Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 III 65



115 III 65

14. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juni 1989 i.S. G.
gegen A. AG (Berufung) Regeste

    Forderungsverrechnung nach Eröffnung des Konkurses.

    Im Konkurs des Vermieters bewirkt erst die Veräusserung der Mietsache
gemäss Art. 259 OR eine Änderung des Mietverhältnisses.

    Im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses entsteht die Mietzinsforderung
aber mit Ablauf oder Beginn der Zahlungsperiode jeweils von
neuem. Die Eröffnung des Konkurses bewirkt deshalb einen Wechsel in
der Rechtszuständigkeit bezüglich des Gläubigers. Die Folge davon
ist der Ausschluss der Verrechnung gemäss Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2
SchKG. Allfällige Vorausverfügungen des Vermieters, die künftigen
Mietzinsforderungen betreffend, sind demnach lediglich bis zur Eröffnung
des Konkurses wirksam (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 30. Juni 1983 mietete G. von der A. AG, die er beherrschte,
ein Garagengebäude. Es wurde ein monatlicher Mietzins von Fr. 3'000.--
inkl. Nebenkosten vereinbart. Weiter bestimmten die Parteien:

    "Dem Mieter wird das Recht zugestanden, den Mietzins mit seiner

    Konto-Korrent-Forderung gegenüber der A. AG zu verrechnen, soweit
   und solange dieser gegenüber der A. AG Guthaben hat."

    Am 22. März 1984 wurde über die Aktiengesellschaft letztinstanzlich
der Konkurs eröffnet. G., der ab Juni 1984 keine Mietzinsen mehr bezahlt
hatte, wurde auf Begehren der Konkursverwaltung gemäss Art. 265 OR im
Verfahren nach Art. 282 SchKG aus dem Mietobjekt ausgewiesen.

    Der Rechtsöffnungsrichter erteilte der Konkursmasse am 29. Oktober
1985 provisorische Rechtsöffnung für Fr. 33'000.-- nebst Zins. Diese
Summe entspricht den vertraglichen Mietzinsen der Monate August 1984 bis
Juni 1985.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- In der Sache selbst macht der Kläger geltend, das Obergericht
habe bundesrechtswidrig einen Untergang der im Rechtsöffnungsverfahren
geschützten Mietzinsforderung verneint. Bereits bei Abschluss des
Mietvertrages habe er gestützt auf die ausdrücklich vereinbarte
Befugnis die Verrechnung sämtlicher Mietzinsschulden während der festen
Vertragsdauer von drei Jahren mit seiner Kontokorrentforderung erklärt.

    Das Obergericht hat diesen Standpunkt mit den voneinander
unabhängigen Begründungen verworfen, einerseits sei eine entsprechende
Verrechnungserklärung unbewiesen geblieben, anderseits wäre sie gegenüber
den nach Konkurseröffnung auflaufenden Mietzinsen ohnehin rechtsunwirksam
gewesen. Die erste Begründung hat das Kassationsgericht wegen formeller
Rechtsverweigerung (Verletzung des Gehörsanspruchs durch Beweisverstellung)
gestrichen; die zweite war im kantonalen Nichtigkeitsverfahren nicht zu
prüfen (§ 285 ZPO/ZH). Insoweit steht die Berufung an das Bundesgericht
offen.

    a) Der Konkurs des Vermieters nach Besitzantritt des Mieters
berührt das Mietverhältnis als solches vorerst nicht. Einerseits hat
die Konkursverwaltung dem Mieter das Objekt zum Gebrauch zu überlassen,
anderseits steht diesem kein voraussetzungsloses, d. h. über Art. 269 OR
hinausgehendes Recht zur vorzeitigen Kündigung des Vertrages zu. Eine
vorzeitige Beendigung des Vertrages wird erst bewirkt, wenn dem Mieter
die Mietsache nach deren Veräusserung gemäss Art. 259 OR entzogen wird.

    Die Fortführung des Mietverhältnisses bedarf im Falle der
Konkurseröffnung nach Besitzantritt keiner Erklärung der Konkursverwaltung
im Sinne von Art. 211 SchKG. Diese hat nach heute wohl herrschender
Auffassung weder ein Recht noch eine Pflicht, den "Eintritt" in den Vertrag
zu erklären (SCHMID, N. 41 zu Art. 259 OR). Allfällige Rechtswirkungen
eines solchen "Eintritts" in die Schadenersatzforderung des Mieters
nach Art. 259 Abs. 1 OR (Konkurs- oder Massaschuld) stehen hier nicht
zur Beurteilung.

    b) Sieht der Vertrag - wie im vorliegenden Fall - die periodische
Leistung eines Mietzinses vor, so stellt sich der Anspruch des Vermieters
auf dieses Entgelt nicht als eine im Moment des Vertragsschlusses für
die ganze vereinbarte Mietdauer begründete Forderung dar, die bloss
hinsichtlich ihrer Fälligkeit in einzelne Raten zerfallen würde, sondern
die Mietzinsforderung entsteht mit dem Ablauf oder dem Beginn einer
jeden Zahlungsperiode von neuem (BGE 41 III 230 E. 2). Die Umwandlung des
schuldnerischen Vermögens zur Konkursmasse mit Eröffnung des Konkurses
aber hat in diesem Zeitpunkt einen Wechsel in der Rechtszuständigkeit zur
Folge. Der Schuldner des Konkursiten bleibt nicht mehr diesem, sondern der
Konkursmasse gegenüber verpflichtet. Wie demnach bei Eintritt der Masse in
den Vertrag des konkursiten Mieters die nach Eröffnung fälligen Mietzinse
zu Massaforderungen werden (BGE 104 III 91), so wird ab jenem Zeitpunkt
im Konkurs des Vermieters die Schuld des Mieters für den laufenden Zins
zu einer Massaschuld (BGE 41 III 231). Folge davon ist der Ausschluss
der Verrechnung nach Art. 213 Abs. 2 Ziff. 2 SchKG.

    Der Wechsel in der Rechtszuständigkeit hat weiter zur Folge, dass
Vorausverfügungen des Vermieters, d. h. des Gemeinschuldners, mit welchen
dieser über künftige Mietzinsforderungen verfügt, lediglich bis und mit
dem im Zeitpunkt der Konkurseröffnung laufenden Mietzins rechtswirksam
sein können: weitergehend fehlt die Verfügungsmacht (BGE 41 III 231/2).

    c) Die Verrechnung einer künftigen Mietzinsforderung aber stellt in
ihrer Wirkung nichts anderes dar als eine solche Vorausverfügung. Soweit
eine Einziehung oder Abtretung künftiger Mietzinse daher gegenüber
der Konkursmasse nicht rechtsverbindlich ist, sowenig kann es eine
Verrechnungserklärung des Mieters nach Massgabe eines Verrechnungsvertrages
der Parteien sein. Mit Art. 213 SchKG lässt sich nicht vereinbaren, dass
ein Schuldner durch vertragliche Vereinbarung mit dem Gläubiger sich zum
voraus die Möglichkeit der Kompensation seiner Gegenforderung und damit
deren Deckung im späteren Konkurs des Gläubigers verschafft und dadurch die
Wirkung der Konkurseröffnung bezüglich seiner Person illusorisch macht. Der
Mieter kann sich daher im Konkurs des Vermieters seiner Schuldpflicht
der Masse gegenüber nicht durch vorgängigen Verrechnungsvertrag mit
dem späteren Gemeinschuldner entziehen. Der angefochtene Entscheid des
Obergerichts erweist sich damit als bundesrechtskonform.