Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IA 73



115 Ia 73

12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 27. Januar 1989 i.S. X. gegen Kantone Basel-Stadt und Nidwalden
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 46 Abs. 2 BV; Vorentscheid über die subjektive Steuerpflicht;
Beginn der Frist für die Anfechtung mit staatsrechtlicher Beschwerde
wegen Doppelbesteuerung.

Sachverhalt

    A.- X., seit über 25 Jahren Werkmeister bei einer Firma in
Münchenstein/BL, hatte seit anfangs 1949 Wohnsitz in der Stadt Basel,
wo er auch besteuert wurde. Am 19. August 1982 meldete er sich auf der
Einwohnerkontrolle und Steuerverwaltung Basel-Stadt nach Dallenwil/NW ab.

    Auf den 24. April 1985 meldete er sich in Basel als Wochenaufenthalter
wieder an. Die Steuerverwaltung Basel-Stadt forderte von ihm die
Steuererklärung 1985, die er am 21. März 1986 unter Hinweis auf die
Erfüllung der Steuerpflicht im Kanton Nidwalden leer einreichte. Nach
Abklärung seiner Wohnverhältnisse in Basel (unmöblierte 2-Zimmer-Wohnung,
Miete Fr. 530.-- monatlich) und Dallenwil (1-Zimmer-Studio, Monatsmiete
Fr. 320.--) erklärte ihn die Steuerverwaltung Basel-Stadt mit Verfügung
vom 9. Mai 1986 kraft seiner persönlichen Zugehörigkeit (Wohnsitz) ab
24. April 1985 für in Basel-Stadt steuerpflichtig. Auf eine Einsprache
vom 25. Juni 1986 gegen diese Verfügung trat sie wegen Verspätung mit
Entscheid vom 26. Januar 1987 nicht ein.

    Inzwischen hatte die Steuerverwaltung Basel-Stadt festgestellt, dass
er beim angeblichen Zuzug vom 24. April 1985 dieselbe Adresse angegeben
hatte, an der er schon vor der Abmeldung im Jahre 1982 wohnte, und die
seit mindestens 1980 gemietete 2-Zimmer-Wohnung nie aufgegeben hatte. Mit
Verfügung vom 25. November 1986 erklärte sie ihn daher auch für die Zeit
vom 15. August 1982 bis 23. April 1985 in Basel-Stadt für steuerpflichtig.
Gegen diese Verfügung erhob er keine Einsprache.

    Die von ihm neuerdings geforderten Steuererklärungen für sein
Einkommen der Jahre 1982 bis 1985 verweigerte er weiterhin und reichte
nur am 5. Mai 1987 eine Kopie seiner Steuererklärung 1987/88 für den
Kanton Nidwalden ein.

    Am 29. September 1987 veranlagte ihn deshalb die Steuerverwaltung
Basel-Stadt, gestützt auf die Steuererklärung 1987/88 für den Kanton
Nidwalden und ihre Erkundigungen bei der Arbeitgeberfirma, nach Ermessen
zu Nachsteuern vom Einkommen 1982 bis 1985 von Fr. 30'862.50 nebst
Verzugszinsen sowie zu einer Strafsteuer von Fr. 1'000.--.

    Auf seine Einsprache gegen diese Nach- und Strafsteuerverfügung,
mit der er nur seine Steuerpflicht in Basel bestritt, trat die
Steuerverwaltung mit Einspracheentscheid vom 1. März 1988 nicht ein,
weil über die Steuerhoheit bereits rechtskräftig entschieden sei.

    Gegen diesen Einspracheentscheid führt X. staatsrechtliche Beschwerde
wegen Doppelbesteuerung gegen die Kantone Nidwalden und Basel-Stadt
für die Steuerjahre 1982 (ab 15. August) bis 1985. Er beantragt, der
Steueranspruch des Kantons Nidwalden sei zu schützen und das Nach- und
Strafsteuerverfahren im Kanton Basel-Stadt abzuwenden.

    Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 86 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 3 OG ist eine
staatsrechtliche Beschwerde wegen Doppelbesteuerung (Art. 46 Abs. 2 BV)
spätestens im Anschluss an die Geltendmachung des zweiten der einander
allenfalls ausschliessenden Steueransprüche zu erheben, wobei der kantonale
Instanzenzug nicht ausgeschöpft zu werden braucht, aber gegenüber
dem angefochtenen Entscheid die 30tägige Beschwerdefrist eingehalten
werden muss. Ist die Beschwerde im Anschluss an die zweite Veranlagung
rechtzeitig eingereicht worden, so wird auch die mitangefochtene frühere,
in einem anderen Kanton ergangene Veranlagung in das Beschwerdeverfahren
einbezogen (BGE 111 Ia 46 E. 1a; Urteil vom 10. Oktober 1980, ASA 52
S. 171 E. 1, je mit weiteren Hinweisen).

    b) Nach den vom Kantonalen Steueramt Nidwalden eingereichten
(unvollständigen) Akten erfolgte die Veranlagung für die Steuerjahre
1982 bis 1985 im Kanton Nidwalden auf jeden Fall vor dem Datum der
Rechnung vom 30. Juni 1985 für die Steuer jenes Jahres, also lange vor
Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde. Der Beschwerdeführer hat
die 30tägige Beschwerdefrist einzig gegenüber dem Einspracheentscheid
der Steuerverwaltung Basel- Stadt vom 1. März 1988 gewahrt. In jenem
Entscheid trat jedoch die Steuerverwaltung Basel-Stadt auf die Einsprache
nicht ein, weil über die Steuerhoheit des Kantons mit den nach kantonalem
Recht endgültig gewordenen Vorentscheiden vom 9. Mai und 25. November
1986 bereits rechtskräfig entschieden sei. Es fragt sich deshalb, ob die
staatsrechtliche Beschwerde wegen Doppelbesteuerung gegen die Kantone
Nidwalden und Basel-Stadt zulässig ist.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer erwirkte die beiden Vorentscheide der
Steuerverwaltung Basel-Stadt über seine unbeschränkte Steuerpflicht ab 24.
April 1985 (Verfügung vom 9. Mai 1986) und für die Zeit vom 15. August
1982 bis 23. April 1985 (Verfügung vom 25. November 1986), indem er seine
Steuerpflicht bestritt und die Abgabe der Steuererklärung 1985 verweigerte.

    Bestreitet der zur Veranlagung Herangezogene die Steuerhoheit des
Kantons, so muss dieser zuerst aufgrund von Art. 46 Abs. 2 BV über
die Steuerhoheit entscheiden und der Vorentscheid über die subjektive
Steuerpflicht rechtskräftig werden, bevor das Veranlagungsverfahren
fortgesetzt werden darf, es sei denn, das Bundesgericht habe bereits
in einem früheren staatsrechtlichen Verfahren bei gleicher Sachlage die
Steuerhoheit des Veranlagungskantons bejaht (BGE 103 Ia 160 E. 1; 80 I
199 E. 5; 62 I 75; 60 I 347 E. 2, mit Hinweisen; weitere Entscheidungen
bei LOCHER, Doppelbesteuerung, § 1 III A 1 Nrn. 7 und 10 sowie § 10 II
Nr. 15). Gegen den Vorentscheid über die Steuerhoheit kann der in Anspruch
Genommene zunächst kantonale Rechtsmittel erheben oder nach Art. 86 Abs. 2
OG auch direkt mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Doppelbesteuerung ans
Bundesgericht gelangen. Macht er von den kantonalen Rechtsmitteln nicht
(oder nicht fristgerecht) Gebrauch, so beginnt indessen die Frist für
die staatsrechtliche Beschwerde schon mit dem Vorentscheid zu laufen. Der
dem Bürger zuerkannte Anspruch auf rechtskräftige Vorausbeurteilung der
bestrittenen Steuerhoheit liegt zwar im Interesse des Steuerpflichtigen.
Doch kann daraus umgekehrt nicht abgeleitet werden, der Steuerpflichtige,
der einen solchen Vorentscheid über die Steuerhoheit bewirkt, könne im
nachfolgenden Veranlagungsverfahren jederzeit auf den nach kantonalem
Recht rechtskräftig gewordenen Vorentscheid zurückkommen. Einem solchen
Vorgehen steht vielmehr die Rechtskraft jenes Entscheides entgegen. Die
staatsrechtliche Beschwerde gegen die im weiteren Veranlagungsverfahren
ergangenen Hoheitsakte steht ihm deshalb nur noch zu, soweit diese neue,
noch nicht beurteilte Fragen des Doppelbesteuerungsrechts entstehen lassen
(BGE 73 I 222).

    Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Auf die staatsrechtliche
Beschwerde kann daher nicht eingetreten werden. Damit entfällt auch
die Möglichkeit, die im Kanton Nidwalden erfolgte Veranlagung in das
Verfahren einzubeziehen.