Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 V 2



114 V 2

2. Auszug aus dem Urteil vom 16. März 1988 i.S. V. gegen Ausgleichskasse
des Basler Volkswirtschaftsbundes und Kantonale Rekurskommission für die
Ausgleichskassen, Basel Regeste

    Art. 9 Abs. 1 AHVG, Art. 17 lit. c und Art. 20 Abs. 3 AHVV:
Kommanditgesellschaft; beitragsrechtliche Stellung der Erben eines
Komplementärs. Wenn eine Kommanditgesellschaft infolge Todes eines
Komplementärs in das Liquidationsstadium tritt, wird dessen Erbe
Mitglied der Liquidationsgesellschaft und damit für die Dauer des
Liquidationsstadiums als Selbständigerwerbender beitragspflichtig
(Bestätigung der Rechtsprechung).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Zu beurteilen ist, ob der beschwerdeführende Komplementär Bernard
V. auf den von der Kommanditgesellschaft V. & Co. an Catherine B.-V.
ausgerichteten Entgelten persönliche Sozialversicherungsbeiträge zu
entrichten hat. Dabei ist aufgrund der Akten davon auszugehen, dass allein
diese Entgelte Gegenstand der angefochtenen sechs Nachzahlungsverfügungen
vom 27. September 1985 sind und der Grund für deren Ausrichtung in der
erbrechtlichen Beteiligung am Nachlass liegt.

    a) Eduard V., Vater des Beschwerdeführers, hatte bis zu seinem
Tod am 9. Mai 1976 als Komplementär der Kommanditgesellschaft
V. & Co. angehört. Sein Privatvermögen und seinen Anteil am
Gesellschaftsvermögen teilten seine drei Kinder Catherine B.-V., Bernard
V. und Jean Nicolas V. mit Erbteilungsvertrag vom 21. September 1983
u.a. in der Weise, dass der Liegenschaftsbesitz der V. & Co. an der
R.-Strasse in Basel rückwirkend per 9. Mai 1976 ins Privatvermögen von
Jean Nicolas V., bis dahin Kommanditär der Gesellschaft, und Catherine
B.-V. samt Erträgen (inkl. Zins) zwischen dem 10. Mai 1976 und Ende 1982
überführt wurden.

    Am 21. Juni 1985 meldete die Steuerverwaltung Basel-Stadt der
Ausgleichskasse für die Miterbin Catherine B.-V. "Einkommen aus V. &
Co." für die Jahre 1977 bis 1982 unter Angabe des im Betrieb investierten
Eigenkapitals. Diese auf Catherine B.-V. lautenden Steuermeldungen
erachtete die Ausgleichskasse mit der von der Vorinstanz übernommenen
Begründung insofern als unrichtig und damit nicht als verbindlich im
Sinne von Art. 23 Abs. 4 AHVV, als sie zwar ein im Betrieb arbeitendes
Eigenkapital für Catherine B.-V. ausweisen würden, diese aber zu keinem
Zeitpunkt Gesellschafterin der V. & Co. gewesen sei; soweit Catherine
B.-V. der Gesellschaft Geld zur Verfügung stelle, geschehe dies in
Form eines Darlehens. Ausgleichskasse und Vorinstanz kamen daher zum
Schluss, die von der V. & Co. an Catherine B.-V. aufgrund der Erbteilung
weitergegebenen "Einkommensteile" seien gemäss Rz. 68 der Wegleitung
über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen
(gültig ab 1. Januar 1980) dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als
Komplementär als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit anzurechnen.

    b) Der Tod eines Komplementärs ist ein Auflösungsgrund der
Kommanditgesellschaft mit der Folge, dass die Gesellschaft in das
Liquidationsstadium tritt (BGE 100 II 379 oben mit Hinweisen). Dabei nehmen
der Erbe oder die Erbengemeinschaft die Rechtsstellung des verstorbenen
Gesellschafters ein und werden Mitglieder der Liquidationsgesellschaft
(VON STEIGER, Die Personengesellschaften, in Schweizerisches Privatrecht,
Bd. VIII/1, S. 423, 453 f.). Trotz Eintritt eines Auflösungsgrundes
ist die Fortsetzung der Gesellschaft zulässig. So kann beim Tod eines
Gesellschafters vereinbart sein oder werden, dass die Gesellschaft zwischen
den übrigen Gesellschaftern oder zusammen mit den oder einzelnen Erben
des ausgeschiedenen Teilhabers fortgesetzt werde (Art. 598 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 557 Abs. 2 und Art. 545 Abs. 1 Ziff. 2 OR; BGE 100 II
378 Erw. 2a am Ende mit Hinweisen; VON STEIGER, aaO, S. 423 ff.; vgl. auch
MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss des Schweizerischen Gesellschaftsrechts,
4. Aufl., 1981, S. 234, § 10 N. 9 und 10).

    In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht hat das Ausscheiden
eines Gesellschafters infolge Todes entsprechende Auswirkungen auf
die Beitragspflicht seiner Erben. Tritt ein Erbe für den Erblasser
als Gesellschafter ein und wird mit ihm zusammen die Gesellschaft
weitergeführt, so hat er mit dem Einsatz seiner Person an der
Personengesamtheit teil. Damit ist er unabhängig von einer allfälligen
persönlichen Arbeitsleistung als Selbständigerwerbender beitragspflichtig
(Art. 17 lit. c in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 AHVV; ZAK 1986 S. 459
mit Hinweisen). Wenn die Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben nicht
vereinbart ist oder wird und die Gesellschaft ins Liquidationsstadium
tritt, wird der einzelne Erbe Mitglied der Liquidationsgesellschaft. In
dieser Eigenschaft ist der Erbe für die Dauer des Liquidationsstadiums als
Selbständigerwerbender beitragspflichtig (EVGE 1958 S. 14 Erw. 1; nicht
veröffentlichtes Urteil P. vom 26. Mai 1970). Daran ändert auch nichts,
wenn die Gesellschaft während des Liquidationsstadiums rückwirkend auf
den Todestag des Gesellschafters aufgelöst wird oder der Erbe rückwirkend
von der Gesellschaft abgefunden wird. Für die Zeit bis zum Abschluss der
entsprechenden Vereinbarung bleibt der Erbe als Selbständigerwerbender
beitragspflichtig (erwähntes Urteil P. vom 26. Mai 1970).

    c) Aufgrund der Akten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass beim Tod
des Eduard V. am 9. Mai 1976 eine Vereinbarung bestand oder abgeschlossen
wurde, wonach die Kommanditgesellschaft V. & Co. mit Catherine B.-V. als
Gesellschafterin fortgesetzt werde. So hat die Vorinstanz bereits in ihrem
Entscheid vom 18. Oktober 1984 festgestellt, nach dem Tode von Eduard
V. habe Einigkeit darüber bestanden, dass der Beschwerdeführer den Betrieb
allein weiterführen und seine Geschwister abfinden werde. Hiefür spricht
auch die per Todestag rückwirkende Abfindung im Erbteilungsvertrag vom
21. September 1983. Danach erhielt Catherine B.-V. vom Abfindungsanspruch
gegen die V. & Co. einen 2/5-Miteigentumsanteil an der Liegenschaft
R.-Strasse samt 2/5 Anteil des Ertrages vom 10. Mai 1976 bis Ende 1982
(inkl. Zinsen). Gestützt darauf ergibt sich, dass die Kommanditgesellschaft
V. & Co. mit dem Tod des Komplementärs Eduard V. am 9. Mai 1976 in
das Liquidationsstadium trat. Damit war Catherine B.-V. als Erbin
seit dem Tode ihres Vaters Teilhaberin der Liquidationsgesellschaft
und damit Selbständigerwerbende. Als Ende des Liquidationsstadiums
ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte in den Akten der Abschluss des
Erbteilungsvertrages am 21. September 1983 zu betrachten. Entsprechend ist
Catherine B.-V. - und nicht der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft
als Komplementär - beitragspflichtig für die ihr während der Dauer
des Liquidationsstadiums aus der V. & Co. zugeflossenen Einkünfte. Der
Auffassung von Vorinstanz und Ausgleichskasse, Catherine B.-V. sei zu
keinem Zeitpunkt Gesellschafterin der V. & Co. gewesen und habe dieser
ihr Geld in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellt, kann daher nicht
gefolgt werden. Da Catherine B.-V. Erträge aus den Liegenschaften nur bis
Ende 1982 zugeflossen sind, trat Ende 1987 gemäss Art. 16 AHVG hinsichtlich
ihrer persönlichen Sozialversicherungsbeiträge die Verwirkung ein,
zumal die an den Beschwerdeführer gerichteten Nachzahlungsverfügungen vom
27. September 1985 gegenüber ihr nicht als rechtsgenügliche Geltendmachung
der Beiträge angesehen werden können.

    d) Nach dem Gesagten hat die Ausgleichskasse zu Unrecht die an
Catherine B.-V. aus der V. & Co. aufgrund der Erbteilung ausgerichteten
Entgelte als Einkommen des Beschwerdeführers betrachtet, weshalb die
sechs Nachzahlungsverfügungen vom 27. September 1985 aufzuheben sind.