Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IA 329



115 Ia 329

51. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22.
Dezember 1989 i.S. X. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Vermietung eines Einfamilienhauses zu einem Vorzugsmietzins an einen
nahen Verwandten (Art. 4 BV; Willkürverbot).

    Für die Einkommensbesteuerung muss der erzielte Mietzins und nicht
der Mietwert massgeblich sein, sofern nicht ein Steuerumgehungsgeschäft
anzunehmen ist.

Sachverhalt

    A.- Die Ehefrau des Steuerpflichtigen X. ist Eigentümerin
der Liegenschaft Y. in Z./ZH. Diese Liegenschaft, ein angebautes
Einfamilienhaus, ist an den verheirateten Sohn der Ehegatten X. zu
einem monatlichen Mietzins von Fr. 700.-- oder zu Fr. 8'400.-- pro Jahr
vermietet.

    B.- In der Steuererklärung für die Veranlagung der kantonalen Steuern
1985 deklarierte X. aus der genannten Liegenschaft einen Netto-Ertrag
von Fr. 6'720.-- (tatsächliche Mietzinseinnahmen von Fr. 8'400.--
abzüglich Fr. 1'680.-- pauschale Unterhaltskosten von 20%). Im
Veranlagungsverfahren wurde dieser Netto-Ertrag amtlicherseits auf
Fr. 10'856.-- festgesetzt; dies mit der Begründung, als Einkommen sei statt
der effektiv vereinnahmten Mietzinsen der höhere Mietwert der Liegenschaft
von Fr. 13'570.-- (abzüglich 20% pauschale Unterhaltskosten) einzustellen.

    Die Steuerkommission Z. hiess eine Einsprache von X. gut. Einen
gegen diesen Entscheid vom Kantonalen Steueramt erhobenen Rekurs hiess
die Steuer-Rekurskommission des Kantons Zürich gut; sie stellte damit
die im Veranlagungsverfahren getroffene Taxation wieder her.

    C.- Mit Entscheid vom 6. Dezember 1988 wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Zürich eine Beschwerde von X. ab. Es bestätigte die Auffassung,
dass die Differenz zwischen dem tatsächlich bezahlten Mietzins und dem
höheren Mietwert als Schenkung an den Sohn zu qualifizieren sei; den
entsprechenden Betrag habe X. als Einkommen zu versteuern.

    D.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt X. fristgerecht, der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben. Das
Reineinkommen sei auf Fr. ... festzusetzen, indem für das vermietete
Einfamilienhaus nur der wirklich erzielte Mietzins von Fr. 8'400.--
pro Jahr und nicht ein höherer, als erzielbar erachteter Mietwert als
Einkommen besteuert werden dürfe.

    Die Finanzdirektion des Kantons Zürich und das Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich beantragen in ihren Vernehmlassungen, die Beschwerde
sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Bundesgericht
heisst die Beschwerde gut aus

Auszug aus den Erwägungen:

                    folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich ist - in Anwendung von
§ 19 lit. c, § 20 Abs. 1 und § 24 lit. a des zürcherischen Steuergesetzes -
davon ausgegangen, der Beschwerdeführer (bzw. seine Ehefrau) habe dem Sohn
jenen Betrag geschenkt, um den der unter Eltern und gemeinsamen Nachkommen
als üblich anzunehmende jährliche Mietzins (Mietwert von Fr. 13'570.--)
den vereinbarten Mietzins (Fr. 8'400.--) übersteige. Das Gericht kam zum
Schluss, dass beim Beschwerdeführer im Umfange der Differenz (Fr. 5'170.--)
ein für die Einkommenssteuer beachtlicher Wertzufluss gegeben sei.

    b) Der Beschwerdeführer rügt diese Betrachtungsweise als willkürlich,
indem er sich insbesondere auf BGE 71 I 129 beruft. Im betreffenden Fall
- zur Beurteilung stand die Vermietung eines Einfamilienhauses an einen
Verwandten zu einem Vorzugspreis - hat das Bundesgericht, wenn auch im
Blick auf Art. 21 Abs. 1 lit. b WStB (nunmehr BdBSt), als unzulässig
erklärt, der Veranlagung anstelle des tatsächlich erzielten Mietzinses
ein erzielbares oder durchschnittliches Einkommen (Mietwert) zugrunde zu
legen. Dies müsse solange gelten, als bei der Mietzinsfestsetzung nicht
Motive der Steuerumgehung entscheidend gewesen seien, ferner Indizien
dafür fehlten, wonach die Überlassung zu den dem Sach- oder Wohnwert nicht
entsprechenden Bedingungen das Entgelt für andere Gegenleistungen des
Sachbenützers sei. Der geschätzte Wohnwert gebe zwar wohl die Grundlage
für die Einkommensbesteuerung bei Eigengebrauch ab. Es sei jedoch nicht
angängig, diese Regel auch im Falle der Vermietung oder Verpachtung
anzuwenden. Bei der Vermietung an einen Familienangehörigen sei das
Abstellen auf den Wohnwert höchstens dann möglich, wenn anzunehmen sei,
es liege ein Eigengebrauch vor, indem die Wohnung der Benützung durch die
eigene Familie erhalten werden solle. Bei der Vermietung an einen Bruder
mit Familie könne dies nicht gesagt werden.

    c) Diese Rechtsprechung wurde in ASA 48 S. 478 ff. dahin ergänzt,
dass, wer eine Wohnung einem nahen Verwandten unentgeltlich überlasse,
das Objekt wohl nicht vermiete; er habe die Wohnung auch nicht in der
Weise inne, dass er unmittelbarer Besitzer geblieben sei. Die Zusage
an einen Verwandten, eine Wohnung unentgeltlich auf unbestimmte Zeit
zu überlassen, qualifiziere sich als Gebrauchsleihe. Dabei wende der
Eigentümer dem Beliehenen unentgeltlich den Mietwert der Wohnung zu. Für
den Beliehenen entstehe dadurch kein Einkommen, weil der Mietwert für
ihn den Charakter einer Schenkung habe. Der Mietwert falle primär dem
Eigentümer zu, auch wenn er ihn dem Beliehenen sofort weitergebe. Wolle er
sich dieser Besteuerung entziehen, müsse er eine Nutzniessung bestellen,
wodurch die Steuerpflicht auf den Nutzniesser übergehe. Bestehe dagegen
eine blosse Gebrauchsleihe, müsse aus der leichten Auflösbarkeit dieses
Vertragsverhältnisses der Schluss gezogen werden, dass der Eigentümer
steuerrechtlich gesehen immer noch als "Inhaber" des Objektes zu betrachten
sei, obwohl es während der Dauer der Leihe nicht mehr ihm unmittelbar
zur Verfügung stehe.

Erwägung 3

    3.- a) Ein Entscheid verletzt das Willkürverbot und steht in
Widerspruch zu Art. 4 der Bundesverfassung, wenn er offensichtlich
unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht,
eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder
in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 114 Ia
27 E. 3b; mit Hinweisen).

    b) Es ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass kantonale Gerichte
mit vertretbaren Gründen kantonale Vorschriften anders auslegen als die
Bundesbehörden entsprechende Bestimmungen des Bundesrechts. In Anbetracht
der vorliegend im Grundsatze mit den Bestimmungen der direkten Bundessteuer
(Wehrsteuer) durchaus vergleichbaren Vorschriften des zürcherischen
Steuergesetzes erscheint es jedoch als offensichtlich unhaltbar, bei
Mietverhältnissen unter Verwandten ohne ausdrückliche Gesetzesgrundlage
die Differenz zwischen dem tatsächlich vereinnahmten Mietzins und dem
höheren Mietwert dem Vermieter steuerlich als Einkommen zuzurechnen und
beim Mieter als Schenkung zu qualifizieren.

    Dafür, dass der in Frage stehende Mietzins im Blick auf eine
Steuerumgehung oder in Verbindung mit andern, vom Sohn erbrachten oder noch
zu erbringenden Gegenleistungen niedriger als der Gebrauchswert der Wohnung
angesetzt worden wäre, fehlen im übrigen jegliche Anhaltspunkte. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich ist daher in Willkür verfallen, wenn
es bei der gegebenen Sach- und Rechtslage den Mietwert der Liegenschaft -
ohne Rücksicht auf den vereinbarten Mietzins - als steuerlich massgebend
erachtet hat.