurs eröffnet. Der
Kollokationsplan des Konkursamtes Basel-Stadt vom 17. April 1982
enthielt in den ersten beiden Rängen die pfandgesicherten Forderungen
der Bank X. von insgesamt Fr. 5'907'995.70 einschliesslich Zins bis
zum 15. Oktober 1981. Die Forderung der Y-AG wurde mit elf weiteren
Bauforderungen im 3. Rang ausgewiesen. In der Folge schlug die Y-AG als
einzige Baupfandgläubigerin einen Vergleich aus, der ihr eine Deckung
von Fr. 74'520.-- eingebracht hätte.

    Am 28. September 1984 gelangte die überbaute Liegenschaft zur
Versteigerung. Den Zuschlag erhielt die Bank X. für Fr. 5'200'000.--. Bei
der anschliessenden Verteilung des Verwertungserlöses entfielen
Fr. 5'120'038.25 auf die Bank X., während die Baupfandgläubiger leer
ausgingen. Nach Abzug einer Konkursdividende von Fr. 6'625.45 verblieb
der Y-AG ein Verlust von Fr. 217'754.25.

    B.- Am 14. Januar 1985 klagte die Y-AG gegen die Bank X. auf Bezahlung
von Fr. 217'754.25 nebst Zins zu 5% seit dem 8. Oktober 1981, eventualiter
seit dem 14. Januar 1985. Das Amtsgericht Dorneck-Thierstein wies die
Klage mit Urteil vom 30. April 1986 ab.

    Das Obergericht des Kantons Solothurn hiess hingegen die Klage
nach Appellation der Y-AG mit Urteil vom 27. Januar 1987 im Umfang von
Fr. 59'483.65 nebst Zins seit dem 1. Juli 1981 teilweise gut.

    C.- Mit Berufung an das Bundesgericht vom 29. April 1988 verlangt die
Bank X. die Aufhebung von Ziff. 1 Abs. 1 des Urteils des Obergerichts
des Kantons Solothurn, womit sie verpflichtet worden ist, der Y-AG
Fr. 59'483.65 einschliesslich Zins zu bezahlen, sowie die vollumfängliche
Abweisung der Klage. Eventualiter wird um Rückweisung an die Vorinstanz
zu Aktenergänzung und Neubeurteilung ersucht.

    In der Anschlussberufung vom 23. Juni 1988 beantragt die Y-AG
ihrerseits die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Gutheissung
der Klage im Betrag von Fr. 217'754.25, eventualiter im Betrag von
Fr. 62'046.85, nebst Zins seit dem 8. Oktober 1981, eventualiter seit
dem 14. Januar 1985.

    Beide Parteien beantragen schliesslich je gegenseitig die Abweisung
von Berufung und Anschlussberufung, derweil das Obergericht des Kantons
Solothurn auf Gegenbemerkungen verzichtet hat.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB besteht für die Forderungen
der Handwerker oder Unternehmer, die zu Bauten oder andern Werken auf
einem Grundstück Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben,
an diesem Grundstück ein mittelbares gesetzliches Pfandrecht. Gelangen
mehrere dieser Bauhandwerkerpfandrechte zur Eintragung, so haben sie, auch
wenn sie von verschiedenem Datum sind, nach Art. 840 ZGB untereinander den
gleichen Anspruch auf Befriedigung aus dem Pfand. Kommen die Forderungen
der Handwerker und Unternehmer bei der Pfandverwertung zu Verlust,
so ist ihnen der Ausfall im Sinne eines Vorrechts aus dem den Wert des
Bodens übersteigenden Verwertungsanteil der vorgehenden Pfandgläubiger zu
ersetzen, sofern das Grundstück durch ihre Pfandrechte in einer für sie
erkennbaren Weise zum Nachteil der Handwerker und Unternehmer belastet
worden ist (Art. 841 Abs. 1 ZGB).

    Die Parteien sind sich einig darüber, dass der Klägerin nach Abzug der
Konkursdividende eine ungedeckte Forderung im Betrag von Fr. 217'754.25
nebst Zins zusteht. Ausser Frage steht sodann auch deren grundsätzliche
Sicherung durch ein Bauhandwerkerpfandrecht. Umstritten ist hingegen nach
wie vor, inwieweit der Verwertungserlös zur Deckung des von der Klägerin
erlittenen Pfandausfalles verwendet werden kann.

Erwägung 2

    2.- Das Obergericht des Kantons Solothurn hat den Bodenwert des
überbauten Grundstückes auf den Tag der Liegenschaftsversteigerung
mit Fr. 2'332'541.15 bestimmt. Nach dieser Berechnung entfallen
somit von Fr. 5'120'038.25 insgesamt Fr. 2'787'497.10 auf den durch
Bauhandwerker und Unternehmer geschaffenen Mehrwert; darin ist auch
ein Betrag von Fr. 439'293.70 für Zinsen enthalten. Das Obergericht
hat sodann festgestellt, dass die Beklagte aus dem Baukredit ungefähr
das Zweifache des Mehrwerts von Fr. 2'348'203.40 (= Fr. 2'787'497.10 -
Fr. 439'293.70) an die Bauhandwerker und Unternehmer ausbezahlt habe. Nach
Berücksichtigung der Verrichtungen von Architekt und Ingenieur, der reinen
Materiallieferungen, der Anschlussgebühren und Ausstattungsgegenstände
sowie Bauzinsen, die allesamt auch zur Wertvermehrung der Liegenschaft
beigetragen hätten und daher als berechtigte Bauforderungen beachtlich
seien, ergebe sich somit ein Gesamtbetrag wertvermehrender Baukosten
von Fr. 8'741'166.80. Damit stehe zwar fest, dass der Baukredit
nicht zweckentfremdet verwendet worden sei, doch vermöge der Anteil
des Verwertungserlöses von Fr. 2'348'203.40, der dem eigentlichen
Mehrwert vorbehalten bleibe, den Gesamtbetrag wertvermehrender Baukosten
bloss im Umfang von 26,8637% zu decken. Infolgedessen sei der für die
Bauhandwerkerpfandrechte zur Verfügung stehende Verwertungserlös gemäss
diesem Quotenanteil von 26,8637% auf die einzelnen baupfandgesicherten
Forderungen aufzuteilen, denn nur so lasse sich ein Ergebnis erzielen,
welches in Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stehe. Das
Obergericht hat daher der Klägerin an ihre gesamte baupfandgesicherte
Forderung von Fr. 221'427.35 (Wert 1. Juli 1981) noch einen Teilbetrag
von Fr. 59'483.65 (= 26,8637%) zugewiesen.

Erwägung 3

    3.- a) Dem Obergericht wird vorgeworfen, dem Klagebegehren nur deshalb
entsprochen zu haben, weil es bei der Verteilung des Verwertungserlöses
unter die einzelnen Baugläubiger einem Gleichbehandlungsprinzip erlegen
sei, welches weder in Art. 840 noch in Art. 841 ZGB eine Grundlage
finde. Danach sei der durch die Bauhandwerker und Unternehmer geschaffene
Mehrwert des Grundstückes den berechtigten Bauforderungen im Verhältnis
ihres Umfanges zugeteilt worden; den Baupfandgläubigern sei damit ein
Vorrecht gegenüber dem vorrangigen Grundpfandgläubiger insoweit eingeräumt
worden, als letzterer den als Gegenwert des Grundpfandes verfügbaren
Baukredit ungleichmässig an die einzelnen Baugläubiger entrichtet habe,
so dass auf den klagenden Baugläubiger verhältnismässig weniger als
auf andere entfallen sei. Die Annahme eines solchen Privilegs hätte
zur Folge, dass eine Bank den grundpfandgesicherten Baukredit immer nur
in dem Verhältnis ausschütten dürfte, welches demjenigen der einzelnen
zu den gesamten Forderungen der Bauhandwerker und übrigen Baugläubiger
entspricht; würde dieser Grundsatz verletzt, wäre der Ausfall gemäss
Art. 841 ZGB zu ersetzen, soweit der betroffene Baupfandgläubiger relativ
weniger erhalten hat.

    b) Das Vorgehen der Vorinstanz bei der Verteilung des
Verwertungserlöses deckt sich im Ergebnis mit der schon vor langer
Zeit eingeleiteten Rechtsprechung des Bundesgerichts, was auch von
der Beklagten nicht verkannt wird. Ihr Ziel ist es indessen, die
Änderung dieser konstanten Praxis zu bewirken, da sich ein solcher
Gleichbehandlungsanspruch weder dem Wortlaut der Art. 840 und 841
ZGB noch dem Zweck dieser Bestimmungen entnehmen lasse. Das Vorrecht
der Bauhandwerker und Unternehmer - so glaubt die Beklagte - setze
stets voraus, dass die Mittel des Baukredites zweckwidrig, mithin zur
Bezahlung baufremder Leistungen, verwendet worden seien; entsprechend
beschränke sich die Sorgfaltspflicht der pfandgesicherten Bank auf die
Vermeidung bauzweckfremder Mittelverwendung, was sich auch aus BGE 112 II
493 ff. ergebe. Eine Aufgabe des von der Rechtsprechung - trotz Fehlens
einer Gesetzeslücke - entwickelten Gleichbehandlungsgebotes dränge sich
aber auch darum auf, weil sich dieses als unzweckmässig, unpraktikabel
und lebensfremd erwiesen habe.

Erwägung 4

    4.- Über den Grundsatz von Art. 841 ZGB hinaus hat das Bundesgericht
tatsächlich bereits früh festgehalten, dass der besondere Schutz, den
das Gesetz den Bauforderungen gewährt, auf dem Gedanken beruhe, wonach
der durch die Verwendungen der Handwerker geschaffene Mehrwert eines
Grundstückes nicht aufgrund eines vorrangigen Pfandrechts zugunsten anderer
Grundpfandgläubiger vorweggenommen werden dürfe, sondern den Handwerkern
als gemeinsames Pfand vorbehalten bleibe. Sofern der Bauhandwerker von
dem nach Abzug des Bauplatzwertes verbleibenden Verwertungserlös den
Teil erhalte, der auf den durch seine Verwendungen geschaffenen Mehrwert
entfalle, bleibe ihm die Anfechtung des zugunsten der Baukreditgeberin
errichteten vorrangigen Grundpfandrechtes verwehrt. Nach Art. 841 ZGB könne
auch nicht beanstandet werden, dass der Baukredit zur Bezahlung anderer
Handwerker und Lieferanten verwendet und durch Pfandrechte entsprechend
gesichert worden sei, zumal auch diese Gläubiger durch ihre Arbeiten und
Materiallieferungen zur Schaffung des im Verwertungserlös steckenden
Mehrwertes beigetragen hätten. Eine Benachteiligung der Bauhandwerker
könne jedoch darin begründet sein, dass die Baukreditgeberin andere
Forderungen als solche von mehrwertschaffenden Bauhandwerkern beglichen
oder unter letzteren einzelne bevorzugt habe, während ihr die Gefahr,
dass die Forderungen der übrigen Baugläubiger ihre Deckung verlören,
erkennbar gewesen sei (BGE 43 II 611 f. E. 3).

    b) Diese Rechtsprechung ist mehrfach bestätigt worden (BGE 51 II
122 ff., 53 II 467 ff., 480 E. 6 und 67 II 106 ff.; auch BGE 96 III
126 ff.). Das Bundesgericht hat dabei hinsichtlich der Ausschüttung des
grundpfandgesicherten Baukredites aus Art. 840 ZGB - allerdings stets in
Verbindung mit Art. 841 ZGB - nicht bloss ein Zweckentfremdungsverbot,
sondern eine eigentliche Gleichbehandlungspflicht zugunsten der einzelnen
Bauhandwerker und Unternehmer abgeleitet. Auch mit BGE 51 II 122 ff. ist
von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen worden; hier konnte von einer
ausdehnenden Auslegung des Art. 840 ZGB - mit der die gleichmässige
Befriedigung aller Bauhandwerkerforderungen am besten gesichert werde
- abgesehen werden, weil sich der bevorzugte Baugläubiger durch ein
vertragliches Pfandrecht privilegieren wollte und darum direkt aus
Art. 841 ZGB haftbar gemacht werden konnte. Auch die in diesem Entscheid
angedeutete Kritik an der extensiven Auslegung des Art. 840 ZGB gründete
im übrigen ausschliesslich in der Besonderheit des Falles und war weder
bestimmt noch geeignet, die in BGE 43 II 611 f. E. 3 begründete Praxis
in Frage zu stellen.

Erwägung 5

    5.- a) Das Bundesgericht war sich stets bewusst, dass die mit
der konstanten Rechtsprechung geübte Auslegung über den Wortlaut
des Gesetzes hinausgreift und ihre Rechtfertigung im Schutzzweck der
einschlägigen Bestimmungen finden muss (BGE 51 II 127 f.). Immerhin wird
mit Art. 840 ZGB deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber
um eine Angleichung unter den beteiligten Bauhandwerkern bemüht war,
indem er zumindest die durch den Zeitpunkt der Eintragung geschaffene
Rangfolge unter den Baupfandgläubigern nicht gelten liess. Mit dieser
Gleichstellung sollte allfälligen Benachteiligungen der Bauhandwerker,
die in der arbeitsteiligen, zeitlich gestaffelten Ausführung des
Bauwerks gründeten, wirksam begegnet werden. In der Tat würde es
jeglichem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderlaufen, wenn der Schutz des
Bauhandwerkers vom Zufall der zeitlichen Anspruchsbegründung abhängig
gemacht würde, obwohl der den Bodenwert übersteigende Verwertungserlös
von den Verrichtungen aller beeinflusst bleibt (dazu bereits Eugen
HUBER als Berichterstatter im Nationalrat, Sten.Bull. 1906 NR, S. 647;
LEEMANN, Kommentar, Bern 1925, N. 1 zu Art. 840 ZGB; SCHUMACHER, Das
Bauhandwerkerpfandrecht, 2. A. 1982, Nrn. 334 ff., S. 84 f., sowie
ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda,
in ZSR 101/1982 II, S. 164 f. je mit Hinweisen). Gilt aber der in
der Zwangsverwertung realisierbare Mehrwert erfahrungsgemäss als ein
Ergebnis gemeinsamen Schaffens, ist es folgerichtig, die betroffenen
Baupfandgläubiger nicht nur hinsichtlich der zeitlichen Rangfolge, sondern
auch bezüglich ihres Anteils am Verwertungserlös gleichzubehandeln. Dürften
im Rahmen des Verwertungserlöses, der den berechtigten Baugläubigern
zugedacht wäre, gewisse Leistungen vollumfänglich gedeckt werden,
während andere Gläubiger völlig leer ausgingen wie dies offenbar der
Meinung der Beklagten entspricht -, führte dies im Ergebnis gleichwohl zu
einer zeitlichen Rangfolge, wie sie das Gesetz mit Art. 840 ZGB gerade
verpönt haben wollte; dies, weil in der Regel zunächst jene Baugläubiger
vorweg befriedigt werden, die ihre Verrichtungen zeitlich früher
erbracht haben und nach dem konkreten Bauablauf auch früher erbringen
mussten, derweil jene aber, die nach dem teils vom Zufall abhängigen
Ablauf der einzelnen Arbeitsgänge erst später zum Einsatz gelangten,
bezüglich des unzureichenden Verwertungserlöses ein grösseres Risiko
zu tragen hätten. Eine derartige Ungleichbehandlung der verschiedenen
Baugläubiger, die zwar rein tatsächlicher Art ist, ihren Grund aber gerade
im arbeitsteiligen Ablauf des Bauvorganges findet, kann nicht dem Sinn des
Gesetzes entsprechen, das jede zeitliche Priorität unter den verschiedenen
Bauhandwerkerpfandrechten ausschliessen will.

    b) Das Bundesgericht hat in allen Bereichen seiner Rechtsprechung
seit jeher eine auf den Wortlaut beschränkte Gesetzesauslegung verworfen
und stets auch nach dem Zweck des Gesetzes gefragt (BGE 112 Ia 117,
112 III 110 E. 4a, 111 Ia 297, 111 V 127 E. 3b, 108 Ib 401, 105 II
138, 103 Ia 117, 91 IV 28 und 80 II 316). Dieser Zweck aber besteht im
Zusammenhang mit Art. 840 und 841 ZGB in erster Linie darin, mittels
gesetzlichem Pfandrecht und besonderem Vorrecht den Urhebern des den
Bodenwert übersteigenden Mehrwerts vorrangigen und gleichmässigen Schutz
gegenüber anderen Pfandgläubigern zu verschaffen (vgl. bereits Eugen HUBER,
aaO; zur Entstehungsgeschichte auch ZR 79/1980 Nr. 12, S. 19 ff., sowie
A. EGGER, Der privatrechtliche Schutz der Bauhandwerker, Diss. Zürich
1901, und P. HOFMANN, Die gesetzlichen Grundpfandrechte des Art. 837
ZGB, insbesondere das Bauhandwerkerpfandrecht, Diss. Zürich 1940, S. 19
ff.). Echter Schutz aller Mehrwertschöpfungen aber, der ohne Rücksicht auf
zeitliche und technische Eigenheiten des Bauvorganges gewährleistet werden
kann, verlangt nach einer eigentlichen materiellen Gleichbehandlung oder
Chancengleichheit der Bauhandwerker, die nicht zusätzlich vom Belieben
des grundpfandgesicherten Baukreditgebers abhängen soll. Darf sich mithin
der vom Gesetz bezweckte Schutz der Baugläubiger sinnvollerweise nicht
darin erschöpfen, diese vor zweckwidriger Verwendung des Baukredites zu
bewahren, soll vielmehr dem Zusammenwirken der einzelnen Beteiligten im
Hinblick auf ein gemeinsam geschaffenes Resultat auch bei der Aufteilung
des Verwertungserlöses Rechnung getragen werden, muss sich die Berufung
auf die Vertragsfreiheit des grundpfandgesicherten Baukreditgebers zum
vornherein als unbehelflich erweisen.

    Gleiches gilt sodann für den erhobenen Einwand, wonach die
Bauhandwerker auch gegenüber der Auszahlung von Eigenmitteln durch
den Bauherrn selbst nicht auf einer Gleichbehandlung beharren könnten,
sondern Ungleichbehandlungen - vorbehältlich der Ausnahmen in Art. 285
ff. SchKG - ohne Möglichkeit einer Gegenwehr zu dulden hätten. Dieser
Vergleich ist im übrigen schon insofern untauglich, als die Entschädigung
wertvermehrender Leistungen aus Eigenmitteln des Bauherrn in aller Regel
nicht zu Grundpfandrechten führt, die mit den Sicherungsrechten der
Bauhandwerker und Unternehmer konkurrieren könnten, während allfällige
vorbestehende, auf den Bodenwert begrenzte Hypotheken im Zusammenhang
mit Art. 840 und 841 ZGB ohnehin nicht von Belang wären (BGE 86 II 151 f.).

    Dass endlich auch das Fehlen einer vertraglichen Bindung zwischen
Baukreditgebern und Baugläubigern nicht geeignet ist, einer materiellen
Gleichbehandlung die Grundlage zu entziehen, liegt auf der Hand, zumal
ausschliesslich Gehalt und Tragweite gesetzlicher Schutzbestimmungen in
Frage stehen und für vertragliches Denken kein Raum besteht.

Erwägung 6

    6.- a) Die Beklagte beruft sich wiederholt auf die jüngste
Rechtsprechung des Bundesgerichts, namentlich auf BGE 112 II 493
ff. Auch daraus lässt sich indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten. Zu
beurteilen war damals nicht die interne Aufteilung eines unzureichenden
Verwertungserlöses, sondern vielmehr die Frage, welche mehrwertbegründenden
Verrichtungen im Rahmen bestimmungsgemässer Verwendung des Baukredites
überhaupt Berücksichtigung finden dürfen. Das Bundesgericht hat auch
hier unter Bezugnahme auf den Zweck des Gesetzes festgehalten, dass
Leistungen an Baugläubiger, die durch ihre Materiallieferungen oder
Dienstleistungen zur Bildung von Mehrwert beigetragen haben, nicht zu
einer Benachteiligung der pfandgesicherten Baugläubiger führen und daher
nicht beanstandet werden dürfen. Wenn es somit in den bundesgerichtlichen
Erwägungen heisst, die privilegierte Stellung des Grundpfandgläubigers
müsse gewahrt werden, soweit der Baukredit des grundpfandgesicherten
Kreditgebers nicht zweckentfremdet worden sei (vgl. BGE 112 II 495), ist
dies im Zusammenhang mit der konkreten Fragestellung zu lesen; bezüglich
gleichmässiger Behandlung der Bauhandwerker und Unternehmer ist damit
jedenfalls nichts präjudiziert worden.

    b) Einzuräumen ist hingegen, dass die anteilsmässige Gleichbehandlung
der Baupfandgläubiger, wie sie der Rechtsprechung des Bundesgerichtes
zugrunde liegt, vom Baukreditgeber bei der Ausschüttung des Baukredites
dann ein erhebliches Mass an Vorsicht verlangt, wenn dieser zum vornherein
nicht alle wertvermehrenden Bauleistungen zu decken vermag. Diese Sachlage
ist vergleichsweise häufig anzutreffen, zumal Art. 841 Abs. 1 ZGB keinen
Anspruch auf ausreichenden Baukredit begründet und die Bevorschussung der
gesamten Baukosten auch nicht den Gepflogenheiten der Branche entspricht
(BGE 112 II 495 f. E. 8; EMCH/RENZ, Das Schweizerische Bankgeschäft,
3. A. 1984, S. 318 f.). Durchaus als branchenüblich gelten hingegen
die Abschlagszahlungen nach Massgabe des Baufortschrittes (vgl. etwa
SIA-Normenwerk, sia 118, geltende Ausgabe 1977, Druck 1987, Art. 144 f.);
überhaupt sehen sich die Geldinstitute zur Vermeidung von Doppelzahlungen
zu vielfältigen Vorsichtsmassnahmen gezwungen, die sich mittlerweile im
Geschäftsalltag bewährt und eingelebt haben (vgl. BGE 95 II 90 E. 4; ZOBL,
ZSR, aaO, S. 101, ZOBL, Der Baukreditvertrag, in BR 1987, S. 8; ferner
C. HAEFLIGER, Le rang et le privilège de l'hypothèque légale des artisans
et entrepreneurs, thèse, Lausanne 1957, S. 84, sowie bereits E. RAMSEYER,
Baugläubigerpfandrecht, Baukredit und Treuhänder, Diss. Bern 1924, S.
106 ff.). Vor diesem Hintergrund erweist sich der mit der Berufung
vorgetragene Vorwurf, das Gebot der anteilsmässigen Gleichbehandlung
sei nicht nur aus Sicht des Gesetzeszwecks, sondern auch mit Blick auf
seine Handhabung sachfremd, unzweckmässig, ja gar völlig unpraktikabel als
unhaltbar. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwiefern diese bereits seit
Jahrzehnten geltende Rechtsprechung zu unüberwindbaren Schwierigkeiten
in ihrer praktischen Anwendung geführt haben sollte. Im übrigen ähnelt
die Klage aus Art. 841 ZGB im Grundgedanken, in den Voraussetzungen und
in der Durchführung den Anfechtungsklagen des Schuldbetreibungsrechts
(Art. 285 ff. SchKG), insbesondere derjenigen gemäss Art. 288 SchKG,
auch wenn gewisse Unterschiede gegenüber den paulianischen Rechtsbehelfen
nicht zu übersehen sind (vgl. hiezu BGE 96 III 137 ff. E. 8, 39 I 304,
sowie O. LEHNER, Das Objekt des Bauhandwerkerpfandrechtes nach dem
Schweizerischen Zivilgesetzbuch, in SJZ 57/1961, S. 133 ff., S. 136, je mit
Hinweisen; vgl. auch die BOTSCHAFT des Bundesrates an die Bundesversammlung
zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, vom 28. Mai 1904, S. 81); insofern
kann daher Art. 841 ZGB - auch in der bundesgerichtlichen Auslegung -
nicht als völliges Neuland bezeichnet werden. Hinzu kommt schliesslich,
was von den Gegnern des Gleichbehandlungsgrundsatzes mitunter übersehen
oder doch zu wenig berücksichtigt wird, dass der grundpfandgesicherte
Baukreditgeber den Vorrang der Bauhandwerker nur soweit gelten lassen
muss, als anlässlich der Pfandbestellung oder bei der Auszahlung des
Baukredites an die Baugläubiger die Benachteiligung einzelner unter ihnen
erkennbar war (BGE 100 II 314 ff., 51 II 134, 43 II 612; SCHUMACHER, aaO,
Nrn. 985 ff., S. 284 f., sowie ZOBL, ZSR, aaO, S. 177 f.). Durch dieses
zusätzliche subjektive Erfordernis kann in hinreichendem und den konkreten
Umständen des Einzelfalles angepasstem Masse auch dem Schutzbedürfnis
des Baukreditgebers Rechnung getragen werden.

    c) Auch im Schrifttum hat das der geschilderten Rechtsprechung
zugrundeliegende Gleichbehandlungsgebot in überwiegendem Masse
Zustimmung gefunden, und zwar nicht bloss anfänglich (WIELAND, Kommentar
zum Sachenrecht, Zürich 1909, N. 3 lit. bb zu Art. 841 ZGB, S. 372;
H. SCHNEEBELI, Schutz der Baugläubiger im Schweizerischen Zivilgesetzbuch,
Diss. Zürich 1914, S. 186 ff.; RAMSEYER, aaO, S. 95; LEEMANN, Kommentar,
Bern 1925, N. 23 zu Art. 841 ZGB mit Hinweis auf BGE 43 II 606), sondern
auch während Jahrzehnten seiner praktischen Bewährung (HOFMANN, aaO, S. 98
f.; HAEFLIGER, aaO, S. 85 ff.; R. RASCHEIN, Das Bauhandwerkerpfandrecht
in der Zwangsverwertung von Grundstücken in BlSchK 36/1972, S. 39;
ZOBL, ZSR, aaO, S. 177 f.; SCHUMACHER, aaO, Nrn. 984, 993 ff.,
S. 284, 286; EMCH/RENZ, aaO, S. 319 f.; H.J. REBER, Rechtshandbuch
für Bauunternehmer, Bauherr, Architekt und Bauingenieur, 4. A. 1983,
S. 124, LEHNER, aaO, S. 134 f.). Auch diese herrschende Lehre stützt
sich auf den Schutzzweck des Bauhandwerkerpfandrechts und die Einsicht,
dass die ungleichmässige Ausschüttung des Baukredites die angestrebte
Solidarität unter den betroffenen Baugläubigern vereiteln würde und darum
als Anfechtungstatbestand im Sinne von Art. 841 ZGB gelten müsse.

Erwägung 7

    7.- a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichts hat freilich auch
Ablehnung hervorgerufen. Soweit dabei auf den Wortlaut der Art. 840 und
841 ZGB verwiesen wird (ZOBL, Baukreditvertrag, aaO, S. 7), besteht kein
Grund, auf die schon gemachten Ausführungen zurückzukommen. Gleiches
gilt für die materiellen Einwände GÖSCHKES, der - wie in der Berufung
vorgebracht - eine Benachteiligung der Bauhandwerker und Unternehmer
auch nur nach Massgabe des nicht für letztere verwendeten Teils des
Baukredites anerkennen will (ZBJV 65/1929, S. 307). Anstoss zur Kritik
gaben sodann auch die praktischen Schwierigkeiten der Berechnung, die aus
der Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes erwachsen können. Desgleichen
wird schliesslich in der Berufung die Auffassung vertreten, selbst bei
Anerkennung eines entsprechenden Anspruchs hätte die Berechnung des auf die
Klägerin entfallenden Anteils anders an die Hand genommen werden müssen.

    b) Die vom Bundesgericht verwendete Berechnungsmethode ist bestrebt,
den einzelnen Bauhandwerker unter Inanspruchnahme seines Vorrechts
keinesfalls besserzustellen, als er es wäre, wenn kein Anfechtungsgrund
vorläge, mithin der Baukredit ab Beginn an sämtliche Bauhandwerker
gleichmässig verteilt worden wäre, und zwar im Verhältnis, in welchem diese
durch ihre Arbeit zur Schaffung des Mehrwerts beigetragen haben (BGE 86
II 153 E. 4, 76 II 143, 53 II 479 E. 5, 43 II 611). Daran wird einerseits
bemängelt, dass der ermittelte Anteil des einzelnen Bauhandwerkers an der
Mehrwertschöpfung immer nur ein Annäherungswert bleiben müsse. Das Vorgehen
des Bundesgerichts, welches den Anteil des einzelnen Bauhandwerkers an den
gesamten wertvermehrenden Baukosten zu ermitteln suche und den errechneten
Quotienten auf den bei der Verwertung tatsächlich erzielten Mehrwert
übertrage, wobei sich letzterer aus dem gesamten Verwertungserlös abzüglich
des Bodenwertes im Zeitpunkt der Liquidation ergebe, lasse ausser acht,
dass der tatsächliche Erlös die einzelnen Leistungen der Bauhandwerker
nicht gleichmässig berücksichtige, sondern auch Einflüssen ausgesetzt
sei, welche diese Leistungen nicht berührten. Missbilligt wird überdies,
dass den Bauhandwerkern und Unternehmern bei der Verteilung oder vielmehr
Umverteilung des Baukredites ein Teil desselben vorenthalten bleibe; dies,
weil sich die massgebliche Quote zwar aus dem Verhältnis ihrer Forderung zu
den gesamten wertvermehrenden Leistungen oder Baukosten ergebe, von diesen
jedoch nicht sämtliche auch zu einer Pfandberechtigung führten (zum Ganzen:
GÖSCHKE, Die Klage des Bauhandwerkers gegen den vorgehenden Pfandgläubiger,
in ZBJV 78/1942, S. 241 ff., insbesondere S. 245 ff.; neuerdings auch
FÜLLEMANN, Durchsetzung und Vollstreckung des Bauhandwerkerpfandrechts
unter besonderer Berücksichtigung der Dritteigentumsverhältnisse,
Diss. Zürich 1984, S. 74 ff.).

    Die Kritiker wollen diesen Schwierigkeiten dadurch begegnen, dass sie,
ausgehend vom Wortlaut des Art. 841 ZGB, den Anteil am Verwertungserlös
zu bestimmen suchen, der den Wert des unbebauten Grundstückes übersteigt;
diese Schätzung - glaubt GÖSCHKE (aaO, S. 246) - sei praktisch möglich
und einigermassen zuverlässig vornehmbar. Die Bauhandwerker, die
einen Pfandausfall erlitten hätten, seien schliesslich "gleichmässig"
darauf anzuweisen. Wie dies im einzelnen zu geschehen hat, wird freilich
auch von den Kritikern nicht näher dargelegt. Soweit indessen nur jene
Baugläubiger Berücksichtigung finden sollen, die ihren Ausfall geltend
machen, und zwar nach Massgabe dieses Ausfalles, wird dem Grundsatz der
Gleichbehandlung doch wieder Rechnung getragen. Allerdings ist diese im
Schrifttum vorgezeichnete Berechnungsmethode insofern nicht frei von
Zufälligkeiten, als sie auf die Zahl jener abstellen will, die ihren
Ausfall tatsächlich anmelden. Solche Zufälligkeiten aber werden mit der
bundesgerichtlichen Vorgehensweise vermieden, da sie darauf angelegt
ist, die Gleichbehandlung im Hinblick auf eine bereits anfänglich
gleichmässige Verteilung des Baukredites zu verwirklichen, und überdies
in jedem Fall den Anteil des einzelnen Bauhandwerkers am Gesamtergebnis
aller wertvermehrenden Leistungen als ausschlaggebend erachtet
(BGE 86 II 153 mit Hinweis auf BGE 76 II 142). Soweit diesbezüglich
auch die nicht pfandberechtigten Bauforderungen einzubeziehen sind,
bewirkt dies keine Teilhabe derselben am Verwertungserlös, jedoch im
Verhältnis zur Rechnungsstellung gegenüber dem Bauherrn tatsächlich
eine wertmässige Minderung der auf die pfandgesicherten Gläubiger
entfallenden Betreffnisse. Diese Konsequenz gründet letztlich aber in
einem Wertungsentscheid, entsprechend dem zuletzt auch in BGE 112 II 493
ff. gefällten, und hat insofern mit der Undurchführbarkeit von konkreten
Berechnungen wie sie gegen die Rechtsprechung ins Feld geführt wird -
nichts gemein. Eindeutig zugunsten der vom Bundesgericht gewählten Methode,
die in der Lehre durchaus auch auf Zustimmung gestossen ist, spricht
indessen die grundsätzliche Gleichwertigkeit sämtlicher wertvermehrender
Bauleistungen (ZOBL, ZSR, aaO, S. 182; mit verhaltener Kritik an der
"theoretisch richtigen" Methode des Bundesgerichts SCHUMACHER, aaO,
Nrn. 1011 ff., S. 291 ff.); ein Postulat, welches selbst von den Gegnern
der Rechtsprechung als "an sich logisch und gerecht" gewürdigt worden ist
(FÜLLEMANN, aaO, S. 74) und das sich letztlich auch bei der Verteilung
eines im Verhältnis zu den gesamten wertvermehrenden Baukosten geringeren
Verwertungserlöses insofern auswirken muss, als ein Teil des Mehrwertes
den vorrangigen Pfandgläubigern anheimfällt.

    c) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass ein
Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung nicht geboten ist. Demnach
bleibt auch für die von der Beklagten in ihrer Eventualbegründung
vertretene Berechnungsmethode kein Raum, die unzutreffenderweise
davon ausgeht, es stehe zur Deckung des Pfandausfalles lediglich
jener Betrag des Verwertungserlöses zur Verfügung, der auch zur
Abdeckung zweckentfremdeter Zahlungen des Baukreditgebers ausreiche.
Lässt sich aber die Berechnungsweise der Vorinstanz im Lichte der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht beanstanden, erweist sich die
Berufung als unbegründet.