Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IB 175



115 Ib 175

24. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Mai 1989 i.S. C. gegen Kanton
Zürich (Direktprozess) Regeste

    Staatshaftung für spitalärztliche Tätigkeit.

    1. Art. 19 Abs. 2 BZP. Umstände, unter denen der Antrag einer Partei
auf Einvernahme ihres gesetzlichen Vertreters als verspätet anzusehen
und eine Oberexpertise abzulehnen ist (E. 1 und 3d).

    2. Art. 61 OR und §§ 6 ff. des zürcherischen Haftungsgesetzes vom
14. September 1969. Rechtsnatur der Behandlung von Patienten in einem
öffentlichen Spital; Folgen gemäss kantonalem Recht (E. 2a). Anforderungen
an die ärztliche Sorgfaltspflicht; Voraussetzungen der Haftung und deren
Auswirkungen auf die Beweislast der Beteiligten (E. 2b).

    3. Ein besonderer Nachweis über die Aufklärung und Einwilligung des
Patienten erübrigt sich, wo dieser oder sein gesetzlicher Vertreter sich
schon nach seinen Vorkenntnissen über alle Risiken einer schwierigen
Operation im klaren sein muss (E. 3a).

    4. Welche Massnahmen ein Chirurg in einer Notfallsituation zu ergreifen
hat, ist aus seiner Sicht zu beurteilen. Hat er gute Gründe für eine
bestimmte Massnahme, so ist ihm daraus auch dann kein Vorwurf zu machen,
wenn sie misslingt und rasch ersetzt werden muss (E. 3b und c).

Sachverhalt

    A.- C. wurde am 20. September 1978 als Tochter in Mailand wohnhafter
Eltern geboren. Sie litt seit ihrer Geburt an einem schweren Herzfehler,
der mehrere Spitalaufenthalte und Operationen in Mailand und Zürich nötig
machte. Am 9. November 1981 wurde sie im Universitätsspital Zürich unter
der Leitung von Prof. X. ein drittes Mal am Herz operiert.

    Der Eingriff wurde dadurch erschwert, dass zunächst Narbengewebe und
Verwachsungen, die von den früheren Operationen herrührten, mühsam gelöst
werden mussten. Der rechte Vorhof des Herzens konnte ohne besondere
Schwierigkeiten freigelegt werden, nicht aber die Aorta; bei diesem
Versuch wurde eine abnorme Kranzarterie durchtrennt, was sofort erkannt
wurde. Der Eingriff wurde deshalb notfallmässig fortgesetzt, um sogleich
eine Kanüle anbringen zu können, die jedoch nicht wie vorgesehen in
den aufsteigenden Teil der Aorta eindrang, sondern in die Lungenarterie
geriet. Als daraufhin festgestellt wurde, dass der periphere Blutdruck
trotz normal arbeitender Herz-Lungen-Maschine sank, wurde die rechte
Oberschenkel-Arterie kanüliert und an die Maschine angeschlossen. Weil
rund 15 Minuten verstrichen, bis die Fehlkanülierung behoben war, erlitt
das Kind wegen ungenügender Blutversorgung eine schwere Hirnschädigung;
es ist seitdem vollkommen pflegebedürftig und für immer invalid.

    B.- Nachdem das Bundesgericht C. mit Beschluss vom 31. Oktober 1985
die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und einen Anwalt zu ihrem
unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt hatte, klagte dieser am 29. Januar
1986 beim Bundesgericht gegen den Kanton Zürich auf Schadenersatz und
Genugtuung; er berief sich auf das zürcherische Haftungsgesetz vom
14. September 1969. Der Beklagte widersetzte sich der Klage vorweg
mit der Einrede, dass dieses Gesetz nicht anwendbar, er folglich nicht
passivlegitimiert sei. Mit Beschluss vom 11. November 1986 verwarf das
Bundesgericht diese Einrede (BGE 112 Ib 334 ff.).

    Die Parteien einigten sich dann darauf, dass von einem Privatgutachten,
das drei Professoren bereits im Oktober 1984 erstattet hatten, auszugehen
und dieses Gutachten auch der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen
sei. Sie wollten die Überwachung der Patientin während der Fehlkanülierung
und deren Behebung aber zusätzlich begutachtet wissen. PD S. und
Prof. W. äusserten sich dazu im Frühjahr 1987 in je einem Gutachten,
die aufeinander abgestimmt waren. Im Oktober 1987 antwortete PD S. auf
ergänzende Fragen der Klägerin. Im Dezember 1987 gab die Klägerin
eine Stellungnahme von Prof. St. zu den Akten. Prof. W. fand, die neu
aufgeworfenen Fragen hätten mit seinem Spezialfach nichts zu tun. PD
S. dagegen stellte fest, die Ausführungen von Prof. St. deckten sich mit
den seinigen; dieser ziehe allerdings noch eine zusätzliche Folgerung, die
er mangels herzchirurgischer Kenntnisse aber nicht beurteilen könne. Im
September 1988 äusserte sich Prof. G. als gerichtlicher Experte zu
den Einwänden von Prof. St. Die Klägerin beantragte daraufhin eine
Oberexpertise durch Prof. C., Houston (USA). Der Beklagte widersetzte
sich diesem Antrag.

    Im April 1989 bezifferte die Klägerin den bis Ende 1985 erlittenen
Schaden auf Fr. 297'156.-- und den aus Renten bestehenden Ersatz
für künftigen Schaden auf Fr. 753'734.--. Sie verlangte ferner eine
Genugtuungssumme von mindestens Fr. 75'000.--.

    C.- An der Hauptverhandlung hielt die Klägerin an ihren Rechtsbegehren
fest. Sie erneuerte ihren Antrag, dass von Prof. C. eine Oberexpertise
einzuholen sei; sie wollte ausserdem ihren gesetzlichen Vertreter darüber
befragen lassen, ob er von Prof. X. über die Risiken der Operation
überhaupt aufgeklärt worden sei, was sie bestreiten liess.

    Der Beklagte beantragte, auf weitere Beweise zu verzichten und die
Klage abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 19 Abs. 2 BZP können Tatsachen und Beweismittel noch in
der Vorbereitungsverhandlung bis zum Beginn der Beweisführung vorgebracht
werden; später nur, wenn die Verspätung entschuldbar ist. Der Antrag auf
Einvernahme des gesetzlichen Vertreters ist offensichtlich verspätet,
was die Klägerin zu Recht nicht zu entschuldigen sucht.

    Der Antrag ist auch sachlich nicht gerechtfertigt. Gewiss setzt die
Einwilligung des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters voraus,
dass er um die Art des Eingriffes und dessen Risiken weiss, vom Arzt also
aufgeklärt worden ist. Darüber konnten und mussten die Eltern des Kindes
sich vorliegend bereits nach den wiederholten Spitalaufenthalten, die
alle mit dem schweren angeborenen Herzfehler zusammenhingen, Rechenschaft
geben. Es bedurfte deshalb vor der dritten Operation keiner Aufklärung
bis in alle Einzelheiten mehr, wie die Vertreter der Klägerin anzunehmen
scheinen; dass es sich um einen komplizierten Eingriff mit erheblichen
Risiken handelte, konnte den Eltern schon nach den bisherigen Kenntnissen
nicht entgehen. Fragen kann sich bloss, wie weit die Einwilligung rechtlich
gehen konnte. Die Frage gehört zur materiellen Prüfung der Streitsache
und ist daher in diesem Zusammenhang näher zu erörtern.

    Die Frage sodann, ob der Antrag auf Einholung einer Oberexpertise
begründet und ihm daher zu entsprechen sei, hängt vom Ergebnis der
bereits vorliegenden Beweise ab und ist daher erst nach dessen Würdigung
zu beantworten. Vorweg zu bemerken ist immerhin, dass es schon aus
prozessökonomischen Gründen nicht angeht, ergänzende Fragen leichthin zum
Gegenstand einer neuen Expertise zu machen, statt sie Sachverständigen
zu unterbreiten, die sich bereits mit der Sache zu befassen hatten. Das
leuchtet namentlich dann ein, wenn wie hier bereits mehrere private und
gerichtliche Gutachten vorliegen.

Erwägung 2

    2.- Die Behandlung von Patienten in einem öffentlichen Spital gilt
nicht als gewerbliche Verrichtung im Sinne von Art. 61 Abs. 2 OR, sondern
als Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Schäden, die dabei entstehen,
sind auf die Ausübung staatlicher Hoheit, nicht auf die Verletzung eines
privatrechtlichen Vertrages zurückzuführen, und zwar selbst dann nicht,
wenn der Patient der Aufnahme ins Spital zugestimmt hat und dafür eine
Vergütung leistet, sein Rechtsverhältnis zum Spital also einem Vertrag
gleicht (BGE 111 II 151 mit Hinweisen). Gegen wen und unter welchen
Voraussetzungen der Patient wegen fehlerhafter Behandlung in einem
öffentlichen Spital Schadenersatz und Genugtuung verlangen kann, beurteilt
sich daher in erster Linie nach dem kantonalen öffentlichen Recht.

    a) Nach § 6 Abs. 1 des zürcherischen Haftungsgesetzes (HG) haftet
der Staat für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung hoheitlicher
Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügt. Bei Körperverletzung
hat der Verletzte Anspruch auf Ersatz der Kosten sowie auf Entschädigung
für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit (§ 9
Abs. 1 HG). Der Richter kann ihm zudem unter Würdigung der besonderen
Umstände eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen, wenn
den Beamten ein Verschulden trifft (§ 10 HG). Diese Haftungsordnung
gilt hier unbekümmert darum, ob die Klägerin eine Privatpatientin von
Prof. X. war und der Eingriff deswegen als private ärztliche Tätigkeit
im Sinne von § 36 Abs. 3 der Verordnung über die kantonalen Krankenhäuser
(KHV) einzustufen wäre. Wie dem Beklagten bereits in BGE 112 Ib 336 E. 2
entgegengehalten worden ist, wirkten bei der Operation mehrere Ärzte mit,
darunter auch ein Anästhesist, der angeblich für die Sauerstoffversorgung
des Gehirns verantwortlich war.

    Die Anlehnung der Haftung für Schädigungen Dritter (§§ 6 ff. HG) an
das Obligationenrecht ist unverkennbar; dessen Bestimmungen sind ergänzend
denn auch anzuwenden, soweit das Haftungsgesetz keine eigenen Vorschriften
enthält (§ 29 HG). Das kantonale Recht weicht in einem wichtigen Punkt
allerdings von Art. 41 ff. OR ab, da es nur den Anspruch auf Genugtuung
von einem Verschulden abhängig macht, für Schadenersatz dagegen ein
widerrechtliches Verhalten des Beamten genügen lässt, dafür also eine
Kausalhaftung vorsieht. Die Frage nach einer Verletzung der ärztlichen
Sorgfaltspflicht steht diesfalls zwar nicht im Vordergrund wie bei der
Haftung des Arztes aus Vertrag oder aus unerlaubter Handlung im Sinne
von Art. 41 OR (BGE 113 Ib 423); eine solche Verletzung ist als Teil der
Widerrechtlichkeit aber auch bei der Kausalhaftung zu berücksichtigen,
was zu Recht von keiner Seite bestritten wird. Diese Voraussetzungen der
Staatshaftung und ihre Auswirkungen auf die Beweislast sind daher vorweg
zu prüfen.

    b) Die Besonderheit der ärztlichen Kunst liegt darin, dass der Arzt mit
seinem Wissen und Können auf einen erwünschten Erfolg hinzuwirken hat, was
aber nicht heisst, dass er diesen auch herbeiführen oder gar garantieren
müsse; denn der Erfolg als solcher gehört nicht zu seiner Verpflichtung,
gleichviel ob er als Beamter oder als Beauftragter des Patienten
handelt. Die Anforderungen an die ärztliche Sorgfaltspflicht lassen sich
zudem nicht ein für allemal festlegen; sie richten sich vielmehr nach den
Umständen des Einzelfalles, namentlich nach der Art des Eingriffs oder
der Behandlung, den damit verbundenen Risiken, dem Ermessensspielraum, den
Mitteln und der Zeit, die dem Arzt im einzelnen Fall zur Verfügung stehen,
sowie nach dessen Ausbildung und Leistungsfähigkeit. Allgemein lässt
sich immerhin sagen, dass seine Haftung sich nicht auf grobe Verstösse
gegen Regeln der ärztlichen Kunst beschränkt. Der Arzt hat Kranke stets
fachgerecht zu behandeln, zum Schutze ihres Lebens oder ihrer Gesundheit
insbesondere die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt zu
beachten, grundsätzlich folglich für jede Pflichtverletzung einzustehen
(BGE 113 II 432/33 mit Hinweisen). Dies muss auch für den gelten, der an
seiner Stelle haftet. An sein Verhalten ist ferner der gleiche Massstab
anzulegen, gleichviel ob der Geschädigte sich auf eine vertragliche oder
ausservertragliche Haftung berufen kann.

    Nach der Rechtsprechung ist ein Verhalten widerrechtlich, wenn es
gegen Gebote oder Verbote der Rechtsordnung verstösst, die dem Schutz
des verletzten Rechtsgutes dienen. Ein solches Gebot ist hier in § 38
KHV zu erblicken, der bestimmt, dass sich die Behandlung des Patienten
in den Krankenhäusern des Beklagten nach den anerkannten Grundsätzen der
ärztlichen Wissenschaft und Humanität zu richten hat. Wird ein Patient
dabei über den vorgesehenen Heileingriff hinaus in seiner körperlichen
Integrität getroffen, so ergibt sich die Widerrechtlichkeit schon aus
dem Verbot, das den Art. 122 ff. StGB zugrunde liegt (BGE 112 II 128 mit
Zitaten). Das gilt namentlich dann, wenn der Eingriff ohne vorherige
Einwilligung des handlungsfähigen Patienten oder seines gesetzlichen
Vertreters vorgenommen wird, die Zustimmung aber nicht nur erforderlich,
sondern auch möglich gewesen wäre, da diesfalls noch ein Verstoss gegen
ein weiteres absolutes Recht, nämlich gegen das Selbstbestimmungsrecht des
Patienten hinzukommt. Misslingt ein Eingriff, der nicht notwendig oder
objektiv nicht geeignet war oder weil er unsachgemäss ausgeführt wurde,
so ist die Widerrechtlichkeit selbst dann zu bejahen, wenn der Patient
eingewilligt hat. Diese Voraussetzung der Haftung ist dagegen zu verneinen,
wenn der Belangte sich auf eine rechtsgültige Einwilligung berufen kann
und weder der Grund noch die Zweckmässigkeit oder Eignung des Eingriffes
zu beanstanden ist.

    Die objektiv gebotene Sorgfalt wird nach der Rechtsprechung
und der herrschenden Lehre bei der vertraglichen Haftung von der
Vertragsverletzung, bei der ausservertraglichen, zu der auch die
Staatshaftung zu zählen ist, dagegen von der Widerrechtlichkeit
erfasst; sie gehört daher im einen wie im andern Fall zum Beweisthema
des Geschädigten (BGE 113 Ib 423 mit Hinweisen; GROSS, Haftung für
medizinische Behandlung im Privatrecht und im öffentlichen Recht,
S. 160/61; WIEGAND, in Arzt und Recht 1985, S. 104/5; BUCHLI-SCHNEIDER,
in recht 1988 S. 94; PAGE, in Aspect du droit médical S. 107; a.M. KUHN,
in SJZ 83/1987 S. 353 ff.).Die Beweislast für die Aufklärung und für den
Rechtfertigungsgrund der Einwilligung hingegen trifft stets den Arzt oder
den, der an seiner Stelle für widerrechtliches oder schuldhaftes Verhalten
einzustehen hat. Die Einwilligung kann sich dabei nur auf Risiken beziehen,
die bei pflichtgemässer Vornahme des Eingriffs bestehen, nicht aber auf
unerwünschte Folgen, die einem Behandlungsfehler zuzuschreiben sind. Der
Einwand der Einwilligung ist zudem nur zu hören, wenn der Arzt seiner
Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten genügt, ihn insbesondere auf die
Risiken der Operation aufmerksam gemacht hat. Der Nachweis der Einwilligung
ist Teil des Entlastungsbeweises, der dem Belangten aber auch für andere
Unrechtsausschliessungsgründe, namentlich für notfallmässige Verhältnisse
zusteht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erfolg der Behandlung
ausbleibt oder der Patient, wie hier, über den Eingriff hinaus in seiner
körperlichen Integrität geschädigt wird, die negative Folge also auf einen
Behandlungsfehler schliessen lässt. Wo die Würdigung des Beweises für oder
gegen die Verletzung einer Sorgfaltspflicht spricht, ist aber nicht nur
die Frage, welcher Haftungsvoraussetzung die Verletzung zuzuordnen sei,
sondern auch die Beweislastverteilung gegenstandslos (BGE 114 II 291).

Erwägung 3

    3.- Vorliegend wurde der Zweck des Eingriffs erreicht, die Patientin
aber darüber hinaus verletzt. Nach der Klage begingen die Ärzte dadurch,
dass beim Lösen alter Verwachsungen eine Koronararterie durchtrennt
und sodann beim Kanülieren die Lungenarterie getroffen wurde, zwei
schwerwiegende Fehler. Dass die Fehlkanülierung kausal war für die
Hirnschädigung der Patientin, weil sie erst nach etwa 15 Minuten behoben
werden konnte, ist unbestritten. Streitig ist dagegen, ob die Einwilligung
sich auf alle Risiken der Operation erstreckt habe und die Schädigung
auch bei sorgfältigem Vorgehen nicht hätte vermieden werden können.

    a) Nach § 7 HG kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder
gänzlich von ihr entbinden, wenn der Geschädigte in die Schädigung
eingewilligt hat oder Umstände, für die er einstehen muss, auf die
Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt haben. Das
kantonale Recht schreibt neben der Aufklärungspflicht der behandelnden
Ärzte (§ 46 KHV) auch die Einwilligung des Patienten vor; für grössere
oder mit erheblichen Risiken verbundene Eingriffe muss sogar eine
ausdrückliche Zustimmung vorliegen (§ 51 KHV). Eine solche Zustimmung zu
verlangen, erübrigte sich hier jedoch schon nach den Vorkenntnissen der
Eltern. Diese wussten, dass ihr Kind seit Geburt wegen Missbildungen der
Herzkammerscheidewand an schwerer Herzinsuffizienz litt; deswegen brachten
sie es denn auch wiederholt von Italien zum bekannten Herzchirurgen nach
Zürich, wo es zwischen November 1978 und August 1981 bereits viermal
hospitalisiert, schon zweimal unter der Leitung von Prof. X. operiert
worden war und mit der dritten Operation versucht werden sollte, die
angeborenen Missbildungen womöglich ganz zu beheben. Sinn und Zweck des
Eingriffs lagen somit auf der Hand und entsprachen dem Willen der Eltern.

    Danach lässt sich im Ernst auch nicht bestreiten, dass die Aufklärung
über die Tragweite des dritten Eingriffs sich schon aus den Vorgängen
ergab und daher ausreichend war. Aus der allgemeinen Erfahrung versteht
sich insbesondere, dass ein Patient bei einer lebensnotwendigen, aber
äusserst komplizierten Herzoperation von einer erhöhten Gefahr für Leben
und Gesundheit ausgehen muss. Nach dem Gutachten W. hätte das Kind ohne
den Versuch einer dritten Operation nie mit Erwerbsfähigkeit rechnen
können, vielmehr schweren Zeiten entgegensehen müssen, nur noch wenige
Jahre gelebt und das zweite Jahrzehnt wahrscheinlich nicht erreicht. Bei
gelungener Operation hätte der Kreislauf sich hingegen normalisiert;
das Kind wäre erwerbsfähig geworden und seine Lebenserwartung hätte sich
erheblich verlängert. Der Eingriff war daher für Eltern und Kind die letzte
Hoffnung. Willigt ein Patient unter solchen Umständen ausdrücklich oder
durch konkludentes Verhalten in eine weitere schwierige Operation ein,
so erfasst seine Zustimmung alle dem Eingriff anhaftenden Risiken. Seine
Zustimmung ist wie jede andere rechtsgeschäftliche Willensäusserung nach
allen Begleit- und vorangehenden Umständen auszulegen, kann nach Treu und
Glauben in Fällen wie hier aber nur dahin verstanden werden, dass der
Patient an dem zu erwartenden Heilerfolg interessiert ist und deswegen
zwar keine Behandlungsfehler, aber die mit dem Eingriff notwendigerweise
verbundenen Risiken mit in Kauf nimmt.

    Zu diesen Risiken gehörte hier vor allem die Gefahr, dass beim
mühsamen Lösen alter Verwachsungen, die sich aus den beiden ersten
Eingriffen ergaben, oder wegen vorbestehender Anomalien lebenswichtige
Blutgefässe durchschnitten wurden; sie bildete, wie auch seitens der
Klägerin eingeräumt wurde, das Hauptrisiko, das nach dem Privatgutachten
von 1984 bei derartigen Eingriffen zudem als die häufigste Todesursache
anzusehen ist, wenn die Gefahr sich verwirklicht. Nach dem Gutachten
von PD S. waren ferner die Folgen verstärkter Manipulationen, das
gesteigerte Anästhesierisiko, die lange Operationszeit und die erhöhte
Blutungsgefahr zu bedenken. Die damit verbundenen Unsicherheiten über
gesundheitliche Vor- und Nachteile mussten wegen der Schwierigkeit des
Eingriffs ebenfalls zu dessen immanenten Risiken gerechnet werden, durften
der einen Seite vernünftigerweise aber nicht dazu dienen, die andere von
einer lebenswichtigen Operation abzuschrecken.

    b) Nach dem Privatgutachten von 1984 waren beide Gefahren
vorauszusehen, dass beim Versuch, die Aorta freizulegen, eine Arterie
durchschnitten werden und es sodann wegen bestehender Missbildungen zur
Kanülierung des falschen Blutgefässes kommen könnte; nicht vorauszusehen
war dagegen der Verlauf ihrer Verwirklichung. Weil die erste Gefahr
eintrat, bevor die aufsteigende Aorta zu erkennen und mit Sicherheit zu
erfassen war, musste notfallmässig und beschleunigt kanüliert werden,
um einen Infarkt zu vermeiden. Nach Prof. St., auf den die Klägerin
sich beruft, ist dem operierenden Chirurgen vorzuwerfen, dass er die
Fehlkanülierung erst erkannt und über die Oberschenkel-Arterie korrigiert
hat, als es zu spät war; angesichts der bestehenden Verwachsungen,
welche die Unterscheidung zwischen den grossen Blutgefässen erschwerten,
hätte er zudem auf eine Kanülierung im Verwachsungsgebiet von vornherein
verzichten und die Oberschenkel-Arterie benutzen sollen.

    Prof. G. hielt dem als gerichtlicher Experte entgegen, die aufsteigende
Aorta werde heute für den Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine bevorzugt;
ihre Wahl habe entscheidende Vorteile, weil eine grössere Kanüle verwendet
werden könne, ein zweites Operationsfeld mit zusätzlichen Komplikationen,
insbesondere Gefässstenosen und Verschlüssen, sich vermeiden lasse und das
Blut nicht entgegen der physiologischen Richtung fliesse. Eine aortale
Kanülierung sei in einer Notsituation wie hier umso mehr angezeigt, als
eine femorale bedeutend länger daure und jeder zusätzliche Zeitverlust
vermieden werden müsse, um drohenden Komplikationen vorzubeugen. Unter
solchen Umständen sei nicht nur der Entschluss zur aortalen Kanülierung,
sondern auch die Gefässverwechslung verständlich, die als immanente Gefahr
selbst ohne die vorhandenen Missbildungen bestanden hätte.

    Nach diesen Ausführungen des Experten hatte der Chirurg mehrere
gute Gründe, sich für eine aortale Kanülierung zu entscheiden, um
dem gefährlichen Blutverlust aus der durchtrennten Koronararterie und
dessen Folgen unverzüglich zu begegnen. Es darf ihm deshalb aus der Wahl
der Gegenmassnahme kein Vorwurf gemacht werden, auch wenn er dabei im
Interesse der Patientin verhältnismässig höhere Risiken einging. Dies gilt
umso mehr, als ihm in der Wahl der Mittel und Wege notwendigerweise ein
gewisses Ermessen zusteht, das weder der Richter noch der Experte durch
sein eigenes ersetzen darf. Denn die Angemessenheit und Rechtfertigung
seines Verhaltens beurteilen sich nicht nach dem Sachverhalt, wie er
sich nachträglich dem Experten oder dem Richter darstellt; massgebend ist
vielmehr, was der Chirurg im Zeitpunkt, in dem er sich für die streitige
Massnahme entschied, von der Sachlage halten musste (vgl. BGE 113 II 432
mit Hinweisen).

    c) Dem Gutachten G. ist auch darin zu folgen, dass weder in der
Überwachung noch in der Behebung der Fehllage ein Verstoss gegen anerkannte
Regeln der Chirurgie zu erblicken ist. Zwischen der Fehlkanülierung und
ihrer Entdeckung sind sechs und bis zur femoralen Kanülierung weitere
neun Minuten vergangen, was unbestritten und auch nach dem Gutachten
des PD S. als den Umständen und der Erwartung entsprechend zu bezeichnen
ist. Ähnlich verhält es sich nach PD S., einem Fachmann für Anästhesie
wie Prof. St., mit der Überwachung, die dem besonderen Risiko angepasst
worden sei und in hämodynamischer Hinsicht das weltweit übliche Masse
erreicht habe.

    Auf Antrag des klägerischen Vertreters äusserte PD S. sich auch zur
Frage, ob die Fehlkanülierung durch den Einsatz zerebraler Monitoren
rechtzeitig zu erkennen gewesen wäre. Er verneinte dies mit ausführlicher
Begründung, der weder Prof. St. noch der Vertreter der Klägerin etwas
beizufügen hatte. PD S. hielt insbesondere fest, die Monitore befänden
sich noch in einem Stadium der Evaluation, seien nur in einer äusserst
günstigen Umgebung zu gebrauchen und nicht leicht zu bedienen; selbst
wenn die Fehlkanülierung damit früher zu erkennen gewesen wäre, hätte
die Zeit nicht gereicht, um die Unterbrechung der Blutversorgung auf die
kritische Grenze von höchstens fünf bis sechs Minuten zu beschränken
und damit die Hirnschädigung zu verhindern. Dem ist mangels Einwänden
ebenfalls beizupflichten.

    d) Bei diesem Ergebnis der Beweiswürdigung erübrigt sich, zu den
von Prof. St. aufgeworfenen Fragen über die Fehlkanülierung, die er als
vorwerfbar bezeichnet, eine Oberexpertise einzuholen. Die Fragen betreffen
den chirurgischen Teil, wozu Prof. St. als Herzanästhesist sich mit zwei
Vorwürfen begnügte, sich aber nicht näher äussern wollte; er empfahl
eine weitere Expertise bloss, "um evtl. aus dem gutachterlichen Patt
herauszukommen", das er übrigens mit seiner Meinung über die Kanülierung
selber geschaffen hatte. Dazu kommt, dass die angeblich noch offenen Fragen
im Einverständnis mit der Klägerin Prof. G. vorgelegt worden sind, der sich
damit im September 1988 ausführlich auseinandergesetzt hat. Prof. St. nahm
dazu nicht mehr Stellung, auch die Klägerin nicht. Umso weniger lässt
sich im Ernst sagen, es bestehe Anlass zu Ergänzungen. Abschliessend
festzuhalten ist vielmehr, dass alle Gutachter, Prof. St. inbegriffen, sich
sinngemäss darin einig waren, es habe sich um einen äusserst komplizierten
Herzfehler gehandelt, der wegen vorbestehender Verwachsungen und Anomalien
im Verlauf von Kranzarterien nicht nur den Eingriff als solchen, sondern
auch die Unterscheidung zwischen Aorta und Lungenarterie erschwert habe.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Klage wird abgewiesen.