Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IV 81



114 IV 81

25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Dezember 1988 i.S. T.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 2 Abs. 2 StGB, Art. 39 Abs. 2, 58 Abs. 1 JVG, Art. 17 Abs. 1
lit. a, 20 Abs. 1 BG über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere
und Vögel vom 20. Juni 1986; lex mitior beim Zusammentreffen von Haupt-
und Nebenstrafen.

    Bei der Bestimmung des milderen Rechts ist in erster Linie auf die
angedrohten Hauptstrafen abzustellen; allfällige Nebenstrafen sind nur
bei Gleichheit der Hauptstrafen zu berücksichtigen.

Sachverhalt

    A.- Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden verurteilte T. am
17. August 1988 wegen wiederholten vorsätzlichen Erlegens geschützten Gems-
und Rehwilds zu einer Busse von Fr. 600.-- und schloss ihn für die Dauer
von fünf Jahren von der Jagdberechtigung aus.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer bringt vor, auf den 1. April 1988 sei das
Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel
(nJVG) vom 20. Juni 1986 in Kraft getreten, dessen Art. 20 im Vergleich
zu Art. 58 Abs. 2 (recte: Abs. 1) aJVG milder sei. Die Vorinstanz habe
Art. 2 Abs. 2 StGB verletzt, indem sie hinsichtlich des Ausschlusses von
der Jagdberechtigung nicht Art. 20 nJVG angewandt habe.

    b) Nach dem Grundsatz der lex mitior ist auf die Tat sowohl das alte
als auch das neue Recht anzuwenden und durch Vergleich der Ergebnisse
festzustellen, nach welchem Recht der Täter besser wegkommt (BGE 68 IV
130 f. E. 1 mit Hinweis). Im vorliegenden Fall drohte das alte Recht mit
einer Busse von 300 bis 800 Franken (Art. 39 Abs. 2 aJVG), während das
neue Busse bis zu 40'000 Franken oder Gefängnis bis zu einem Jahr vorsieht
(Art. 17 Abs. 1 lit. a nJVG i.V.m. Art. 48 Abs. 1 StGB). Demgegenüber wurde
der Strafrahmen hinsichtlich des Ausschlusses von der Jagdberechtigung
von 3 bis 10 Jahren (Art. 58 Abs. 1 aJVG) auf 1 bis 10 Jahre gemildert
(Art. 20 Abs. 1 nJVG).

    Bei der Bestimmung des milderen Rechts ist in erster Linie auf
die Hauptstrafen abzustellen, und allfällige Nebenstrafen sind nur bei
Gleichheit der Hauptstrafen zu berücksichtigen (h.M. in Deutschland,
vgl. RUDOLPHI, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 1,
Allg. T., § 2 N 12; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, 22. Aufl., § 2 N 30). Diese
klare und einfache Lösung verträgt sich auch mit dem Sanktionensystem des
Strafgesetzbuches, wonach zunächst eine Hauptstrafe oder eine Massnahme
auszusprechen ist und nur in Ausnahmefällen zusätzlich eine Nebenstrafe mit
besonderer Zielsetzung (z.B. Schutz der Gemeinschaft (Landesverweisung),
des einzelnen (Entziehung der elterlichen Gewalt und der Vormundschaft)
oder des Täters vor sich selbst (Wirtshausverbot)) verhängt wird.

    c) Gemäss Art. 39 Abs. 2 aJVG wird mit Busse von 300 bis 800 Franken
bestraft, wer geschütztes Reh- oder Gemswild widerrechtlich erlegt. Art. 17
Abs. 1 lit. a des neuen Jagdgesetzes bedroht das vorsätzliche Töten
geschützter Tiere mit Busse oder Gefängnis bis zu einem Jahr. Da das aJVG
hinsichtlich der Hauptstrafe für den Beschwerdeführer das mildere Recht
darstellt, ist es vorliegend zu Recht angewandt worden. Damit folgt
auch die Nebenstrafe dem alten Recht (siehe E. b hievor). Dem Antrag
des Beschwerdeführers, die Hauptstrafe nach altem und die Nebenstrafe
nach neuem Recht festzulegen, kann nicht stattgegeben werden, weil die
kombinierte Anwendung beider Gesetze dem Sinn des Art. 2 StGB widerspricht
(BGE 68 IV 130 f. E. 1 mit Hinweis).