Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IB 408



115 Ib 408

57. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29.
August 1989 i.S. E. H. gegen Gemeinde Trimmis und Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Enteignungsentschädigung; Art. 22ter BV, Art. 104 lit. b und 105
Abs. 2 OG.

    1. Die Fragen der Entschädigungspflicht und der richtigen Ermittlung
der Entschädigungshöhe sind keine Sachverhaltsfragen, sondern vom
Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfragen (E. 1b).

    2. Vorrang der Vergleichsmethode (statistische Methode) bei der
Grundstücksbewertung (E. 2b, c).

Sachverhalt

    A.- E. H. ist Eigentümerin der Parzelle Nr. 377 südwestlich der
protestantischen Kirche von Trimmis. Das Grundstück befindet sich nach der
Ortsplanung vom 19. Dezember 1972, die am 18. Juni 1973 vom Regierungsrat
genehmigt worden ist, zum Teil in der Zone für öffentliche Bauten und
Anlagen und zum Teil in der Dorfzone. Zuvor bestand in Trimmis keine
Zonenplanung, sondern nur ein interimistisches Baugesetz.

    Im Jahre 1983 verhandelte der Gemeindevorstand mit E. H. über
den Erwerb des in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen
gelegenen Parzellenteils, den die Gemeinde für eine Friedhoferweiterung
benötigt. Weil keine Einigung über den Landerwerb zustande gekommen war,
beschloss die Gemeindeversammlung am 19. Oktober 1984, das Land auf dem
Enteignungswege zu erwerben. Die Gemeinde gelangte daher am 28. Juni
1985 an die Enteignungskommission I und stellte das Begehren, es sei das
Schätzungsverfahren durchzuführen. Mit Entscheid vom 5. Mai/9. Oktober
1986 setzte die Enteignungskommission die Entschädigung auf Fr. 80.--/m2
fest. Die Gemeinde Trimmis zog diesen Entscheid an das Verwaltungsgericht
des Kantons Graubünden weiter und beantragte, die zugesprochene
Entschädigung auf Fr. 20.--/m2 zu reduzieren. E. H. gelangte mit einem
Rekurs ebenfalls an das Verwaltungsgericht und machte geltend, das Land,
das in den Jahren 1972/1973 in die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen
eingeteilt worden sei, wäre ansonsten, wie der Rest der Parzelle, zur
Dorfzone geschlagen worden. Es liege auch im Bereiche des alten Dorfkerns
und sei vollständig erschlossen. Wäre die ganze Parzelle Nr. 377 in der
Dorfzone gelegen, so wäre eine Arealüberbauung möglich gewesen, weshalb
sich ein Preis von Fr. 600.--/m2 erzielen liesse. Die in der Dorfzone
gelegene Restparzelle sei jedoch nur noch beschränkt überbaubar.

    Mit Entscheid vom 18. Februar 1987 wies das Verwaltungsgericht beide
Rekurse ab.

    Gegen diesen Entscheid führte E. H. Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht, das die Beschwerde teilweise guthiess und die Sache
zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückwies.

    Mit Entscheid vom 7. Dezember 1988 hat das Verwaltungsgericht
den Anschlussrekurs von E. H. auch hinsichtlich des Restwertes für
landwirtschaftliches Kulturland vollumfänglich abgewiesen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- b) Die Sachverhaltsfeststellungen des als Vorinstanz
entscheidenden Verwaltungsgerichts binden das Bundesgericht, soweit
sie nicht offensichtlich unrichtig oder unvollständig sind oder unter
Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen zustande gekommen sind
(Art. 104 lit. b und 105 Abs. 2 OG). Allerdings sind die Fragen, ob eine
Entschädigungspflicht bestehe und die Entschädigungshöhe richtig ermittelt
worden sei, keine Sachverhaltsfeststellungen, sondern frei überprüfbare,
anhand der vom Bundesgericht aufgestellten Kriterien zu beurteilende
Rechtsfragen (BGE 112 Ib 517 E. 1b; 109 Ib 115).

Erwägung 2

    2.- b) Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, das
Verwaltungsgericht habe den Restwert für landwirtschaftliches Kulturland
entgegen den verbindlichen Weisungen des Bundesgerichts offensichtlich
falsch ermittelt. Die vom Grundbuchamt Landquart erhobenen Preise
für Landwirtschaftsboden seien zu wenig aussagekräftig für die
Anwendung der statistischen Methode im vorliegenden Fall. Deshalb
habe die Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren die Erfassung der
Handänderungen des ganzen Kreises V Dörfer, der einen einheitlichen Markt
für landwirtschaftlichen Boden bilde, verlangt. Die Handänderungen in
der Gemeinde Trimmis seien schon rein von der Anzahl her aufgrund der
Stichprobentheorie nicht repräsentativ. Das beweise im übrigen schon die
Tatsache, dass der durchschnittliche Preis 1973 Fr. 11,25/m2 und 1987
lediglich Fr. 8,33/m2 betragen solle. Dabei seien doch die Bodenpreise
für landwirtschaftliches Kulturland zwischen 1973 und 1986 gestiegen. Im
weiteren kritisiert die Beschwerdeführerin im Detail den Beizug einzelner
Handänderungen, wobei diese Kritik die Annahme des Verwaltungsgerichts,
der Restlandwert habe 1973 rund Fr. 10.-- und 1986 jedenfalls höchstens
Fr. 20.-- betragen, nicht erschüttern konnte.

    c) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist der zu
entschädigende Verkehrswert in der Regel in erster Linie anhand von
Vergleichspreisen festzulegen. Was eine unbestimmte Vielzahl von
Kaufinteressenten auf dem freien Markt für das enteignete Grundstück
bezahlt hätte, lässt sich am zuverlässigsten aufgrund der tatsächlichen
gehandelten Preise für vergleichbare Liegenschaften, also nach der
Vergleichs- oder statistischen Methode ermitteln. Allerdings führt diese
Methode - wie das Bundesgericht schon in BGE 102 Ib 354 ausgeführt
hat - nur dann zu richtigen Resultaten, wenn Vergleichspreise in
genügender Zahl für Objekte ähnlicher Beschaffenheit zur Verfügung
stehen. An diese Voraussetzung dürfen jedoch nicht zu hohe Anforderungen
gestellt werden. Zum einen erfordert die Vergleichbarkeit nicht, dass
in bezug auf Lage, Grösse, Erschliessungsgrad und Ausnützungsmöglichkeit
praktisch Identität bestehe. Unterschieden der Vergleichsgrundstücke
kann durch Preiszuschläge oder -abzüge Rechnung getragen werden. Auch
braucht das Vergleichsgrundstück nicht unbedingt im selben Quartier zu
liegen, sofern es hinsichtlich Lage, Umgebung, Ausnützungsmöglichkeit
usw. dem Schätzungsobjekt ähnlich ist. Zum anderen lässt sich in der
Regel selbst aus vereinzelten Vergleichspreisen auf das allgemeine
Preisniveau schliessen. Sind nur wenige Kaufpreise bekannt, müssen
diese allerdings besonders sorgfältig untersucht und können nur zur
Entschädigungsbestimmung verwendet werden, wenn dem Vertragsabschluss
nicht - wie etwa bei Verkäufen unter Verwandten, Arrondierungskäufen und
ausgesprochenen Spekulationskäufen - unübliche Verhältnisse zugrunde liegen
(BGE 114 Ib 295 E. 7 mit Hinweisen).