Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 115 IA 12



115 Ia 12

4. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Januar 1989 i.S.
Roland Mathys gegen Rothornbahn und Scallotas AG, Gemeinde Vaz/Obervaz und
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Art. 4 BV, Willkür.

    Wendet eine kantonale Behörde in Ermangelung einer ausdrücklichen
kantonalen Regelung die Praxis des Bundesgerichts zum Fristbeginn bei
eingeschriebenen Briefpostsendungen als kantonales Recht an, so ist das
Ergebnis im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur auf Willkür hin zu
prüfen (E. 3a).

    Art. 4 BV, Recht auf Vertrauensschutz - Rechtsmittelfrist.

    Stellt eine Behörde ihren Entscheid, der eine vorbehaltlose
Rechtsmittelbelehrung enthält, noch innerhalb der ordentlichen
Rechtsmittelfrist, welche durch einen ersten erfolglosen Zustellungsversuch
ausgelöst worden ist, zu, so kann sich aufgrund des verfassungsmässigen
Rechts auf Vertrauensschutz die Rechtsmittelfrist verlängern, sofern alle
notwendigen Bedingungen dazu erfüllt sind (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Gemeinde Vaz/Obervaz lehnte mit Verfügung vom 12.  August 1987
eine Einsprache von Roland Mathys gegen ein Bauvorhaben der Rothornbahn
und Scallotas AG ab. Sie stellte ihm den Entscheid am folgenden Tag zu. Da
Roland Mathys die Chargésendung bei der Post innerhalb der gesetzten Frist
nicht abholte, wurde sie an die Gemeinde zurückgesandt. Auch ein zweiter
Versuch blieb erfolglos. Erst am 7. September 1987 konnte der Entscheid
zugestellt werden.

    Roland Mathys rekurrierte am 24. September 1987 gegen den
Einspracheentscheid der Gemeinde Vaz/Obervaz beim Verwaltungsgericht des
Kantons Graubünden. Dieses trat mit Urteil vom 23. Februar 1988 auf das
Rechtsmittel nicht ein, im wesentlichen mit der Begründung, der Praxis
entsprechend sei davon auszugehen, dass die (fingierte) Zustellung am
22. August 1987 erfolgt sei. Die zwanzigtägige Rekursfrist habe somit
am 11. September 1987 geendet, weshalb der Rekurs verspätet sei; an
diesem Ergebnis ändere auch die Anrufung des Vertrauensprinzips nichts,
denn es fehle bereits an der ersten Voraussetzung für ein Abweichen von
der gesetzlichen Regelung, nämlich an einer konkreten, vorbehaltlosen
Auskunft einer Behörde.

    Roland Mathys erhob am 15. März 1988 "Beschwerde" gegen den Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 23. Februar 1988.

    Das Bundesgericht behandelt die Eingabe als staatsrechtliche Beschwerde
und heisst sie gut aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Eingabe des Beschwerdeführers ist als staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger gemäss
Art. 84 Abs. 1 lit. a OG zu behandeln, denn sie richtet sich gegen eine
kantonale Verfügung, welche allein in Anwendung von kantonalem öffentlichem
Recht ergangen ist und gegen die kein anderes Rechtsmittel des Bundes
offensteht (Art. 84 Abs. 1 und 2 OG).

Erwägung 2

    2.- Sowohl die Gemeinde Vaz/Obervaz wie auch die Rothornbahn und
Scalottas AG vertreten die Auffassung, auf die staatsrechtliche Beschwerde
könne wegen fehlender Begründung nicht eingetreten werden.

    a) Nach Art. 90 Abs. 1 OG muss eine staatsrechtliche Beschwerde
ausser der Bezeichnung des angefochtenen Entscheides die Anträge enthalten
(lit. a) sowie die wesentlichen Tatsachen und eine kurzgefasste Darlegung
darüber, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und
inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind
(lit. b).

    b) Roland Mathys richtet seine Beschwerde ausdrücklich gegen den
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 23. Februar
1988, mit welchem das Gericht im ordentlichen Verfahren entschied, es werde
auf seinen Rekurs vom 24. September 1987 nicht eingetreten, weil (1) die
mit dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch begonnene Rekursfrist nicht
eingehalten worden sei, dass (2) die später tatsächlich erfolgte Zustellung
keinen neuen Fristenlauf ausgelöst habe, und dass (3) die Behauptung
des Rekurrenten, er habe eine falsche behördliche Auskunft erhalten,
sich nicht habe bestätigen lassen. Zwar stellt der Beschwerdeführer
keinen ausdrücklichen Antrag auf Aufhebung dieses kantonalen Urteils;
in seiner Bitte, ihm zu helfen, damit im Kanton Graubünden auf seinen
Rekurs eingetreten werden müsse, kann jedoch sinngemäss ein solches
Begehren gesehen werden (vgl. BGE 52 I 224 E. 1). Seine Begründung ist zwar
knapp, doch lässt sich aus ihr dennoch entnehmen, warum der angefochtene
Entscheid gegen die Verfassung verstossen soll. Daran ändert nichts,
dass er keine verfassungsmässigen Rechte ausdrücklich nennt; auch eine
indirekte Berufung auf solche kann unter Umständen den Anforderungen
von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügen.

Erwägung 3

    3.- Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Entscheid aus,
der Beschwerdeführer sei an einem hängigen Verfahren beteiligt gewesen:
Am 30. April 1987 habe er bei der Gemeinde Vaz/Obervaz Einsprache gegen
ein Bauvorhaben der Rothornbahn erhoben. Aus diesem Grunde habe er
mit der Zustellung des Einspracheentscheides rechnen müssen. Er hätte
sich vor seinem Ferienantritt bei der Gemeinde erkundigen müssen, ob
mit der Zustellung des Entscheides nächstens zu rechnen sei, und dafür
sorgen müssen, dass ihm die Sendungen der Behörde nachgereicht würden,
oder er hätte zumindest einen Zustellungsbevollmächtigten bzw. ein
Zustellungsdomizil bezeichnen müssen.

    a) Das Verwaltungsgericht bezieht sich in Ermangelung einer
ausdrücklichen kantonalen Regelung (vgl. Art. 9 in Verbindung mit Art. 2
des Gesetzes über das Verfahren in Verwaltungs- und Verfassungssachen
vom 3. Oktober 1982, VVG; Art. 55 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die
Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Graubünden vom 9. April 1967,
VGG) auf die Praxis des Bundesgerichts, wonach eine eingeschriebene
Briefpostsendung dann, wenn der Adressat nicht angetroffen wird
und daher eine Abholungseinladung in seinen Briefkasten oder in sein
Postfach gelegt wird, die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt zu
gelten hat, in welchem sie auf der Post abgeholt wird; geschieht dies
nicht innert der Abholfrist, die sieben Tage beträgt (Art. 169 Abs. 1
lit. d und e der Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz vom 1. September
1967 [PVV, SR 783.01]), so gilt die Sendung als am letzten Tag dieser
Frist zugestellt (BGE 111 V 101 E. 2b mit Hinweisen). Zu Recht nimmt
das Gericht weiter an, dass diese Rechtsprechung nur dann massgebend
ist, wenn die Zustellung eines behördlichen Aktes mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit erwartet werden muss. Erst mit der Rechtshängigkeit
entsteht ein Prozessrechtsverhältnis, welches die Parteien verpflichtet,
sich nach Treu und Glauben zu verhalten, d. h. unter anderem dafür zu
sorgen, dass ihnen Entscheide, welche das Verfahren betreffen, zugestellt
werden können (BGE 113 Ib 298 E. 2a; 107 V 189 E. 2; 97 III 10 E. 1; je
mit Hinweisen). Diese Grundsätze werden nicht vom Bundesverfassungsrecht
gewährleistet und bilden deshalb nicht Teil eines selbständigen,
verfassungsmässigen Rechts. Das Bundesgericht hat somit nur zu prüfen,
ob das Verwaltungsgericht sie als kantonales Recht in willkürlicher Weise
angewandt hat (vgl. BGE 109 Ia 18 E. 4).

    Der Beschwerdeführer hat am 30. April 1987 "Einsprache zum Bauvorhaben
der Rothornbahn & Scallotas AG in Val Sporz und auf Tgantieni"
erhoben. Er sandte diese Eingabe sowohl an den Gemeindevorstand
Vaz/Obervaz als auch an das Kreisamt Alvaschein. Bei dieser Sachlage
ist es nicht willkürlich, wenn das Verwaltungsgericht zum Schluss
gekommen ist, der Beschwerdeführer sei, als er in die Ferien reiste,
an einem hängigen Verfahren vor dem Gemeindevorstand von Vaz/Obervaz
beteiligt gewesen. Dass der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom
30. April 1987 die Adressaten ausdrücklich aufgefordert hatte, sie möchten
selbst entscheiden, was an seiner Einsprache öffentlichrechtlicher und
was privatrechtlicher Natur sei, vermag an dieser Beurteilung nichts zu
ändern. Selbst ein Laie muss heute wissen, dass eine Behörde verpflichtet
ist, über ein bei ihr eingereichtes Begehren auch dann zu befinden und
den Antragsteller von der Art der Erledigung zu benachrichtigen, wenn
sie sich als nicht zuständig erachtet (vgl. Art. 3 in Verbindung mit
Art. 2 VVG). Der Beschwerdeführer hatte somit mit der Zustellung eines
Entscheides zu rechnen, und er hätte deshalb während seiner Abwesenheit
die notwendigen Vorkehren treffen müssen. Er wendet zwar ein, er habe -
anders als vom Kreisamt Alvaschein - vom Gemeindevorstand Vaz/Obervaz
nie eine Bestätigung über den Empfang seiner Einsprache erhalten und
auch sonst habe er von dieser Behörde nie etwas gehört, bis ihm am
8. September 1987 der Einspracheentscheid übergeben worden sei. Auch diese
unterschiedliche Reaktion der Einspracheadressaten ist nicht geeignet, die
Auffassung des Verwaltungsgerichts als völlig unhaltbar zu beurteilen. Der
Beschwerdeführer bringt nicht vor, der Gemeindevorstand von Vaz/Obervaz
sei gesetzlich verpflichtet gewesen, ihm den Eingang seiner Einsprache
zu bestätigen. Gerade weil er von dieser Behörde zur Zeit seiner Abreise
noch keinen Bescheid erhalten hatte, musste er davon ausgehen, ein solcher
könnte ihm während seiner Abwesenheit zugehen.

    Das Verwaltungsgericht hat das Willkürverbot nicht verletzt, wenn es
entschied, der Beschwerdeführer sei an einem vor dem Gemeindevorstand
Vaz/Obervaz hängigen Verfahren beteiligt gewesen und er hätte deshalb
für die Zeit seiner Abwesenheit dafür sorgen müssen, dass ihm die
Sendungen der Behörde nachgereicht würden, oder er hätte zumindest einen
Zustellungsbevollmächtigten bzw. ein Zustellungsdomizil bezeichnen
müssen. Der Beschwerdeführer macht selbst nicht geltend, der von ihm
der Post erteilte Nichtzustellungsauftrag habe unter den vorliegenden
Umständen genügt, diese Pflicht zu erfüllen (vgl. auch BGE 113 Ib 89
E. 2 mit Hinweisen).

    b) Der angefochtene Entscheid könnte auch dann gegen die Verfassung
verstossen, wenn er sich im Ergebnis als überspitzt formalistisch erwiese.
Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung
liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt
werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die
Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder
an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und dem Bürger den
Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (BGE 114 Ia 40 E. 3; 113 Ia 227
E. 1; 112 Ia 308 E. 2a; je mit Hinweisen). Das Bundesgericht prüft den
angefochtenen Entscheid in bezug auf dieses verfassungsmässige Recht frei.

    Da das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden diejenigen Grundsätze
über die Zustellung von Entscheiden durch eingeschriebenen Brief angewendet
hat, welche das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung sowohl für kantonale
und bundesrechtliche Verfahren entwickelt hat, falls das entsprechende
Recht selbst keine Lösung vorsieht, lässt sich nicht sagen, diese
Prinzipien seien sachlich nicht gerechtfertigt oder unnötig streng. Es
handelt sich vielmehr um das Ergebnis einer Abwägung der gegenseitigen
Interessen. Die Rechtssicherheit verlangt, dass die Vorschriften über
den Beginn, die Dauer und die Einhaltung der Beschwerdefristen möglichst
klar und einfach zu handhaben sind. Zudem haben sowohl die Behörden wie
auch die Gegenparteien ein Interesse daran, so schnell wie möglich zu
wissen, ob der Entscheid weitergezogen oder ob er rechtskräftig wird. Die
Bestimmung der Fristen darf deshalb nicht oder nicht allein vom Willen
oder Verhalten des Beschwerdeführers abhängen, sondern muss möglichst
aufgrund objektiver Kriterien erfolgen (vgl. dazu BGE 113 Ib 90 E. 2b;
85 IV 116). In diesem Sinne hat das Bundesgericht denn auch in konstanter
Rechtsprechung entschieden, eine Sendung sei nicht erst dann zugestellt,
wenn der Adressat sie tatsächlich in Empfang nehme; es genüge vielmehr,
wenn sie sich in seinem Machtbereich befinde und wenn er demzufolge von
ihr Kenntnis nehmen könne (BGE 113 Ib 297 E. 2a; 109 Ia 18 E. 4; Urteil des
Bundesgerichts vom 8. Dezember 1969, veröffentlicht in Semaine Judiciaire,
1972, S. 56 ff., S. 61; vgl. auch RAYMOND JEANPRETRE, L'expédition et la
réception des actes de procédure et des actes juridiques, SJZ 1973, S. 349
f.). Den Interessen des Beschwerdeführers wird dadurch Rechnung getragen,
dass nur dann die Annahme einer fiktiven Zustellung zulässig ist, wenn
er aufgrund der Umstände einen Entscheid zu erwarten hatte. Zudem kann
der Beschwerdeführer ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist stellen
(vgl. RAYMOND JEANPRETRE, aaO, S. 352 f.). Da das Verwaltungsgericht die
Grundsätze über die Zustellung von Entscheiden durch eingeschriebenen
Brief nicht in völlig unhaltbarer Art und Weise angewendet hat, kann auch
nicht gesagt werden, es habe sie mit übertriebener Schärfe gehandhabt.

    c) Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht
weder das Willkürverbot verletzt noch überspitzt formalistisch entschieden
hat, wenn es annahm, die (fingierte) Zustellung sei am 22. August 1987
erfolgt und die zwanzigtägige Rekursfrist sei demzufolge grundsätzlich
am 11. September 1987 abgelaufen.

Erwägung 4

    4.- Die Gemeinde Vaz/Obervaz versuchte, dem Beschwerdeführer
ihren Entscheid am 25. August 1987 nochmals mit eingeschriebener Post
zuzustellen. Auch diese Sendung kam als nicht abgeholt zurück. Schliesslich
schickte die Gemeindekanzlei den Entscheid am 7. September 1987
mit gewöhnlicher Briefpostsendung. Diese Ausfertigung, welche der
Beschwerdeführer am 8. September 1987 in Empfang nahm, enthielt folgende
Rechtsmittelbelehrung: "Gegen diesen Entscheid kann innert 20 Tagen
beim Verwaltungsgericht rekurriert werden." Es stellt sich die Frage,
ob damit - wie der Beschwerdeführer sinngemäss geltend macht - ein aus
verfassungsrechtlicher Sicht schützenswertes Vertrauen in eine behördliche
Auskunft geschaffen wurde.

    a) Das in Art. 4 BV gewährleistete verfassungsmässige Recht auf
Vertrauensschutz bewirkt unter anderem, dass falsche Auskünfte von
Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen
Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten.

    Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine unrichtige Auskunft
bindend,

    1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf
bestimmte Personen gehandelt hat;

    2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war
oder wenn der Bürger die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig
betrachten durfte;

    3. wenn der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres
erkennen konnte;

    4. wenn er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen
getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können;

    5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunfterteilung keine
Änderung erfahren hat (BGE 112 V 119 E. 3a; 111 V 71 E. 4c; 99 Ib 101 E. 4;
je mit Hinweisen).

    In Konkretisierung dieses Grundsatzes ist allgemein anerkannt, dass
einer Partei aus einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil
erwachsen darf (BGE 112 Ia 310 E. 3; 106 Ia 16 E. 3a mit Hinweisen;
vgl. auch Art. 107 Abs. 3 OG; Art. 38 VwVG). Auch das hier massgebende
kantonale Recht kennt eine entsprechende Bestimmung (Art. 50 Abs. 1
VGG). Es ist deshalb grundsätzlich möglich, dass sich in Anwendung des
verfassungsmässigen Anspruchs auf Vertrauensschutz eine gesetzliche Frist
aufgrund einer unrichtigen Auskunft verlängert (BGE 114 Ia 106 E. 2).

    b) Im vorliegenden Fall konnte die Behörde ihren Entscheid noch vor
Ablauf der Frist, welche durch den ersten erfolglosen Zustellungsversuch
ausgelöst worden war, dem Beschwerdeführer eröffnen, und dieser nahm
noch am gleichen Tag von seinem Inhalt und der darin enthaltenen
Rechtsmittelbelehrung Kenntnis. Es ist zu prüfen, ob auch bei diesem
Sachverhalt das in Art. 4 BV gewährleistete verfassungsmässige Recht
auf Vertrauensschutz gebietet, dem Beschwerdeführer in Abweichung von
der allgemeinen Regel (vgl. E. 3) die gesetzliche Beschwerdefrist zu
verlängern. Dies ist zu bejahen: Der Gemeindevorstand hat mit der erneuten
Zustellung seines Entscheides, der eine vorbehaltlose Rechtsmittelbelehrung
enthielt, in einer konkreten Situation gegenüber einer bestimmten
Person eine Auskunft erteilt, zu der er zweifellos zuständig war.
Der Beschwerdeführer konnte als juristischer Laie die Unrichtigkeit der
Rechtsmittelbelehrung nicht ohne weiteres erkennen. Es wird von keiner
Seite geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei noch innerhalb der
ordentlichen Beschwerdefrist darauf aufmerksam gemacht worden, allein
der erste Zustellungsversuch sei rechtswirksam und die zwanzigtägige
Frist habe deshalb nach Ablauf der siebentägigen Abholfrist am 23. August
1987 zu laufen begonnen. Im Gegenteil, gemäss seinen Ausführungen in der
Beschwerde versuchte Roland Mathys am 7. und 8. September abzuklären, wie
lange er noch Zeit zum Rekurrieren habe. Keine der angefragten Personen
(Kanzlistinnen bei der Gemeindeverwaltung von Vaz/Obervaz und beim
kantonalen Verwaltungsgericht, ein Anwalt und der Gemeindepräsident
von Vaz/Obervaz) vertrat die Auffassung, die Beschwerdefrist ende
am 11. September 1987. Auch konnte der Beschwerdeführer aufgrund der
gelben Abholscheine, mit welchen die Post ihm anzeigte, es sei eine
eingeschriebene Briefpostsendung eingetroffen, nicht erkennen, dass diese
vom Gemeindevorstand von Vaz/Obervaz stammte, denn auf den Zetteln wird
nur der Aufgabeort, nicht aber der Absender vermerkt. Selbst wenn sich
herausstellen sollte, dass der Beschwerdeführer in der fraglichen Zeit von
Vaz/Obervaz keine anderen eingeschriebenen Postsendungen erhielt oder zu
erwarten hatte, so ginge es doch wohl zu weit, ihm den sonst berechtigten
Vertrauensschutz nur deshalb zu verweigern, weil er aufgrund anderer
Umstände wusste oder hätte wissen müssen, dass der Gemeindevorstand
von Vaz/Obervaz versucht hatte, ihm den Entscheid vom 12. August 1987
zuzustellen. Allein ein solches Wissen ist nicht geeignet, das durch die
vorbehaltlose Rechtsmittelbelehrung vom 8. September 1987 begründete
Vertrauen zu zerstören, denn es enthält keine Elemente, aufgrund
derer die erteilte Auskunft als falsch hätte erkannt werden müssen.
Auch die letzte Voraussetzung für die Anwendung des Vertrauensschutzes ist
erfüllt: Der Beschwerdeführer hatte im Vertrauen auf die Richtigkeit der
Rechtsmittelbelehrung, die ihm am 8. September 1987 mit der Kenntnisnahme
des Entscheides vom 12. August 1987 erteilt worden war, gehandelt und
seine Eingabe innerhalb der zwanzigtägigen Rekursfrist am 24. September
1987 beim Verwaltungsgericht eingereicht.

    c) Zusammenfassend ist festzustellen, dass durch die erneute
Zustellung des Entscheides vom 12. August 1987, welcher eine
vorbehaltlose Rechtsmittelbelehrung enthielt, die Rechtsmittelfrist bis
zum 28. September 1987 verlängert worden ist. In diesem Sinne ist die
zu absolut formulierte Aussage in BGE 111 V 101 E. 2b zu relativieren:
Grundsätzlich beginnt die Rechtsmittelfrist mit Ablauf der siebentägigen
Abholfrist; sie kann sich aber gestützt auf den verfassungsmässigen
Anspruch auf Vertrauensschutz dann verlängern, wenn noch vor ihrem
Ende eine entsprechende vertrauensbegründende Auskunft erteilt wird. Ob
dasselbe auch gelten muss, wenn die Auskunft erst nach Ablauf der regulären
Rechtsmittelfrist erfolgt, braucht hier nicht entschieden zu werden.

    d) Gegen dieses Ergebnis lässt sich nicht einwenden, der
Beschwerdeführer könne sich deshalb nicht mehr auf ein schützenswertes
Vertrauen berufen, weil er es unterlassen habe, dem Gemeindevorstand von
Vaz/Obervaz seine Abwesenheit mitzuteilen. Damit würde dem Beschwerdeführer
ein Unterlassen zum Vorwurf gemacht, das nicht unmittelbare Ursache
dafür gewesen war, dass die vertrauensbegründende Aussage erfolgte. Der
Gemeindevorstand von Vaz/Obervaz wusste spätestens dann, als die Sendung
zum ersten Mal als "nicht abgeholt" zurückkam, d. h. am 24. August
1987, dass der Beschwerdeführer abwesend war und dass der Entscheid
grundsätzlich als zugestellt zu gelten hatte. Wenn er diesen dem
Beschwerdeführer trotzdem ohne Vorbehalt bezüglich der darin enthaltenen
Rechtsmittelbelehrung noch zweimal zusandte und schliesslich noch innerhalb
der regulären Frist am 8. September 1988 zur Kenntnis bringen konnte,
so schuf er damit ein berechtigtes Vertrauen, das mit dem vorgängigen
Unterlassen des Beschwerdeführers nicht in derart enger Beziehung steht,
dass jenes durch dieses zerstört würde.

Erwägung 5

    5.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist die private
Beschwerdegegnerin, die Rothornbahn und Scallotas AG, die einen Antrag auf
Nichteintreten bzw. auf Abweisung gestellt hat, als unterliegende Partei
im Sinne von Art. 156 Abs. 1 OG zu betrachten. Sie hat deshalb die Kosten
des Bundesgerichts zu tragen. Der Beschwerdeführer ist vor Bundesgericht
durch keinen Anwalt vertreten. Sowohl seine Auslagen wie auch sein
persönlicher Arbeitsaufwand dürfte nicht derart erheblich gewesen sein,
dass sich deshalb eine Umtriebsentschädigung rechtfertigen würde. Er hat
deshalb keinen Anspruch auf Parteientschädigung gemäss Art. 159 Abs. 1 OG
(BGE 110 V 82 E. 7).