Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 III 103



115 III 103

23. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 18. August 1989 i.S. S. (Rekurs) Regeste

    Pfändung der dem Ehegatten nach Art. 159, 163 und 164 ZGB zustehenden
Beträge.

    1. Ein sich aus der ehelichen Beistandspflicht ergebender Anspruch
ist nicht pfändbar, soweit er nicht zum ehelichen Unterhalt im Sinne von
Art. 163 oder 164 ZGB gehört (E. 3b).

    2. Kann auch bei gemeinsamen Haushalt ein Anspruch nach Art. 163 ZGB
gepfändet werden (E. 3a)?

    3. Die Unterhaltskosten für ein nichtgemeinsames Kind gehören
nicht zum ehelichen Unterhalt, soweit der Elternteil für sie nicht die
Beistandspflicht seines Ehegatten beanspruchen kann (E. 4 und 5).

    4. Die Unterhaltspflicht gegenüber einem nichtgemeinsamen
Kind hängt nicht mit den erweiterten persönlichen Bedürfnissen des
unterhaltspflichtigen Elternteils zusammen. Für die Alimentenschuld können
deshalb nicht die Leistungen gepfändet werden, die dem Alimentenschuldner
gegenüber seinem Ehegatten nach Art. 164 ZGB zustehen (E. 6).

    5. Frage, wie sich die Alimentenschuld gegenüber einem nichtgemeinsamen
Kind auf die Berechnung des gemeinsamen Notbedarfs der Ehegatten auswirkt,
offengelassen (E. 7).

Sachverhalt

    A.- a) Am 10. Oktober 1980 anerkannte Roland H. die Vaterschaft
gegenüber Manuela S. und verpflichtete sich zur Bezahlung von
Alimenten. Diese wurden mit Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn auf
den 1. Oktober 1986 neu auf monatlich ÖS 2'300.-- festgesetzt.

    b) Der inzwischen verheiratete Roland H. kam seinen finanziellen
Verpflichtungen gegenüber seiner Tochter nicht nach. Er wurde deshalb
vom Bezirksgericht A. mit Urteil vom 2. November 1988 wegen fortgesetzter
Vernachlässigung von Unterstützungspflichten zu sechs Monaten Gefängnis
verurteilt. Zudem stellte das Betreibungsamt St. Gallen am 15. Februar
1989 auf Betreibung hin einen Verlustschein für ausstehende Alimente im
Betrag von Fr. 2'471.-- aus.

    B.- a) Manuela S. leitete für die Unterhaltsbeiträge vom Oktober 1987
bis Januar 1989 eine neue Betreibung ein. Am 9. März 1989 stellte das
Betreibungsamt St. Gallen in der Betreibung Nr. 89/1218 einen Verlustschein
über Fr. 4'557.-- aus. Über den Pfändungserfolg wurde ausgeführt, Roland
H. sei zur Zeit ohne Arbeitsstelle und Verdienst, er beziehe auch kein
Arbeitslosengeld. Für die Unterhaltskosten komme seine Ehefrau auf. Eine
Lohn- oder Verdienstpfändung sei in diesem Fall nicht möglich. Pfändbare
Aktiven seien keine vorhanden.

    b) Manuela S. erhob beim Bezirkspräsidium St. Gallen Beschwerde
und beantragte, es sei das Existenzminimum des Ehepaares H.-H. zu
ermitteln und eine Einkommenspfändung vorzunehmen. Roland H. verdiene
mit Gelegenheitsarbeit Fr. 300.-- bis Fr. 500.-- im Monat und überdies
sei er Hausmann, weshalb seine Ehefrau ihm einen angemessenen Beitrag
zu leisten habe, damit er seinen Unterhaltspflichten nachkommen könne.
Das Bezirkspräsidium wies die Beschwerde ab.

    Die Alimentengläubigerin zog diesen Entscheid an die obere kantonale
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons St. Gallen
weiter, welche mit Entscheid vom 3. Juli 1989 die Beschwerde abwies.

    C.- Mit Rekurs vom 14. Juli 1989 gelangt Manuela S. an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sinngemäss
verlangt sie die Aufhebung des Verlustscheins und beantragt, es sei
das Existenzminimum des Ehepaars H.-H. durch das Betreibungsamt
zu ermitteln, es seien die tatsächlichen Einkommensverhältnisse des
Schuldners zu berücksichtigen und die Ehefrau des Schuldners habe diesem
einen angemessenen Beitrag im Sinne von Art. 163 und 164 ZGB auszurichten.

    Vernehmlassungen sind keine eingegangen.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Pfändung des angeblichen eherechtlichen Guthabens des
Schuldners gegenüber seiner Ehefrau als bestrittene Forderung setzt voraus,
dass es sich um einen Anspruch handelt, der grundsätzlich der Pfändung
zugänglich ist und auf den für die in Betreibung gesetzte Forderung
gegriffen werden kann. Diese Voraussetzungen sind für Art. 163 und 164
getrennt zu prüfen.

Erwägung 3

    3.- a) Ob ein Anspruch nach Art. 163 ZGB bei gemeinsamem Haushalt
überhaupt pfändbar ist, wird in der Lehre nicht einheitlich beurteilt
(Pfändbarkeit grundsätzlich ausschliessend: ISAAK MEIER, Die Stellung
des Gläubigers im neuen Eherecht, SJZ 85 (1989), S. 243; grundsätzlich
zulassend: HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Kommentar zum neuen Eherecht, Bern
1989, N. 66 zu Art. 163 ZGB). Das Bundesgericht musste zu dieser Frage
bis jetzt nicht Stellung nehmen, hat aber in BGE 114 III 87 E. 5 nebenbei
durchblicken lassen, die Pfändbarkeit der Ansprüche nach Art. 163 ZGB
grundsätzlich in gleicher Weise zulassen zu wollen, wie jene nach Art. 164
ZGB. Von der Zweckbestimmung der Unterhaltsansprüche unter Ehegatten
her kann somit im vorliegenden Fall zum vornherein nur insoweit eine
Pfändung der Forderung nach Art. 163 ZGB in Frage kommen, als Roland H.
gegenüber seiner Frau ein Anspruch zusteht, der die Tilgung seiner
Unterhaltsschuld gegenüber dem nicht gemeinsamen Kind bezweckt.

    b) Aus der Beistandspflicht unter Ehegatten (Art. 159 ZGB) und aus
Art. 278 Abs. 2 ZGB ergibt sich, dass ein Ehegatte den anderen bei der
Erfüllung seiner gesetzlichen, Dritte betreffenden Unterhaltspflichten
insoweit zu unterstützen hat, als ihm dies zumutbar ist. Dieser Beistand
besteht in erster Linie darin, dass der eine Ehegatte mehr an den
ehelichen Unterhalt leistet, damit der andere vermehrt sein Einkommen für
seine Unterhaltspflichten einsetzen kann. Der Ehegatte kann aber auch
verpflichtet sein, dem anderen gewisse Geldmittel zur Erfüllung seiner
Unterhaltspflicht zur Verfügung zu stellen (vgl. HAUSHEER/REUSSER/GEISER,
aaO, N. 41 zu Art. 159 ZGB). Aufgrund der Beschränkung des Richters in
Art. 172 Abs. 3 ZGB auf die im Gesetz vorgesehenen Massnahmen ergibt
sich aber, dass diese Verpflichtung nur insoweit erzwingbar und demnach
pfändbar ist, als sie vom ehelichen Unterhalt gemäss Art. 163 und 164
ZGB erfasst wird (HAUSEEER/REUSSER/GEISER, aaO, N. 47 zu Art. 159 ZGB).

Erwägung 4

    4.- Wieweit die Unterhaltskosten der Kinder nur eines Ehegatten
im ehelichen Unterhalt eingeschlossen sind, ist in der Lehre
umstritten. HEGNAUER (Grundriss des Eherechts, Bern 1987, S. 155) rechnet
nur die Unterhaltskosten jener nichtgemeinsamen Kinder zum ehelichen
Unterhalt, welche im gemeinsamen Haushalt wohnen. HAUSHEER/REUSSER/GEISER
(aaO, N. 17 zu Art. 163) zählen nur jene Kosten darunter, welche den
gemeinsamen Haushalt betreffen, und DESCHENAUX/STEINAUER (Le nouveau
droit matrimonial, Bern 1987, S. 54) beziehen die ganzen Unterhaltskosten
eines nichtgemeinsamen Kindes, für die nach Art. 278 Abs. 2 ZGB eine
Beistandspflicht besteht, in den ehelichen Unterhalt ein. Durchwegs
wird aber die Meinung abgelehnt, der eheliche Unterhalt könne auch
jene Unterhaltspflichten eines Ehegatten gegenüber nichtgemeinsamen
Kindern umfassen, für die er die Beistandspflicht seines Partners nicht
beanspruchen kann und die weder im gemeinsamen Haushalt leben noch diesen
betreffen.

Erwägung 5

    5.- Was Roland H. betrifft, kann er nicht verlangen, dass seine
Frau für den Unterhalt seines Kindes aufkomme. Eine entsprechende
Beistandspflicht der Ehefrau besteht nur, soweit ihr das zuzumuten
ist und es dem Ehemann nicht möglich ist, selber seiner Verpflichtung
nachzukommen (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, aaO, N. 27 zu Art. 159 ZGB). Wie
die Verurteilung wegen Vernachlässigung der Unterstützungspflichten zeigt,
wäre aber Roland H. bei gutem Willen sehr wohl in der Lage, selber für
ein Einkommen zu sorgen, das es ihm erlaubte, für den Unterhalt seines
Kindes aufzukommen. Er kann deshalb offensichtlich die Beistandspflicht
seiner Ehefrau dafür nicht beanspruchen.

    Für die in Betreibung gesetzte Forderung ist somit ein pfändbarer
Anspruch des Schuldners aus Art. 163 ZGB nicht gegeben. Daher war es
richtig, den von der Gläubigerin behaupteten Anspruch auch nicht als
bestrittene Forderung zu pfänden. Der Rekurs erweist sich in diesem Punkt
als unbegründet.

Erwägung 6

    6.- Das Bundesgericht hat in BGE 114 III 82 festgehalten, dass der
Anspruch aus Art. 164 ZGB als solcher nicht pfändbar ist. Demgegenüber
sind die einzelnen Leistungen nicht grundsätzlich den Gläubigern des
anspruchsberechtigten Ehegatten entzogen (ebenso ISAAK MEIER, SJZ 85
(1989), S. 242; HEGNAUER, Grundriss des Eherechts, Bern 1987, S. 162;
HAUSHEER/REUSSER/GEISER, aaO, N. 37 zu Art. 164 ZGB; a. M. SCHWAGER, Der
ausserordentliche Güterstand/Die Betreibung von Ehegatten/Der Schutz der
Gläubiger gemäss Art. 193 ZGB, in: Hangartner (Hrsg.), Das neue Eherecht,
VSIV Bd. 26, St. Gallen 1987, S. 247). Zu beachten bleibt allerdings,
dass diese Beträge zweckgebunden sind und die Pfändung deshalb nicht
möglich ist, wenn durch sie der Zweck vereitelt wird. Deshalb ist es
namentlich nicht zulässig, Forderungen nach Art. 164 ZGB für voreheliche
Schulden zu pfänden (BGE 114 III 87 f.; a. M. ISAAK MEIER, SJZ 85 (1989),
S. 242 und wohl auch HEGNAUER, Grundriss des Eherechts, Rz. 16.47, die
dem besonderen Zweck von Art. 164 im Rahmen des ehelichen Unterhaltes und
der persönlichen Bedürfnisse des Ehegatten zu wenig Rechnung tragen, im
Ergebnis vielmehr von einer allgemeinen vermögensrechtlichen Umverteilung
unter Ehegatten ausgehen).

    Art. 164 ZGB bezweckt, dem haushaltführenden, kinderbetreuenden oder im
Beruf oder Gewerbe des anderen mitarbeitenden Ehegatten die Befriedigung
der persönlichen Bedürfnisse im gleichen erweiterten Rahmen des ehelichen
Unterhaltes zu ermöglichen wie seinem Ehepartner (BGE 114 III 81). Die
Unterhaltspflicht gegenüber einem nichtgemeinsamen Kind stellt aber kein
persönliches Bedürfnis im Sinne dieser Bestimmung dar. Es handelt sich
vielmehr um eine gesetzliche Pflicht. Eine Pfändung der auf Art. 164 ZGB
gründenden Leistungen für eine Unterhaltsschuld würde den Anspruch seinem
Zweck entfremden und ist deshalb nicht zulässig. Mit Recht hat somit das
Betreibungsamt keine Forderung nach Art. 164 ZGB gepfändet.

    Ist eine Pfändung des Anspruchs nach Art. 164 ZGB für die in
Betreibung gesetzte Forderung vom Zweck her nicht zulässig, erübrigt es
sich zu prüfen, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten einen
entsprechenden Anspruch überhaupt zulassen.

Erwägung 7

    7.- Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der
Betreibungsbeamte zu Recht davon ausgegangen ist, der Schuldner habe
kein Erwerbseinkommen und es bestehe keine für die in Betreibung gesetzte
Schuld pfändbare eherechtliche Unterhaltsforderung gegenüber der Ehefrau
des Schuldners. Eine Aufteilung des Notbedarfs der Ehegatten H.-H. ist
unter diesen nicht notwendig. Somit stellt sich - entgegen der Auffassung
der Rekurrentin - die Frage gar nicht, ob ihre Unterhaltsforderung beim
Schuldner als Teil des Notbedarfes zu berücksichtigen sei.

    Nicht weiter zu prüfen bleibt daher auch, ob die Betrachtungsweise der
Rekurrentin zutrifft, wonach die Alimente, soweit sie für den Notbedarf
des Gläubigers erforderlich sind, zum ehelichen Notbedarf gezählt werden,
Obgleich nur der eine Ehegatte Alimentenschuldner ist (so ISAAK MEIER,
Neues Eherecht und Schuldbetreibungsrecht, Zürich 1987, S. 118). Es sei
immerhin vermerkt, dass diese Betrachtungsweise dazu führen dürfte,
dass die nicht privilegierten Gläubiger beider Ehegatten hinter den
Alimentengläubiger nur eines Partners zurückzutreten hätten. Die
Alimentenschuld des einen Ehegatten würde den Notbedarf und damit den
nach Art. 93 SchKG unpfändbaren Teil des Einkommens des anderen Ehegatten
erhöhen. Das dürfte sich aber in dem Umfange nicht rechtfertigen, wie
die Alimentenschuld des einen Ehegatten gemäss den Ausführungen unter
Erwägung 4 nicht zum ehelichen Unterhalt gehört. Solange das Einkommen
eines Ehegatten ausreicht, den Notbedarf vollständig zu decken, dürfte
es diesfalls vielmehr als angemessen erscheinen, die Alimentenschuld
zwar nicht zum gemeinsamen Notbedarf zu rechnen, dafür aber das für
die Aufteilung massgebliche Einkommen des Pflichtigen um diesen Betrag
zu vermindern.

Entscheid:

    Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen und der Entscheid der Kantonalen
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons St. Gallen
bestätigt.