Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 III 41



115 III 41

9. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 30. Januar 1989 i.S. E.F. Regeste

    Pfändungsankündigung (Art. 90 SchKG); Sicherung der Pfändungsrechte
(Art. 98 ff. SchKG).

    1. Eine nachträgliche Heilung der mangelhaften Pfändungsankündigung
setzt voraus, dass der Schuldner in der Lage war, der Pfändung beizuwohnen
oder sich dabei gültig vertreten zu lassen, um seine Rechte geltend zu
machen (E. 1).

    2. Massnahmen zur Sicherung der Pfändungsrechte sind zulässig, auch
wenn sie im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen sind; jedoch müssen sie
als dringend geboten erscheinen, z.B. wegen Betreibungsferien (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Am 22. November 1988 liess das Betreibungsamt Basel-Stadt dem
Rechtsvertreter von E.F. eine Pfändungsankündigung zukommen, worin
die Pfändung auf den 24. November 1988 angesetzt wurde. Bereits am
17. November 1988 hatte das Betreibungsamt den Schuldner direkt eingeladen,
am 24. November 1988 auf dem Betreibungsamt vorzusprechen. Ferner hatte das
Betreibungsamt am 18. November 1988 der Basellandschaftlichen Kantonalbank
mit dem Formular Nr. 9 gemäss Art. 99 SchKG die Pfändung einer Forderung
von Fr. 9'773.-- angezeigt.

    B.- Mit Beschwerde vom 28. November 1988 an die Aufsichtsbehörde über
das Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Basel-Stadt verlangte E.F. die
Aufhebung der Pfändungsankündigung; denn diese sei seinem früheren Anwalt
zugestellt worden, der dem Betreibungsamt am 21. November 1988 telefonisch
mitgeteilt habe, dass das Mandat nicht mehr bestehe. Weiter verlangte E.F.,
es sei ihm der beim Zivilgericht Basel-Stadt für Gerichtskosten einbezahlte
Betrag von Fr. 443.50 von der Pfändungssumme abzuziehen. Schliesslich
ersuchte er um die Sistierung der Pfändung, bis der Streit über die
Vertretungsbefugnis zweier Anwälte der Gläubigerin (bzw. deren Nachlasses)
entschieden sei. Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde am
23. Dezember 1988 ab, soweit darauf einzutreten war.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts hiess
den Rekurs teilweise gut mit folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt
des Kantons Basel-Stadt hat sich auf den Standpunkt gestellt, die
Pfändungsankündigung vom 22. November 1988 auf den 24. November 1988
sei nachträglich, nämlich am 28. November 1988 zufolge der Orientierung
des Rekurrenten durch seinen früheren Rechtsvertreter, wirksam geworden
und habe zur Pfändung geführt. Zwar sei die Pfändungsankündigung vorerst
mangelhaft gewesen, doch sei der Mangel nachträglich geheilt worden.

    Diese Betrachtungsweise der kantonalen Aufsichtsbehörde vermag nicht
zu überzeugen. Ging die ältere Praxis noch davon aus, dass Art. 90 SchKG,
wonach die Pfändung dem Schuldner angekündigt werden soll, eine blosse
Ordnungsvorschrift sei (Archiv für Schuldbetreibung und Konkurs, Zweiter
Band 1893 Nr. 49 und Vierter Band 1895 Nrn. 37 und 129), so wird die
Bestimmung nun in ständiger Rechtsprechung als dem Schutz des Schuldners
dienend betrachtet; dieser soll anlässlich der Pfändung auf möglichst
schonende Durchführung der Pfändung hinwirken können. Eine Heilung der
mangelhaften Pfändungsankündigung ist zwar denkbar, jedoch nur unter der
Voraussetzung, dass der Schuldner in der Lage war, der Pfändung beizuwohnen
oder sich dabei gültig vertreten zu lassen, um seine Rechte geltend zu
machen (BGE 35 I 237 ff., 43 III 267 ff., 77 III 106 f., 89 IV 80 f. E. 4a;
vgl. auch BGE 96 III 125 zu Art. 155 Abs. 2 SchKG; AMONN, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988, § 22 N. 23;
FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht,
Band I, Zürich 1984, § 23 Rz. 10).

    Eine nachträgliche Heilung der Pfändungsankündigung auf einen
inzwischen schon verstrichenen Zeitpunkt ist somit im vorliegenden Fall, da
der Schuldner an der Pfändung nicht teilgenommen hat, ausgeschlossen. Dazu
kommt, dass - entgegen der Annahme der kantonalen Aufsichtsbehörde aus
den Akten nicht ersichtlich ist, ob die Pfändung überhaupt vollzogen
worden ist. Sie müsste mit der Erklärung des Betreibungsbeamten an den
Schuldner verbunden sein, dieser habe sich bei Straffolge jeder nicht
bewilligten Verfügung über die gepfändeten Vermögensstücke zu enthalten
(Art. 96 Abs. 1 SchKG; BGE 112 III 15 f. E. 3 und 5a). Statt sich davon
zu überzeugen, dass die Pfändung gesetzeskonform vollzogen worden ist,
allenfalls unter Heilung der mangelhaften Pfändungsankündigung, hat sich
die kantonale Aufsichtsbehörde mit der Behauptung des Betreibungsamtes
begnügt, die Kenntnisnahme von der verspäteten Pfändungsankündigung durch
den Schuldner habe am 28. November 1988 zum Pfändungsvollzug geführt.

    Im übrigen beruft sich die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs-
und Konkursamt des Kantons Basel-Stadt zu Unrecht auf BGE 104 III 12
ff. Zwar hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer dort festgehalten,
dass ein fehlerhaft zugestellter Zahlungsbefehl seine Wirkung
dennoch entfalte, sobald der Schuldner von ihm Kenntnis erhält. Eine
Heilung der nicht ordnungsgemässen Zustellung ist somit grundsätzlich
möglich. Doch geht aus dem in jenem Entscheid zitierten BGE 88 III 15
klar hervor, dass Heilung nur eintreten kann, wenn der Schuldner nicht
binnen zehn Tagen seit Zustellung des Zahlungsbefehls sich über deren
Vorschriftswidrigkeit beschwert. Davon abgesehen, unterscheidet sich
die verspätete Pfändungsankündigung von der ordnungswidrigen Zustellung
des Zahlungsbefehls dadurch, dass sie den ihr vom Gesetz zugedachten
Zweck wenigstens für die Zukunft gar nicht mehr erfüllen kann, wenn der
angezeigte Pfändungstermin inzwischen schon verstrichen ist, ohne dass
eine Pfändung in Anwesenheit des Schuldners stattgefunden hat.

    Im vorliegenden Fall ist daher die Pfändung noch einmal
anzukünden. Damit wird der Antrag des Rekurrenten gegenstandslos, es sei
dem Betreibungsamt Basel-Stadt unverzüglich zu verbieten, der Gläubigerin
den unrechtmässig gepfändeten Betrag auszuhändigen.

Erwägung 2

    2.- Der Rekurrent rügt sodann, dass der Basellandschaftlichen
Kantonalbank vom Betreibungsamt Basel-Stadt schon am 18. November 1988
eine auf Art. 99 SchKG gestützte Anzeige von der Pfändung einer Forderung
von Fr. 9'773.-- zugestellt worden ist. Dieses Vorgehen ist von der
kantonalen Aufsichtsbehörde als Sicherungsmassnahme im Sinne der Art. 98
ff. SchKG bezeichnet worden.

    Die Auffassung der kantonalen Aufsichtsbehörde vermag sich insoweit auf
die Rechtsprechung des Bundesgerichts in BGE 107 III 67 ff. zu stützen,
als zur Vorbereitung der eigentlichen Pfändung - insbesondere zur genauen
Feststellung des pfändbaren Vermögens - auch vorsorgliche Massnahmen
möglich sein sollen, obwohl dies im Gesetz nicht eigens vorgesehen ist. Für
eine solche Sicherungsmassnahme wurde im erwähnten Entscheid indessen eine
besondere Dringlichkeit vorausgesetzt; denn die Massnahme war während der
Betreibungsferien angeordnet worden und deshalb unter dem Gesichtswinkel
von Art. 56 Ziff. 3 SchKG zu beurteilen.

    Am Erfordernis der Dringlichkeit ist angesichts des Eingriffs in die
Stellung des Schuldners, welcher mit der Sicherungsmassnahme verbunden
ist, dort ganz besonders festzuhalten, wo die Zwangsvollstreckung - wie
im vorliegenden Fall - nicht durch die Betreibungsferien verzögert wird
und grundsätzlich nichts eine rasche, aber trotzdem vorschriftsgemässe
Abwicklung des Betreibungsverfahrens hindert.

    Ob und aus welchen Gründen im vorliegenden Fall Dringlichkeit
herrschte, hat die kantonale Aufsichtsbehörde nicht geprüft; vielmehr
hat sie sich einfach damit einverstanden erklärt, dass vom Betreibungsamt
eine vorsorgliche Massnahme getroffen wurde. Sollte eine solche Massnahme
ausserhalb der Betreibungsferien als dringend geboten erscheinen, so ist
sie auf jeden Fall als solche zu bezeichnen. Gegenüber dem Drittschuldner
darf nicht, wie es im vorliegenden Fall geschehen ist, der unzutreffende
Eindruck erweckt werden, es sei bereits eine Pfändung vollzogen worden.

    Da die Dringlichkeit in dem hier zu beurteilenden Fall nicht
ausgewiesen ist, ist die vom Betreibungsamt Basel-Stadt am 18. November
1988 angeordnete Sicherungsmassnahme aufzuheben.